Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Moderator: jogiwan

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purgatorio
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Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von purgatorio »

DER GOLEM
WIE ER IN DIE WELT KAM
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Deutscher Titel / Originaltitel: Der Golem - Wie er in die Welt kam


Regie: Paul Wegener, Carl Boese
Produktionsland: Deutschland (1920)

Darsteller: Paul Wegener, Albert Steinrück, Lyda Salmonova, Ernst Deutsch, Hans Sturm, Max Kronert, Otto Gebühr, Dore Paetzold, Lothar Müthel, Greta Schröder, Loni Nest, Carl Ebert...

Story:
Aufgrund der Sternenkonstellation erkennt Rabbi Löw (Albert Steinrück), dass den Juden in Prag Unheil droht. Kurz darauf wird ihm mitgeteilt, dass alle Juden auf Geheiß des Kaisers (Otto Gebühr) die Stadt verlassen müssen. In seiner Not formt Rabbi Löw mit seinem Famulus (Ernst Deutsch) einen Golem (Paul Wegener), der seine Glaubensbrüder beschützen soll. Mithilfe der dunklen Mächte des Wesens Astaroth kann der Rabbi das Lehmgebilde schließlich zum Leben erwecken. Als der Rabbi während des Rosenfestes den Golem dem Kaiser präsentiert, macht sich zunächst Furcht breit. Doch während der Festlichkeiten kommt es zu einem Zwischenfall. Als dabei der willenlose Helfer des Rabbis den Kaiser vor dem Tode rettet, hebt der Herrscher seinen Ausweisungsbefehl auf. Doch durch die Änderungen der Sternenkonstellation beginnt der Golem, sich seinem Herren zu widersetzen...
(via ofdb)
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purgatorio
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von purgatorio »

DER GOLEM – WIE ER IN DIE WELT KAM (Deutschland 1920, Regie: Paul Wegener, Carl Boese)

Früher Grusel- und Horrorklassiker: Der Kaiser ordnet die Räumung des Prager Judenghettos an. Der Rabbi Löw deutet in den Sternen das drohende Unheil für sein Volk und beginnt als Schutzpatron einen Golem aus Lehm zu formen und diesem Mittels schwarzer Magie und der Anrufung des Astaroth Leben einzuhauchen. Jedoch kann er mit dem Ungetüm nichts anfangen, lässt ihn darum Holz hacken und einkaufen gehen. Schließlich erhalten beide jedoch die Möglichkeit, dem Kaiser das Leben zu retten, was der Judengemeinde den Freibrief einbringt. Die Dienste des Golem werden nun nicht mehr benötigt, doch so einfach lässt sich schwarze Magie nicht beenden! Der Assistent des Rabbis schickt die Kreatur zu einem Mord gegen einen Konkurrenten um die Gunst einer Frau, was den Golem derart tiefgreifend verwirrt, dass er Amok läuft…

Die Kreatur aus totem Material ist in europäischen Narrationen eine vielfältige Konstante. Frankenstein (zu dieser Zeit vornehmlich noch als Roman bekannt, obwohl die erste Verfilmung auf 1910 datierbar ist), der Maschinenmensch in METROPOLIS (1927) und eben DER GOLEM sind hier die wohl prominentesten Vertreter. Die Lehmkreatur selbst ist dabei ebenso faszinierend wie – im Kontext des Films – auch antisemitisch deutbar, erfüllen die Juden doch alles, was ihnen im Dekret des Kaisers so klischeehaft angeheftet wird. Gerade die Nutzung schwarzer Magie zum Schutz des eigenen Volkes tritt hierbei als Scharnier des Films in den Vordergrund. Dennoch ist DER GOLEM nicht nur seiner Zeit der erfolgreichste deutsche Film gewesen, sondern auch heute noch für jeden Grusel- und Horrorfreund ein must see! Die Sets sind so umwerfend detailreich und von windschief-expressiver Ausdruckskraft, dass man sich im Rahmen der knapp 90 Minuten Laufzeit nur schwerlich daran sattsehen kann. Und auch inhaltlich bietet der Stoff all die Ingredienzien, die dem Horrorkenner lieb sein sollten. Die irrational erweckte Kreatur, der Faszination und Grauen gleichermaßen innewohnen, die, von schwarzer Magie beseelt, sich nicht binden und unterjochen lässt und schließlich furchtbare Taten verübt. Großartig! Ein Meisterwerk! 10/10
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Arkadin
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von Arkadin »

purgatorio hat geschrieben:Frankenstein (zu dieser Zeit vornehmlich noch als Roman bekannt, obwohl die erste Verfilmung auf 1910 datierbar ist), der Maschinenmensch in METROPOLIS (1927) und eben DER GOLEM sind hier die wohl prominentesten Vertreter.
James Whale dürfte den "Golem" gesehen haben, den "Frankenstein" zitiert einige Bilder aus Wegeners Film. Prominentestes Beispiel, das kleine Mädchen am Ende. Ganz toller Film, zu dem ich einmal eine Einführung in einem sehr gut gefüllten Kinosaal halten durfte.
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purgatorio
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von purgatorio »

Arkadin hat geschrieben:
purgatorio hat geschrieben:Frankenstein (zu dieser Zeit vornehmlich noch als Roman bekannt, obwohl die erste Verfilmung auf 1910 datierbar ist), der Maschinenmensch in METROPOLIS (1927) und eben DER GOLEM sind hier die wohl prominentesten Vertreter.
James Whale dürfte den "Golem" gesehen haben, den "Frankenstein" zitiert einige Bilder aus Wegeners Film. Prominentestes Beispiel, das kleine Mädchen am Ende.
Mit Sicherheit - die Szene ist ja nahezu ikonisch. Wobei ich ernsthaft behaupten würde (ohne es noch mit Sicherheit sagen zu können), dass es diese Szene zwischen dem Monster und dem Mädchen so oder in ähnlicher Form auch in Shelleys Buch gab.
Die Frankenstein-Verfilmung, auf die ich dort anspiele ist übrigens: FRANKENSTEIN (USA, 1910, Regie: James Searle Dawley).
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jogiwan
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von jogiwan »

ach... Prag... was für eine schöne Stadt und der Golem ist dort ja auch omnipräsent! :)
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buxtebrawler
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von buxtebrawler »

Ist mutmaßlich am 28.06.2019 bei Universum Film auf Blu-ray erschienen:

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Extras:
- Vor Menüstart kann man zwischen vier verschiedene Kompositionen wie Admir Shkurtja 2.0, Stephen Horne 5.1, Stephen Horne 2.0 und Lukasz „Wudec“ Poleszak 2.0 als Begelitmusik seine Wahl treffen.

- US-Version mit Musik von Cordula Heth
- Hauptfilm [1:33]: (59:13 Min. o. A.)
- Tonspuren:
• DTS-HD Master Audio 2.0
• DTS-HD Master Audio 5.1

- Vergleich Export- und Inlandsnegativ im Split-Screen (22:16 Min.)
- 20-seitiges Booklet mit Texten von Karsten Visarius, Anke Wilkening und Maria Fuchs

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=448321
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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sid.vicious
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von sid.vicious »

purgatorio hat geschrieben:
Arkadin hat geschrieben:
purgatorio hat geschrieben:Frankenstein (zu dieser Zeit vornehmlich noch als Roman bekannt, obwohl die erste Verfilmung auf 1910 datierbar ist), der Maschinenmensch in METROPOLIS (1927) und eben DER GOLEM sind hier die wohl prominentesten Vertreter.
James Whale dürfte den "Golem" gesehen haben, den "Frankenstein" zitiert einige Bilder aus Wegeners Film. Prominentestes Beispiel, das kleine Mädchen am Ende.
Mit Sicherheit - die Szene ist ja nahezu ikonisch. Wobei ich ernsthaft behaupten würde (ohne es noch mit Sicherheit sagen zu können), dass es diese Szene zwischen dem Monster und dem Mädchen so oder in ähnlicher Form auch in Shelleys Buch gab.
Die Frankenstein-Verfilmung, auf die ich dort anspiele ist übrigens: FRANKENSTEIN (USA, 1910, Regie: James Searle Dawley).
Giesen schreibt zu Whales Frankenstein:

Außerdem ließ sich Whale nachweislich inspirieren von Filmen wie Das Cabinet des Dr. Caligari und Metropolis sowie von den Paul Wegener Streifen Der Golem, wie er auf die Welt kam und The Magician.
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jogiwan
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von jogiwan »

Rabbi Löw sieht in den Sternen schweres Unheil für das jüdische Volk im Prager Ghettos und tatsächlich steht wenig später ein Gesandter des Königs mit schlechten Nachrichten vor dem Tor des Viertels. Daher beschließt der Rabbi zum Schutz seines Volkes den Golem zum Leben zu erwecken und trotzt den dunklen Mächten auch das Geheimnis für die Wiederbelebung der Kreatur aus Lehm ab. Der Golem ist zwar groß und stark, aber von sehr simpler Intelligenz und statt die jüdischen Feinde in Angst und Schrecken zu versetzen, wird er von Rabbi Löw als Hausdiener verwendet. Doch wenig später kommt Golems Stunde, als er den König und sein Gefolge bei einem Fest vor einer drohenden Katastrophe rettet. Der König verspricht Rabbi Löw und sein Volk zu schützen, doch als dieser daraufhin den Golem wieder ins Reich der Toten zurückschicken möchte, gibt es unerwarteten Widerstand…

Stummfilme sind ja normalerweise nicht unbedingt mein bevorzugtes Interessensgebiet, aber da der Golem nun mal in Prag sehr präsent ist, ich im selben Gebäude war auf dessen Dachboden sich die Überreste befinden sollen und das Büchlein über Sagen aus dem jüdischen Ghetto im Zug flugs gelesen war, hat mich natürlich auch die erste filmische Umsetzung des Stoffes interessiert. Die Geschichte von Golem unter der Regie und Paul Wegener und Carl Boese weicht zwar inhaltlich sehr von meinem Sagenbuch ab, aber das ist bei überlieferten Geschichten wohl ohnehin üblich. Die Umsetzung hingegen ist sehr gelungen, auch wenn man den 1920 gedrehten Streifen natürlich nicht nach herkömmlichen Punkten bewerten kann. Überraschenderweise bietet „Der Golem – Wie er in die Welt kam“ aber überraschenderweise auch ein paar nette Tricks und vor allem die Szenen mit den dunklen Mächten sind schon sehr gelungen. Dazu ein paar zauselige Darsteller, eine Liebesgeschichte und ein Ende, dass nicht von ungefähr stark an Frankenstein erinnert. Also alles richtig gemacht und auch die neue Blu-Ray die eine aus mehreren Quellen rekonstruierte Fassung bietet, ist ebenfalls sehr hübsch anzusehen und anzuhören.
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Salvatore Baccaro
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Re: Der Golem - Paul Wegener, Carl Boese (1920)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Am Montagabend als Live-Premiere der restaurierten Original-Filmmusik von Hans Landsberger im Braunschweiger Staatstheater als Eröffnungsgala zum diesjährigen Filmfestival genossen: Der Score bewegt sich überraschend dicht am Bild, (teilweise nimmt Landsberger, über dessen Biographie nur wenig bekannt ist und der tatsächlich auch nur viermal als Filmkomponist in Erscheinung trat, gar solche Praktiken wie "Mickey-Mousing" vorweg, und gestaltet seine Partitur als Collage unterschiedlicher Leitmotive, die jeweils bestimmten Figuren oder Situationen zugeordnet werden, - so bekommt der "Junker Florian" genauso sein eigenes Thema wie der rasende Golem.) Über die Qualität dieses Meisterstücks des deutschen Stummfilmexpressionismus muss man, glaube ich, keine großen Worte mehr verlieren, - vielleicht aber darüber, dass am Dienstag im Rahmen einer Sonderveranstaltung der Leiter des Münchner Filmmuseums ein restauriertes Fragment von Wegeners allererstem GOLEM aus dem Jahre 1915 im Gepäckt hatte, (namentlich handelte es sich um die zweite von insgesamt vier Rollen einer US-amerikanischen Export-Fassung, die vor Jahren unverhofft in Buenos Aires auftauchte): Dieser knapp zwanzigminütige Bilderreigen macht ziemlich deutlich, wie sehr DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM sowohl Prequel wie auch Remake darstellt, - Prequel deshalb, weil er quasi die Vorgeschichte zum 1915er GOLEM erzählt, wo der Lehmmann im modernen Prag von Grabräubern ans Tageslicht befördert und zum willfährigen Instrument der Protagonisten eines Eifersuchts- und Herzschmerzdramas wird; Remake deshalb, weil Wegener im 1920er Film offenkundig mehrere Einstellungen 1:1 aus seinem ersten GOLEM rekapituliert, (Sturz vom Turm; die Erweckung des Lehmklumpens zum Leben). Andererseits erinnert der 1915er GOLEM freilich rein inszenatorisch noch viel mehr an Wegeners theatrale frühe Märchenfilme à la RÜBEZAHLS HOCHZEIT oder DER RATTENFÄNGER, und hat eher weniger zu tun mit der atemberaubenden Studioarchitektur und den wundersamen Licht- und Schattenspielen, die DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM auszeichnen. Von Wegeners drittem Golem - DER GOLEM UND DIE TÄNZERIN aus 1917; einer Komödie, in der sich, dem Vernehmen nach, ein Verliebter als Golem verkleidet, um seiner Angebeteten näherzukommen - fehlt indes leider nach wie vor jede Spur außerhalb von einer Handvoll Aushangphotos und zeitgenössischen Zeitungskritiken...
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