Bibi & Tina – Einfach anders - Detlev Buck (2022)
Moderator: jogiwan
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Bibi & Tina – Einfach anders - Detlev Buck (2022)
Originaltitel: Bibi & Tina - Einfach anders
Produktionsland: Deutschland 2022
Regie: Detlev Buck
Cast: Katharina Hirschberg, Harriet Herbig-Mattern, Kurt Krömer, Benjamin Weygand, Holger Stockhaus, Franziska Weisz, Emilia Nöth
Das Jahr 2020 bedeutete ein umfassendes Reboot des Bibi-&-Tina-Franchises. Nachdem Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll seit 2014 die pferdevernarrten Titelheldinnen verkörpert hatten, waren diese nach vier erfolgreichen Kinofilmen allein rein alterstechnisch aus ihren minderjährigen Rollen herausgewachsen. Bei der im April 2020 auf Amazon Prime startenden BIBI-&-TINA-Serie führte zwar, wie in sämtlichen Kinofilmen zuvor, erneut Detlev Buck Regie, vor der Kamera indes hatte man den kompletten Cast ausgetauscht: Nicht nur Biba und Tina werden nunmehr von den Newcomerinnen Katharina Hirschberg und Harriet Herbig-Mattern gespielt, auch bei sämtlichen Erwachsenenfiguren wie Bibis Mutter Susanne oder Graf Falko von Falkenstein griff man nicht auf die etablierte Darstellerriege zurück. Trotz alldem verbuchte die erste Staffel mit insgesamt zehn Episoden genügend Klickzahlen, dass bereits im Sommer 2021 mit den Dreharbeiten zu einem weiteren Bibi-&-Tina-Blockbuster begonnen wurde, natürlich mit Buck auf dem Regiestuhl und nunmehr dem kompletten Serienensemble auf der großen Leinwand. Da ich von der Serie bislang keine einzige Folge gesehen habe, kann ich nicht sagen, inwieweit sich der Kinofilm qualitativ von derselben unterscheidet. Als Referenzobjekte dienen mir einzig die vier vorherigen Bibi-&-Tina-Vehikel – und ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass das Alter auch an mir nicht spurlos vorüberzieht, dass ich BIBI & TINA – EINFACH ANDERS! doch wesentlich unter dem Niveau seiner Vorgänger verorten muss, oder ob es sich bei diesem fünften Streich tatsächlich um eine reichlich unausgegorene, inhaltlich zudem stellenweise durchaus problematische Angelegenheit handelt…
Das Drehbuch aus der Feder von Bettina Börderding, die bereits die Storys für alle vier Vorgängerstreifen geliefert hat, vermengt im Grunde drei relativ eigenständige Geschichten zu einer ziemlich heterogenen Masse, bei der sich ein roter Faden partout nicht einzustellen vermag: Zunächst erhält der Martinshof Besuch von drei eigentümlichen, wenn nicht gar schwererziehbaren Halbwüchsigen, die offenbar von ihrer Erzieherin für die Ferienzeit dort zwischengeparkt werden, damit diese selbst einmal einen unbeschwerten Urlaub genießen kann. Namentlich handelt es sich bei dem Trio um a) Spooky, eine Nerd-Prinzessin mit Hornbrille, die felsenfest davon überzeugt ist, dass die Landung von Außerirdischen kurz bevorsteht, b) Silence, einen dunkelhäutigen Bub, der offenkundig an diversen Traumata zu knabbern hat und seit geraumer Zeit kein Wort mehr spricht, und c) Disturber, ein Mädchen der Marke Systemsprenger, das durch sein Outfit, seine kurzgeschorenen Haare, seine ostentativ zur Schau getragene Rebellinnen-Attitüde einen pausenlosen Provokationskurs fährt. Während Bibi und Tina, die ihre Tage wie eh und je zwischen Ausritten, kleineren Hexereien und den üblichen Teenie-Problemen auf dem Pferdehof verbringen, mit Spooky und Silence noch am ehesten klarkommen, da erstere sowieso die meiste Zeit damit beschäftigt ist, vermeintlichen UFO-Sichtungen nachzuspüren, und zweiterer seine Kommunikation ja sowieso auf ein Minimum beschränkt, geraten sie schnell mit Disturber aneinander, die mit dem Heile-Welt-Getue unserer Heldinnen überhaupt nichts anzufangen weiß, und Bibi und Tina kurzerhand den Krieg erklärt.
In einem zweiten, ausgesprochen bizarren Erzählstrang erfahren wir, dass Spookys Affinitäten für extraterrestrisches Leben durchaus eine solide Grundlage besitzen: Gleich zu Beginn von EINFACH ANDERS! nämlich ist ein Meteoritenhagel auf den Martinshof und Gut Falkenstein niedergegangen. Mehr noch: Tatsächlich hat es auch einen Außerirdischen auf unsren blauen Planeten herabgeregnet, –ein permanent fiependes, piependes, zischelndes Geschöpf, das aussieht wie eine Mischung aus Godzillas Sohn in seinen unbeholfensten Momenten, einem Pappmaché-Monstrum irgendeines beliebigen B- oder C-Horror der 50er und 60er Jahre sowie einer Ansammlung von Altmetall, bei dem ich mir nicht vorstellen kann, dass es von Buck & Co. nicht als Hommage auf klassischen Science-Fiction-Trash – und damit absolut (selbst)ironisch – gedacht gewesen ist. Besagtes Geschöpf stolpert über weite Laufzeitstrecken tollpatschig durch die Postkartenlandschaft rund um Bibis und Tinas Zuhause, muss sich vor Sondereinsatzkommandos verstecken, die ausschwärmen, um seiner habhaft zu werden, und liefert letztlich auch den Nährboden für Bucks ganz eigene Aufarbeitung von Corona-Pandemie, Querdenker-Demos und Fake-News-Overload: Schon TOHUWABOHU TOTAL setzte sich 2017 ja offensiv mit Themen wie Rechtspopulismus und Flüchtlingskrise auseinander, nunmehr sind es Verschwörungsideologien, die in EINFACH ANDERS! um sich greifen und selbst auf dem Martinshof und Gut Falkenstein Freunde und Familien auseinanderdividieren – und ganz nebenbei verhandelt der Film dann auch noch, wie Nachrichtenfalschmeldungen zu Manipulationszwecken gezielt in Umlauf gebracht werden und irgendwann so sehr zum Selbstläufer werden, dass sie die ursprünglichen Wahrheiten vollkommen überlagern.
All das findet jedoch nur in einem etwas größeren Seitenplot statt, denn eigentlich geht es in EINFACH ANDERS! die meiste Zeit um folgendes Verwirrspiel: Graf Falko von Falkenstein, zu dessen Grund und Boden der Martinshof gehört und dessen Sohn Alexander der beste Freund von Bibi und Tina ist, erfährt eines Tages, dass er angeblich als Säugling vertauscht worden sein soll, sprich, eigentlich gar kein Adelsrecht besitze. Stattdessen nimmt ein gewisser V. Archer (sic!) seinen Platz ein – ein schmieriger Unsympath, der vorgibt, der wahre Erbe Falkensteins zu sein, und diese Behauptung mit zunächst authentisch scheinenden Dokumenten zu untermauern weiß. Obwohl Falko einen DNA-Test in Angriff nimmt, muss er das Schloss doch erstmal räumen, und sieht sich von einem Tag zum nächsten vom betuchten Lebemann auf die Position eines gewöhnlichen Landarbeiters herabgesetzt, der sich nunmehr zusammen mit Bibi und Tina als Erntehelfer verdingt, ohne dass ihm dabei freilich sein treuer Butler Dagobert von der Seite weichen würde. Unterdessen macht sich der übrigens von Kurt Krömer gespielte V. Archer im Schloss Falkenstein zu schaffen, verschenkt kostbare Kunst- und Gebrauchsgegenstände an herbeigelaufene Kinder, zertrümmert auch schon mal aus purer Zerstörungslust Teile des luxuriösen Mobiliars – und schnell wird klar, dass es ihm um einen ganz persönlichen Rachefeldzug gegen Graf Falko geht. Tatsächlich finden die Hobbydetektivinnen Bibi und Tina, noch bevor der DNA-Test bestätigt, dass in Falkos Adern wirklich das Blut derer von Falkenstein fließt, heraus, dass es sich bei V. Archer um jemanden aus Falkos Vergangenheit handelt, der mit diesem schon seit Ewigkeiten ein Hühnchen rupfen möchte…
Gewiss, EINFACH ANDERS! tritt ästhetisch, strukturell, inszenatorisch durchaus in die Fußstapfen seiner Vorläufer: Hirschberg und Herbig-Mattern sehen ihren Rollenvorgängerinnen nicht nur derart frappierend ähnlich, dass ich anfangs zweimal hinschauen musste, um sicher zu sein, dass es nicht doch Strahl und Koroll sind, die man möglicherweise per KI künstlich verjüngt hat, auch sonst recycelt der Streifen etliche sattsam bekannte Motive. Da haben wir einen völlig überzeichneten Bösewicht, dessen vermeintliches Steinherz gegen Ende immer mehr aufweicht, bis er sich von seiner verletzlichsten Seite zeigt; da haben wir wild eingestreute Musical-Einlagen, bei denen die Figuren plötzlich aus ihren Rollen fallen und ebenso überzogene Tanz- und Gesangseinlagen zum Besten geben; da sind, wie gesagt, zarte gesellschaftspolitische Subtexte zu entdecken, die sich kindgerecht an Themen der jüngeren Zeitgeschichte abarbeiten. Dennoch sprang der Funke bei mir nie so sehr über wie bei den vier Vorgängerfilmen, (von denen ich allerdings auch schon TOHUWABOHU TOTAL mit seinem unbedingten Willen, so viel Tagespolitik wie möglich zur Sprache zu bringen, stückweise extrem bemüht fand.) Ein Problem ist es sicher, dass EINFACH ANDERS! den Eindruck der Oberflächlichkeit erweckt. Es wirkt fast, als würde das Drehbuch all die angerissenen Sujets niemals konsequent durchdenken, es vielmehr bei einem sachten Antippen belassen, (so wie sich ja auch die drei Storybausteine für mich niemals zu einem sinnigen Gesamtgebäude zusammenfügten.)
Nehmen wir zum Beispiel das Thema Diversität: Das Motto des Films ist durchaus programmatisch zu verstehen, wenn Bibi, Tina und ihre neuen Freunde das Anderssein nicht zuletzt im ohrwürmigen Titelsong auf jedweder Ebene als erstrebenswertes Lebensziel feiern: Be different!, steh zu Deinen Überzeugungen, zu all dem, mit dem Du Dich vom Mainstream absetzt! Interessanterweise endet ein Hinterfragen des Status Quo in EINFACH ANDERS! aber dort, wo es um solche Dinge wie Erbrecht, Adelstitel, Blut und Boden geht. Gerade im Hinblick auf den Plot um Spooky, Silence und Disturber, der anhand dieser drei (außerordentlich schematischen) Charaktere ein Exempel an Diversity zu statuieren versucht, mutet die Storyline um Graf Falkos Abstieg vom Aristokraten zum Arbeiter umso konservativer an, da Bibi, Tina und alle übrigen Figuren die herrschenden Hierarchien zu keinem Zeitpunkt auch nur andeutungsweise in Frage stellen. Dass Graf Falko – wohlgemerkt aus rein biologischen Gründen, eben weil er von den richtigen, sprich, wohlhabenden Eltern abstammt – als Solitär über Gut und Ländereien regiert, ist ein Faktum, an dem es nichts zu rütteln gibt. V. Archer mag kurz als Störfaktor in die gottgegebene Ordnung funken, sobald der Störenfried versöhnt ist, kann Graf Falko seine Position an der Spitze der Pyramide wieder einnehmen, und die Welt ist im wahrsten Wortsinne wieder ins Lot gebracht. Auf der einen Seite plädiert EINFACH ANDERS! dafür, dass jeder das Recht habe, so zu sein, wie er oder sie sein möge, plädiert für Nerdtum, fackelt ein Plädoyer dafür ab, besser ein Freak zu sein statt ein glattgebügelter Normie; auf der anderen Seite endet das Anderssein, das der Film uns allen gestattet, aber an überkommenen und zudem allein per Abstammung legitimierten Besitzverhältnissen. Dieses Paradoxon muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Sei, wie Du sein willst!, - solange Du weiter die Kartoffeln für den Grafen erntest!
Tja, und was nun dieses unfassbar stilwidrige Alien mit der ganzen Chose zu tun hat, erschloss sich mir bis zuletzt nicht. Vielleicht wird die Frage ja dann in Teil Fünf beantwortet? EINFACH AUSSERIRDISCH!
Zuletzt geändert von Salvatore Baccaro am Do 6. Jul 2023, 10:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Bibi & Tina – Einfach anders - Detlev Buck (2022)
Herzlichen Dank, Salvatore - insbesondere für den vorletzten Absatz!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Bibi & Tina – Einfach anders - Detlev Buck (2022)
Sechster Teil, oder? Habe B&B ja immer nur sporadisch gesehen. Komplett glaube ich nur Teil Zwei und teilweise Drei, weil Töchterchen die Film-Serie liebt. Ich finde da dieses komplett over-the-top-out-of-this-world-Styling ja ziemlich unfassbar undSalvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Mi 5. Jul 2023, 22:36 Vielleicht wird die Frage ja dann in Teil Fünf beantwortet? EINFACH AUSSERIRDISCH!
als Bollywood in Deutschland Hommage ganz symapthisch und lustig. Die Songs kann ich glaube ich mittlerweile alle mit trällern, obwohl die meisten Filme wie gesagt nie gesehen. Die laufen hier in Dauerrotation. entweder aus den Boxen oder dem Munde des (weiblichen) Nachwuchses.Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Mi 5. Jul 2023, 22:36 da haben wir wild eingestreute Musical-Einlagen, bei denen die Figuren plötzlich aus ihren Rollen fallen und ebenso überzogene Tanz- und Gesangseinlagen zum Besten geben
Früher war mehr Lametta
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Re: Bibi & Tina – Einfach anders - Detlev Buck (2022)
Auf @Salvatore ist verlass
Er traut sich dort hin, wo noch nie ein Forianer_in zuvor war
Hier bei uns war besagter Film natürlich auch ein großes Thema, nicht nur der Figuren wegen, sondern weil ein Großteil des Films auch hier in der Vorharzgegend gedreht wurde.
Neben der Motorsport Arena Oschersleben gibt es auch im letzten Drittel des Films eine kurze "Panikszene" in Falkenstein
,
Und diese wurde dann direkt in der Historischen Altstadt meiner Heimatstadt , gerade vor der Haustür (die man sogar im fertigen Film ansatzweise sieht) meiner Schwiegereltern, gedreht
Der Film lief dann auch hier mich etwas Brimborium im örtlichen MutiplexKino.
leider hat er m.M. nach nicht ganz die Klasse der alten,ersten, B&T Filme, aber teilweise doch herrlich verrückt & abgedreht.
Daher würde ich auch nicht ganz so hart mit dem Film ins Gericht gehen wie der Wolfgang
Er traut sich dort hin, wo noch nie ein Forianer_in zuvor war
Hier bei uns war besagter Film natürlich auch ein großes Thema, nicht nur der Figuren wegen, sondern weil ein Großteil des Films auch hier in der Vorharzgegend gedreht wurde.
Neben der Motorsport Arena Oschersleben gibt es auch im letzten Drittel des Films eine kurze "Panikszene" in Falkenstein
,
Und diese wurde dann direkt in der Historischen Altstadt meiner Heimatstadt , gerade vor der Haustür (die man sogar im fertigen Film ansatzweise sieht) meiner Schwiegereltern, gedreht
Der Film lief dann auch hier mich etwas Brimborium im örtlichen MutiplexKino.
leider hat er m.M. nach nicht ganz die Klasse der alten,ersten, B&T Filme, aber teilweise doch herrlich verrückt & abgedreht.
Daher würde ich auch nicht ganz so hart mit dem Film ins Gericht gehen wie der Wolfgang