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Darsteller(innen): Marc Hosemann, Bruno Alexander, Marie Bloching, Merlin Sandmeyer, David Ali Rashed, Nura Habib Omer, Klara Lange, Ludger Bökelmann, Wolfgang Michael, Doris Kunstmann, Alexander Merbeth, Catrin Striebeck, Oskar Belton, Emil Belton, Lo Rivera, Lisa Hagmeister, Samirah Breuer u. A.
"Feinkost Kolinski". Ein kleiner Supermarkt im Hamburger Stadtbezirk Altona. Filialleiter Thorsten Kruse ist ein unfähiger Chef, der seine Mitarbeiter mobbt statt sie zu motivieren und mit dem Umsatz schon länger in den roten Zahlen steckt. Zum Ausgleich der Bilanzen unterschlägt er die 15.000 Euro der Firma, die zur Installation einer Videoüberwachung vorgesehen waren. Stellvertreterin Pina ist zwar verklemmt, aber eine engagierte Arbeitskraft. Ladendetektiv Jonas hat noch nie einen Dieb gefasst, doch er gibt die Hoffnung nicht auf. Peter gibt gerne den Macho, Flora will eigentlich Rapperin werden, Lia ist dauergelangweilt, Samy will so sein wie Peter und Titus ist der Neue im Laden, obwohl er Abitur hat. Und dann sind da noch die Alteingesessenen Elli und Wilhelm. Die Belegschaft ist ein verschworener wie zerrissener Haufen und jeder hat so seine Träume und Probleme, nur gearbeitet wird hier eher selten...
„Betrunken macht die Arbeit einfach viel mehr Spaß!“
Die deutsche Mockumentary-Serie „Die Discounter“ umfasst bis jetzt drei Staffeln à zehn Episoden in unterschiedlicher Länge (meist 15 bis 25 Minuten), die erste wird seit Dezember 2021 bei Amazon Prime gestreamt. Produziert wird sie von Christian Ulmen und Carsten Kelber, die den Zwillingsbrüdern Emil und Oskar Belton sowie Bruno Alexander – Nachwuchstalenten also – bei Buch und Regie freie Hand ließen. „Die Discounter“ basiert auf der niederländischen Serie „Vakkenvullers“ und dreht sich um den Alltag einer Filiale der fiktionalen Supermarktkette „Feinkost Kolinski“. Diese befindet sich zunächst im Hamburger Stadtteil Altona, gedreht wurde jedoch in einer leerstehenden Aldi-Filiale in Hamburg-Stellingen. Nach einem Umzug spielt die dritte Staffel im Hamburger „Problem-Stadtteil“ Billstedt, gedreht wurde aber in Hamburg-Jenfeld.
Die komödiantische Serie erinnert in ihrer Mischung aus einer Persiflage auf Supermarktleitung, -personal und -arbeit, Gefühle von Fremdscham verursachenden intimen Einblicken und ihrer die Figuren wahlweise vorführenden, wahlweise zu Sympathieträgerinnen und -trägern machenden Situationskomik an eine Mischung aus „Ritas Welt“, „jerks.“ und „Stromberg“ bzw. deren jeweiligen Vorbildern.
Der Filialleiter ist Thorsten Kruse (Marc Hosemann, „Der goldene Handschuh“), der seinen mehr schlecht als recht laufenden Laden weitestgehend inkompetent, menschlich und kollegial mehr als fragwürdig und nicht nur arbeitsrechtlich alles andere als einwandfrei führt, sich mittels seiner Fähigkeiten, die er sich als Ghettokind auf der Straße angeeignet hat, aber immer wieder vor dem endgültigen Abgrund zu retten versteht und seine Position egoistisch mit unlauteren Methoden verteidigt. Autor und Regisseur Bruno Alexander („Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon“) spielt Titus, einen jungen Mann, der neu zur Belegschaft hinzustößt, zunächst die Rolle des ungläubigen Beobachters einnimmt, im weiteren Verlauf aber immer stärker zum handelnden Charakter avanciert. Erst ist die erste nicht von vornherein als Karikatur konzipierte Figur. Sicherheitschef Jonas (Merlin Sandmeyer, „Unsere wunderbaren Jahre“) wirkt reifeverzögert und ein bisschen zurückgeblieben – und wird, auch weil er als Sicherheitschef weitestgehend unbegabt ist, von niemandem ernstgenommen, schon gar nicht von Ladendieben. Zudem ist er trockener Alkoholiker und wird sich erst im Laufe der Serie seiner Homosexualität bewusst, die er auszuleben beginnt. Peter (Ludger Bökelmann, „Dark“), ein relativ hochgeschossener junger Mann, ist ein großmäuliger Proll, der sich gern als Alphamännchen geriert, was bei genauerem Hinsehen jedoch jeglicher Grundlage entbehrt. Pina (Klara Lange) ist die kompetenteste Mitarbeiterin der Filiale und die Einzige, die ihren Beruf 100%ig ernstnimmt, zugleich aber ein Mauerblümchen, das gern übersehen wird. Thorsten hat Schwierigkeiten, sich ihren Namen zu merken, erstickt all ihre Verbesserungsvorschläge im Keim und hält sie klein, damit sie nicht eines Tages seinen Position einnimmt – was öfter im Gespräch ist.
Lia (Marie Bloching, „Lügen haben schöne Beine“), eine attraktive junge Frau, ist von ihrem Job tödlich gelangweilt, hat aber ein gutes Herz. Sie ist die zweite nicht zwingend als Karikatur angelegte Figur. Flora (Nura Habib Omer, „Der Nachtmahr“) träumt von einer Karriere als Rapperin, ist gutaussehend, sexuell sehr aktiv, selbstbewusst, impulsiv und frech. In ihrem Verhalten erinnert sie häufig an eine vorlaute Teenagerin. Samy (David Ali Rashed, „Das perfekte Geheimnis“), der Jüngste des Teams, jobbt auf 450-Euro-Basis, weshalb er von allen nur „450er“ genannt wird. Seine Unerfahrenheit versucht er vor den anderen zu verbergen, wird jedoch immer wieder zum Ziel von Spott – aber auch (vermeintlich) kluger Ratschläge. Frau Jensen (Doris Kunstmann, „7 Tote in den Augen der Katze“) ist eine ältere Mitarbeiterin und so etwas wie die gute Seele der Filiale, die aufgrund ihrer freundlichen Art und ihrer Lebenserfahrung von den Kolleginnen und Kollegen geschätzt wird und die so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Witwer Wilhelm (Wolfgang Michael, „Ewige Jugend“) ist ungefähr im gleichen Alter wie Frau Jensen und arbeitet als Hausmeister des Ladens. Thorsten bezahlt ihn damit, dass er kostenlos auf dem Dachboden des Gebäudes leben darf, da er sich keine eigene Wohnung leisten kann und ansonsten obdachlos wäre. Gastauftritte von Fahri Yardım, Christian Ulmen, Peter Fox, Kida Ramadan, Frederick Lau, Mats Hummels, Heinz Strunk und anderen, die sich meist selbst spielen (und das nicht immer vorteilhaft), runden die Darstellerriege ab.
Dieses Ensemble bietet Potential für viel Komik und kleine wie größere Geschichten, das auch weidlich genutzt wird. Wie viel davon eigene Kreativleistungen sind und wie hoch der Anteil aus „Vakkenvullers“ adaptierter Ideen ist, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Der Mockumentary-Stil indes wird rasch ad absurdum geführt, denn vieles, was hier getan und geäußert wird, würde kein Mensch der Welt vor laufenden Kameras eines Dokuteams tun. Übrig bleiben im Prinzip nur die vermeintliche Doku-Perspektive durch die Art der Kameraführung und häufige verstohlene Blicke der Figuren in die Kamera. Dem Realismus abträglich ist auch das Konstrukt eines Supermarkt-Franchise mit nur drei Filialen, das es so zumindest in Deutschland nirgends geben dürfte. Und während man der dritten Staffel ihren Billstedter Handlungsort durchaus abnimmt, sehen die ersten beiden Staffeln leider kein bisschen nach Altona aus.
Inhaltlich stecken die Episoden voller überraschend kluger Alltagsbeobachtungen menschlicher Schwächen und Team-Dynamiken, für die man den Schauspielerinnen und Schauspielern sehr viel Raum zur Improvisation bot. Dies scheint ausnahmslos allen zu liegen, bringt viel Frische in die Serie und lässt das Ensemble seine individuellen Stärken offenbar mehr als respektabel ausleben. Zudem scheint die Chemie untereinander mehr als nur zu stimmen. Im realen Leben träumt Nura Habib Omer nicht nur von einer Rap-Karriere, sondern hat diese als Teil von SXTN sowie solo bereits hingelegt. Ihr Song „Niemals Stress mit Bullen“ wird Bestandteil zweier Episoden. Auffallend viel setzt man inhaltlich jedoch aufs Thema Sex, was mal besser und mal weniger gut gelungen ist. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn Geschmacks- und Grenzüberschreitungen zu erzwungen wirken. Leider wird ab der zweiten Staffel die Handlung generell immer absurder und unwahrscheinlicher, steigt dafür der Krawallfaktor. Andererseits wird aber auch verstärkt die horizontale Erzählebene bedient, was einen süchtigmachenden Soap-Effekt begünstigt. Die Handlung scheint in Staffel 3 zunächst wieder an Qualität zu gewinnen; nach einem gemeinsamen Kiezbesuch der Figuren erwartet man in der nächsten Episode dessen Aufarbeitung – jedoch wird er mit keiner Silbe mehr erwähnt, was zu leichten Problemen mit der Kontinuität führt. Anschließend dominiert zuweilen leider erneut der Krawallfaktor. Grenzwertig wird der Humor vor allem dann, wenn zu sehr auf Jonas‘ mangelnden kognitiven Fähigkeiten und seiner Homosexualität herumgeritten wird oder man sich mit fraglichem Erfolg um Tragikomik bemüht – was mit Wilhelms Kerzen noch funktioniert, wird in Bezug auf Jonas‘ Mutter bar jeder Lacher. Dass die erste Staffel als zehnte Episode anstelle eines – eigentlich erwarteten – Staffelfinals ein Making-of präsentiert, irritiert; dafür ist man vom Mock-Making-of als zehnte Episode der zweiten Staffel dann weniger überrascht.
Der Verfasser dieser Zeilen hatte trotzdem ziemlich viel Spaß mit dieser Serie, kann aufgrund durch den Freundeskreis gewonnener Einblicke hinter die Einzelhandelskulissen den Realismus so mancher Szene bestätigen und fühlt vor allem mit der so herrlich angeödeten Lia, die eine prima Identifikationsfigur abgibt. Und natürlich auch mit Titus…
Eine vierte Staffel wird gerade gedreht. Ich werde wieder bei „Feinkost (lol) Kolinski“ vorbeischauen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
„Die Discounter“: Starttermin für vorerst letzte Staffel
Beliebte Amazon-Serie schließt wohl die Tür
„Willkommen bei Feinkost Kolinski“ heißt es schon bald wieder, wenn die beliebte Comedyserie„Die Discounter“ noch in diesem Herbst mit einer vierten Staffel bei Amazon Prime Video an den Start gehen wird: Los geht es am 27. November mit den ersten sechs Folgen, der zweite Teil der neuen Staffel wird passend zum Weihnachtsfest am 23. Dezember mit weiteren vier Folgen bei dem Streaminganbieter fortgesetzt.