„Werbung ist die Kunst, auf den Kopf oder das Herz zu zielen, aber immer die Brieftasche zu treffen.“
Mit dem 1981 fürs ZDF produzierten „Der Spot oder Fast eine Karriere“ nimmt der deutsche Autorenfilmer Rainer Erler („Die Delegation“, „Operation Ganymed“, „Fleisch“) in Form einer bitterbösen Satire die schnelllebige Werbebranche und den in ihr grassierenden Wahnsinn aufs Korn.
Der ambitionierte Jüngling Peter Johann „Pit“ Soling (Claus Obalski, „Wer spritzt denn da am Mittelmeer?“) verhilft der Werbeagentur, in der er angestellt ist, dank seiner jugendlichen Unbedarftheit zum Vertragsabschluss mit einem Eau-de-Toilette-Fabrikanten. Mit Unterstützung der opportunistischen, verschlagenen Chefsekretärin Lisa (Elisabeth Endriss, „Das Spinnennetz“) fällt er in schwindelerregender Geschwindigkeit die Karriereleiter hoch und wird schließlich federführend beim Versuch, den nächsten großen Auftrag, eine Kampagne für das Allzweckmittel „Santorin“, an Land zu ziehen. Dabei weiß niemand, was „Santorin“ überhaupt ist…
Legt man „Der Spot“ unbedarft und ohne Vorwissen in den Player, fragt man sich zunächst vielleicht noch, wer dieser widerliche, neunmalkluge Streber Pit überhaupt ist und was das Ganze soll, bis glücklicherweise relativ schnell deutlich wird, dass sein übertriebenes Schauspiel zum Konzept des Films gehört, der sich als wahnwitzige, komödiantische Satire entpuppt. Gedreht in Deutschland (vermutlich München), Spanien und New York, zieht Erler mit dem Stilmittel der veranschaulichenden Übertreibung das Erzeugen hohler Phrasen, kurzlebiger Luftblasen und substanzloser Trends, also von sprichwörtlich „viel Lärm um nichts“, das künstliche Wecken von Bedürfnissen in einer Konsumgesellschaft und die Bedeutungslosigkeit des tatsächlichen Gehalts einer Sache für den Markterfolg kräftig durch den Kakao und rechnet mit den rücksichts- und skrupellosen Mechanismen der Branche ab, die sehenden Auges ihre speichelleckenden und karrieregeilen Mitarbeiter verheizt und nichts und niemandem außer dem schnödem Mammon verpflichtet ist.
Das fiktive Produkt „Santorin“ zieht sich als roter Faden durch die Handlung, über den schließlich auch Pit stolpern soll. Der Weg dahin ist gespickt mit dank offensichtlich im Vorfeld angestellter guter Beobachtungen punktgenauer, bizarrer Satire, die das nicht vorhandene Fundament aller Bemühungen um ein Marketingkonzept entlarvt. Einsamer Höhepunkt ist dabei eine irrsinnige Abfolge potentieller „Santorin“-Werbespot-Storyboards, präsentiert von einem dem Wahnsinn nahen, überforderteten, es niemandem recht machen könnenden Mitarbeiter, die – und das ist das besonders Tolle – eines nach dem anderen von Erler sogar filmisch umgesetzt wurden, bis selbst dem Zuschauer bald der Kopf dröhnt. Großartig!
Nicht ganz so überzeugend, allerdings auch weniger wichtig für diese Art von Film, sind die schauspielerischen Leistungen des Hauptdarstellers, der zuvor offensichtlich in diversen Softsex-Klamotten Erfahrung sammeln durfte, mit seinem glattgeleckten Äußeren und seiner „Everybody’s Darling“-Attitüde andererseits gut in seine Rolle passt. Die übrige Darstellerriege findet sich gut in ihre überdrehten Charaktere ein. Elisabeth Endriss soll als reife Karrierefrau, die nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ihre Sexualität prostituiert ebenso für einen kleinen Erotikfaktor sorgen wie zeigefreudige junge Models. „Der Spot oder Fast eine Karriere“ ist somit eine köstliche und höchst unterhaltsame Verspottung der längst durchschauten, selbstgefälligen Werbewelt und regt so ganz nebenbei und ohne jeden pädagogischen Zeigefinger sein Publikum dazu an, sich Gedanken über den Grad seiner eigenen Beeinflussung durch professionell konstruierte, verführerische Scheinwelten zu machen. Nur wo bekomme ich jetzt dieses verdammte „Santorin“ her?!