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Der ganz normale Wahnsinn.jpg (76.94 KiB) 29 mal betrachtet
Originaltitel: Der ganz normale Wahnsinn
Herstellungsland: Deutschland / 1979
Regie: Helmut Dietl, Franz Geiger, Reinhard Schwabenitzky, Klaus Emmerich
Darsteller(innen): Towje Kleiner, Monika Schwarz, Helmut Fischer, Barbara Valentin, Kurt Raab, Ilse Neubauer, Alexander May, Herb Andress, Christine Kaufmann, Lambert Hamel, Johanna Mertinz, Eva Ingeborg Scholz, Karl Lieffen, Richard Münch, Ursula Reit, Alfred Urankar, Georg Tryphon u. A.
in kleiner Blechschaden an ihren Autos bringt die beiden frisch Geschiedenen Maximilian Glanz und Gloria Schimpf einander näher. Aus dem ruhigen Leben alleine, von dem beide träumen, scheint nichts zu werden. Die Liebe macht Maximilian und Gloria einen gehörigen Strich durch die Rechnung und so mühen sie sich stetig, die Probleme zu lösen, die ihre völlig unterschiedlichen Charaktere im täglichen Zusammenleben verursachen.
Quelle: kabel1.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Komödie à zwölf ca. 45-minütiger Episoden, diefür den Bayrischen Rundfunk produziert und ab November 1979 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist nach den „Münchner Geschichten“ die zweite Serie des Münchners Helmut Dietl („Monaco Franze – Der ewige Stenz“). Von Dietl stammt die Idee, zudem verfasste er den überwiegenden Teil der Drehbücher und übernahm meist die Regie. Einzelne Episoden wurden aber auch von Klaus Emmerich, Franz Geiger und Reinhard Schwabenitzky inszeniert.
„Du chaotischer Konfusionist!“
Journalist Maximilian Glanz (Towje Kleiner, „Münchner Geschichten“) ist der Kummerkastenonkel einer Münchner Tageszeitung – ein Job, der ihn immer weniger ausfüllt. Zudem ist er frisch geschieden. Dies ist auch Gloria Schimpf (Monika Schwarz, „Männer“), und wie der Zufall so spielt, lernen sie sich just am Tag ihrer jeweiligen Scheidung kennen. Sie verlieben sich ineinander und versuchen, zusammenzuleben und eine innige Beziehung miteinander zu führen, doch das ist leichter gesagt als getan. Max‘ zweite große Obsession ist sein Buchprojekt mit dem sperrigen Titel „Woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht“, an dem er trotz einiger Rückschläge unermüdlich arbeitet…
„Man kann alles übertreiben…“ – „Richtig. Manchmal muss man es auch.“
Die Handlung steigt kurz vor Maxis Scheidungstermin ein, kurz darauf gefolgt von seiner schicksalhaften Begegnung mit Gloria – bezeichnenderweise durch einen Auffahrunfall. Eine Rückblende zeigt sie mit ihrem Mann (Alexander May, „Tätowierung“) streitend. Maxi wird u.a. über den Zustand seiner Wohnung als Chaot skizziert, den Alina (Barbara Valentin, „Angst essen Seele auf“), Glorias kampffeministische Freundin, die sich einen suizidalen Toyboy und Haushälter hält, ihr direkt wieder auszureden versucht. In einer versiert geschnittenen Parallelmontage sieht man Maxis Freund Lino (Helmut Fischer, Münchner „Tatort“) exakt das gleiche über Frauen erzählen wie Alina ihrer Freundin über Männer. Als Gloria schwanger zu sein droht, greift man in der Postproduktion auf verschiedenes Archivmaterial zurück, um einen nächtlichen Traum Maxis zu visualisieren. Für einen kitschigen Tagtraum Glorias wiederum greift man zur Fischaugenoptik. Die Konsequenzen ihrer gegenseitigen Zuneigung sind bald ein nervenaufreibendes Zusammenleben auf zu beengtem Raum, eine nicht minder nervenaufreibende Wohnungssuche und schließlich eine nervenaufreibende erste Trennung mit baldigem Wiederzueinanderfinden.
„Das Leben lässt sich nicht verabreden!“
Daraufhin lebt man in einer Pension zusammen, jedoch ohne diese bezahlen zu können. Maxi empfiehlt Gloria, sich eine Arbeit zu suchen, während er, nachdem er seinen bisherigen Job geschmissen hat, nun Texte für ein Herrenmagazin verfasst (die beim Chefredakteur nicht sonderlich gut ankommen). Man fliegt auch aus der Pension und trennt sich daraufhin erneut auf Zeit. Maxi bezieht die möblierte Wohnung eines Arbeitskollegen. In Episode (bzw. „Kapitel“, wie die Episoden hier heißen) Nummer 6 bekommt man eine surreale Sequenz ebenso zu sehen wie einen imaginierten, aber visualisierten Hochzeitstanz. Gloria nimmt einen Job im Flughafenkiosk an und Maxi schlägt eine platonische Beziehung vor, die man nun miteinander versucht. Sie zieht in „seine“ Wohnung mit ein und beide laden ihre jeweiligen Ex-Ehepartner zu einem gemeinsamen Abend zu sich nach Hause ein. Das verdutzte Publikum dieser und anderer ebenso abwegig wie verzweifelt anmutender Pläne, Ideen und Vorgänge erfährt nebenbei, dass dieses Chaos miteinander mittlerweile schon seit zwei Jahren läuft. Natürlich muss man auch diese Wohnung wieder räumen (und flüchtet sich in abermals visualisierte Tagträume – ein vermehrt eingesetztes Stilmittel der Serie).
„Du bist schwer krank, Maximilian!“
In Episode 8 verlässt man München für einen Urlaub in Cannes während der Filmfestspiele, was für einen willkommenen Drehortwechsel sorgt – den die Regie u.a. nutzt, um ein paar Oben-ohne-Bilder am Strand einzufangen. Dort lernt Maxi einen US-Filmproduzenten kennen, der ihm Honig um den Bart schmiert und angeblich sein Manuskript verfilmen will, sich aber als Betrüger entpuppt, dessen Frau sich zudem an Maxi heranwirft, bis Gloria entnervt abreist. Diese Rolle ist eine köstliche Parodie auf großkotzige Amis, aber auch auf die Verführbarkeit junger mittelloser Künstler. Maxi läuft die ganze Zeit ohne Hose herum und da man sich kein Hotel leisten kann, lebt man im Zelt. Während der nachgereiste Lino verzweifelt nach Maxi sucht, brennt dieser mit der Frau des Betrügers durch. Wieder zu Hause wartet der Gerichtsvollzieher… In Episode 9 ist Maxis Manuskript endlich fertig, aber es gehört quasi nicht mehr ihm, sondern zur Konkursmasse seines pleitegegangenen Verlags. Auch ohne eigenes Zutun verläuft Maxis Leben streng nach Murphy’s Law. Er wirft alles hin, meldet sich arbeitslos und sucht einen neuen Job. Gloria und Lino versuchen derweil ohne sein Wissen, das Buch als Theaterstück unterzubringen. Maxi tritt aber einen Job als Müllmann an, was er als Befreiung vom „Intellektuellenquatsch“ empfindet. Angesichts der vergnügten Bilder von Musik und Tanz nach Feierabend mit seinen migrantischen Kollegen möchte man ihm glauben. Lino bändelt mit einer Zeitungsbesitzerin an, um eine Reportage über Maxi unterzubringen, doch dieser nimmt Reißaus. Dennoch landet er in der Zeitung und wird daraufhin von seinen Kollegen geschasst. Am Ende dieser slapsticklastigen Episode wird sein Stück tatsächlich gespielt – und, man höre und staune: Es wird ein Erfolg!
„Jetzt sei still und genieße!“
Dadurch gelangt Maxi endlich zu Geld – und ist damit heillos überfordert. Er entblödet sich nicht, alles in einer Spielothek zu verzocken. Als Zuschauerin oder Zuschauer dürfte damit auch das letzte Fünkchen Verständnis für den immer unsympathischer gewordenen Maxi erloschen sein, zudem waren Dietl & Co. mit dieser Figur offenbar weitestgehend fertig, denn die vorletzte Episode gehört ganz Lino: Dieser lernt eine neue Frau kennen – und der alte Schwerenöter verliebt sich doch tatsächlich. Doch Genevieve versetzt ihn zunächst, ist als Brauerbesitzertochter beruflich schwer im Betrieb ihres Vaters eingespannt. Ihre Brüder trauen Lino nicht über den Weg und beauftragen einen Privatdetektiv, Nachforschungen über ihn anzustellen. Da man bei der Polizei nichts von Datenschutz hält, ist dies auch kein Problem – und das Ergebnis füllt einen Aktenordner, mit dem Genevieve konfrontiert wird. Sie stellt Lino trotzdem ihrem Vater vor. Der gestattet die Verlobung, gibt ihm direkt einen Job und alle drei machen Nägel mit Köpfen. So einfach kann es manchmal sein. Offenbar dient diese Episode vor allem, um einen Kontrast zur dysfunktionalen Beziehung zwischen Maxi und Gloria herzustellen.
„Mein bisheriges Leben war eine einzige Zumutung!“
Zurück zur weiteren Entwicklung eben jener findet die Serie im Finale nur bedingt, denn dieses spielt im Jahre 2014. Max sei 1984 als erstem Menschen ein künstliches Gehirn transplantiert worden. Der Rest der Menschheit folgte nach und nach, seither herrschen Frieden, Glück und Harmonie – sogar zwischen Maxi und Gloria. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums dieses Schritts soll er im Fernsehen auftreten. Rückblenden zeigen, wie sie sich früher gegenseitig betrogen haben; und da er im TV solch alte Geschichten erzählen will, reklamiert Gloria sogar sein Hirn. Weitere Rückblenden geben Aufschluss über bedeutsame Ereignisse für das Paar in den letzten 3 0 Jahren. Dieses wurde in der Maske auf alt getrimmt; dass alles andere aber noch immer wie Ende der 1970er aussieht und man gar nicht erst den Versuch eines futuristischen Anstrichs unternahm, mutet etwas arg lieblos an. Dieses sich vordergründig optimistisch gebende, eigentlich aber höchst pessimistische Finale betont noch einmal den satirischen Ansatz der Serie, ist aber sehr befremdlich und gewöhnungsbedürftig ausgefallen.
„Der ganz normale Wahnsinn“ beginnt sehr hektisch, was vor allem Maxis Geisteszustand – getrieben, konfus und leicht neurotisch zugleich – unterstreicht und durch Jackie Shays etwas penetrant auch während der Episoden immer wieder erklingendem Titellied „Nerves“ verstärkt wird. Generell dudelt in den ersten Episoden permanent ein Soundtrack. Maxi hat ein bisschen was von Woody Allens Paraderollen, die Dialoge gingen in die Screwball-Schule; in seinen besten Momenten erinnert der Humor an Loriot und dessen scharfe Alltagsbeobachtungen (zwischen-)menschlichen Verhaltens. Die Serie wartet mit einem starken Schauspielensemble auf, insbesondere Towje Kleiner glänzt als Maximilian. Gastrollen nehmen u.a. Ruth Maria Kubitschek, Rolf Olsen, Elisabeth Volkmann, Hark Bohm, Rolf Zacher, Grit Boettcher und Martin Semmelrogge ein.
Zwischenzeitlich hat es den Anschein, als stünden tatsächlich alle Figuren dem Wahnsinn nahe. Dem gegenüber stehen Durchhänger wie eine etwas lahme fünfte Episode und das Phänomen des sich nach den ersten Episoden zumindest zeitweise eintretenden Effekts, dass bei aller behaupteter Hektik die Handlung auf der Stelle zu treten und etwas langatmig erzählt zu werden scheint. Auch taugen weder Maxi noch Gloria sonderlich als Identifikationsfiguren. Dies gilt insbesondere für Maxi, der anfänglich wie ein sympathischer Verlierertyp wirkt, sich zuweilen aber regelrecht ins Gegenteil verkehrt, was wiederum nicht ganz unproblematisch fürs Funktionieren der Serie als partnerschaftssatirische Komödie ist.
Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass, so heißt es, Dietl die Serie kurz nach seiner Trennung von Barbara Valentin gedreht habe, die in ihrer Rolle als Alina dennoch zum Ensemble gehörte. Insofern kann man mutmaßen, dass Maxi und seine Beziehungsunfähigkeit autobiographische Züge Dietls tragen. Möglicherweise spielt die Serie ein Stück weit die verschiedenen Stationen der Trennungsverarbeitung durch, von der Rekapitulation einer dysfunktionalen Beziehung über Wut und Aggression bis zu Selbstkritik, vielleicht gar Selbsthass, und schließlich Resignation. Das ist nicht immer schön, ganz im Gegenteil – und so ist eben auch diese Serie nicht immer schön, wenn sich hinter ihrem Humor viel dieser Gemütszustände verbirgt.
In Helmut Fischers hier nur eine Nebenrolle spielenden Figur Lino Gailing findet sich bereits ganz viel von „Monaco Franze“, jenem berüchtigten ewigen Stenz, dem Dietl seine nächste, meines Erachtens besser gelungene Serie auf den Leib schneiderte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)