Dr. Mabuse Box von Universum Film
Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse (Deutschland 1962, Originaltitel: Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse)
Karin am Rande des Nervenzusammenbruchs
Erneut schickt das FBI den Agenten Joe Como (Lex Barker) nach Europa, er soll das rätselhafte Verschwinden eines Kollegen namens Nick Prado untersuchen. Unangenehmerweise führt die erste Spur ins Leichenschauhaus, wo Como nicht nur den toten Staatsdiener vorfindet, sondern auch auf die äusserst lebendige und nicht minder attraktive Liane Martin (Karin Dor) trifft. Como wird ein Zettel zugespielt, den der FBI-Mann für eine Warnung hält, eine Warnung von Dr. Mabuse! Der vor Ort zuständige Ermittler Kommissar Brahm (Siegfried Lowitz) hält diese Idee für grotesk, schliesslich kam Mabuse vor einiger Zeit ums Leben. Immerhin hat Brahms engster Mitarbeiter, der Kriminalassistent Hase (Walo Lüönd), einen Hinweis für Joe Como, im Mantel des ermordeten Nick Prado wurde eine Notiz gefunden, interessanterweise ist darauf die Telefonnummer der bislang wenig zugänglichen Liane Martin zu lesen. Liane hat derweil ganz andere Sorgen, die Tänzerin feiert auf der Theaterbühne zwar Erfolge, fühlt sich aber ständig beobachtet, regelrecht durch eine unsichtbare Gestalt bedroht. Sind die Ängste der Tänzerin lediglich Hirngespinste? Was hat es mit dem sogenannten
"Unternehmen X" auf sich, dem der getötete Prado auf der Spur war? Comos Ermittlungen führen ihn zu Dr. Bardorf (Kurd Pieritz), der für den genialen Wissenschaftler Professor Erasmus (Rudolf Fernau) arbeitet, gewinnt dort neue Erkenntnisse. Lianes Angst vor dem angeblichen
"Unsichtbaren" scheinen alles andere als unbegründet zu sein, eine unfassbare Beobachtung öffnet Joe Como im wahrsten Sinne des Wortes die Augen...
Dr. Mabuse ist erneut unterwegs, so leicht ist der Superschurke nicht unter die Erde zu bringen. Wie schon beim vorherigen Werk
"Im Stahlnetz des Dr. Mabuse", nahm der stets zuverlässige Harald Reinl auf dem Regiestuhl Platz. Auf Gert Fröbe müssen wir leider verzichten, immerhin ist die liebreizende Karin Dor angenehmerweise am Start. Mabuses dritter Ritt kommt mit etwas platterem Humor daher, die Rolle des Kriminalassistenten Hase artet glücklichweise nicht in allzu groben Klamauk ab, recht geschickt balanciert die Figur auf dem schmalen Grad zwischen lustig und peinlich. Fröbes hintergründiger Humor spielte in einer anderen Liga, doch ich will nicht gleich zu Beginn rumnörgeln.
"Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" bietet jede Menge wohliger Gruselstimmung, die vor allem durch die bedrohliche Präsenz des Unsichtbaren erzeugt wird. Gerade etwas/jemand nicht zu zeigen, macht hier den ganz besonderen Reiz aus, aufgepeppt durch sehr gut gelungene Tricksereien. Objekte bewegen sich wie von Geisterhand, schemenhafte Gestalten schleichen durch die Nacht, herrlich! Die Kamera wird stilsicher von Ernst W. Kalinke bedient, der häufig mit Harald Reinl zusammenarbeitete.
Kann die Reihe auch ohne den grandiosen Gert Fröbe überzeugen? Lex Barker rückt nun noch stärker in den Mittelpunkt, als smarter und fescher FBI-Agent erorbert er die Herzen der Zuschauer im Sturm. Klar, Barker kann einem Kaliber wie Fröbe schauspielerisch nicht das Wasser reichen, doch dem sympathischen Amerikaner verzeiht man die Limitiertheit seiner Darbietung gern. Barker soll gar nicht in die übergroßen Fußstapfen Fröbes treten, denn die Rolle des kernigen Ermittlers fällt in diesem Streifen Siegfried Lowitz zu. Lowitz macht einen guten Job, obwohl er zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten angelangt war. Während Fröbe und Barker im zweiten Mabuse-Film noch halbwegs auf Augenhöhe agierten
(bezogen auf die Größe der Rollen), bleibt für Lowitz nur eine bessere Nebenrolle. Fast wird er vom Schweizer Walo Lüönd an den Rand gedrängt, der ständig durch irgendwelchen Unfug auf sich aufmerksam macht. Ich schrieb es bereits, Herr Hase wandelt auf einem schmalen Grat, doch wenn er strauchelt, landet er irgendwie
(fast) immer auf der sicheren Seite. In manchen Wallace-Sausen hat Eddi Arent einen höheren
"Nervensägenfaktor", besser und erträglicher als der fürchterliche Chris Howland ist Walo Lüönd ganz ohne Zweifel. Ganz großartig Rudolf Fernau, der das psychisch und physisch zerstörte Genie hervorragend darstellt, die Pein springt ihm regeltrecht aus dem Antlitz. Kurd Pieritz fällt in die Schublade Helferlein, Wolfgang Preiss trumpft kurz und heftig auf. Von einer
"Damenriege" kann nicht die Rede sein, denn ausser Karin Dor sind lediglich ein paar unbedeutende Kleinstrollen mit Frauen besetzt. Doch was solls, Frau Dor darf nicht nur den coolen Ermittler verzaubern, selbstverständlich kann und will ich mich nicht Reizen entziehen. Ehre wem Ehre gebührt, ich werde Karin Dor nicht auf die hübsche Hülle reduzieren, sie überzeugt auch darstellerisch, vor allem in den Momenten der Angst und Panik. Fazit: Es geht auch ohne Gert Fröbe, insgesamt baut der Film im Vergleich zum Vorgänger nur leicht ab.
Grosse Überraschungen bietet das Drehbuch dem aufmerksamen Zuschauer nicht, doch die Atmosphäre ist auf den Punkt genau eingefangen, die Schauspieler sind durch die Bank stark, Krimigrusel, Mad Scientist Anleihen, die Gier nach der Weltherrschaft
(weniger darf es nicht sein). Alles mündet in ein heisses Finale, das Ende bereitet den fruchtbaren Boden für die nächste Fortsetzung. Ein guter und unterhaltsamer Beitrag, der jeden Freund dieser Marschrichtung mit Wonne erfülllen sollte. Repeat bis zur Ekstase: Wer die Wallace-Filme mag, der sollte sich auf jeden Fall auch mit den Dr. Mabuse-Sausen beschäftigen, wem die Wallace-Filme eine Spur zu humorig erscheinen, der sollte es ebenfalls mit Dr. Mabuse probieren. Mir liegt das
"Dr. Mabuses Meisterwerk" getaufte Box-Set von Universum vor, welches alle sechs Mabuse-Streifen aus den sechziger Jahren enthält:
• Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (1960)
• Im Stahlnetz des Dr. Mabuse (1961)
• Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse (1962)
• Das Testament des Dr. Mabuse (1962)
• Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963)
• Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964)
Die DVDs kommen in einem schicken Digipak ins Haus, das von einem nicht minder hübschen Schuber umhüllt wird. Ferner liegt ein Booklet bei, in dem Auszüge aus einem Buch des leider kürzlich verstorbenen
Wallace-Experten #1 Joachim Kramp zu lesen sind. Der von Kriminalfilmfreunden
(und nicht nur denen) sehr geschätzte Joachim Kramp, hinterlässt eine nicht zu schliessende Lücke im
"Wissensgebiet Wallace und Co.". An der Qualität der DVD gibt es nichts zu meckern, Universum präsentiert auch den zweiten Beitrag zur Mabuse-Reihe in schöner Verfassung. Für Fans
(und solche die es werden wollen) stellt diese Box einen unverzichtbaren Pflichtkauf dar!
Reinl liefert einen erwartungsgemäß unterhaltsamen Film ab. Fast so stark und packend wie
"Im Stahlnetz des Dr. Mabuse", läuft der dritte Mabuse-Flick gemeinsam mit dem Auftakt der Reihe
"Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" über die Ziellinie.
7/10 (gut)
Lieblingszitat:
"Warum diese plötzliche Flucht?"
"Ich flüchte nicht, ich ziehe um!"