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Die Toten vom Bodensee.jpg (120.54 KiB) 589 mal betrachtet
Originaltitel: Die Toten vom Bodensee
Herstellungsland: Deutschland / Österreich (2014- )
Regie: Andreas Linke, Hannu Salonen, Michael Schneider, Christian Theede
Darsteller(innen): Nora Waldstätten, Matthias Koeberlin u. A.
Im Grenzgebiet des Bodensees mit den Staaten Deutschland, Schweiz und Österreich ermittelt der deutsche Kriminalkommissar Oberländer gemeinsam mit seiner österreichischen Kollegin Zeiler. Am Bodensee und in der näheren Umgebung werden die beiden unter anderem mit keltischen Masken, einer jungen Braut, die in ihrem Hochzeitskleid ermordet wurde, einem schlafwandelnden Kind, einer Wachsleiche aus dem Bodensee, an der Rankhilfe von Hopfen aufgehängten Frauen und Entführungsfällen konfrontiert. Trotz oder besonders wegen ihrer unterschiedlichen Charaktere und Arbeitsweisen gelingt es ihnen, auch anspruchsvolle Fälle zu lösen. Dabei gelingt in der Regel eine reibungslose grenzübergreifende Zusammenarbeit.
„Nur wer alle Einzelheiten kennt, weiß, wie das Große und Ganze funktioniert!“
Vierzehn Episoden dieser öffentlich-rechtlichen deutsch-österreichischen Fernsehkrimiserie um die österreichische Kriminalinspektorin Hannah Zeiler (Nora Waldstätten) und den deutschen Kriminalhauptkommissar Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) brauchte es, bis ich mir eine angesehen habe: „Das zweite Gesicht“ wurde Anfang 2022 erstausgestrahlt und entstand, nachdem Regisseur Michael Schneider die vorausgegangenen sechs Episoden inszeniert hatte, unter der Regie Christian Theedes („Allein gegen die Zeit – Der Film“) , der damit innerhalb der Reihe debütierte. Auch beim Drehbuch änderte sich die Personalie: Statt wie beim Großteil der Episoden von Timo Berndt wurde diese Episode von Jeanet Pfitzer, Frank Koopmann und Roland Heep geschrieben.
„Verdammt, das gibt’s doch gar nicht!“
Die siebzehnjährige Lisa Schwegelin (Anna Herrmann, „Tatort: Hetzjagd“) wird bei der Polizei vorstellig, um sich als Zeugin für einen Mord zu Verfügung zu stellen, der jedoch noch gar nicht stattgefunden hat. Kriminalinspektorin Hannah Zeiler eilt dennoch zum Bregenzer Naturgeisterfest, das Teil Lisas Vision war. Und tatsächlich wird dort kurz nach ihrer Ankunft exakt jener Mann von einem maskierten Täter erstochen, von dem Lisa gesprochen hatte. Wie konnte Lisa das voraussehen? Damit nicht genug: Auch ein zweiter Mord erscheint ihr und findet in der Realität statt. Hat Lisa das „zweite Gesicht“ oder gibt es eine rationale Erklärung? Als die Ermittlungen ein mögliches Tatmotiv Lisas ergeben, gerät sie unter Mordverdacht…
„Ich hab’ so was nicht, weißt du?“
Alles beginnt mit einem maskierten Tanzritual auf dem Bregenzer Naturgeistfest, wo einer der Tänzer erstochen wird. Dieser Einstand entpuppt sich als Lisas Vision. Zeiler schraubt derweil an ihrem Moped, offenbar möchte sie mit ihrem Freund ein schwedischen Ferienhaus bereisen. Dies reicht bereits aus, um die hagere Kommissarin mit dem kantigen Gesicht und den strenggeflochtenen Haaren als offenbar nicht fest gebundene, unabhängige, selbstbewusste, freiheitsliebende Frau zu charakterisieren, die zudem technisch versiert ist und am liebsten alles selbst macht. Dass der eingangs gezeigte Mord erst noch geschehen wird, erfährt das Publikum durch Lisas Besuch auf der Polizeistation. Der Täter wird mit Schatteneffekten und ähnlichem wie in einem Horrorfilm inszeniert; einen harschen Kontrast bilden dazu die wundervollen Naturpanoramen und Drohnenkameraflüge über die Region im deutsch-österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet sowie die Alpakafarm, auf der die scheue und verunsichert wirkende Lisa zusammen mit ihrem älteren Bruder Marco (Christoph Luser, „Tatort: Wendehammer“) lebt. Dieser will Lisas offenbar besondere Fähigkeiten nicht wahrhaben und versucht, sie vor der Öffentlichkeit zu schützen.
„Wir können Ihnen helfen!“
Zeiler „ermittelt“ ganz nebenbei auch im Privatleben ihres Kollegen Oberländer bzw. dessen neuer Freundin Miriam (Martina Ebm, „Dennstein & Schwarz“), denn diese ist vorbestraft und Zeiler misstraut ihr. Hat sie möglicherweise selbst Interesse an Oberländer? Damit hätten wir wohl die horizontale Erzählebene, die sich über mehrere Episoden erstreckt. Aufgelöst wird diesbezüglich hier nichts. Verdächtig ist, dass die Ehefrau des ersten Opfers eine lesbische Affäre unterhält. Das zweite Mordopfer wiederum hatte es sich als Geschäftsmodell auserkoren, insolvente Hotels aufzukaufen, u.a. von jener lesbischen Affäre – also werden beide Frauen verhört. Ungefähr nach der Hälfte der Spielzeit wird eine Wendung installiert, durch die einiges klar wird. Nun stellt sich die Frage, ob die Handlung spannend weitergehen wird oder ihr Pulver bereits verschossen hat.
Es kann Entwarnung gegeben werden, denn es wird nicht bei dieser einen Wendung bleiben. Die stets schnell schaltende Inspektorin gräbt sich mit Kombinationsgabe und Empathie weiter in die mysteriösen Fälle hinein, watet durch einen immer unappetitlicher werdenden Morast aus sexualisierter Gewalt, Machtmissbrauch, psychischer Erkrankung und immer weiteren sich auftuenden menschlichen Abgründen. All dies scheint um Lisa als Bezugspunkt zu kreisen, deren visualisierte Hypnosesitzung Lust auf einen Waldspaziergang macht, während ihre über die Laufzeit verteilten Visionen und Erinnerungen mittels grafischer Effekte verfremdet werden und lange Zeit rätselhaft bleiben. Die wendungsreiche zweite Hälfte bietet immer neue Entwicklungen, hätte hier und da etwas mehr Pepp vertragen können, ist aber durchaus spannend und unterhaltsam geraten. Regisseur Theede lässt die fesseln zuweilen lockerer, um sie dann gerade rechtzeitig wieder anzuziehen.
Für eine TV-Serienproduktion ist das Niveau überraschend hoch und die Geschichte sehr ausgeklügelt, immer den Rand des etwas arg Unwahrscheinlichen streifend, ohne ihn jedoch in Richtung unglaubwürdig zu überschreiten – sieht man vom gezeichneten übertriebenen Idealbild der Polizei einmal ab. Anna Herrmann und Christoph Luser tun sich schauspielerisch expressiv hervor, während Waldstätten als Zeiler – vermutlich rollenimmanent – relativ distanziert bleibt und Koeberlin als Oberländer eindeutig die zweite Geige hinter ihr spielt. Alles in allem bin ich recht angetan von dieser Episode, die mit trutschiger Heimatverklärung nicht das Geringste zu tun hat, vielmehr die schöne landschaftliche Natur in Kontrast zur weniger schönen menschlichen Natur setzt – und als Warnung an Vergewaltiger verstanden werden darf. 7,5 von 10 Naturgeistmasken dafür!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Das klingt sehr sehr gut. Und als in der Region Lebender dürfte ich auch viele Schauplätze wiedererkennen. Bleibt die Frage übrig: Wieso kenne ich die Serie noch nicht?
Danke für die Besprechung und den Tipp!
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Ich habe, denke ich, nahezu alle Folgen gesehen. Nicht alle gefallen mir gleich gut, aber das Niveau ist für TV-Krimi-Verhältnisse durchgehend ziemlich hoch.
Zeiler finde ich übrigens großartig! Sie hat in etwa die Ausstrahlung eines Eiswürfels, in einer einzigen Folge bisher gab es die Andeutung eines Lächelns. Große Klasse!
Die Episode "Das zweite Gesicht" war besonders berührend für mich, aus persönlichen Gründen.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Da Zeiler noch mit dem Motorrad unterwegs ist und nicht über ihre Pläne kommuniziert, müssen Oberländer und Komlatschek sich mit einer Vertretung arrangieren. Hoffmann ist ähnlich verschlossen und eigenwillig wie Zeiler, gibt sich jedoch etwas mehr Mühe, diesen Umstand durch soziale Kompetenz zu kaschieren. Es deutet sich aber bereits an, dass sie ein großes Geheimnis hat.
Der aktuelle Fall ist wie üblich voller Komplikationen und gespickt mit unvorhersehbaren Wendungen, die in eine komplett andere Richtung führen, als anfangs zu erwarten war. Das ganze wird so spannend umgesetzt, wie von der Serie gewohnt. Oberländers Privatleben spielt diesmal keine Rolle, und Hoffmanns Einstand macht sie dem Zuschauer durchaus sympathisch. Eine verdächtige Jugendliche aus dem Gewahrsam einfach über Nacht in die Privatwohnung mitzunehmen, strapaziert die Realität polizeilicher Ermittlungsarbeit etwas zu deutlich, aber geschenkt.
Hält ohne Probleme das hohe Niveau der vergangenen Folgen. Meiner bescheidenen Meinung nach die mit Abstand beste Krimi-Eigenproduktion im öffentlich-rechtlichen momentan.
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P.S. Direkt vor dem Abspann platzt leider noch eine Bombe!
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
"Alle Spuren im aktuellen Fall deuten auf Oberländer als Täter und der hat für die Tatzeit einen Filmriss. Ist der neuen Kollegin Hoffmann wirklich zu trauen oder schmiedet sie gemeinsam mit der kaltherzigen Staatsanwältin eine Intrige? Zum Glück kann Oberländer auf den Beistand von Komlatschek, Freundin Miriam und Tochter Luna vertrauen."
Gemessen an dem extrem hohen Qualitätsstandard stellt die Episode eine Enttäuschung dar. Das ist durchaus gut gemacht und schön umgesetzt, aber wenn man als routinierter Krimischauer die Lösung von Anfang an kennt, mag sich keine rechte Freude einstellen; außer vielleicht der, Recht gehabt zu haben.
Auch etwas störend kommt hinzu, dass Zeilers Ausscheiden so beiläufig abgehakt wird. Da hätte ich mir mehr erwartet.
So bleibt in Verhältnis zur allgemeinen Krimilandschaft eine überaus solide Folge, innerhalb der Reihe leider eine der schwächsten bisher.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Der dritte Fall des neuen Ermittler-Duos Oberländer und Hoffmann kommt solide, aber auch ein wenig langweilig in der Inszenierung daher. Hoffmann ist sympathisch, das besondere ihrer Vorgängerin Zeiler geht ihr jedoch ab. So rutscht eine ehemals herausragende Krimiserie herunter auf Mittelmaß; werde ich mir in Zukunft wohl schenken.
Leider nur 6,5/10
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.