Carmen - Ernst Lubitsch (1918)

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Maulwurf
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Carmen - Ernst Lubitsch (1918)

Beitrag von Maulwurf »

 
Carmen
Deutschland 1918
Regie: Ernst Lubitsch
Harry Liedtke, Pola Negri, Leopold von Ledebur, Paul Biensfeldt, Paul Conradi, Wilhelm Diegelmann, Grete Diercks,
Victor Janson, Max Kronert, Margarete Kupfer, Sophie Pagay, Heinrich Peer


Carmen (1918).jpg
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https://ssl.ofdb.de/film/56390,Carmen


Den Carmen-Stoff, mal mehr und mal weniger getreu nach der Novelle von Prosper Mérimée, setze ich hier mal als weitgehend bekannt voraus: Rassiges Mädchen, verrückt nach Leben und nach Liebe, verdreht spießbürgerlichem Soldaten den Kopf, lässt sich aber von dessen Liebe nicht einengen und muss für ihre Freiheit teuer bezahlen. So weit, so bekannt, so gut. Der Stoff ist seit seiner Erstveröffentlichung 1845 ein Klassiker, und lässt sich wahrscheinlich auch in 100 Jahren noch problemlos wiederkäuen. Oper, Film, und irgendwann dann vielleicht ein Hologramm zum selber mitspielen, wer weiß …

Unter den unzähligen Verfilmungen, die ein einzelner Maulwurf unmöglich alle gesehen haben kann, ist meiner persönlicher Favorit die Fassung von Carlos Saura aus dem Jahr 1983, in dem die Grenzen zwischen der filmischen Realität, der eigentlichen Erzählung und dem dargestellten Tanztheater verschwimmen und den Blick freigeben auf die mehrfach reflektierten Strukturen der eigentlichen Erzählung. Die 1918er-Verfilmung von Ernst Lubitsch kann mit solchen cineastischen Metaebenen vielleicht nicht mithalten, aber dafür bietet sie etwas ganz besonderes: Pola Negri.

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Mit ihrem ersten Erfolgsfilm lieferte Pola Negri ein Bild der Carmen ab, wie es gründlicher und boshafter nicht sein könnte. Ein echtes Flintenweib, dessen Leben aus Trinken, Kartenspielen und Liebe machen besteht. Und ich meine auch wirklich Flintenweib, greift sie doch beim Kampf der Schmuggler gegen die Soldaten selber zum Gewehr und ballert drauf los (auch wenn ihr mal jemand hätte zeigen sollen, wie man ein Gewehr richtig hält). Die Carmen der Pola Negri ist wahrlich verrucht – Kaum ein Mann kann an ihr vorbeigehen ohne nach seiner Liebesfähigkeit taxiert zu werden, und kein daliegendes Kartenspiel wird ignoriert (und die Männer werden dabei auch noch mit abschätzigem Blick zu Geldgebern degradiert). Carmen steht hier in einer Tradition von Frauen wie Calamity Jane: Sie lebt ihr Leben ausschweifend und sinnenfroh, und sie genießt jeden Augenblick davon. Sie ist eine Existenzialistin, die nur für den Augenblick lebt, und die das Morgen genausowenig interessiert wie das Gestern. Tu was Du willst sei Dein oberstes Gebot, und spätestens der Tanz auf dem Fest der Offiziere ist ein heißes erotisches Versprechen, das kaum jemals eingelöst werden kann. Soll es ja auch gar nicht – Hier soll bares Geld fließen, für die erotische Komponente im Leben sorgt Carmen sich schon höchstpersönlich und mit einem ordentlichen Blick für hereinkommendes Vermögen. Eine Frau, die sich ihre Sexualpartner, und nichts anderes verheißt Pola Negris Blick überdeutlich, selber aussucht – Das muss man(n) sich im Jahr 1918 erstmal vorstellen …

Ganz anders Harry Liedtke als Soldat José, der sich in seiner kleinbürgerlichen Welt, mit der verlobten Dolores und der kürzlich erfolgten Beförderung zum Sergeanten, wunderbar wohl fühlt. Carmen ist für ihn wie die Verheißung auf ein Abenteuer, der Geruch von Laster und Verderbtheit den die brave Dolores ihm nicht geben kann. Dass er wegen Carmen degradiert wird? Geschenkt, für die Wärme und die Liebe Carmens wird er seine ganze spießige Welt hergeben. Liedtke übertreibt in seinem Spiel zeittypisch zwar sehr stark, aber der Kern von Josés Spießerwelt, der ist ganz deutlich zu spüren.
Pola Negri setzt gegen diese beiden Pole von Liedtke/José, die Übertreibung des Darstellers und die Biederkeit der Figur, eine geradezu entwaffnende Natürlichkeit. Sie flattert und schwebt durch den Film wie ein trunksüchtiger Schmetterling und bezaubert die Männer mit ihrer amourösen Art vor dem Bildschirm genauso wie in der Erzählung. Gerade dieser Natürlichkeit ist es zu verdanken, dass der Film auch heute noch funktioniert. Sie poussiert, sie liebelt, sie intrigiert, sie LEBT mit jeder Faser ihres stolzen Daseins, und mit ihrem guten Aussehen und ihrer bewusst eingesetzten erotischen Ausstrahlung kann sie alles und jeden haben den sie will. Pola Negri ist Carmen, Carmen ist Pola Negri, und es ist kein Wunder, dass mit diesem Film ihre Karriere begann.

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Wobei sicher auch der Regisseur Ernst Lubitsch, 1918 bereits ein bekannter Name, seinen Anteil an der Inszenierung dieses Vamps hat. Der Gegensatz des posierenden Liedtke und der flirrenden und gurrenden Negri ist bemerkenswert und erzeugt viel Spannung. Dazu kommen schöne Kulissen, eine Musik, welche die Hauptthemen der Carmen-Oper immer wieder anreißt, ohne sie überzustrapazieren, und herrliche Nebendarsteller. CARMEN ist in dieser Verfilmung auch heute noch ein Genuss, auch und gerade, wenn man sich an der Geschichte an sich mittlerweile ein wenig sattgesehen hat. Große Empfehlung!

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