Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »


EIN MÄDCHEN MELDET SICH NICHT MEHR (Folge 5)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Monika Peitsch, Til Erwig, Peter Schlaetel, Günther Ungeheuer, Josef Fröhlich, Rudolf Schündler, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Theodor Grädler


Was ist los mit Gerda Stein? Diese Frage stellt sich auch ihr Vater, der Schuldirektor ist, denn sie reagiert nicht auf Anrufe und auch die gewohnten Briefe von ihr bleiben aus. In ihrer Wohnung kommt es zur entsetzlichen Gewissheit, denn Gerda ist ermordet worden. Die Mordkommission nimmt die Ermittlungen auf, und erst eine rätselhafte Nachricht bringt Komissar Keller auf eine heiße Spur. Der anonyme Anrufer beschwört die Polizei, eine Person namens Tanieff zu suchen. Handelt es sich um einen sachdienlichen Hinweis oder wollte man nur eine falsche Fährte legen..?

Der Einstieg in die Folge "Ein Mädchen meldet sich nicht mehr" ist mit dem Zeigen der Toten und der Reaktion des Vaters sehr gelungen, die Ermittlungen beginnen, und schon kommt es zu herkömmlichen Abhandlungen. Von der Tochter hat der Vater ein verzerrtes Bild, sein Mädchen führte offenbar ein Leben, welches ihm total fremd war, und nach und nach kommt er zu unschönen Gewissheiten, die das Andenken der Toten negativ behaften. Schnell hat man eine aussagekräftige Zeichnung der Toten, auch ihr Umfeld wird schnell abgegrast und man bekommt es mit jungen Leuten zu tun, die insgesamt in ihren Darstellungen ziemlich blass und undifferenziert wirken. Selbst bei den Ermittlungen hat man als Zuschauer den Eindruck, dass es der Kommissar nur mit einer leichten Fingerübung zu tun haben wird. Unter der Regie von Theodor Grädler ging fast vollkommen die Spanunng ab, und das Szenario schleppt sich leider zu ungelenk bis zum Ende. Junge Leute, Drogen, Klischees... Da gab es schon überzeugendere Ausarbeitungen.

Monika Peitsch, die ich immer sehr gerne sehe, kann hier leider kaum überzeugen. Zu naiv und beinahe einfältig wirkt sie mit ihrer Darstellung einer jungen Frau, der es dem Empfinden nach gerade recht kam, dass ihre ehemalige Freundin sich in Nichts aufgelöst hat. Keine dankbare Rolle insgesamt, und man sieht der diffusen Interpretation geradezu an, dass Monika Peitsch keine Mittel fand, ihre Vera mit doppeltem Boden auszustatten. Selten habe ich sie so unpräzise gesehen. Til Erwig und Peter Schlaetel sollen angeblich das Gefallen der Ermordeten Gerda Stein gefunden haben, die der Zeichnung nach sicherlich ganz andere Kaliber für sich hätte interessieren können. Schwache Bilder eines übernervösen, unsicheren Snobs, der nur Frauen gegenüber eine harte Hand zeigen kann, und einer den Drogen verfallenen, gescheiterten Existenz, die noch nicht einmal überzeugend dargestellt wurde. Selbst Günther Ungeheuer, der wenigstens passabel spielt, wirkt zu überladen und hinterlässt einen gewöhnlichen Eindruck. Die potentiell hochkarätige Besetzung enttäuscht leider über weite Strecken. Die Arbeit der Ermittler wirkt hingegen grundsolide und vermittelt nach wenigen Folgen bereits eine überzeugende Konstante in der Interaktion. Sicher ist, dass "Ein Mädchen meldet sich nicht mehr" eine der schwächeren Kommissar-Folgen geworden ist, die nichts Extravagantes und trotz ambitionierter Passagen nichts Neues zu bieten hat, und darüber hinaus auch inszenatorisch einen Rückschritt darstellt. Es werden definitiv wieder fesselndere Episoden folgen und schnell über die Langatmigkeit dieser fünften Folge hinweg trösten.
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FarfallaInsanguinata
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Verdammt, die Folge besitze ich gar nicht. :oops:
Zur Erklärung: Ich hatte die Serie bei einer der vielen Wiederholungen im Nachtprogramm mitgeschnitten, auf Betamax-Kassetten :lol: , und bin damals zwischen zwei Wohnungen gependelt, wo jeweils ein Recorder stand, weshalb die Reihenfolge bei mir nicht exakt chronologisch ist.
Das Upgrade nach Erscheinen der DVD's fand aus Geldmangel leider auch nie statt. :pfeif:

Jedenfalls ... gesehen defintiv, aber aktuell keine detailierte Erinnerung daran, was dein Fazit "schwächer" durchaus unterstützt.
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »

Naja, so schlimm ist die Erinnerungslücke bei der fünften Folge definitiv nicht. Ist für mich von den bislang besprochenen eindeutig die schwächste Folge gewesen. Deswegen habe ich sie heute wohl auch nur im Schnellverfahren durchlaufen lassen. :lol:
Der Mordfall ist lau, genau wie die Auflösung, und man kann noch nicht einmal behaupten, dass viel an Potential liegen gelassen wurde. Da war nicht viel drin. Aber Theodor Grädler ist für meine Begriffe auch so ein Kandidat für eher hölzerne und unspektakuläre Inszenierungen, wobei Ausnahmen selbstverständlich die Regel bestätigen.
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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »


DIE PISTOLE IM PARK (Folge 6)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Marianne Koch, Peter van Eyck, Rose Renée Roth, Hermann Lenschau, Richard Rüdiger
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker


Georg Wegener, ein reicher Geschäftsmann, sucht Kommissar Keller auf. Er hat einen Erpresserbrief erhalten und soll einem Unbekannten die Summe von 100000 DM zahlen, außerdem wurde in seinem Park bereits auf ihn geschossen. War es nur ein Warnschuss, weil er der Zahlungsforderung nicht nachgekommen ist? Die Polizei nimmt den Fall eher skeptisch zur Kenntnis, doch schon am nächsten Tag wird die Mordkommission zu Herrn Wegener gerufen. Es ist tatsächlich ein Mord geschehen und es scheint, als habe man den Gärtner versehentlich erschossen. Was steckt tatsächlich dahinter..?

Wolfgang Beckers "Die Pistole im Park" habe ich wieder mit besonderer Ungeduld erwartet, da ich diesen Beitrag in bester Erinnerung hatte. Nach dem Besuch Wegeners im Büro des Kommissars wird ein bevorstehender Mord quasi angekündigt, der wenig später auch folgt, und der Zuschauer muss sich erst einmal neu orientieren. Dies geschieht dann auch ziemlich schnell, doch es verläuft nicht alles so einfach und reibungslos, wie man es sich vorstellt. Die beteiligten Personen leisten höchste Widerstände und verschleiern das Motiv in bemerkenswerter Art und Weise. Daher ist die interessante Frage in dieser Geschichte nicht, wer den Mord letztlich begangen hat, sondern wie der Täter geschnappt werden kann. Hier bekommt Heines die schwierige Aufgabe zugeteilt, der stets korrekt und sachlich vorgeht, daher wenig nach links und rechts schaut, und somit viel Reibungsfläche anbieten wird, so dass er mit dem hochmütigen Wegener nicht auskommen, und permanent mit ihm aneinander geraten wird. Die Schauplätze charakterisieren die Episode besonders gut. Eine feudale Villa inmitten einer weitläufigen Parkanlage, gekoppelt mit der erlesenen Ausstattung im Haus, zeigen die Vermögensverhältnisse des Kaufmanns. Im Kontrast dazu wirken die Räumlichkeiten der Mordkommission überaus schäbig und spartanisch.

Interessant in dieser Folge sind die Charakterzeichnungen der doch übersichtlichen Anzahl an Personen. Die Rolle der Privatsekretärin Hannelore Krems ist eine der Interessantesten und sie wird von Marianne Koch beeindruckend dargestellt. Erinnert hat mich diese Interpretation direkt an eine gewisse Dame namens Vivian Taylor aus "Schreie in der Nacht", eine Frau, die sich ständig selbst im Schutzgriff hält und die ihre Beherrschung fast nie verliert. Das Drehbuch stattete sie nicht mit sichtbaren emotionalen Ausbrüchen aus, der Zuschauer soll nur erahnen, was sich hinter dieser Fassade abspielen könnte. Gerade Marianne Kochs späte Rollen sind für mich die faszinierendsten ihrer Karriere, da sie sich buchstäblich freispielen konnte. Peter van Eyck hat es seiner Ansicht nach lediglich mit Personal zu tun, oder besser noch mit Untergebenen, und sein Wunsch ist stets Befehl. Seine ersten Szenen bei Kommissar Keller zeigen umgehend, mit wem man es zu tun hat. Er reagiert ungeduldig und arrogant, es scheint ihn sogar zu brüskieren, dass er mit Heines, der ja nur Mitarbeiter des Kommissars ist, ermittlungstechnisch die zweite Wahl zur Verfügung gestellt bekommt. Gegenüber der Polizei äußert er direkt oder indirekt immer wieder seine Unzufriedenheit bezüglich des Gesamtverlaufs, und seine Zweifel an den Kompetenzen insgesamt. Diese Leistung ist in der gesamten Serie bestimmt eine der überzeugendsten geworden. Rose Renée Roth, die mich sonst immer eher abschreckt, konnte mich als eingeschüchterte Haushälterin dieses Mal sehr positiv überraschen. Der komplette Fall wirkt trotz mancher vorhersehbaren Komponenten sehr überzeugend und vor allem raffiniert erzählt. Die Arbeit und das Zusammentragen von Indizien erweist sich als große Stärke, obwohl dies hin und wieder ein paar Längen fabriziert, vor allem tauchen aber glücklicherweise immer wieder plötzlich spannende Sequenzen auf, die es verstehen, mitzureißen. Die Frage, wer von diesen Herrschaften zuerst umkippen wird, unterstützt den Fall hervorragend, ja und das Finale, mit dem Versammeln der Verdächtigen und dem Davonlaufen der Zeit, ist ein besonderes Vergnügen. Eine starke Folge über unsichtbare Kämpfe und einseitige Interessen, die immer wieder Spaß macht, da man schließlich gegen Ende einer Person noch eindrucksvoll dabei zusehen kann, wie sie mit einem gönnerhaften Lächeln aufs Schafott steigt!
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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »


KEINER HÖRTE DEN SCHUSS (Folge 7)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Erika Pluhar, Marianne Hoppe, Ernst Fritz Fürbringer, Walter Rilla, Peter Fricke, Michael Hinz, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker


Ewald Kersky, ein Mitarbeiter des renommierten Juweliergeschäfts De Croy, wird tot in seinem Wagen aufgefunden, er wurde erschossen. Er führte Rohdiamanten im Wert von 450000 DM mit sich, die nun verschwunden sind. Alles deutet auf einen Raubmord hin, doch niemand hat den tödlichen Schuss gehört, da sich in der Nähe eine Baustelle befindet, und die Baumaschinen diesen wohl übertönt haben. Bei den Ermittlungen bekommt es Kommissar Keller mit teils eigenartigen Personen zu tun, bei denen auch jeweils plötzlich ein Tatmotiv auftaucht. Steckt mehr dahinter als das Motiv Raub..?

Mit "Keiner hörte den Schuss" bekommt man eine relativ schnörkellose, beziehungsweise ganz klassische Krimi-Unterhaltung geboten. Zunächst hat man es mit einem rätselhaften Mord zu tun, die Personen werden durchleuchtet, schnell tun sich einige Abgründe auf, die Ermittlungen sind transparent und am Ende schnappt eine Falle zu, aus welcher der Täter nicht mehr entkommen kann. Dabei hat man es im Gesamtverlauf gar nicht mal mit absoluter Hochspannung zu tun, sondern mit einer soliden, gut nachvollziehbaren Konstruktion, die, wenn alles vorbei ist, den Zuschauer sogar nachdenklich zurück lässt. Im Zentrum des Geschehens steht die Frau des Ermordeten und stellt das Raubmotiv schnell in den Hintergrund. Insgesamt hat man es unter der Regie von Wolfgang Becker mit einer rundum gelungenen Atmosphäre zu tun, angenehme Farbtupfer gibt es zum Beispiel in Form der Modenschau (sogar mit einem Gastauftritt von Amanda Lear), oder durch die vielen Außenaufnahmen sorgen für Abwechslung. Auch, oder vor allem die Darstellungen der Personen sind sehr überzeugend ausgefallen.

Erika Pluhar, die leider viel zu sporadisch in TV und Kino dieser Zeit zu sehen war, spielt die oberflächliche und unempfindliche Frau des Ermordeten mit hoher Präzision. Ihre Interpretation führte mich gedanklich sogar manchmal zu ihrer Claire Imhoff aus "Perrak". Hier ist sie Eva Kersky, ein attraktives Mannequin oder wenn man so will, das Licht dieser Folge, weil die Männer eben um sie schwirren wie die Motten um das Licht. Bei dieser Leistung kann man quasi zitieren: 'Moth delivers her message'. Herrlich ist es, sie bei den Befragungen durch Kommissar Keller zu beobachten, wenn sie ungeduldige und patzige Antworten gibt, dabei aber keine Miene verzieht. Andererseits sieht man sie in gewissen Situationen auch beinahe sarkastisch: »...alles in mir ist wie gelähmt«, sagt sie mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht. Sie ist die Frau, die sich immer mit dem besten Angebot arrangieren wird, und diese Frage wird hier eingängig erörtert. Marianne Hoppe zeigt als kämpfende Mutter eine sehr gute und bodenständige Leistung, Ernst Fritz Fürbringer als verzweifelter Vater des Toten schwingt sehr eindrucksvoll Hasstiraden gegen seine Schwiegertochter und beschimpft sie als »Luder« und »Mörderin«. Diese Rolle steht ihm sehr gut, meinetwegen hätte man ihm ruhig deftigere Umschreibungen in den Mund legen dürfen. Walter Rilla übernahm eine Paraderolle als Juwelier de Croy, genau wie der Helmut Berger des TV, Peter Fricke, als sein unselbstständiger, nervöser Sohn. Michael Hinz zeigt sich ebenso angenehm und so hat man es mit einem sehr überzeugenden Ensemble zu tun in dieser gelungenen Folge. Das Finale beeindruckte mich am meisten und ließ mich genau wie alle anderen Beteiligten der Geschichte etwas nachdenklich hinter einer bestimmten Person herblicken. Musikalisch bekommt man hier sehr eingängiges geboten und letztlich konnte "Keiner hörte den Schuss" den hohen Stellenwert der vorherigen Sichtungen erneut bestätigen, und für meine Begriffe sogar ausweiten. Ein tolles Gesamtpaket!
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FarfallaInsanguinata
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Ich muß mich entschuldigen! :oops:
Hatte mir fest vorgenommen, über die Feiertage einige Kommissar-Folgen neu zu sichten, da einfach zu lange her für eine vernünftige Beurteilung. Leider verhinderten persönliche Unpässlichkeiten das Vorhaben. Meine Kommentare zu den Folgen werden nachgeholt ...
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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »

Nur die Ruhe, das läuft ja nicht weg!
Aber ich freue mich drauf, bin sehr gespannt!
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FarfallaInsanguinata
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

So, jetzt aber!

Auch meiner Meinung nach handelt es sich um zwei sehr starke Episoden, deren erneutes Anschauen grosses Vergnügen gemacht hat.
Auffälligste Parallele für mich, wie Komissar Keller seinen Mitarbeitern in beiden Fällen einen Schritt voraus ist (ein oft wiederkehrendes Element) und jeweils etwa 15 Minuten vor Schluss alle Beteiligten versammelt, um den Täter im Alleingang zu präsentieren. Die Gastrollen sind bei beiden Folgen hervorragend besetzt, während die Standardpersonen recht blass und unscheinbar rüberkommen, fast wie nicht vorhanden, außer dem Kommissar selbst und Heines natürlich. Beeindruckend, wie Eva Kersky am Ende mit dem knappen Satz "Kann man jetzt gehen?" den Schauplatz verlässt, so als ginge sie das alles nicht das geringste an. Grosse Klasse!
Ein drolliges Detail, das ebenfalls in schöner Regelmässigkeit auftaucht, ist des Kommissars' Umgang mit Vorbestraften und Berufsverbrechern. Lässt er es ansonsten Verdächtigen gegenüber nie an formvollendeter Höflichkeit fehlen, schlägt er hier plötzlich andere Töne an, dutzt Erwachsene frech und zeigt auch allgemein eine gewisse Respektlosigkeit. Aus heutiger Sicht sehr wunderlich.

Was mir noch auffiel ... die Folgen sind auf zwei verschiedenen Betamax-Kassetten gespeichert. Während "Die Pistole im Park" durch ausgezeichnete Qualität nahe an der DVD (ohne Übertreibung!) glänzt (Bandmaterial von TDK), hat "Keiner hörte den Schuss" (Bandmaterial von BASF) den Zahn der Zeit deutlich schlechter überstanden, bei der Betrachtung gestern machten sich diverse Störungen in Form der berüchtigten Blitzer bemerkbar. Immerhin eine späte Bestätigung für ein Vorurteil, das ich schon damals gerne vertrat, auch in Bezug auf Audio-Kassetten: TDK gehörte offensichtlich zu den besten Leerkassetten-Herstellern, und die etwas höheren Preise waren voll gerechtfertigt. :vhs:
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Prisma
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »

Schön, dass du auch mal auf die Stammbesetzung zu sprechen kommst. Die Damen und Herren kommen bei mir immer viel zu kurz, weil ich mich eher mit den Gästen beschäftige. Aber in der Serie fällts schon auf, dass sich sogar bei der Standardbesetzung immer wieder neue Kniffe zeigen, wenngleich jeder einzelne seinen typischen, oder eher gesagt nachhaltigen Eindruck schnell hinterlassen konnte.
Was die Kersky angeht, so hat sie mich auch schwer beeindruckt, genau wie die Krems. Innerhalb der kompletten Reihe hat man es also schon früh mit zwei der beeindruckendsten Frauenfiguren zu tun bekommen, und das Schöne ist ja, dass es bei den Charakterzeichnungen - ob sie oder er - just in dieser Manier weiter gehen wird.
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Re: Der Kommissar (1969 - 1976)

Beitrag von Prisma »


DER TOD FÄHRT 1. KLASSE (Folge 8)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Franz Schafheitlin, Martin Lüttge, Hans Jaray, Nikolaus Paryla, Wolfried Lier, Harry Engel, Leo Bardischewski u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker


Ein Nachtschnellzug kommt in München an. Der Schaffner fordert eine junge Frau, deren Gesicht hinter ihrem Mantel verborgen ist auf, auzusteigen. Doch sie reagiert nicht. Bei genauerem Hinsehen stellt sich das Entsetzliche heraus. Die Frau ist tot und offensichtlich ermordet worden. Wenig später wird ein junger Mann auf dem Bahnhofsgelände gefasst und die Überraschung ist groß, als er umgehend gesteht, der Mörder zu sein. Der vermeintlich eindeutige Fall bring schnell einige Ungereimtheiten zu Tage, denn im selben Zug kam es schon zu mehreren Mordanschlägen. Hat man es tatsächlich mit einem Serientäter zu tun..?

Ambiente Zug, Ereignisse rund um den Dreh-und Angelpunkt Bahnhof, oder Verfolgungsjagden über Abstellgleise, vorbeirauschende Züge. Diese sehenswerte Variante hat schon immer sehr viele Anhänger gehabt und einen großen Reiz besessen, da grade die Zugabteile ein gefährliches Vakuum repräsentieren, aus dem es, wenn sich ein Mörder herumtreibt, kaum ein Entkommen gibt. Die Spannung wird gebündelt, da die Gefahr in jedem Abteil lauern könnte und der Mörder ein eher diffuses Profil besitzt. Inszenatorisch sind also einige gute Grundvoraussetzungen für gute Krimi-Unterhaltung gegeben, und unter der Regie von Wolfgang Becker ist eine streckenweise richtig packende Folge entstanden, die mir gar nicht so gelungen in Erinnerung war. Auch in Folge 8 sind einige neue Kniffe zu entdecken, wie beispielsweise Eigenmächtigkeiten der Mitarbeiter von Kommissar Keller, oder dass sich ein Mörder der Kripo förmlich anbiedert, ein Hauch mehr glaubhafte Tragik um einige Personen; damit bleibt die zu diesem Zeitpunkt noch junge Serie aktuell und interessant. Ich hatte eine sehr stumpfe Besetzung in Erinnerung, doch die Leistungen sind in der Tat überzeugend. Dennoch halte ich Folge 8 für die erste der Reihe, bei der die Besetzungsliste am wenigsten prominent ausgefallen war.

Mir persönlich hat es immer sehr gut gefallen, wenn man Emely Reuer ein wenig mehr in den Fokus rückte, das heißt, dass sie eben nicht nur fürs Diktat zuständig war, und sie ihr Talent als hilfreiche Mitarbeiterin und gute Schauspielerin unter Beweis stellen konnte. Hier kann man sie in einem sehr interessanten, und für die Story sehr wichtigen Part sehen, der die Spannung zum Ende hin auf die Spitze treibt. Franz Schafheitlin als Kriminalrat hebt indirekt die Kompetenzen und die Tugenden von Kommissar Keller hervor, er wirbt quasi für seine undifferenzierten Ansichten und ist der Meinung, wer schon gesteht ein Mörder zu sein, muss auch tatsächlich einer sein. Schafheitlin hätte man ruhig öfters als unbequemen Gegenpol in manche Fälle einbauen können. Martin Lüttge als Kellner der Zugabteile wirkt sehr überzeugend, da er auch nicht richtig einzuschätzen ist, was aber für das komplette Zugpersonal gilt. Hans Jaray und Nikolaus Paryla als Vater-Sohngespann agieren in schauspielerischer Hinsicht sehr glaubhaft, jedoch ist es der Hintergrund, der das Handeln erklären soll, weniger. Die ganz große Stärke von "Der Tod fährt 1. Klasse" ist schließlich in der hervorragenden Gestaltung der Inszenierung zu finden. Tempo durch von Innen und Außen gefilmten Zugfahrten, Spannung durch Verfolgungen mit atmosphärischen, winterlichen Außenaufnahmen die teils gespenstisch wirken, eine Falle und ein fataler Denkfehler zum Schluss, welcher Lebensgefahr mit sich bringt, und eine waghalsige Aktion in Eigenregie, bei der man den Sekundenzeiger fast ticken hört. Nicht nur der Tod, sondern auch der Zuschauer fährt hier mit Wolfgang Beckers exzellentem Gespür erste Klasse.
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