Ehe im Schatten - Kurt Maetzig (1947)

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Maulwurf
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Ehe im Schatten - Kurt Maetzig (1947)

Beitrag von Maulwurf »

 
Ehe im Schatten
Deutschland 1947
Regie: Kurt Maetzig
Paul Klinger, Ilse Steppat, Alfred Balthoff, Claus Holm, Willy Prager, Hans Leibelt, Lothar Firmans,
Karl Hellmer, Liselotte Lieck, Gerda Mallwitz, Walter Werner, Alfred Maack


Ehe im Schatten.jpg
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In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war Joachim Gottschalk ein beliebter und gefeierter Schauspieler auf den deutschen Bühnen. In Leipzig unter Detlef Sierck und später in Frankfurt begann er eine großartige Karriere, die ihn ab 1938 in das Berliner Preußischen Staatstheater unter Eugen Klöpfer, unter später auch zu seiner ersten Filmrolle bei Wolfgang Liebeneiner führte. Doch zu dieser Zeit war er beim Propagandaministerium schon längere Zeit nicht mehr gerne gesehen, denn Gottschalk war seit 1930 mit einer Jüdin verheiratet. Und er dachte gar nicht daran, sich von seiner geliebten Meta zu trennen! Bereits das Engagement 1934 in Frankfurt musste von höherer Warte aus abgesegnet werden, und spätestens ab der Mitte der 30er-Jahre wehte ihm immer stärker der Wind ins Gesicht. Goebbels persönlich wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, dass Gottschalk beim Film beschäftigt wird, obwohl sich namhafte Schauspieler und Regisseure immer wieder für ihn einsetzen. Denn Gottschalk könnte problemlos die begehrtesten Hauptrollen bekommen – Wenn er sich scheiden ließe.
1938 ist Gottschalk zu Filmaufnahmen in Tunesien, wo die Außenaufnahmen zu AUFRUHR IN DAMASKUS stattfinden. Seine Meta, zu Beginn der 30er-Jahre selber eine gefeierte Bühnenschauspielerin, sitzt derweil zu Hause in Berlin, muss die Reichskristallnacht aus allernächster Nähe und ganz allein erleben, und wird zunehmend immer mutloser und depressiver. Sie kann das Haus nicht mehr verlassen, sie scheut Menschenansammlungen, und zieht sich vom Leben in hohem Maße zurück. Joachim wird in dieser Zeit an der Seite von Brigitte Horney mit EINE FRAU WIE DU endgültig zum Star, während gleichzeitig Eugen Klöpfer den Namen Gottschalk nicht mehr groß nach vorne stellen kann. Zu groß ist die Gefahr, dass der Schutz, den die „Mischehe“ Meta bietet, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die beiden Eheleute beginnen sich auseinanderzuleben, sie leben zwei völlig unterschiedliche Leben, die nur noch eines gemeinsam haben: Dass der Staat, in dem sie leben, sie beide nicht will.
Im April 1941, bei der Premiere von DIE SCHWEDISCHE NACHTIGALL, setzt sich sogar Veit Harlan bei Goebbels dafür ein, dass Gottschalk auch weiterhin große Hauptrollen bekommen kann. Goebbels echauffiert sich so sehr, dass selbst Kristina Soederbaum peinlich berührt die Runde verlässt, und die Kernaussage ist dann „Dann sagen sie ihm [Gottschalk], er soll sich von seiner Frau trennen. Seine Frau kann sofort in die Schweiz fahren. Ich werde veranlassen, dass man ihr so schnell wie möglich einen Pass gibt. Ich schätze Gottschalk selbst als Schauspieler. Sagen Sie ihm das. Wenn er allerdings mit seiner Jüdin zusammen ein Feind des Nationalsozialismus sein will, dann kann er nicht erwarten, das der Nationalsozialismus seine Feinde protegiert.“ (1) Und das war es dann. Nach dieser Brandrede wollte kein Produzent und kein Intendant mehr Gottschalk anfassen. Das Risiko, es sich mit der Reichskulturkammer oder sogar dem Propagandaminister persönlich zu verscherzen, wollte niemand auf sich nehmen. Doch in Bezug auf die Scheidung blieb Gottschalk standhaft, was Goebbels dem Vernehmen nach zur Weißglut gebracht haben soll.
Ein wenig Arbeit für Radio und Fernsehen war noch möglich, aber neben der zunehmenden Verarmung drohte auch immer das Damoklesschwert der Verhaftung. Durch eine zufällige Begegnung Meta Gottschalks mit Goebbels, der ihr aufgrund ihrer Attraktivität und in völliger Unkenntnis darüber, wen er da vor sich hat, einen Handkuss gab, erfolgte dann im Herbst 1941 die Ankündigung der Deportation Metas nach Theresienstadt. Die Bitte Joachim Gottschalks, zusammen mit seiner Frau deportiert zu werden, wurde verweigert. Am Abend des 5. November 1941 setzen Joachim und Meta Gottschalk, gemeinsam mit ihrem 8-jährigen Sohn Michael, ihrem Leben ein Ende. Doch selbst die Beerdigung wird noch übertönt vom nationalsozialistischen Propagandagedöns: Kein Nachruf, keine Meldung in einer Zeitung, der Tod der Familie Gottschalk soll verschwiegen werden, der Besuch der Beerdigung ist verboten. Nur wenige Freunde sind gekommen: René Deltgen, Gustav Knuth, Brigitte Horney, Werner Hinz und Wolfgang Liebeneiner setzen sich über das Verbot hinweg. Alle werden von der Gestapo betont heimlich fotografiert, selbst Gottschalks Bruder ist in seiner SS-Uniform vor Nachstellungen nicht sicher.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf macht es EHE IM SCHATTEN dem Zuschauer nicht wirklich leicht. Die Abweichungen von der Realität sind teilweise eklatant und nicht immer sinnvoll, und spätestens bei der holprigen Dramaturgie und dem etwas löchrigen Drehbuch wird klar, dass dies tatsächlich der allererste Film von Kurz Maetzig war. Der die Novelle von Hans Schweikart gelesen hatte und daraufhin beschloss, dass er diese Zusammenführung aus bitterster Zeitgeschichte und zärtlicher Liebe niemandem andern in die Hand geben, sondern den Film selber drehen wollte.

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Joachim Gottschalk heißt hier Hans Wieland, Meta wird Elisabeth Maurer genannt. Die beiden spielen etwa Mitte der 30er-Jahre sehr erfolgreich zusammen Theater, aber Wieland schafft es nicht, Elisabeth seine Liebe zu gestehen. Der forsche Dr. Blohm überrennt ihn regelmäßig und versucht, Elisabeth in seine eigenen Arme zu bekommen. Bei einer gemeinsamen Auszeit auf Hiddensee (die in der Wirklichkeit erst 1938 stattgefunden hat) erfährt Blohm, dass Elisabeth Jüdin ist. Er schreckt geradezu zurück, aber seine Leidenschaft kühlt kaum ab. Ein gemeinsamer Freund, der Schauspieler Fehrenbach, sieht allerdings das wahre Gesicht Blohms, der schon bald in der Reichskulturkammer große Karriere macht. Natürlich nur, um nach eigener Aussage Schaden von seinen Freunden zu wenden! Fehrenbach emigriert dann auch sehr schnell nach Wien, während Wieland Elisabeth endlich seine Liebe gestehen kann. Und auch wenn sie eigentlich nicht so richtig begeistert ist, so stimmt sie doch der Tatsache zu, dass sie unter seinem Schutz, also in einer Ehe mit einem Arier, besser abgesichert wäre.
1938 sind die Verhältnisse nicht besser geworden. Wieland ist seiner Ehe mittlerweile etwas überdrüssig geworden, scheint Elisabeth ihn doch ohnehin nie so richtig lieb gewonnen zu haben. Wieland scharwenzelt gerne auch mal mit anderen Schauspielerinnen herum, zieht von Premiere zu Premiere, von Feier zu Feier, und er genießt sein Leben in vollen Zügen, während Elisabeth das Haus bereits kaum noch verlassen kann. Als Wieland mitten in die Ereignisse der Reichskristallnacht gerät merkt er wieder, was er an Elisabeth hat. Er schwört ihr, sie nie wieder zu verlassen.
Aber der Krieg kommt, und Wieland wird eingezogen. Im Jahr 1943 treffen wir die beiden wieder. Er liegt mit Typhus im Lazarett und wird bald nach Hause entlassen, sie arbeitet in einer Fabrik, zusammen mit anderen Jüdinnen aus Mischehen. Gemeinsam mit den Frauen steht sie um Lebensmittelkarten an, gemeinsam arbeitet man, und als der arische Mann der einen Jüdin im Krieg fällt da ist es auch um deren Leben geschehen. Denn die schützende Ehe ist ja nun vorbei … Elisabeth kann diesen Druck immer weniger aushalten, und wie um das Elend zu verstärken kommt auch noch Fehrenbach aus Wien, der verhaftet wurde, aber fliehen konnte. Leider wurde er am Bahnhof von einem früheren Kollegen wiedererkannt, weswegen dann auch recht schnell die Gestapo vor der Türe steht. Aber es geht alles gut, und auch Wieland kommt aus dem Krieg zurück. Er möchte wieder spielen, muss dafür aber zum Reichskulturamt und steht dort Dr. Blohm gegenüber, der ihm, wie in der Wirklichkeit Hans Hinkel gegenüber Gottschalk, das Messer auf die Brust setzt: Scheidung oder Deportation. Wieland weigert sich, geht nach Hause, kocht sich und seiner Elisabeth einen Kaffee, und schüttet eine Überdosis Schlafmittel hinein. Gemeinsam wählt man den Weg in den Tod.

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Wie gesagt, das Wissen um die tatsächlichen Abläufe macht die sowieso schon stockende Inszenierung nicht einfacher. Ich hatte erwartet, den Ablauf der Geschichte um die Familie Gottschalk zu sehen, und bekam stattdessen eine Annäherung an das Drama einer Mischehe; zufällig in einer Künstlerehe spielend, und sich immer wieder auf die Gottschalks beziehend. Entsprechend wird am Ende des Films auch an die wahren Ereignisse erinnert, und EHE IM SCHATTEN wird der Familie Gottschalk gewidmet.

Vielleicht ist es einfacher, wenn man nicht weiß was in Wahrheit passiert ist. Dann kann man sich dem Grauen erheblicher besser aussetzen und entsetzt zusehen, wie sich das demokratisch gewählte Verhängnis wie ein Würgegriff um die Hauptfiguren zusammenzieht. Die frühen Geschehnisse um Dr. Blohm, der versucht seine beginnende Parteikarriere hinter Plattitüden zu verstecken. Der Onkel Elisabeths, der alte Arzt Louis Silbermann, der darauf baut, dass seine Patienten ihn nicht verlassen werden. Fehrenbach, der zwar kommen sieht wie schlimm es wird, aber denkt dass er in Wien in Sicherheit sei. Später dann die Reichskristallnacht, bei der hier, anders als zum Beispiel in dem, im gleichen Jahr entstandenen, IN JENEN JAHREN, die Kamera voll draufhält und die Zerstörungswut und die Mordlust in schrecklichen Bildern und Tönen einfängt. Der Blockwart, der ganz selbstverständlich in der Wohnung Elisabeths herumschnüffelt, und sich dabei auch keinen Zwang auflegt. Und natürlich die abschließende Konfrontation zwischen Wieland und Dr. Blohm, in der letzterer mit seinen Floskeln und Schönfärbereien von vor 10 Jahren bombardiert wird. Und der sich der Wutrede Wielands nicht anders zu wehren weiß als mit denjenigen Phrasen, die hirnlose Schergen schon immer so drauf hatten: „Unterstehen Sie sich …“, oder „Ich verbitte mir das …“.

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Und natürlich immer wieder dieser eine Satz. Es wird schon nicht so schlimm werden. Onkel Louis sagt dies, sogar dann noch, als er schon nur noch Juden behandeln darf. Wieland sagt das immer wieder, und Elisabeth natürlich auch. Ins Ausland gehen? Nein, es wird schon nicht so schlimm werden. Dies ist auch der Titel der Novelle von Hans Schweikart, die als Vorlage für das Drehbuch diente, und ich bin mir sicher, dass viele Menschen in den Jahren 1933 bis 1938 dies auch immer und immer wieder sagten - Es wird schon nicht so schlimm werden. Zu Beginn des Films redet jemand im Film sinngemäß davon, dass die klugen Menschen die Nazis an die Macht haben kommen lassen um aufzuräumen, und wenn die Verhältnisse wieder gut sind auch dafür sorgen werden, dass die Braunen wieder verschwinden. Und dann wird alles wieder gut. Es wird schon nicht so schlimm werden. Wieviele Menschen mögen damals genauso gedacht haben? Und sich in diesen Worten auf der Leinwand wiedergefunden haben?

Wie erwähnt darf man wahrscheinlich nicht den Fehler machen, die Realität der Gottschalks mit der filmischen Erzählung der Wielands zu vergleichen. Dann nämlich, ist der Film trotz seiner immer noch vorhandenen inszenatorischen Schwächen ein schreckliches Dokument einer Zeit, in der selbst die Liebe reglementiert wurde. Und mit seiner Konzentration auf ein sehr privates Thema das jeder aus der Nähe kennt erheblich unmittelbarer und düsterer als zum Beispiel Helmut Käutners Filme aus dieser Zeit. EHE IM SCHATTEN ist ein Dokument einer Zeit, die sich heute viel zu viele wieder herbeiwünschen, und durch die Nähe zu dieser Zeit auch ein entsetzlich realistisches und niederschmetterndes Dokument. Schon alleine deswegen sollte man dem Film eine Chance geben, und ihn mit ein wenig Nachsicht behandeln.

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(1) Ulrich Liebe: Verehrt verfolgt vergessen, Berlin 1990, S. 90

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