Bettkantengeschichten - Gerburg Rohde-Dahl / Rudolf Fischer / Heide Wlazik u.a. (1983-1990) [TV-Serie]

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Re: Bettkantengeschichten - Gerburg Rohde-Dahl / Rudolf Fischer / Heide Wlazik u.a. (1983-1990) [TV-Serie]

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Episode 18: Im kalten Winter nach dem Krieg

„Die Wegwerfzeiten sind endgültig vorbei!“

Onkel Olaf (Jörg Hube, „Heimat – Eine Chronik in elf Teilen“) will leere Weinflaschen in den Restmüll werfen und wird dafür von Großmutter gerügt – schließlich könne man die noch gebrauchen; und dass man nichts, was man noch gebrauchen könnte, wegwerfen sollte, habe doch der kalte Winter nach dem Krieg gezeigt. Die kleine Sabine (Julia Grupp, „Smaragd“) interessiert sich dafür, wie es nach dem Krieg war. Oma bringt sie ins Bett, Olaf setzt sich dazu, und Oma beginnt, aus dessen Kindheit zu erzählen… Die kommentierte Schwarzweiß-Rückblende zeigt den harten Frost damals, und dass sie nichts mehr zum Heizen hatten. Der Schieber Herr Tornow kommt zum Verhandeln: Gegen Torf zum Heizen verlangt er vier Reifen für seinen Lkw. Die damalige bittere Armut wird recht detailliert aufgezeigt, inklusive Kohlesammeln und das Pulen von Tabak aus aufgelesenen Kippenstummeln. Eine Stromsperre verschlimmert die Situation sogar noch. Olaf geht am nächsten Tag los und sucht nach Holz, findet aber keines. Nach der Hälfte der Erzählung übernimmt Olaf. Er habe ein musizierendes Paar auf der Straße angesprochen, das ihm geraten habe, zum Kohlehändler zu gehen. Leider habe auch dieser nichts für ihn gehabt. Bei einer teppichklopfenden Frau habe er aber die Reifen gefunden. Die Frau habe ebenfalls Torf benötigt, also habe er einen Plan entwickelt, von dem alle drei Parteien profitieren – was letztlich auch funktioniert habe. Zurück in der Gegenwart an Sabines Bett zeigt sich Olaf einsichtig und beschließt, die Weinflaschen zu behalten.

Ob es sinnvoll ist, leere Weinflaschen zu horten, statt sie dem Altglas und somit der Wiederverwertung zuzuführen, sei einmal dahingestellt, aber Differenzierung ist die Sache dieser Episode, diesem Plädoyer gegen die Wegwerfgesellschaft, sicher nicht. Böse Zungen könnten gar behaupten, hier würden schon die Kleinsten mit dem Holzhammer zu Messies erzogen. So weit würde ich nicht gehen; dass hier abermals der Nachkriegsholzhammer kreist, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Mich beschleicht der Eindruck, die Autorinnen und Autoren dieser Serie hätten zuweilen vielmehr ihre eigenen Traumata aufgearbeitet, statt in erster Linie die Kinderpädagogik im Blick zu haben. Die Frequenz, mit der Kinder hier mit den schlimmen Zeiten in Armut und Elend konfrontiert werden, droht bald für Abstumpfung statt Sensibilisierung zu sorgen, und bereits der Titel dieser Episode – „Im kalten Winter nach dem Krieg“ – ist derart unheilschwanger, dass fraglich ist, welches Kind sich dafür freudig vor der Flimmerkiste einfand.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Bettkantengeschichten - Gerburg Rohde-Dahl / Rudolf Fischer / Heide Wlazik u.a. (1983-1990) [TV-Serie]

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Episode 19: Mi wie Milch

„So was Blödes – alles nass geworden!“

Tina (Antje Primel) versteckt sich im Bad vor ihrem Vater Michael (Hans Peter Hallwachs, „Nach Mitternacht“). Ihre Schuhe, Socken usw. sind im Matsch nassgeworden. Man sieht sie zunächst gar nicht und sie will auch nicht mit der Sprache herausrücken, was passiert ist. Daraufhin erzählt ihr ihr Vater durch die geschlossene Badezimmertür, was ihm einst mit Milch passiert ist. Die kommentierte Rückblende zeigt ihn, wie er als Kind (Philipp Glatzeder, „Spreepiraten“) mit seiner Mutter in eine andere Stadt gezogen war. Für den Vermieter musste er immer Milch in einer Kanne kaufen gehen. Das Milchgeld bewahrte er zusammen mit rotem Brausepulver in der Hosentasche auf. Auf dem Weg zum Milchladen versuchte er, Bekanntschaften zu schließen, und traf dabei auf eine Gruppe schrottsuchender Kinder. Er wollte ihnen helfen, doch sie jagten ihn fort. Als er einen Liter Milch für 33 Pfennig erwarb, stellte er fest, dass sich das Geld dummerweise in der Kanne befand – unter der nun bereits eingefüllten Milch. Eine Kundin behauptete, sie zurückschütten sei wegen des schmutzigen Gelds unhygienisch. Ein weiterer Kunde versuchte, das Geld mit einem Magneten herauszufischen, doch dies verhinderte der Stoffbeutel, in dem sich das Geld befand. Daraufhin wusch sich der Händler vor Zeugen den Arm, um in die Milch greifen zu dürfen, blieb aber mit dem Arm in der Kanne stecken. Tina unterbricht die Erzählung und fragt verständlicherweise, weshalb die Milch nicht einfach temporär umgefüllt worden sei – ein berechtigter Einwand, auf den Michael entgegnet, dass damals niemand darauf gekommen sei. Sie glaubt ihm seine Geschichte nicht, verplappert sich aber dabei, dass ihr ein Missgeschick geschehen sei. Sie verlässt das Badezimmer und zeigt sich nun. Als Michael mit einem Beweisfoto zurückkommt, verschwindet sie aber schnell wieder im Bad. Ihr Vater schiebt ihr das Foto unter der Tür durch, das Tina jedoch nicht als Beweis akzeptiert. Also erzählt er weiter, die Rückblende wird wiederaufgenommen: Alle erschrocken sich, weil das Brausepulver die Milch rot färbte. Er wollte sie gerade wegschütten, als ihm die schrottsammelnden Kinder wieder begegneten. Diese zeigten sich begeistert von der Brausepulvermilch, die sie ihm für 70 Pfennig abkauften. Gemeinsam tranken sie die Milch aus. Zu Hause wurde mit seinen neuen Freunden ein Foto geschossen – jenes, das er Tina gezeigt hatte. Tina verlässt nun wieder das Bad und eröffnet ihrem Vater, dass ihr der Fotofilm, den sie für ihn zum Entwickeln geben sollte, in eine Pfütze gefallen sei. Das sei gar nicht schlimm, entgegnet Michael, und wirft den Film zum Beweis ins mit Wasser gefüllte Waschbecken.

Eine schöne Geschichte über Pleiten, Pech und Pannen, aber auch über Nachsicht und die Kunst, das Beste aus unvorhergesehenen Situationen zu machen. Die Erwachsenen in der Rückblende spielen gut und leicht komödiantisch mit. Kindern wird vermittelt, dass versehentliche Missgeschicke kein Grund sind, sich ängstlich oder vom schlechten Gewissen geplagt zu verstecken, und die Elterngeneration bekommt Tipps zum richtigen Umgang damit auf den Weg, der aus allem, nur nicht aus Schimpfen und Sanktionen besteht. Nebenbei wird einmal mehr die für Kinder nicht immer leichte Situation nach einem Umzug thematisiert, eine Zeit, in der es gilt, neue Freundschaften zu schließen – auch wenn die anderen Kinder zunächst abweisend reagieren. Und nostalgisch dürften ein mitguckendes älteres Publikum die Einblicke in eine längst vergangene Zeit stimmen, in der man mit einer Milchkanne loszog, um für einen Pfennigbetrag frische Milch zu besorgen…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Episode 20: Alles für die Katz

Der kleine Kemal übernachtet bei seinem Freund Frederik. Auf ausdrücklichen Wunsch erzählt Frederiks Mutter Gaby den beiden die Geschichte von der Katze Mieke, die in einer kommentierten Schwarzweiß-Rückblende gezeigt wird: Als Kind (Maren Thomsen), ungefähr im Alter Kemals und Frederiks, kümmerte sie sich um die Katze einer alten Nachbarin. Als diese verstarb, erzählte ihr der Hausmeister, dass neue Mieter einziehen werden. Daraufhin nahm sie Mieke mit zu sich und ihren Eltern. Nachts jammerte Mieke kläglich, sodass ihre Eltern nicht schlafen konnten. Mieke konnte sich einfach nicht an ihr neues Zuhause gewöhnen. Ihr Vater beschloss daher, die neuen Mieter zu fragen, ob sie Mieke übernehmen würden. Diese entpuppten sich als siebenköpfige türkische Familie. Der Hausmeister fürchtete die Sprachbarriere und trommelte so lange andere Hausmeister zusammen, bis er die Hausordnung auf Türkisch an die Wand nageln konnte. Als er diese verlas und zum Passus gelangte, der Kindern das Spielen auf dem Hof untersagt, merkte sie an, dass er wohl spinnen müsse. Doch bekam sie auch eine interessante Idee: Sie vermaß mit ihren Armen beide Wohnungen und schlug ihren Eltern vor, die Räumlichkeiten mit den neuen Mietern zu tauschen – doch Mutti und Vati lehnten ab. Daraufhin malte sie in der noch leerstehenden Wohnung einen Hexenkreis auf den Fußboden und versuchte es mit Magie. Die neuen türkischen Nachbarskinder lernte sie am nächsten Tag kennen, und siehe da: Sie brachten Katzenkinder mit, um die sich Mieke gleich kümmerte. Damit ging Mieke in einer neuen Rolle als Adoptivkatzenmutter auf, für die sie in ihrer alten Wirkungsstätte bleiben konnte.

Diese wunderschöne, warmherzige Episode ist eine meiner favorisierten der Reihe, bietet sie doch neben Cat Content einen integrativen Migrationskommentar, sensibilisiert beiläufig für den Wohnungsmarkt, wenn eine siebenköpfige Familie eine zuvor von einer einzelnen Seniorin bewohnten Wohnung bezieht, und nimmt typisch deutsche, spießige Kinderfeindlichkeit aufs Korn. Sogar für den Gruselfaktor ist mit Gabys Experiment in Hexenmagie gesorgt. Einziger Wermutstropfen ist die Farblosigkeit der Rückblende. Da es sich um keine unmittelbare Nachkriegsgeschichte handelt, hätte ich eine farbige Gestaltung bevorzugt, wenngleich das Schwarzweiß die Melancholie der um ihr Frauchen und ihr ehemaliges Heim trauernde Mieke betont.
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Re: Bettkantengeschichten - Gerburg Rohde-Dahl / Rudolf Fischer / Heide Wlazik u.a. (1983-1990) [TV-Serie]

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Die ersten 40 Episoden erscheinen voraussichtlich am 08.12.2023 bei OneGate noch einmal als 6-DVD-Box:

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