Der Nebelmörder - Eugen York (1964)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Re: Der Nebelmörder - Eugen York

Beitrag von Prisma »


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● NEBELMÖRDER (1964)
mit Hansjörg Felmy, Ingmar Zeisberg, Elke Arendt, Wolfgang Büttner, Wolfgang Völz, Karlgeorg Saebisch,
Berta Drews, Hilde Sessak, Alfred Balthoff, Herbert Knippenberg, Benno Hoffmann und Ralph Persson
eine Waldemar Schweitzer-Produktion | im Nora Filmverleih
ein Film von Eugen York


In dem kleinen Städtchen Hainburg treibt ein Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer blutrünstig ermordet und anschließend beraubt. Um unerkannt zu bleiben schlägt er stets bei dichtem Nebel zu, so dass es keine Zeugen gibt. Bei der erschütterten Bevölkerung und bei der Kriminalpolizei nennt man ihn deswegen nur noch den Hainburger Nebelmörder. Kommissar Hauser (Hansjörg Felmy) versucht das Phantom vergeblich zur Strecke zu bringen, doch es gibt lange keine sachdienlichen Hinweise. Erst beim dritten Mord ergeben sich neue Ansatzpunkte, da bei diesem Anschlag auf ein Ehepaar, die beteiligte Frau schwer verletzt überlebt und glaubt, den Täter erkannt zu haben. Es kommt zu einer Verhaftung, doch in der Zwischenzeit gerät Hausers Kollegin Hilde Kment (Ingmar Zeisberg), die lange Zeit vergeblich als Lockvogel unterwegs war, in Lebensgefahr, denn das Phantom schleicht ihr hinterher...

Der im Jahre 1964 entstandene Spielfilm "Nebelmörder" wurde von Regisseur Eugen York inszeniert und besticht bereits in den ersten Sequenzen durch eine überragende Atmosphäre, die den Titel des Films klassisch hervorzuheben weiß. Hierbei fällt besonders die eingängige Musik von Herbert Jarczyk unterstützend auf. Die Thematik um einen Serienmörder, der den Schutz des Nebels sucht und wie ein Phantom erscheint und wieder verschwindet, ist wie eine Garantie für klassische Krimi-Unterhaltung. Es stellt sich schnell heraus, dass der Ausgangsstoff sehr interessant ist, und es wurde eine nicht minder interessante Parallelhandlung mit eingearbeitet, die im Verlauf nicht isoliert wirkt und später unmittelbar in die eigentliche Geschichte mündet. Die Thematisierung der Jugend von heute sorgt für Abwechslung, wenn sie für heutige Verhältnisse auch schon etwas angestaubt wirkt.

Der Film beginnt mit den erklärenden Worten einer Erzählstimme, und sorgt damit für eine schnelle Orientierung des Zuschauers, der erst den dritten Mord miterleben darf. Hierbei ist die Inszenierung großartig. Durch eine Straßensperre wird das Paar mit ihrem Wagen in ein abgelegenes Waldstück gelockt, bis schließlich das maskierte Phantom mit einem Messer auftaucht. Es entsteht eine extrem unheimliche Atmosphäre, da es tatsächlich aus dem Nichts kommt, man plötzlich von der Seite ein Messer in die Kamera einschießen sieht und den entsetzlichen Schrei der Frau hört. Synchron dazu gibt es die Handlung rund um die Jugendlichen, die sich auf sogenannten Scheunen-Partys amüsieren und auf deren Belange und Probleme eingegangen wird. Das Gerüst der Handlung ist gut strukturiert und als sehr klar aufgebaut zu bezeichnen, der Mix aus dieser Thematik und der Kriminalgeschichte wirkt manchmal etwas eigenartig, aber irgendwie genauso erfrischend.

Angeführt wird dieser Film von Hansjörg Felmy, der in der Rolle des idealistischen und sachlichen Ermittlers immer sehr gut aussieht. Er passt sich seinem jeweiligen Gegenüber stets an, dabei versucht er allerdings auch, sich in die andere Lage zu versetzten. Wenn es sein muss, kann er auch einige Gänge zulegen, was hin und wieder in seiner Verhör-Taktik deutlich wird. Es wirkt fast schon wie eine Ausnahme, dass schließlich er es ist, der den Fall auflösen wird, denn die Rolle der Polizei war ja in vielen Produktionen unterm Strich quasi manchmal vollkommen irrelevant. Das Team wird durch Ingmar Zeisberg erweitert, die den Lockvogel für den Mörder gibt, der allerdings im völlig falschen Moment anbeißt. Ich muss es sagen wie es ist, Ingmar Zeisberg hatte definitiv bessere Rollen und gerade hier tritt sie wenig exponiert in Erscheinung. Was schließlich wie ein Segen wirkt ist, dass man ausnahmsweise mal nicht versuchte, eine krampfhaft konstruierte Romanze bei den beiden Hauptfiguren zu kreieren, daher wirken beide sehr autonom und schließlich mehr oder weniger überzeugend. Die eigentliche Hauptrolle neben Felmy spielt Ralph Persson, laut Booklet damals wie ein heißes Eisen gehandelt, der es karrieretechnisch aber leider nicht schaffte, sich zu etablieren. Seine Darstellung des oftmals kaum richtig einzuschätzenden jungen Mannes geht auf, er wirkt leichtfüßig und als sei er in exzellenter Spiellaune gewesen.

Elke Arendt, die in ihren meisten Einstellungen an keine geringere als Maria Perschy erinnert, spielt schnörkellos und wirkt letztlich etwas klischeebehaftet, jedoch passen Persson und sie richtig gut zusammen und bilden eine überzeugende Einheit. Die weiteren, teils spektakulären Rollen sind im Bezug auf Auftrittsdauer beinahe verschwenderisch verteilt worden. So sieht man beispielsweise Berta Drews, Wolfgang Büttner oder Karlgeorg Saebisch nicht übermäßig lange oder gar oft, sie hinterlassen allerdings einen angenehmen Eindruck, auch Hilde Sessak, die mal keine Aufseherin zu geben hatte, erfreut in ihrem Mini-Auftritt als Zeugin. Was diese Produktion auszeichnet ist die dichte Atmosphäre. Viele unterschiedliche Charaktere lenken den Verdacht mal mehr, mal weniger geschickt auf sich und schon alleine in dieser Beziehung wird Eintönigkeit verbannt. Dennoch hatte ich bei "Nebelmörder" nicht immer den Eindruck von Geradlinigkeit, da sich hochspannende und stilsichere Sequenzen oftmals mit, dem Empfinden nach eigenartigen oder manchmal sogar deplatziert wirkenden Inhalten abwechselten, was rückblickend aber gar nicht mal so uninteressant wirkt, wenn es sich gesetzt hat. Die Überführung bekommt man in einem guten Finale serviert, leider bleibt es (mir zumindest) weitgehend unklar, welche Motivation der Mörder hatte. Der Gesamteindruck geht schließlich in Richtung einer eigenständigen und überzeugenden Angelegenheit, der Film konnte sich in vielerlei Hinsicht von Artgenossen abheben. Gelungen!
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CamperVan.Helsing
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Re: Der Nebelmörder - Eugen York

Beitrag von CamperVan.Helsing »

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D 1964

D: Hans-Jörg Felmy, Ingmar Zeisberg, Wolfgang Völz


In dem kleinen friedlichen Städtchen Hainburg wurden blutige Raubmorde begangen. Die Einwohner sind erschüttert. Alle diese Morde sind bei dichtem Nebel verübt worden, somit hat die Polizei keine Zeugen und Hinweise auf den Täter. Die Presse nennt das Phantom den Hainburger Nebelmörder. Erst beim dritten Mord gibt es endlich zwei Augenzeugen, zum einen die Witwe des Ermordeten und noch den Primaner Heinz Auer, der einen mürrischen Passanten weggehen sah. Bei den weiteren Ermittlungen stößt Kommissar Hauser von der Kripo auf mehrere Verdächtige. Doch gerade als sie glauben, den Täter verhaftet zu haben, ereignen sich unvorhersehbare Dinge. Der grausame Mörder treibt weiter sein Unwesen und Hauser stellt dem brutalen Killer eine Falle. Seiner Kollegin Hilde Kment vertraut der Kommissar als Lockvogel ...(Backcover)


Man nehme etwas Wallace'schen Nebel und addiere ihn zu einem in ein badisches Dorf verlegten Stahlnetz-Folge (selbst die Musik zitiert am Anfang Stahlnetz). Ich mag ja, wenn man nicht krampfhaft versucht, den Eindruck zu erwecken, ein deutscher Krimi würde in England/Amerika/sonstwo auf der Welt spielen, sondern sich in die bundesrepublikanische Wirklichkeit zurückzieht. Tatsächlich erweist sich die Tatsache, dass der Mörder im Nebel zuschlägt, als relativ unbedeutend, viel interessanter sind die Darstellungen der Leute in Hainburg, wo die Jugendlichen mit Problemen wie unbeabsichtigter Schwangerschaft oder unfreiwilliger Alkoholvergiftung herumplagen müssen. Dies wird von Eugen York gut umgesetzt. Im Finale erinnerte mich Inspektor Felmy beim Verhör an Pier Paolo Capponi in di Leos "Note 7" (schon vorher musste ich beim Angriff auf den Lockvogel Hilde Kment an Frl. Heidrich denken, denn "Das Grauen kommt nachts"), dass das Mordmotiv unaufgeklärt bleibt, ist freilich unverzeihlich.

Unverzeihlich ist auch, dass laut Booklet der Produzent selbst die Kopien später vernichten ließ. Zum Glück überlebte ein Exemplar und diente Pidax als Basis für die Filmveröffentlichung. Danke Pidax!
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buxtebrawler
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Re: Der Nebelmörder - Eugen York (1964)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 29.10.2021 noch einmal bei Pidax innerhalb der "Deutscher Krimi-Kult"-7-DVD-Box:

Bild

Enthält:
DAS RÄTSEL DER GRÜNEN SPINNE
DIE NYLONSCHLINGE
DAS GEHEIMNIS DER ROTEN QUASTE
DAS WIRTSHAUS VON DARTMOOR
DER NEBELMÖRDER
DER WÜRGER VOM TOWER
DER SPINNENMÖRDER

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=113026
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Maulwurf
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Re: Der Nebelmörder - Eugen York (1964)

Beitrag von Maulwurf »

 
Nebelmörder
Deutschland 1964
Regie: Eugen York
Hansjörg Felmy, Ralph Persson, Ingmar Zeisberg, Elke Arendt, Marlene Warrlich, Wolfgang Völz, Hilde Sessak,
Karl-Georg Saebisch, Jürgen Janza, Addi Adametz, Wolfgang Büttner, Berta Drews


Nebelmörder.jpg
Nebelmörder.jpg (82.54 KiB) 128 mal betrachtet
OFDB

In dem kleinen Örtchen Hainburg im Badischen geht das Grauen um: Ein Mörder, der in nebligen Nächten einsamen Spaziergängern hinterherschleicht und diese kaltblütig mit einem Messer tötet. Die Kriminalpolizei in Gestalt von Kommissar Hauser tappt vollkommen im Dunklen, denn der einschlägig vorbestrafte Komarek hat ein wasserdichtes Alibi. Was aber Hauser nicht daran hindert, diesen erneut unter dem gleichen Tatverdacht festzunehmen, weil das Alibi soll doch bitteschön endlich widerrufen werden! Nur ganz allmählich realisiert die Dampfwalze Hauser, dass in dem beschaulichen Ort noch ganz andere Dinge passieren: Rund um die Clique der Oberprimaner Heinz und Franziska hat es Vorkommnisse, die zwar eine Mordkommission normalerweise eigentlich nicht interessieren, aber könnten die Aufsässigkeiten der Jugendlichen nicht vielleicht doch mit den Morden in Zusammenhang stehen?

Die menschliche Dampfwalze Hauser habe ich den Kommissar genannt, denn mit dem Einfühlungsvermögen einer Dampfwalze brettert er über Alibis, mögliche Tatverdächtige und Spurensicherungen hinweg als ob es kein Morgen gibt. Da fällt das Messer dem Mörder aus der Hand, direkt vor die Füße einer Kriminalassistentin, aber eine Untersuchung auf Fingerabdrücke? Pustekuchen! Viel wichtiger ist es, diese Assistentin nach Hause zu schicken, damit sie ihr Leben nicht mehr als Lockvogel aufs Spiel setzen muss. Ein psychisch nicht ganz vollwertiger Arbeitsloser der bei Mama lebt und Groschenromane liest? Schuldig! Ein Vorbestrafter mit Alibi? Schuldig!! Ein Verdächtiger im Verhör? Dem muss gefühlt hundertmal ein „Gestehe“ ins Ohr geblasen werden, bis er dann entnervt aufgibt und gesteht. Polizeimethoden wie im Frankreich der 70er-Jahre. Oder im Deutschland der 30er-Jahre – Bruno Lüdke anyone?

Das war die nicht so gute Nachricht. Als Krimi auf Edgar Wallace-Spuren taugt NEBELMÖRDER nur sehr bedingt, gar zu schlicht ist die Kriminalhandlung und gar zu einfältig sind die Ermittler, die das Ergebnis auf Teufel komm raus an ihre Vermutungen anpassen möchten, von der oft etwas sprunghaft erzählten Geschichte gleich ganz zu schweigen.
Aber da ist noch ein Handlungsstrang rund um die Jugendlichen, und der hat es gehörig in sich. Heinz und Franziska sind ein beliebtes und bewundertes Paar, und zusammen mit Ulla, Willi, Robert und Bert bilden sie eine Clique, die hohes Ansehen an der Schule genießt. Roberts Vater hat ihm die alte Scheune zur Disco umgebaut (quasi zum Beat-Schuppen, höhö), und da trifft man sich regelmäßig zum Tanzen und Trinken. Na ja, klar, und natürlich auch zum Schmusen. Erwin, der Klassenprimus, passt da gar nicht rein. Erwin ist korrekt, Erwin ist mürrisch, Erwin ist misogyn, und Erwin findet das neunmalkluge Geschwätz von Heinz sichtlich nervig, und deswegen bekommt Erwin auch immer wieder Stunk mit der Gruppe. Als Erwin das Wissen, dass Heinz während der Tatzeit eines Mordes ein Loch von einer halben Stunde in seinem Alibi hat, an die Polizei weitergibt, reagiert die Clique auf eine Art und Weise, die mit Klassenkeile nichts mehr zu tun hat. Eher mit Lynchjustiz.

Und dieser Handlungsstrang, der macht den eigentlichen Kern des Films aus. Hier die beliebten und gutaussehenden Teenager, dort der Außenseiter und Watschenmann, dessen einziger Freund ein Arbeitsloser ist, der geistig nicht so hundertprozentig auf der Höhe ist. Die Unterprivilegierten halten halt zusammen, aber die Bessergestellten eben auch. Der Arbeitslose liest Groschenromane! Mein Gott, das geht ja gar nicht!! Wie kann man nur?! Die Meinung, dass dem Mann alleine schon aus diesem Grund absolut jedes Verbrechen zuzutrauen ist, teilen nicht nur die Teenager, sondern auch die Polizisten. Und wahrscheinlich auch der Rest der Gesellschaft: Mein Vater, der ab den frühen 60er-Jahren in einer Bank arbeitete, war nach Erscheinen damals an den PERRY RHODAN-Heften sehr interessiert, traute sich aber nicht diese Hefte am Kiosk zu kaufen. Es hätte ihn ja jemand dabei sehen können …

Filme wie IL RAGAZZI DEL MASSACRO kommen einem bei dieser Handlung in Erinnerung, und ein Begriff wie Gruppenzwang bekommt da eine, durchaus bekannte, Dynamik, die erschauern lässt, erst recht 19 Jahre nach Kriegsende. Ich bin sicher, dass Regisseur Eugen York dies gar nicht so recht beabsichtigt hat, meine persönliche Meinung über den Herrn Regisseur ist nicht wirklich die Beste. Aber beim NEBELMÖRDER ist dieser Teil der deutlich starke und fesselnde Teil –Die Psychogramme von Jugendlichen, die alle aus gutem Hause kommen und denken, sie können sich alles erlauben, vor allem gegen die „Anderen“. Denjenigen, die das Aufspießen von Maikäfern vielleicht nicht so lustig finden …

Die Krimihandlung ist nicht unspannend, trotz ihrer Poltrigkeit, aber diese „Nebenhandlung“ ist ein starker und packender Thriller mit Blicken in Abgründe, die man eigentlich gar nicht sehen möchte. NEBELMÖRDER ist absolut sehenswert, vor allem wegen dieses psychologischen Teils, und wenn man sich dann noch von dem Krimi ein wenig mitreißen lässt, dann kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen …

7/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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