Die Sünderin - Willi Forst (1951)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41695
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Die Sünderin - Willi Forst (1951)

Beitrag von buxtebrawler »

Bild

Originaltitel: Die Sünderin

Herstellungsland: Deutschland / 1951

Regie: Willi Forst

Darsteller(innen): Hildegard Knef, Gustav Fröhlich, Änne Bruck, Robert Meyn, Jochen Meyn, Andreas Wolf, Irene Mirbach, Benno Gellenbeck, Theo Tecklenburg, Karl Kramer, Horst von Otto, Carl Voscherau, Wera Frydtberg u. A.
Marina (Hildegard Knef) wächst in kaputten Familienverhältnissen auf und rutscht durch unglückliche Umstände früh in die Prostitution ab. Nach Kriegsende hat sie es auf bescheidenen Wohlstand gebracht und wohnt in einer eigenen Bleibe, der Prostituion hat sie den Rücken gekehrt. Eines Tages lernt sie in einer Bar den Maler Alexander (Gustav Fröhlich) kennen und lieben, doch die Liebe steht unter keinem guten Stern, denn Alexander ist an einen Gehirntumor erkrankt und hat nur noch wenige Wochen zu leben. Verzweifelt versucht Marina ihm zu helfen, schreckt sogar nicht davor zurück wieder in ihre frühere Profession zurückzukehren um das nötige Geld für die Operation zu besorgen - doch zuvor erfahren die beiden Hilfe von unerwarteter Seite. Alexander wird operiert und die beiden ziehen zusammen nach Wien wo Alexander wieder zu malen beginnt und sehr erfolgreich seine Bilder verkauft - doch dann erleidet er einen Rückfall ...
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41695
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Die Sünderin - Willi Forst (1951)

Beitrag von buxtebrawler »

„Es ist Wahrheit geworden...“

Das deutsch produzierte Liebesmelodram „Die Sünderin“ des Österreichs Willi Forst („Wiener Blut“) aus dem Jahre 1951 sorgte seinerzeit für einen Skandal, der heute kaum noch nachvollziehbar ist. Es brach seinerzeit mit mehreren Tabus: Prostitution, Sterbehilfe, Suizid und Nacktheit. In der retrospektiven Berichterstattung späterer Jahre wurde letzteres als ursächlich kolportiert, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht; schwerer wogen die übrigen Punkte. Achtung: Um darauf eingehen zu können, enthält diese Besprechung vollumfängliche Spoiler!

„Ich ahnte nicht, dass ich mit dem Kleid das Schönste wegwarf – meine Kindheit.“

Die ehemalige Prostituierte Marina (Hildegard Knef, „Die Mörder sind unter uns“) lernt nach dem Zweiten Weltkrieg den farbenblinden Maler Alexander (Gustav Fröhlich, „Metropolis“) kennen und verliebt sich in ihn. Jedoch leidet Alexander unter einem Hirntumor und hat nicht mehr lange zu leben. Marina setzt alles daran, ihm zu helfen und prostituiert sich sogar wieder, um an genügend Geld für eine Operation zu kommen, in die sie alle Hoffnungen setzt. Zunächst scheint man dem Schicksal tatsächlich ein Schnippchen geschlagen zu haben. Gemeinsam zieht man nach Wien, wo Alexander mit seinen Kunstwerken Erfolg hat. Doch das gemeinsame Glück ist nur von kurzer Dauer…

„Du wolltest den Tod!“

Forst eröffnet seinen Film unmittelbar mit einem Aktporträt Marinas, das überm Kamin hängend von der Kamera eingefangen wird. Marina befindet sich im Zwiegespräch mit sich selbst, adressiert an einen Toten. Daraufhin setzt eine Rückblende ein, die die eigentliche Handlung des Films bestimmt: Jähzornig zertrümmert Alexander seine Arbeiten. Marinas Stimme erklingt von nun an beständig aus dem Off, weiterhin adressiert an Alexander. Er versucht erfolglos, eines seiner Bilder in Neapel zu verkaufen. Ein Kunsthändler sagt jedoch einen Kauf zu, wenn Marina sich für ihn prostituiert – woraufhin sie schwach wird. Prostitution aus Liebe – ein Tabubruch.

„Ich wollte an das Wunder glauben!“

Alexander wird weiter anhand ausgeprägter Gefühlschwankungen charakterisiert, ist aber zunächst einmal sehr glücklich, bevor eine Rückblende in der Rückblende einsetzt, die ihr Kennenlernen in einer Münchner Bar zeigt. In diese stolperte er sturzbetrunken hinein, womit er offenbar Marinas Beschützerinneninstinkt weckte, denn sie nahm ihn kurzerhand mit nach Hause. Der Film bewegt sich nun noch weiter in der Zeit zurück, in Marinas Kindheit innerhalb einer Patchwork-Familie: Krieg, Umzug, Heranwachsen, Verhaftung des Vaters durch die Gestapo, Entjungferung durch ihren Stiefbruder. Kurioserweise wird Marina auch in diesen Sequenzen von Knef gespielt. Eher angedeutet denn ausgeschlachtet wird, dass Marina als Hure arbeitete – wie schon ihre Mutter. Die Narration arbeitet nun mit diversen Zeitsprüngen, zeigt u.a. die weitere Kennenlernphase zwischen Marina und Alexander, der tatsächlich ihre erste wahre Liebe sein soll.

In Marinas Jugend eskalierte die Situation, als ihr Vater vom Sex mit dem Stiefbruder erfuhr. Nach ihrem Rauswurf begab sie sich in die Partyszene und ging nach München. Erst jetzt, kurz nach der Filmhälfte, erfährt der Zuschauer von Alexanders Erkrankung. Nach all dem Elend wirken einige Szenen glücklicher Zweisamkeit geradezu erholsam, was jedoch nicht lange anhält, denn nun thematisiert der Film verstärkt Alexanders gesundheitliche Probleme. Nach der geglückt scheinenden OP (die ein Gönner wohlgemerkt gratis durchführte, da Marinas Prostitutionsversuche nicht den gewünschten Effekt hatten) und dem Umzug nach Wien malte er ausschließlich Akte Marinas und wurde supererfolgreich – und beide als Paar sehr glücklich. Bald jedoch erblindet er und begeht Selbstmord, zu dem ihm Marina verhalf, indem sie ihm nach gemeinsamer Absprache ein Glas mit einer tödlichen Substanz reichte. Damit endet die Rückblende. Zurück in der Gegenwart sehen wir den sterbenden Alexander, der Marina die gesamte Zeit über zugehört hatte; ein origineller Kniff Forsts. Dann nimmt auch sie sich das Leben – und der Skandal ist perfekt.

Der Moment, in dem Marina Alexander unbekleidet im Garten Modell liegt, ist frei von jeglicher Anrüchigkeit, zwar hübsch, aber nicht einmal sonderlich prominent in Szene gesetzt und keinerlei Aufregung wert. „Die Sünderin“ ist in erster Linie ein düsterromantisches Melodram, das möglicherweise die Angst vor dem Tod nehmen will und eine Frau aus schwierigen Verhältnissen, die sich zudem prostituiert hat, zu einer Sympathieträgerin erklärt, die sehr wohl zu echten, tiefen Gefühlen fähig ist und ihren Mann glücklich sehen will. Knef spielt ihre Rolle mit viel Verve und Emotion, wogegen Gustav Fröhlich dann doch ziemlich verblasst. Vom kitschigen melodramatischen Schwulst hält „Die Sünderin“ für mein Empfinden trotz genretypisch ganz schön dicken Auftragens genügend Abstand und lockert die Handlung auch immer mal wieder ein wenig auf, beispielsweise durch Seitenhiebe auf die Kunstszene. Derart stark auf eine verschachtelte Erzählweise mit weitaus mehr Voice-over denn Dialog zu setzen, mutet wie ein gewagtes Experiment des Regisseurs an, das leider nicht ganz aufgeht – es ist schlicht etwas zu viel des Guten.

Dennoch halten Timing und Dramaturgie gut bei der Stange. Die Kameraführung lässt sich zur einen oder anderen schrägen Perspektive hinreißen; als eine solche haben größere Teile der vermeintlichen bundesdeutschen Nachkriegsmoral offenbar auch den durch den Film transportierten Blickwinkel auf die eingangs erwähnten Tabus empfunden und wieder einmal Zeter und Mordio geschrien. Das ist hochgradig lächerlich, entlarvend, mit dem Versuch, auf ausdrücklichen Wunsch erfolgte Sterbehilfe mit Euthanasie in Verbindung zu bringen, aber auch unverfroren heuchlerisch. Unfassbar.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Antworten