Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
horror1966
Beiträge: 5597
Registriert: Mo 7. Jun 2010, 01:46
Wohnort: Hildesheim

Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Beitrag von horror1966 »

Bild




Im Angesicht des Verbrechens
(Im Angesicht des Verbrechens)
mit Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Misel Maticevic, Marie Bäumer, Alina Levshin, Mark Ivanir, Arved Birnbaum, Georgii Povolotskyi, Katja Nesytowa, Uwe Preuss, Yevgeni Sitokhin, Marko Mandic, Anton Lewit, Bernd Stegemann
Regie: Dominik Graf
Drehbuch: Rolf Basedow
Kamera: Michael Wiesweg
Musik: Sven Rossenbach / Florian van Folxem
FSK 16
Deutschland / 2010

In Berlin herrscht Krieg. Banden der Russenmafia liefern sich in Berlins Unterwelt einen Kampf um die Vorherrschaft im Menschen- und illegalen Zigarettenhandel. Die beiden jungen Polizisten Sven Lottner (Ronald Zehrfeld) und Marek Gorsky (Max Riemelt) wollen die Drahtzieher hinter Gitter bringen. Doch Marek, Sohn baltisch-jüdischer Einwanderer, steht bald zwischen den Fronten. Sein Bruder ist vor Jahren von der Russenmafia ermordert worden, seine Schwester Stella (Marie Bäumer) mit einem Mafiaboss (Misel Maticevic) verheiratet.


Insbesondere auf dem Spannungssektor herrscht bei uns in Deutschland schon seit etlichen Jahren ein riesiges Defizit und auch die Krimis sind längst nicht mehr das, was sie einmal waren. Umso erfreulicher ist deshalb die Tatsache, das mit "Im Angesicht des Verbrechens" endlich einmal wieder eine wirklich spannende und erstklassig inszenierte Krimi-Serie erschienen ist, deren Sichtung man nur dringendst empfehlen kann. In 10 Episoden mit jeweils circa 50 Minuten Spielzeit hat Regisseur Dominik Graf dabei ein authentisches Szenario geschaffen, das dem Zuschauer einen tiefen Einblick in den Bandenkrieg der Berliner Russenmafia gewährt, in dem es um die Vorherrschaft in der Hauptstadt geht. Besonders gut hat mir der Aspekt gefallen, das Graf hier nicht in blinden Aktionismus verfällt und ein actionüberladenes Geschehen in Szene gesetzt hat, sondern dem Betrachter eine glaubwürdige Geschichte präsentiert, die auch Platz für Emotionen und menschliche Schicksale bietet.

Im Focus steht das Polizisten-Duo Marek Gorsky und Sven Lottner, deren eigentlicher Traum es ist, irgendwann beim LKA zu arbeiten. Dieser Traum erfüllt sich dann auch schneller als vermutet, ist allerdings auch mit einigen Problemen behaftet. Ermitteln die beiden doch gegen die Russenmafia und versuchen dabei, hinter die weitverzweigten Strukturen dieser kriminellen Organisation zu schauen, was insbesondere durch Mareks familiäre Herkunft zusehends erschwert wird. Nicht nur das er baltisch-jüdische Wurzeln hat, auch die Tatsache, das seine Schwester mit einem der Bosse der Russenmafia verheiratet ist, erschwert die Ermittlungen ungemein, da er in den reihen der Russen als Verräter gilt, denn Polizisten sind dort nicht gern gesehen. Zudem will Marek auch endlich den Mörder finden, der 10 Jahre zuvor seinen Bruder Grisha erschossen hat. Und so entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit ein absolut vielschichtiges und abwechslungsreiches Geschehen, das sehr temporeich und jederzeit spannend in Szene gesetzt wurde. Man wird mit etlichen für die Geschichte wichtigen Charakteren konfrontiert, die auch größtenteils eine tiefergehende Beleuchtung erfahren, so das man zu den meisten auch eine Art Beziehung aufbauen kann. Dabei filtern sich äusserst schnell gewisse Symphatieträger heraus, ebenso entpuppen sich recht schnell einige Fieslinge, denen man von Beginn an nicht so richtig aufs Fell schauen kann. Doch ganz egal, welche Figuren einem mehr zusagen und welche nicht, alle werden von erstklassigen Darstellern interpretiert, deren exzellentes Schauspiel nicht unwesentlich zum authentischen Eindruck der Serie beitragen.

Man kann sich äusserst gut vorstellen, das die hier gezeigten Ereignisse sich auch in der Realität recht ähnlich abspielen könnten und wie schwer es für die Ermittlungsbehörden sein muss, einen richtigen Einblick in die vorherrschenden Strukturen zu erlangen, um so die Hintermänner überführen zu koönnen. Die Beweispflicht ist schwerlich beizubringen, die Hintermänner so gut wie unantastbar und selbst die Handlanger der Russenmafia sind kaum zu greifen, da alles scheinbar perfekt durchorganisiert ist, so das die Polizei trotz ihrer Abhörmethoden nichts erfährt, was ihr wirklich weiterhelfen könnte. Zudem gibt es auch hier Intrigen, Korruption und Verrat, was die Ermittlungsarbeiten noch zusehends erschwert. Diese ganzen Dinge sind absolut glaubwürdig in die Geschichte placiert worden, so das nicht selten der Eindruck beim Zuschauer entsteht, es hier mit einer Reality-Doku zu tun zu haben, was ganz eindeutig für die realistische Umsetzung des Ganzen spricht und dieser tollen Serie ein hohes Maß an Klasse verleiht, wie man es in den letzten Jahren kaum in einer deutschen Produktion gesehen hat. Das kommt auch durch die vielen kleineren Nebenerzählstränge zum Ausdruck, die einzelne Schicksale wie das der beiden ukrainischen Mädchen Jelena und Swetlana, oder auch die Beziehung zwischen Marek und seiner Schwester Stella behandeln. In diesen Nebenschauplätzen wird praktisch die gesamte Gefühlspalette bedient, von Liebe, Hoffnung, Angst und Wut ist alles vertreten, was man sich nur vorstellen kann.

Insbesondere diese Vielfältigkeit ist es, die "Im Angesicht des Verbrechens" so absolut sehenswert macht und diese Serie auch erheblich von anderen abhebt. Dominik Graf ist es ganz einfach gelungen, eine ganz besondere Mischung zu finden, die den Zuschauer fast zwangsläufig in ihren Bann zieht und sich jederzeit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit erfreuen kann. Ohne es zu merken, erliegt man der vom Geschehen ausgehenden Faszination und fiebert richtiggehend mit. Nun mag es auch sicherlich wieder genügend Leute geben, die eventuell den nicht gerade übermäßig vorhandenen Action-Anteil bemängeln werden, doch ist das meiner Meinung nach vollkommen unberechtigt. Hier steht ganz eindeutig die Geschichte im Vordergrund, die in ihrer höchst realistischen Umsetzung an Spannung und Intensität schwerlich zu überbieten ist. Zudem gibt es ja auch Action-Passagen, nur wurde auf ein action-überladenes Szenario verzichtet, denn dieses hätte das gewonnene Gesamtbild doch erheblich getrübt und hätte der Serie viel von ihrer Stärke genommen.


Fazit:


"Im Angesicht des Verbrechens" ist endlich einmal wieder ein Beitrag im deutschen Spannung-Sektor, den man sich unbedingt anschauen sollte. Das beste Beispiel dafür, das auch bei uns immer noch Einiges möglich ist, wenn es darum geht dem Zuschauer spannede und interessante Krimi-Kost zu bieten. Sehr gute Schauspieler, die der Serie durch ihre überzeugenden leistungen ihren Stempel aufdrücken und eine Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Minute äusserst spannend ist, sorgen für ein auch nachhaltig beeindruckendes Sehvergnügen, das nicht umsonst schon preisgekrönt daherkommt.


Die DVD:

Vertrieb: Ascot Elite
Sprache / Ton: Deutsch DD 2.0 Stereo / Französisch DD 2.0 Stereo
Untertitel: Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch
Bild: 1,78:1 (16:9)
Laufzeit: 488 Minuten
Extras: Making Of, Trailershow


9/10
Big Brother is watching you
dr. freudstein
Beiträge: 14488
Registriert: Sa 19. Dez 2009, 19:55

Re: Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Beitrag von dr. freudstein »

Guter Tip :thup:
Klingt sehr spannend, klasse reviewt :D
Werde ich mal nach Ausschau halten oder den Weihnachstmann überfallen :basi: :twisted:
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11225
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Beitrag von Arkadin »

Dominik Graf ist immer ein Blick wert. Leider ist er hier ja mehr, trotz "Die Katze", eher als TV- denn als Kino-Regisseur abgestempelt, seit sein Film "Die Sieger" Ende der 80er so grandios floppte.
Grafs Karriere verfolge ich schon seit mir auffiel, dass die besten "Fahnder"-Folgen immer von einem "Dominik Graf" gedreht wurden. Guter Mann. Auserdem mag er "Syndikat des Grauens" und "Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauerte" sehr gerne, wie er in seinem sehr empfehlswerten Buch "Schläft ein Lied in allen Dingen" verrät. Guter Mann! :thup:
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
Benutzeravatar
Adalmar
Beiträge: 7336
Registriert: Do 12. Mai 2011, 19:41

Re: Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Beitrag von Adalmar »

Habe gestern die ersten drei Folgen gesehen. Graf total, der Mann hat sich wirklich einen unverwechselbaren Stil erarbeitet. Sehr gute Serie! Gibt es inzwischen sehr günstig (16 EUR für die gesamte Serie), also zugreifen! Werde mich noch ausführlicher äußern, wenn ich damit durch bin.
Bild
Benutzeravatar
Adalmar
Beiträge: 7336
Registriert: Do 12. Mai 2011, 19:41

Re: Im Angesicht des Verbrechens - Dominik Graf

Beitrag von Adalmar »

Vorhin habe ich die Serie zu Ende geschaut. Man liest ja fast nur Positives darüber und dem kann ich mich auch weitgehend anschließen. Wenn man zwei kreative Köpfe wie Rolf Basedow und Dominik Graf einfach mal machen lässt (und so einfach war es auch wieder nicht, das Studio ging während der Produktion in die Insolvenz - zum Glück war da schon alles abgedreht ...), dann kann man auch in Deutschland Sachen drehen, die von der erzählerischen Dichte und von der Dynamik her durchaus mit den vielgepriesenen HBO-Produktionen mithalten können. Wobei "Im Angesicht des Verbrechens" denen gegenüber schon seine eigene Identität wahrt. Wie so oft bei Graf wuselt und wimmelt es oft durcheinander, statt Hochglanz gibt es teils sehr körnige Aufnahmen (hoher ISO-Wert bei Nacht? Nicht dass ich mich damit wirklich auskennen würde ...), Dialoge klingen häufig etwas nuschelig. Doch auch diese Elemente führen zu einer spannungsvollen, intensiven Gesamtstimmung. Von der sehr guten Besetzung möchte ich mal Alina Levshin herausgreifen, die als ukrainische Einwanderin direkt ins Rotlichtmilieu geschleust wird, aber stets von dem Glauben an die ihr in der mystischen Anfangsszene prophezeite große Liebe aufrecht gehalten wird. Ansonsten zeigt Graf auch seine Wertschätzung für Exploitation-Elemente; die einen fallen lüstern übereinander her, die anderen prügeln sich, werden von Kugeln zerfleischt oder gar in die Luft gesprengt ... den ganzen Polizei-vs.-Russenmafia-Neopoliziesco-Taumel gibt es inzwischen (s. o.) sehr günstig zu kaufen, ran an den Speck.
Bild
Antworten