Go Trabi Go - Peter Timm (1991)

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Canisius
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Re: Go Trabi Go - Peter Timm (1991)

Beitrag von Canisius »

Ist das der mit "Opas Japaner?" "So geht er rein, so geht er raus." Wenn ja, dann habe ich den musste ich den im Kino sehen. Wurde als Kind mitgeschleppt. :)
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
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buxtebrawler
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Re: Go Trabi Go - Peter Timm (1991)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wir Sachsen, wir sind helle, des wees die ganze Welt, und sind wir mal nicht helle, dann ham‘ wir uns verstellt!“

Bereits das Debüt des gebürtigen Ostberliners und später in die BRD emigrierten Regisseurs Peter Timm, die Komödie „Meier“, widmete sich der – damals, 1985, noch existierenden – DDR bzw. den Wechselwirkungen zwischen ihr und der BRD und ist bis heute sträflich unterbewertet. Der darauf gefolgte „Fifty Fifty“ ist mir leider noch unbekannt, doch mit seinem dritten Film gelang Timm der Durchbruch: „Go Trabi Go“ um den Dresdner Theaterschauspieler und Kabarettisten Wolfgang Stumph wurde kurz vor der Auflösung der DDR im Weltmeistersommer 1990 gedreht und kam im Januar 1991 in die Kinos, wo die Roadmovie-Komödie nach einem Drehbuch Reinhard Klooss‘ und Peter Timms zum zweiterfolgreichsten deutschen Kinofilm des Jahres avancierte.

„Wir Trabantfahrer – wir sind doch die Härtesten.“

Jahr 1 nach der Wende, sprich: 1990. Die DDR endet, die ‘80er ebenso. Die Bitterfelder Familie Struutz, bestehend aus Deutschlehrer Udo (Wolfgang Stumph), seiner Frau Rita (Marie Gruber, „Dornröschen“) und der gemeinsamen Tochter Jacqueline (Claudia Schmutzler, „Polizeiruf 110: Eine unruhige Nacht“), plant, frei nach Goethes „italienischer Reise“, im Sommer von Bitterfeld nach Neapel zu reisen – und zwar mit dem Schorsch getauften Familientrabant! Insbesondere Udo liebt die Rennpappe heiß und innig und traut ihr zu, die Familie zuverlässig über Regensburg und München, über die Alpen und den Gardasee zum Ziel zu bringen. Doch die Fahrt verläuft nicht ohne Hürden und entpuppt sich für alle Beteiligten als ein größeres Abenteuer als zunächst angenommen…

„Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Aussehen eines Abenteuers gewinnt!“

Auch für die Westdeutschen war es seinerzeit noch unüblich, innerhalb Kontinentaleuropas zu fliegen, dafür waren Flugreisen schlicht zu teuer. Stattdessen fuhren etliche Familien in den Sommerferien mit dem Auto übern Brenner nach Italien, eines der Lieblingsziele der Deutschen. Mit der neu gewonnenen Reisefreiheit, nicht mehr nur in sozialistische Bruderstaaten, sondern auch ins kapitalistische Ausland zu Erholungs- und Erkundungszwecken reisen zu dürfen, wollte es die exemplarische ostdeutsche Familie Struutz den Wessis also gleichtun – kurioserweise mit dem im Westen aufgrund seiner technischen Daten verlachten DDR-Kfz „Trabant“, liebevoll zu Trabi verniedlicht, dem einen solchen Trip nicht unbedingt jeder zugetraut hätte.

Soweit zum damaligen Zeitgeist, dem diese deutsch-deutsche Wendekomödie entsprungen ist. In Timms Umsetzung ist die Abenteuerlust und Wendefreude der etwas naiven, aber bauernschlauen sächselnden Familie allgegenwärtig. Der Humor des episodischen Road Movies verulkt Ossis wie Wessis, ohne sich spöttisch gegen Familie Struutz zu richten. Stattdessen bekommt manch westdeutsche respektive kapitalistische Unart ihr Fett weg. Die Regensburger Westverwandtschaft (u.a. Ottfried Fischer, „Superstau“), bei der die Struutzens Halt machen, ist nicht bereit, ihren Wohlstand zu teilen und versteckt sogar die Torte vor Udo, Rita und Jacqueline; in München kann kein Kfz-Mechaniker bei der erste Autopanne helfen, dafür wird die Familie finanziell über Ohr zu hauen versucht, bis mit Dieter Hildebrandt („Man spricht deutsh“) ein ostdeutscher Landsmann einspringt, und schließlich versucht ein Gigolo, sich an Jacqueline, siebzehnjährig und ein scharfes Gerät, mittels seiner Kohle heranzuschmeißen, während Dieter Krebs („Ein Herz und eine Seele“) als Lastwagenfahrer sämtliche Trabiwitze deklamiert. Dafür bringt er die Familie mitsamt Trabi sicher übern Brenner.

Das ist, ein gutes Stück weit Road-Movie-typisch, recht episodisch; der Kitt, der all das zusammenhält, ist die Reise als Abenteuer, der Weg als Ziel, und eben immer dabei der treue Trabant, auf dessen Dach man am Gardasee sogar kampiert – dafür werden ihm dort die Räder gestohlen. So richtig rund geht’s jedoch erst in Rom, dem letzten Zwischenstopp vor Neapel, und Schorsch ist anschließend kaum wiederzuerkennen. Nach zahlreichen kleineren und größeren Konflikten inklusive einer flüggewerdenden Tochter wird Neapel jedenfalls erreicht. Jacqueline bekam eine exaltierte Tanz- sowie eine Gesangs- und Gitarrenspieleinlage ins Drehbuch geschrieben, der Trabi darf einige gelungene Stunts hinlegen (was man wahrlich auch nicht alle Tage sieht) und seine Mundart wurde hier niemandem verboten, fröhlich wird in verschiedenen Dialekten drauflosgesabbelt. Wer wirklich beißend bösartigen Witz erwartet, bekommt ihn hier nicht, „Go Trabi Go“ ist keine Abrechnung mit der Wende oder der Politik, karikiert jedoch frühe Nachwendebefindlichkeiten und inszeniert Italien stil- und respektvoll als Sehnsuchtsort.

Vielleicht muss man damals dabeigewesen sein, um den Film zu verstehen. Vielleicht aber auch nicht und es gelingt ihm generationsübergreifend, komödiantisch aufbereitet das damalige Lebensgefühl zu vermitteln, jetzt mal ein bisschen mit großen Augen die bislang weitestgehend verborgene Welt zu erkunden, mal Fünfe geradesein zu lassen und nicht alles so dermaßen wichtig zu nehmen – schließlich ist Sommer und man hat Urlaub. Und nicht zuletzt, dass jede Italienreise mit dem eigenen Pkw ein Abenteuer war, bei dem man auf vieles gefasst sein musste. Dieses nostalgische Gefühl wird wunderbar vom zeitgenössischen Pop- und Rock-Soundtrack u.a. mit Gianna Nannini („Due ragazze In me“), The Real Milli Vanilli („Keep On Running”) und John Parrs breitbeinig hartrockendem Titelsong „Westward Ho” befeuert. Ja, Kinder, so endeten damals die 1980er…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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