IN LETZTER MINUTE (Folge 19)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Heinz Reincke, Gisela Uhlen, Maria Sebaldt, Peter Eschberg, Eva Kinsky, Eric Pohlmann, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker
Die Abwechslung bei dieser Kommissar-Folge von Wolfgang Becker besteht zunächst einmal darin, dass die Spannung hauptsächlich deswegen aufkommt, dass man förmlich auf einen Mord wartet. »Kossitz kommt raus - na dann ist was los!« Dieser Satz bleibt allgegenwärtig und schwebt wie ein schwarzer Schatten über dieser Episode, er wirkt wie eine böse Ahnung und eine gefährliche Prophezeiung. Die Hauptpersonen der Geschichte unterstützen diese Spannung sehr gut, der Zuschauer wird aufgrund der straffen Regie, gleich von Beginn an sehr eng in diesen Fall mit einbezogen. Für meine Begriffe ist der Titel von Folge 19 etwas zu wortwörtlich ausgefallen, ich hätte ihr in Anlehnung einer Bemerkung von Kossitz wohl eher den Titel "Vogel im Hals" gegeben. Alles in allem ist es wirklich etwas anderes, einmal nicht direkt mit einem Mord und dazugehöriger Leiche konfrontiert zu werden, was zum Eindruck führt, dass "In letzter Minute" mit einem äußerst klaren und logischen Aufbau überzeugen kann, da der Fall im Verlauf auch nochmals aufgerollt wird und für den Zuschauer transparent gemacht wird. Einige Schauplätze, wie eine beispielsweise immer wieder gerne servierte Nachtbar als Dreh- und Angelpunkt diverser Geschehnisse, enge Hinterzimmer und unübersichtliche Plätze, oder hier eine winterliche Kulisse sorgen für ein aussagekräftiges und auch nachhaltig in Erinnerung bleibendes Gesicht der neunzehnten Folge.
Die Hauptfiguren sorgen für Skepsis, Misstrauen und Widersprüche. Heinz Reincke in der Hauptrolle bekommt trotz Vorbelastung gleich eine gute Portion Sympathie-Punkte und man überlegt erstens hin und her zwischen der Frage der Unschuld und eines Komplotts, und zweitens stellt man sich die Frage, ob ihn die Umstände möglicherweise erst- oder nochmals zum Mörder machen könnten, oder ob es ihn sogar selbst erwischen wird. Kossitz wird ausreichend von allen Beteiligten charakterisiert und dank Heinz Reincke sieht man eine verlässliche und treffsichere Interpretation eines Mannes, dessen Gefühle man nachvollziehen kann, da er alles verloren hat und mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis vor weit größeren Problemen steht, nämlich wie er diesen Scherbenhaufen, einst Leben genannt, wieder in den Griff bekommen soll. Seine Gegenspieler sind in Gestalt von Gisela Uhlen, Maria Sebaldt und Peter Eschberg jeweils eine ausgezeichnete Wahl gewesen. Hilde Lenk, deren Mann damals zu Tode kam, wird von Gisela Uhlen bemerkenswert geformt. Die Stärke der Interpretation liegt in der Unsicherheit und der fürchterlichen Angst dieser Person. Ihre nervöse Anspannung ist für den Zuschauer fast spürbar, ihre Augen dokumentieren ein beinahe hysterisches Suchen nach Strohhalmen, ihr Kampf, nicht die Nerven zu verlieren erscheint sehr glaubhaft. Maria Sebaldt als Frau von Kossitz ertränkt ihre panische Angst mit einem Fließband an Drinks, was sie unempfindlich und teilnahmslos wirken lässt und Peter Eschberg überzeugt restlos als Mann ohne Skrupel. Mit allen Mitteln hält das Trio zusammen wie Pech und Schwefel, die Angst höhlt diese Herrschaften jedoch komplett aus und das eingefrorene Gewissen taut langsam auf. Besonders positiv fällt noch Eva Kinsky auf, die demonstriert, wie wichtig es ist, eigene Gedanken zuzulassen und sie ist eine der wenigen gefestigten Charaktere in dieser Geschichte. Wenn man die Vorhersehbarkeit des Falles außer Acht lässt, und sich auf die hochwertige Inszenierung mit ihren vielen Spannungsmomenten und Wendungen konzentriert, hat man es doch mit einer sehr guten Kommissar-Folge zu tun, vor allem, weil das Finale so eingeleitet wird, dass man das Gefühl des im Titel versprochenen Zeitdruckes, eindeutig wahrnimmt. Nach der Folge bleibt unterm Strich eine wenig erbauliche Prognose zurück, die nachdenklich stimmt.