BIS ZUR BITTEREN NEIGE
● BIS ZUR BITTEREN NEIGE (D|A|1975)
mit Maurice Ronet, Suzy Kendall, Susanne Uhlen, Christine Wodetzky, Karl Renar, Balduin Baas,
Rudolf Fernau, Wolfgang Gasser, Herbert Prikopa, Manfred Spies und als Gast Ferdy Mayne
eine Gemeinschaftsproduktion der Roxy Film | GGB 1. KG | Wien Film | im Verleih der Constantin
nach dem gleichnamigen Roman von Johannes Mario Simmel
Ein Film von Gerd Oswald
»Ist Ihnen einmal aufgefallen, dass alle Mittel die das Leben erträglich machen, giftig sind?«
Paul Jordan (Maurice Ronet), der ehemalige Hollywood- und Musical-Star zog sich vom Show-Geschäft zurück und heiratete die Millionärin Joan (Suzy Kendall). Nach 15 Jahren Pause möchte er einen Comeback-Versuch starten, um sich vor allem seiner vereinnahmenden Frau zu entziehen und sich aus der erdrückenden Abhängigkeit zu befreien. Außerdem hat Paul eine Affäre mit seiner Stieftochter Shirley (Susanne Uhlen), und die häusliche Situation nimmt für ihn unerträgliche Formen an. Seine ehemalige Agentin verschafft ihm eine Rolle in einer kleineren Produktion die in Wien spielt, doch schnell stößt der ehemalige Star an seine Grenzen. Um den Stress zu bewältigen, konsumiert er Unmengen an Alkohol und lässt sich fragwürdige Substanzen von einem dubiosen Arzt namens Schauberg (Rudolf Fernau) verabreichen, doch der Kollaps ist vorprogrammiert. Paul sieht sich mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen konfrontiert. Als seine Frau und Shirley schließlich auch noch in Wien auftauchen, kommt es zur Katastrophe...
Im erlesenen Kreis der Simmel-Verfilmungen gilt Gerd Oswalds Adaption eher als Stiefmütterchen, genießt keinen besonders hohen Bekanntheitsgrad und leider auch keine große Wertschätzung. Die Reihe wurde zuvor von Alfred Vohrer zu seiner Domäne gemacht, der vor dieser Produktion sechs Romane des Bestseller-Autoren Simmel für die Roxy verfilmte. In "Bis zur bitteren Neige" merkt man im direkten Vergleich sehr deutlich, dass so einiges bezüglich der Umsetzung anders ist, doch das muss nicht unbedingt einen schwachen Film ausmachen. Ganz im Gegenteil, denn ich persönlich halte ihn aufgrund seines sterilen Charakters und des pragmatischen Aufbaus wegen für sehr gelungen, was auch daran liegen mag, dass sich Vohrer dem Empfinden nach, wie auch bei seinen vielen unmittelbar aufeinander folgenden Wallace-Einsätzen, mit der Zeit irgendwie selbst überholt hatte. Für eine Simmel-Vorlage fehlt diesem Stoff weitgehend die berüchtigte Komplexität, so dass die Umsetzung ebenfalls keine Verschachtelungen und eigenwillige Umwege zu bieten hat. Nachlässigkeiten lassen sich allerdings im Rahmen der Charakterzeichnungen finden, denn einige wichtige Nebenfiguren kommen einfach zu kurz und wichtiges Potential wurde nicht genutzt, dennoch bekommt man mitunter sehr stichhaltige Interpretationen geboten. Der Plot ist vergleichsweise sehr einfach und verständlich, so dass im Bezug auf die Realität ein empfundener Transfer stattfindet, auch wenn man als Zuschauer zahlreiche Situationen lange Zeit nicht adäquat einschätzen kann, da der Protagonist zwischen Wahrheit und Einbildung hin- und herzupendeln scheint.
Maurice Ronet als abgesattelter Ex-Star, mit dem die Zeit offensichtlich nicht gerade freundlich umgegangen ist, liefert eine Parade-Vorstellung. Eingezwängt in einem goldenen Käfig, befindet er sich in der misslichen Situation, dass er in der totalen Abhängigkeit zu seiner Frau steht, und wie es aussieht auch noch in jeder Beziehung. Er verachtet Joan und man wird in jedem Blick von ihm sehen, dass dieser Zustand gewiss sein zehnjähriges Jubiläum bereits längst hinter sich gelassen hat. Sein unbeholfen wirkender Befreiungsschlag wird eine Kettenreaktion auslösen, in der die schwächsten Glieder brechen werden. Sehr eindrucksvoll schildert Ronet Situationen, in denen er betrunken ist, manische Züge bekommt und immer wieder kurz vor dem Kollaps steht. Man sieht ihm gebannt zu und kann den Whisky, den er runter schüttet förmlich riechen, den Hass gegen seine Frau beinahe spüren, die Liebe zu seiner Stieftochter unmittelbar nachvollziehen. Suzy Kendall unterschätze ich persönlich immer gerne, daher überrascht sie aber auch immer wieder aufs Neue. Hier gerade einmal Anfang 30, wurde sie so hergerichtet, dass sie mindestens 10 Jahre älter aussieht.
Sie wirkt auf den Zuschauer hochgradig unsympathisch, doch ist man sich überhaupt nicht im Klaren darüber, ob Paul für diesen Eindruck verantwortlich ist und man ihr im Endeffekt Unrecht tut? Was überträgt sich auf den Zuseher? Der entlarvende Blick eines Mannes auf eine Neurotikerin, weil er seine Frau en détail kennt, oder der verzerrte Blick eines Alkoholikers mit beginnenden Wahnvorstellungen? Kendall jedenfalls überzeugt mit dem Präsentieren einer ambivalenten Person, die um brillant zu sein, allerdings mehr Screen-Time nötig gehabt hätte. Die fatale Dreieckskonstellation rundet die damals gerade erst 20-jährige Susanne Uhlen ab, aufgrund ihrer glaubhaften Leistung multipliziert sie die Zweifel und Vorbehalte der Zuschauer und wirkt indirekt ketzerisch. Erwähnenswert ist unbedingt noch die immer hervorragende Christine Wodetzky als im Endeffekt machtlose Ärztin, bei der man genauso wie bei Susanne Uhlen den Eindruck hat, als könne man ihre Verzweiflung, Resignation und Traurigkeit hautnah spüren, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. Sieht man sich die restlichen Darsteller an, so hat man es insgesamt mit einer tollen Runde zu tun, auch wenn die Besetzung augenscheinlich schwächer aussieht, wenn man sie mit der Konkurrenz vergleicht.
Das Plus der Geschichte sind also eindeutig ihre Personen, die einen überzeugenden Weg einschlagen, weil sie vollkommen unscheinbar agieren. Es entsteht eine gewisse Verwirrung und eine vollkommen depressive Atmosphäre, weil auch Paul Jordan keinen wirklichen Sympathieträger darstellt. Dennoch wirkt es insgesamt so, als fehle der endgültige Schliff, was jedoch eher als diffuser Eindruck zurückbleibt. Gerade "Bis zur bitteren Neige" regt ungezügelt zu Vergleichen an, da die Simmel-Konkurrenz sehr stark, und ausgiebig vorhanden ist, nicht zuletzt weil zuvor einige große Ausrufezeichen gesetzt wurden. Gerd Oswald verzichtet vollkommen auf den Blick durch einen romantisierten Schleier und setzt auf Settings, die hart und oftmals auch kalt wirken. In Verbindung mit den vielen Personen, die gleiche Attribute an den Tag legen, wirkt die Gesamt-Situation oftmals wenig erbaulich und es wird angebahnt, dass man unausweichlich auf eine Katastrophe zusteuern wird. Doch wie diese Aussehen wird, bleibt bis zur Deadline weitgehend ungewiss.
Da das Erzähl-Tempo deutlich gedrosselt ist, wirkt der Verlauf oftmals sehr zäh und repetitiv, man bekommt wenige Twists geboten aber schließlich einen feinen Showdown, der ohne Effekte, eher ruhig und diskret durch eine Selbstinszenierung im Gedächtnis bleiben wird, beziehungsweise buchstäblich über die Bühne geht. Ein Satz muss unbedingt zu der eingängigen Musik von Klaus Doldinger verloren werden, die sehr frisch wirkt und letztlich den unscheinbaren Verlauf der Geschichte sehr gut untermalt, auch die Kamera-Arbeit von Charly Steinberger (später übrigens verheiratet mit Susanne Uhlen), erfreut in gewohnt progressiv-routinierter Manier, wobei man hier bezüglich der Bildgestaltung keine Detail-Strategie entdecken kann. Für mich stellt "Bis zur bitteren Neige" eine der besten Adaptionen nach Simmel dar, weil die unaufdringliche Regie nicht versuchte, die Konkurrenz zu überflügeln, außerdem aufgrund des so hoffnungslos prosaischen Charakters der Story. Ein bemerkenswerter Film über lebende Tote, gescheiterte Existenzen und moralische Prostitution.
Im erlesenen Kreis der Simmel-Verfilmungen gilt Gerd Oswalds Adaption eher als Stiefmütterchen, genießt keinen besonders hohen Bekanntheitsgrad und leider auch keine große Wertschätzung. Die Reihe wurde zuvor von Alfred Vohrer zu seiner Domäne gemacht, der vor dieser Produktion sechs Romane des Bestseller-Autoren Simmel für die Roxy verfilmte. In "Bis zur bitteren Neige" merkt man im direkten Vergleich sehr deutlich, dass so einiges bezüglich der Umsetzung anders ist, doch das muss nicht unbedingt einen schwachen Film ausmachen. Ganz im Gegenteil, denn ich persönlich halte ihn aufgrund seines sterilen Charakters und des pragmatischen Aufbaus wegen für sehr gelungen, was auch daran liegen mag, dass sich Vohrer dem Empfinden nach, wie auch bei seinen vielen unmittelbar aufeinander folgenden Wallace-Einsätzen, mit der Zeit irgendwie selbst überholt hatte. Für eine Simmel-Vorlage fehlt diesem Stoff weitgehend die berüchtigte Komplexität, so dass die Umsetzung ebenfalls keine Verschachtelungen und eigenwillige Umwege zu bieten hat. Nachlässigkeiten lassen sich allerdings im Rahmen der Charakterzeichnungen finden, denn einige wichtige Nebenfiguren kommen einfach zu kurz und wichtiges Potential wurde nicht genutzt, dennoch bekommt man mitunter sehr stichhaltige Interpretationen geboten. Der Plot ist vergleichsweise sehr einfach und verständlich, so dass im Bezug auf die Realität ein empfundener Transfer stattfindet, auch wenn man als Zuschauer zahlreiche Situationen lange Zeit nicht adäquat einschätzen kann, da der Protagonist zwischen Wahrheit und Einbildung hin- und herzupendeln scheint.
Maurice Ronet als abgesattelter Ex-Star, mit dem die Zeit offensichtlich nicht gerade freundlich umgegangen ist, liefert eine Parade-Vorstellung. Eingezwängt in einem goldenen Käfig, befindet er sich in der misslichen Situation, dass er in der totalen Abhängigkeit zu seiner Frau steht, und wie es aussieht auch noch in jeder Beziehung. Er verachtet Joan und man wird in jedem Blick von ihm sehen, dass dieser Zustand gewiss sein zehnjähriges Jubiläum bereits längst hinter sich gelassen hat. Sein unbeholfen wirkender Befreiungsschlag wird eine Kettenreaktion auslösen, in der die schwächsten Glieder brechen werden. Sehr eindrucksvoll schildert Ronet Situationen, in denen er betrunken ist, manische Züge bekommt und immer wieder kurz vor dem Kollaps steht. Man sieht ihm gebannt zu und kann den Whisky, den er runter schüttet förmlich riechen, den Hass gegen seine Frau beinahe spüren, die Liebe zu seiner Stieftochter unmittelbar nachvollziehen. Suzy Kendall unterschätze ich persönlich immer gerne, daher überrascht sie aber auch immer wieder aufs Neue. Hier gerade einmal Anfang 30, wurde sie so hergerichtet, dass sie mindestens 10 Jahre älter aussieht.
Sie wirkt auf den Zuschauer hochgradig unsympathisch, doch ist man sich überhaupt nicht im Klaren darüber, ob Paul für diesen Eindruck verantwortlich ist und man ihr im Endeffekt Unrecht tut? Was überträgt sich auf den Zuseher? Der entlarvende Blick eines Mannes auf eine Neurotikerin, weil er seine Frau en détail kennt, oder der verzerrte Blick eines Alkoholikers mit beginnenden Wahnvorstellungen? Kendall jedenfalls überzeugt mit dem Präsentieren einer ambivalenten Person, die um brillant zu sein, allerdings mehr Screen-Time nötig gehabt hätte. Die fatale Dreieckskonstellation rundet die damals gerade erst 20-jährige Susanne Uhlen ab, aufgrund ihrer glaubhaften Leistung multipliziert sie die Zweifel und Vorbehalte der Zuschauer und wirkt indirekt ketzerisch. Erwähnenswert ist unbedingt noch die immer hervorragende Christine Wodetzky als im Endeffekt machtlose Ärztin, bei der man genauso wie bei Susanne Uhlen den Eindruck hat, als könne man ihre Verzweiflung, Resignation und Traurigkeit hautnah spüren, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. Sieht man sich die restlichen Darsteller an, so hat man es insgesamt mit einer tollen Runde zu tun, auch wenn die Besetzung augenscheinlich schwächer aussieht, wenn man sie mit der Konkurrenz vergleicht.
Das Plus der Geschichte sind also eindeutig ihre Personen, die einen überzeugenden Weg einschlagen, weil sie vollkommen unscheinbar agieren. Es entsteht eine gewisse Verwirrung und eine vollkommen depressive Atmosphäre, weil auch Paul Jordan keinen wirklichen Sympathieträger darstellt. Dennoch wirkt es insgesamt so, als fehle der endgültige Schliff, was jedoch eher als diffuser Eindruck zurückbleibt. Gerade "Bis zur bitteren Neige" regt ungezügelt zu Vergleichen an, da die Simmel-Konkurrenz sehr stark, und ausgiebig vorhanden ist, nicht zuletzt weil zuvor einige große Ausrufezeichen gesetzt wurden. Gerd Oswald verzichtet vollkommen auf den Blick durch einen romantisierten Schleier und setzt auf Settings, die hart und oftmals auch kalt wirken. In Verbindung mit den vielen Personen, die gleiche Attribute an den Tag legen, wirkt die Gesamt-Situation oftmals wenig erbaulich und es wird angebahnt, dass man unausweichlich auf eine Katastrophe zusteuern wird. Doch wie diese Aussehen wird, bleibt bis zur Deadline weitgehend ungewiss.
Da das Erzähl-Tempo deutlich gedrosselt ist, wirkt der Verlauf oftmals sehr zäh und repetitiv, man bekommt wenige Twists geboten aber schließlich einen feinen Showdown, der ohne Effekte, eher ruhig und diskret durch eine Selbstinszenierung im Gedächtnis bleiben wird, beziehungsweise buchstäblich über die Bühne geht. Ein Satz muss unbedingt zu der eingängigen Musik von Klaus Doldinger verloren werden, die sehr frisch wirkt und letztlich den unscheinbaren Verlauf der Geschichte sehr gut untermalt, auch die Kamera-Arbeit von Charly Steinberger (später übrigens verheiratet mit Susanne Uhlen), erfreut in gewohnt progressiv-routinierter Manier, wobei man hier bezüglich der Bildgestaltung keine Detail-Strategie entdecken kann. Für mich stellt "Bis zur bitteren Neige" eine der besten Adaptionen nach Simmel dar, weil die unaufdringliche Regie nicht versuchte, die Konkurrenz zu überflügeln, außerdem aufgrund des so hoffnungslos prosaischen Charakters der Story. Ein bemerkenswerter Film über lebende Tote, gescheiterte Existenzen und moralische Prostitution.