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Originaltitel: Generation Walkman – Unsere Jugend in den 80ern
Herstellungsland: Deutschland / 2018
Regie: Marion Försching
Mitwirkende: Kai Havaii, Steve Blame, Arnd Zeigler, Sissi Perlinger, Patricia Kelly, Frank Goosen, Margie Kinsky, Bill Mockridge, Peter Illmann, Stefanie Tücking
Die WDR-Sendung "Generation Walkman - unsere Jugend in den 80ern" taucht ein in den Kosmos der jungen Erwachsenen in den 80ern - mit E.T., Friedensbewegung, Boris Becker, der Maueröffnung und dem unentbehrlichen Walkman. Frank Goosen, Sissi Perlinger, Patricia Kelly, Steve Blame, Arnd Zeigler u.a. erzählen von ihren Erfahrungen und schwelgen in Erinnerungen an ihre aufregende Jugend.
Im Sommer 2018 begann der WDR eine Sendereihe mit Themenschwerpunkt auf den 1980ern (die laut WDR von 1980 bis 1989 reichten, 1990 als eigentliches zehntes Jahr der Dekade wurde also ausgespart). Herzstück war die außerordentlich gelungene zehnteilige Dokureihe „Unser Land in den 80ern“, die in jeweils 45 Minuten ein Jahr in Nordrhein-Westfalen Revue passieren ließ („Land“ meinte hier also „Bundesland“). Flankiert wurde diese von diversen Sendungen unterschiedlicher Formate, u.a. vom abendfüllenden Dokumentarfilm „Generation Walkman – Unsere Jugend in den 80ern“, der unter der Regie von Autorin Marion Försching entstand.
Während die Dokureihe angenehm stark auch auf konkrete politische Ereignisse eingeht, bleibt dieser Film oberflächlicher und widmet sich in erster Linie Popkulturellem, aber auch gesellschaftlichen, politischen und gesundheitlichen Themen, vor denen es sich in einer solchen Doku nicht die Augen verschließen lässt – in erster Linie aus deutscher Sicht. Begleitet von einem Voiceover Susanne Hampls, unterlegt mit diversen ‘80er-Hits und kommentiert von mehr oder weniger sympathischen Prominenten wie Extrabreit-Sänger Kai Havaii, MTV-Moderator Steve Blame, Sportjournalist Arnd Zeigler, Entertainerin Sissi Perlinger, Sängerin Patricia Kelly, Kabarettist Frank Goosen, dem Schauspieler-Ehepaar Margie Kinsky und Bill Mockridge und den „Formel Eins“-Moderatoren Peter Illmann und Stefanie Tücking werden folgende Themen abgedeckt:
• Der Walkman
• Mixtapes
• Die Grünen
• Spielfilm „E.T.“
• Spielfilm „Flashdance“
• Breakdance
• Helmut Kohl
• Boris Becker
• Mathias Rusts Cessna-Flug
• MTV
• Aids
• Gurtpflicht
• Prinz Charles und Lady Di
• Trampen
• Der Gau in Tschernobyl
• Wettrüsten und Friedensbewegung im Kalten Krieg
• Die Neue deutsche Welle
• Die vermeintlichen Hitler-Tagebücher
• Spielfilm „Das Boot“
• Schimanski
• Spielfilm „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“
• Das Geiseldrama von Gladbeck
• Die Dualisierung des Rundfunks
• Volkszählung(en)
• Videotheken
• Homecomputer
• Mobiltelefone
• Mode
• Frisuren
• Gorbatschow
• Die Wende
Natürlich kann ein lediglich 90-minütiger Film dem Jahrzehnt nicht gerecht werden. Dafür ist die (in Bezug auf Filme und Musik sehr subjektiv anmutende) Themenauswahl bereits recht groß, womit einhergeht, dass die einzelnen Felder nur oberflächlich behandelt werden können. Dies dürfte die größte Herausforderung dieses Infotainment-Films gewesen sein. In den Kommentatorinnen und Kommentatoren fand man jedoch ein Ensemble, das es durchaus versteht, spitzzüngig und auf den Punkt adäquate Aussagen zu treffen (während die Kelly für die ‘80er aus Hippieperspektive zuständig ist). Dies betrifft in erster Linie die Bereiche Politik und Gesellschaft, in popkultureller Hinsicht bleibt „Generation Walkman“ sehr unkritisch und geht gar überraschend wenig überhaupt auf die Musik ein. Letzteres dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass speziell dafür bereits etliche separate Dokus oder Clip-Sendungen existieren.
Interessant gelöst ist die Verquickung ernster bis lebensbedrohlicher Themen und der mit ihnen verbundenen Protestkultur der 1980er mit den leichten und schönen Themen jenes Jahrzehnts: Zu Beginn wird ausgehend von diversen handfesten Kämpfen eine Lust auf Hedonismus hergeleitet, die als Übergang zum ersten Themenblock fungiert. Von Beginn an schwelgen die Kommentierenden in Jugenderinnerungen, die vielen historischen Aufnahmen werden wiederholt von persönlichen Bildern aus den Privatarchiven ergänzt. Nicht jede getätigte Aussage oder Einschätzung würde ich unterschreiben, große Aufreger bleiben aber aus. Nicht wirklich fair jedoch ist es, die privaten Fernsehsender der 1980er auf die RTL-Erotik-Gameshow „Tutti Frutti“ zu reduzieren.
Letztlich muss man aber zweifelsohne froh sein, dass sich kein Privatsender dieses Themas angenommen und einen selbst herangezüchteten Z-Promi nach dem anderen seinen inkompetenten Senf abgeben lässt. In diesem Falle wäre der Bereich Politik & Gesellschaft vermutlich noch wesentlich stiefmütterlicher behandelt worden. In dieser Form hingegen handelt es sich um eine durchaus launige, vergnügliche Angelegenheit mit nur wenigen inhaltlichen Schnitzern, dafür mit der einen oder anderen Erinnerung und Ehrerbietung gerade an die schönen und/oder kuriosen Seiten der ‘80er-Kultur und manch treffendem Kommentar, beispielsweise zur politischen und ästhetischen Ablehnung Helmut Kohls.
Schade ist, dass diese und ähnliche Dokumentationen i.d.R. mit dem Jahr 1980 beginnen, das noch so gar nichts mit den eigentlichen Achtzigern zu tun hatte, und dafür 1990 aussparen, ausgerechnet das Jahr des dritten deutschen Fußballweltmeisterschaftstitels der Herren und der so viel (später in den üblen Neunzigern bitter enttäuschte) Hoffnung spendenden Wiedervereinigung. Jüngst hat der WDR eine groß angelegte ‘90er-Retrospektive begonnen. Man darf also gespannt sein, auf welche Weise die zuletzt genannten Themen rückblickend verarbeitet werden.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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