Das Millionenspiel
(Das Millionenspiel)
mit
Jörg Pleva, Suzanne Roquette, Dieter Thomas Heck, Theo Fink, Dieter Hallervorden, Josef Fröhlich, Annemarie Schradiek, Elisabeth Wiedemann, Andrea Grosske, Friedrich Schütter, Peter Schulze-Rohr, Joachim Richert
Regie:
Tom Toelle
Drehbuch:
Wolfgang Menge / Robert Sheckley
Kamera:
Jan Kalis
Musik:
Irmin Schmidt
FSK 12
Deutschland / 1970
Bernhard Lotz ist Kandidat der 15. Ausgabe des "Millionenspiels". Für die enorme Titel gebende Summe wird er eine Woche lang von einem Killerkommando, der so genannten Köhler-Bande, gejagt. Permanent von Kameras begleitet, muss Lotz den Weg in das Fernsehstudio schaffen, aus dem der Moderator Thilo Uhlenhorst das Geschehen für das teils angewiderte, teils begeisterte Publikum kommentiert. Der dramatische Höhepunkt ist die "Todesspirale", in der Lotz für die Köhler-Bande ohne Fluchtmöglichkeit zum Abschuss freigegeben wird.
In der heutigen Zeit sind in der TV-Landschaft der Kampf um Einschaltquoten, die Befriedigung des menschlichen Voyeurismus und das Brechen fast sämtlicher Tabus eine Normalität, doch es gab auch einmal eine Zeit, als solche Dinge noch wie ein utopisches Szenario behandelt wurden das höchstwahrscheinlich niemals eintreten wird. Nicht nur aus diesen Gründen gilt die deutsche TV-Produktion "Das Millionenspiel" aus dem Jahr 1970 als absolut bahnbrechend, denn die auf einer Kurzgeschichte des Schriftstellers Robert Sheckley (The Prize of Peril) basierende Story ist ihrer Zeit weit voraus und zeigt zur damaligen Zeit unglaubliche Dinge, die mittlerweile Gang und Gebe sind wenn man den heimischen Fernseher anschaltet. Ständig eingeblendete Werbung, Reality TV und eine gnadenlose Quotenjagd sind nämlich Dinge mit denen man heute unweigerlich aufwächst, die aber vor über 40 Jahren noch relativ undenkbar waren. Unter der Regie des längst verstorbenen Tom Toelle entstand hier ein Thriller mit SCI/FI Anleihen, den man wohl ohne Übertreibung als ein Stück deutscher Filmgeschichte einstufen darf. Selbst aus heutiger Sicht erscheint einem das Szenario dabei so unglaublich authentisch das man sich phasenweise nicht des Eindruckes erwehren kann, hier wirklich live bei einer absurden und makaberen Spielshow dabei zu sein. So erging es bei der Erstausstrahlung im deutschen TV auch etlichen Zuschauern, denn nicht wenige riefen die fiktive Telefonnummer des im Film verantwortlichen Senders an und wollten sich als Kandidat bewerben. Aus jetziger Sicht mag man eventuell eher darüber schmunzeln, doch zeigt dieser Aspekt doch ziemlich eindrucksvoll, wie glaubwürdig Tom Toelle das Drehbuch von Wolfgang Menge umgesetzt hat. Gleichzeitig spiegelt sich dadurch auch der in der Geschichte dargestellte Zwiespalt der Zuschauer wieder, denn obwohl Toelles Film damals einen Sturm der Empörung hervor ruf, gab es auch genügend Menschen, die anscheinend Spaß an dem makaberen Geschehen hatten und sich größtenteils damit identifiziert haben.
Genau mit diesem Punkt wird man auch innerhalb des Geschehens immer wieder konfrontiert, denn etliche mit Passanten geführte Interviews deuten ganz eindeutig darauf hin, das längst nicht jeder mit dem Gejagten in der Show "Das Millionenspiel" sympathisiert. Was damals wohl für jeden normal denkenden Menschen noch reine Utopie war, dürfte mittlerweile ein perfektes Spiegelbild der heutigen Gesellschaft sein, in der unzählige Leute wohl hauptsächlich ihre Sensationsgier befriedigen wollen und dabei weniger an das Leben anderer denken. Die in diesem Film enthaltene Sozialkritik ist ganz extrem und die Geschichte entfaltet von der ersten bis zur letzten Minute eine äußerst beklemmende Grundstimmung, die sich wie ein bleierner Mantel auf die eigenen Schultern legt. Es handelt sich dabei um einen gewagten Spagat zwischen Fiktion-und Realität, denn obwohl man ganz genau weiß das es sich hier um eine TV-Produktion handelt, hinterlassen die Ereignisse vielmehr den Eindruck des heutigen Reality-TV's. Die späteren Verfilmungen "Kopfjagd - Preis der Angst" (1983) und die wohl bekannteste "The Running Man" (1987) sind zwar weitaus spektakulärer- und actionreicher in Szene gesetzt worden, doch keiner der genannten Filme kann dabei auch nur annähernd die Intensität und Glaubwürdigkeit dieser deutschen Verfilmung erreichen. Das liegt größtenteils auch daran, das man sich hier wirklich auf das Wesentliche konzentriert hat und die enthaltene Thematik grandios beleuchtet, wohingegen insbesondere die Verfilmung mit Arnold Schwarzenegger lediglich auf den geneigten Action-Fan ausgelegt ist und die kritischen Momente eher im Hintergrund verkommen lässt. Davon ist "Das Millionenspiel" weit entfernt, denn gerade der aus heutiger Sicht eventuell biedere-und normale Anstrich des Ganzen erzeugt dieses Höchstmaß an Authenzität, das einen selbst schon fast zu einem Teil der unglaublichen Abläufe werden lässt.
Desweiteren ist es die herausragend agierende Darsteller-Riege die dem Film ihren Stempel aufdrückt und man wird mit bekannten Gesichtern wie beispielsweise Dieter Hallervorden, Dieter Thomas Heck oder Elisabeth Wiedemann konfrontiert. Manch einer mag bei diesen Namen nun eher das Gesicht verziehen, sollte sich in diesem Fall aber keinesfalls täuschen lassen. Mir persönlich hat insbesondere Heck in der Rolle des Showmasters extrem gut gefallen und auch Herr Hallervorden in der ungewohnten Rolle eines Killers weiß jederzeit zu überzeugen. In diesem Film ist ganz einfach alles perfekt und dennoch gibt es diverse Dinge, auf die man ganz besonders sein Augenmerk legen sollte. Dazu zählen wie schon einmal kurz erwähnt die Interviews mit beliebigen Passanten aber vor allem die Normalität, mit der hier eine Spielshow präsentiert wird, in der ein Mensch sein Leben für 1 Million DM aufs Spiel setzt. Mein persönlicher Höhepunkt ist aber immer noch der finale Showdown, denn nachdem der Kandidat vollkommen ausgezehrt und erschöpft das Studio erreicht, muss er sich auch noch zu allem Überfluss auch noch vor den Augen der Studio-Zuschauer durch die sogenannte "Todesspirale" kämpfen, in der in trotz aller Strapazen immer noch der Tod ereilen kann. Das Ganze erscheint dabei so unglaublich aber gleichzeitig auch real, das einem streckenweise echte Schauer über den Rücken laufen. Der Verstand möchte sich am liebsten weigern das Gesehene zu akzeptieren, andererseits weiß man aber ganz genau, das der hier begangene Tabubruch gar nicht einmal so weit von der Realität entfernt ist. Zwar gibt es auch heute noch keine Show in der Kandidaten für Geld eventuell ihr Leben verlieren, dafür aber etliche andere Formate die den puren Voyeurismus des Zuschauers befriedigen.
"Das Millionenspiel" dürfte wohl unbestritten einer der besten deutschen TV-Filme aller Zeiten sein, denn kaum ein anderes Werk geht so dermaßen mutig mit einer möglichen Zukunft ins Gericht. Das die 1970 noch utopisch erscheinende Story längst den heutigen TV-Alltag wiedergibt konnte man damals noch nicht ahnen, doch zeigt dieser Aspekt relativ eindeutig, wie weit man seiner Zeit voraus war. Hier ist ein absolut zeitloser Klassiker entstanden, der auch nach weit über vier Jahrzehnten rein gar nichts von seinem Reiz und seiner grotesken Faszination verloren hat. Wenn man auch noch so oft über viele deutsche Filme schimpft, so sollte man diesen Meilenstein umso mehr schätzen, liegt hier doch ein perfektes Beispiel dafür vor das auch bei uns absolut herausragende Filme produziert werden, die eine bahnbrechende und nachhaltige Wirkung hinterlassen.
Fazit:
Utopisch, erschreckend real und unglaublich intensiv, diese Worte beschreiben wohl am besten einen Film, der 1970 eine bizarre Version des Fernsehens der Zukunft zeigte. Man muss der Faszination dieser Geschichte einfach erliegen und auch wenn ein "The Running Man" mit Arnie 17 Jahre später eine unterhaltsame Action-Variante der Thematik zeigte, kommt der Film doch nicht einmal annähernd an die beklemmende Genialität dieses Originals heran.
10/10