Der letzte Zeuge - Wolfgang Staudte (1960)

Moderator: jogiwan

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CamperVan.Helsing
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Der letzte Zeuge - Wolfgang Staudte (1960)

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D 1960

D: Martin Held, Ellen Schwiers, Hanns Lothar, Harald Juhnke, Jürgen Goslar

Ingrid Bernhardy findet ihre vier Monate alte Tochter zu Hause ermordet auf. Verzweifelt ruft sie ihren Geliebten, den verheirateten Geschäftsmann und Vater ihres Kindes Werner Rameil, in Berlin an. Erfolglos versucht er, sie zu beruhigen. Daraufhin bittet Ingrid ihren ehemaligen Liebhaber Dr. Stephan um Hilfe. Als die Polizei am Tatort eintrifft, werden er und Ingrid des Kindsmordes verdächtigt. Die Indizien erscheinen eindeutig, hinter beiden schließt sich die Tür des Untersuchungsgefängnisses. Dr. Stephans Anwalt kann nach Wochen die Freilassung seines Mandanten erwirken, aber nicht verhindern, dass dessen Ansehen Schaden nimmt. Ingrid steht nun allein vor Gericht. Nur ihr Verteidiger Dr. Fox ist von ihrer Unschuld überzeugt, kämpft jedoch fast auf verlorenem Posten ... (Amazon)


Hm, zwiespältig ist der Eindruck, den "Der letzte Zeuge" hinterlässt. Keine Frage, Staudte hat redliche Absichten, Mißstände zu kritisieren, wie mediale Vorverurteilung, einseitige Ermittlungen durch die Polizei, Verteidiger, die als Komplizen der Angeklagten angesehen werden und denen vom Richter Einblick in die Untersuchungsakten verweigert wird. Auch wenn der Prozess etwas zu sehr auf einen Überraschungseffekt hin inszeniert wird, kann auch dieser Part überzeugen, zumal Hanns Lothar den Rechtsanwalt Fox grandios spielt.

Misslungen ist jedoch die Charakterisierung der beiden Hauptpersonen. Über Ingrid erfahren wir, dass sie als Übersetzerin arbeitete und sich das Studium mit freizügigen Fotos finanzierte. Sie hatte in der Vergangenheit Sex mit wechselnden Partnern und beim ersten Verhör weist sie die Polizei zurecht, dass ihr Privatleben ihre Sache sei. Eine außergewöhnliche Frau für das Jahr 1960 also. Und dann will man uns weismachen, sie würde sich in die Rolle der naiven Geliebten fügen, die jahrelang darauf wartet, dass der wesentlich ältere Geliebte sich endlich scheiden lässt? Dass all ihre Taffheit von grenzenlosen Naivität hinweggewischt wurde? BTW: Dass das Kind nicht beim Standesamt registriert ist, ist nicht nachvollziehbar, Ingrids Begründung dafür, toppt allerdings alles.


Auch bei Werner Rameil passt es nicht zusammen. Offenbar weiß die gesamte Stadt von seiner Beziehung zu Ingrid, auch bei der polizeilichen Vernehmung räumt er ohne Umschweife ein, der Vater des getöteten Kindes gewesen zu sein. Seine Frau freilich dürfe davon nichts erfahren. Wie naiv muss er seine Angetraute einschätzen? Dabei fällt er selbst aus allen Wolken, als er von seiner Frau erfährt, dass sie sehr wohl alles wisse.


So schmälern diese Punkte leider die Wirkung des Films, der viel besser hätte aussehen können.
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
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