Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
Moderator: jogiwan
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Re: Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
Erscheint voraussichtlich am 13.05.2022 bei Studio Hamburg als Ultra-HD-Blu-ray/Blu-ray-Kombination:
Extras:
- 20-seitiges Booklet
- Dr. Caligari – Die Geburt des Horrors im Ersten Weltkrieg (Dokumentation)
- Making of der digitalen Restaurierung
- Restaurierungsbeispiele
- zusätzliche, neue Musikfassung von 2019
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=116583
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Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
Als nicht so großer Stummfilmfan diese Bildungslücke gestern endlich geschlossen und „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist natürlich schon ein sehr seltsam anmutender, außergewöhnlicher und zugleich visionärer Film, wenn man seine Entstehungszeit betrachtet. Die verzerrten Kulissen, die theatralisch anmutenden Figuren und die in alle möglichen Richtungen deutbare Geschichte, die ebenfalls nur schwer greifbar ist und bei der man sich fragen muss, wie das unbedarfte Publikum seinerzeit darauf so reagierte. Hier ist schon sprichwörtlich alles ganz großes Kino, dass sich in sechs Akten den Augen des Zuschauers offenbart und daher ist es auch wenig verwunderlich, dass dieser besondere Film auch einen großen Stellenwert in der Filmgeschichte einnimmt. Alles wesentliche wurde hier auch schon erwähnt und viel Worte muss man hier wohl auch nicht mehr verlieren. Auch nach über 100 Jahren hat „Das Cabinet des Dr. Caligari“ nichts von seiner Strahlkraft verloren und wirkt passender- und berechtigterweise auch wie ein Film aus einer anderen Zeit.
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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- Salvatore Baccaro
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Re: Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
...und demnächst dann VON MORGENS BIS MITTERNACHTS, SCHATTEN und DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM...jogiwan hat geschrieben: ↑Mo 1. Mai 2023, 08:39 Als nicht so großer Stummfilmfan diese Bildungslücke gestern endlich geschlossen und „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist natürlich schon ein sehr seltsam anmutender, außergewöhnlicher und zugleich visionärer Film, wenn man seine Entstehungszeit betrachtet. Die verzerrten Kulissen, die theatralisch anmutenden Figuren und die in alle möglichen Richtungen deutbare Geschichte, die ebenfalls nur schwer greifbar ist und bei der man sich fragen muss, wie das unbedarfte Publikum seinerzeit darauf so reagierte. Hier ist schon sprichwörtlich alles ganz großes Kino, dass sich in sechs Akten den Augen des Zuschauers offenbart und daher ist es auch wenig verwunderlich, dass dieser besondere Film auch einen großen Stellenwert in der Filmgeschichte einnimmt. Alles wesentliche wurde hier auch schon erwähnt und viel Worte muss man hier wohl auch nicht mehr verlieren. Auch nach über 100 Jahren hat „Das Cabinet des Dr. Caligari“ nichts von seiner Strahlkraft verloren und wirkt passender- und berechtigterweise auch wie ein Film aus einer anderen Zeit.
Re: Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
Caligari dürfte auch einer der ersten oder der vielleicht DER erste Film mit einem modernen Plot-Twist am Schluss sein, oder?
- buxtebrawler
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Re: Das Cabinet des Dr. Caligari - Robert Wiene (1920)
„Ich muss alles wissen…“
Wer verstehen möchte, wie der Horrorfilm entstanden ist, wird früher oder später bei „Das Cabinet des Dr. Caligari“ landen, jenem legendären deutschen Stummfilm aus dem Jahre 1920. Geschrieben von Hans Janowitz und Carl Mayer und von Robert Wiene („Furcht“) inszeniert, der den verhinderten Fritz Lang ablöste, gilt der Film als Initialzündung des Expressionismus auf der Kinoleinwand und als einer der einflussreichsten Filme für die Entwicklung und Ausgestaltung gruseliger, düsterer Genres.
„Ich muss in sein Geheimnis dringen…“
Franzis (Friedrich Fehér, „Du sollst nicht richten“) sitzt auf einer Parkbank und erzählt einem anderen, älteren Mann (Hans Lanser-Ludolff, „Die Spinnen“) eine absonderliche Schauergeschichte: In seiner Heimat Holstenwall habe er zusammen mit seinem Freund Alan (Hans Heinrich von Twardowski, „Unheimliche Geschichten“) den Jahrmarkt besucht, auf dem der geheimnisvolle Dr. Caligari (Werner Krauß, „Opium“) den „Somnambulen“ Cesare (Conrad Veidt, „Der Graf von Cagliostro“) ausgestellt habe. Diesen habe Caligare vor den Augen des Publikums aufwecken können, woraufhin er Alan dessen Todeszeitpunkt vorhergesagt habe: Noch vor Morgengrauen! Tatsächlich wird Alan noch in der Nacht ermordet. Ist Cesare der Täter? Der Mörder hat es auch auf Franzis‘ Freundin Jane (Lil Dagover, „Harakiri“) abgesehen. Als Franzis sich schließlich in der Irrenanstalt nach einem Dr. Caligari erkundigt, muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass jener der Leiter der Einrichtung ist…
„Ich muss Caligari werden!“
Der in der von mir gesehenen Fassung 72 Minuten lange Film ist bis ins Detail expressionistisch durchästhetisiert, die schrägen, verzerrten Kulissen wirken der Realität entrückt und beunruhigend grotesk. Die Zwischentitel sind analog dazu künstlerisch handgelettert, farbige Linsen tauchen die Szenen in verschiedene Farbwelten (was diejenigen überraschen dürfte, die Schwarzweißfilm erwarten). Kreisförmige Blenden fokussieren einzelne Gesichter, blenden die Umwelt aus und sorgen für Zoom-Effekten nicht unähnliche Eindrücke. Aufgeteilt in sechs Akte wird man innerhalb der surreal und doch seltsam vertraut anmutenden Welt in Dr. Caligaris sinistre Machenschaften hineingezogen, wobei diese in Form einer ausgedehnten visualisierten Rückblende erzählt werden und im fünften Akt sogar noch eine weitere Analepse etablieren. Das Schauspiel ist theatralisch und das Ende, das zurück zur Rahmenhandlung führt, nicht nur verstörend, sondern auch eine unerwartete Wendung, wie sie sich seither großer Beliebtheit erfreut und sich bis heute immer wieder in Kino und Film findet.
Ausgerechnet um diesen speziellen Kniff gab es keine Kontroverse, denn er sei von den Autoren so nicht vorgesehen gewesen. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ hatte nicht „nur“ als Schauergeschichte funktionieren sollen, sondern war – und auch dies zieht sich bis heute durch den phantastischen Film – von einem starken Subtext untermauert, indem das Verhältnis zwischen Caligari und Cesare dem eines mächtigen Kriegstreibers zu seinem von ihm manipulierten Fußvolk ausdrücken und damit den Untertanengeist der Kaiserzeit kritisieren sollte. Den Autoren, die Regisseur Wiene einen Alleingang unterstellten, und Kritikern zufolge kehrte die finale Pointe diese Aussage um. Mit genügend Abstand betrachtet verhilft gerade jene Wendung dem Film jedoch zu seiner Zeitlosigkeit, verstärkt sie das surreale Erlebnis und erweitert sie das Spektrum angesprochener negativer Emotionen um das paranoide Gefühl der Ausgeliefertheit, bietet also einen echten Mehrwert.
„Das Cabinet des Dr. Caligari“ – die nächste große Genrerevolution brachte erst der Tonfilm.
Wer verstehen möchte, wie der Horrorfilm entstanden ist, wird früher oder später bei „Das Cabinet des Dr. Caligari“ landen, jenem legendären deutschen Stummfilm aus dem Jahre 1920. Geschrieben von Hans Janowitz und Carl Mayer und von Robert Wiene („Furcht“) inszeniert, der den verhinderten Fritz Lang ablöste, gilt der Film als Initialzündung des Expressionismus auf der Kinoleinwand und als einer der einflussreichsten Filme für die Entwicklung und Ausgestaltung gruseliger, düsterer Genres.
„Ich muss in sein Geheimnis dringen…“
Franzis (Friedrich Fehér, „Du sollst nicht richten“) sitzt auf einer Parkbank und erzählt einem anderen, älteren Mann (Hans Lanser-Ludolff, „Die Spinnen“) eine absonderliche Schauergeschichte: In seiner Heimat Holstenwall habe er zusammen mit seinem Freund Alan (Hans Heinrich von Twardowski, „Unheimliche Geschichten“) den Jahrmarkt besucht, auf dem der geheimnisvolle Dr. Caligari (Werner Krauß, „Opium“) den „Somnambulen“ Cesare (Conrad Veidt, „Der Graf von Cagliostro“) ausgestellt habe. Diesen habe Caligare vor den Augen des Publikums aufwecken können, woraufhin er Alan dessen Todeszeitpunkt vorhergesagt habe: Noch vor Morgengrauen! Tatsächlich wird Alan noch in der Nacht ermordet. Ist Cesare der Täter? Der Mörder hat es auch auf Franzis‘ Freundin Jane (Lil Dagover, „Harakiri“) abgesehen. Als Franzis sich schließlich in der Irrenanstalt nach einem Dr. Caligari erkundigt, muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass jener der Leiter der Einrichtung ist…
„Ich muss Caligari werden!“
Der in der von mir gesehenen Fassung 72 Minuten lange Film ist bis ins Detail expressionistisch durchästhetisiert, die schrägen, verzerrten Kulissen wirken der Realität entrückt und beunruhigend grotesk. Die Zwischentitel sind analog dazu künstlerisch handgelettert, farbige Linsen tauchen die Szenen in verschiedene Farbwelten (was diejenigen überraschen dürfte, die Schwarzweißfilm erwarten). Kreisförmige Blenden fokussieren einzelne Gesichter, blenden die Umwelt aus und sorgen für Zoom-Effekten nicht unähnliche Eindrücke. Aufgeteilt in sechs Akte wird man innerhalb der surreal und doch seltsam vertraut anmutenden Welt in Dr. Caligaris sinistre Machenschaften hineingezogen, wobei diese in Form einer ausgedehnten visualisierten Rückblende erzählt werden und im fünften Akt sogar noch eine weitere Analepse etablieren. Das Schauspiel ist theatralisch und das Ende, das zurück zur Rahmenhandlung führt, nicht nur verstörend, sondern auch eine unerwartete Wendung, wie sie sich seither großer Beliebtheit erfreut und sich bis heute immer wieder in Kino und Film findet.
Ausgerechnet um diesen speziellen Kniff gab es keine Kontroverse, denn er sei von den Autoren so nicht vorgesehen gewesen. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ hatte nicht „nur“ als Schauergeschichte funktionieren sollen, sondern war – und auch dies zieht sich bis heute durch den phantastischen Film – von einem starken Subtext untermauert, indem das Verhältnis zwischen Caligari und Cesare dem eines mächtigen Kriegstreibers zu seinem von ihm manipulierten Fußvolk ausdrücken und damit den Untertanengeist der Kaiserzeit kritisieren sollte. Den Autoren, die Regisseur Wiene einen Alleingang unterstellten, und Kritikern zufolge kehrte die finale Pointe diese Aussage um. Mit genügend Abstand betrachtet verhilft gerade jene Wendung dem Film jedoch zu seiner Zeitlosigkeit, verstärkt sie das surreale Erlebnis und erweitert sie das Spektrum angesprochener negativer Emotionen um das paranoide Gefühl der Ausgeliefertheit, bietet also einen echten Mehrwert.
„Das Cabinet des Dr. Caligari“ – die nächste große Genrerevolution brachte erst der Tonfilm.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!