Jungfrauen-Report - Jess Franco (1972)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Jungfrauen-Report - Jess Franco (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

„Sie bekommen gleich 'ne Schelle!“

Da schau her, auch Jess Franco („Die Jungfrau und die Peitsche“), spanischer Viel- und oft Billigfilmer, beteiligte sich mit – natürlich – deutschen Produktionsgeldern unter dem Pseudonym Jess Frank (Huberts verschollen geglaubter Bruder?) an der Sex-Pseudoreportfilmwelle der 1970er. Sein „Jungfrauen-Report“ wurde 1971 gedreht und ein Jahr später veröffentlicht. Schauen wir doch mal rein…

„Sex macht frei und was frei macht ist gut.“

Eine nächtliche Autofahrt durch Berlin dient als Intro, woraufhin Passantinnen und Passanten von einem Reporter angequatscht werden, ob sie noch Jungfrauen seien. Der Voice-over-Sprecher schwadroniert vermeintlich seriös von der historischen Bedeutung der Jungfräulichkeit und der Defloration. Ein nacktes Paar (Christina von Blanc, „Das Geheimnis des gelben Grabes“ und Hans Hass Jr., „X 312 – Flug zur Hölle“) hält sich an den Händen und läuft in Zeitlupe kitschig über eine grüne Wiese, wozu die schmalzige Titelmusik erklingt. Der Sprecher holt weitestmöglich aus, nämlich bis zur religiösen Mythologie von der Vertreibung aus dem Paradies. Unser Pärchen soll demnach vermutlich Adam und Eva darstellen. Zu Schwarzweißbildern berichtet der Sprecher über die Steinzeit, jene Zeit also, als es noch keinen Farbfilm gab… Wieder in Farbe geht’s nach Südostasien zu Asketen, die allem abschwören, um ihren Geist zu stärken: Dürre, bärtige, nackte Turbanträger, die sich in Ameisenhaufen setzen. Reportfilm goes Mondo. Eine weitere Zeitreise führt erst ins Mittelalter und anschließend in 19. Jahrhundert, witzigerweise mit Spielszenen im Stummfilmstil, die aber dennoch synchronisiert wurden. Dann geht's um Möglichkeiten, Jungfräulichkeit vorzutäuschen und so weiter und so fort, man kommt mit dem Stenographieren kaum hinterher.

„Der Penis ist etwas sehr Wertvolles für diese Frauen.“

Spielszenen wirken wie Ausschnitte aus anderen Filmen und zeigen uns ein paar Nackedeis. Auf weitere Straßenumfragen folgt eine Spielsequenz in der Gegenwart, in der das junge Pärchen Georg und Christine (Birgit Tetzlaff, „Die jungen Ausreißerinnen“) bei seinem ersten Mal beobachtet wird. Das erinnert an den „Schulmädchen-Report“, ist aber ganz nett gemacht. Leider kann Georg nicht, woraufhin Christines Nachbar sie verführt. Dumm gelaufen. Die nächste Zeitreise führt erst zu den Römern, dann zu den „Indianern“, nun wieder vom Sprecher in seinem belehrenden Duktus begleitet, der von Selbstdefloration und Ritualen salbadert. Nächster Halt: Kambodscha, wo der Laberkopp während einer erotischen rituellen Tanzaufführung endlich mal die Klappe hält. Sein Comeback feiert er mit einer abgelesen klingenden pseudowissenschaftlichen Abhandlung, die Analogien zwischen Essen und Sex herstellt. Nackttanzszenen mit anschließender Entjungferung im afrikanischen Busch gehen über in eine weitere Zeitreise ins Mittelalter, wo ein Mädchen verheiratet werden soll. Ein notgeiler alter Pfaffe (Franco-Stammmime Howard Vernon, „Der Hexentöter von Blackmoor“) macht sich über sie her, was bizarr und abtörnend sowie komödiantisch und kirchenkritisch zugleich ist.

Im weiteren Verlauf geht’s um männliche Beschneidung und Amazonen, den Islam mit Polygamie und seltenen Riten, dann um Selbstdefloration in Südamerika. Plötzlich findet man sich im aktuellen Schulunterricht wieder – wie sprunghaft kann ein Film eigentlich sein? –, und in die Disco, unser Sprecher formuliert unbeantwortet bleibende und somit zum Nachdenken anregende (haha…) Fragen. Oh, schon wieder vorbei, nun also ein Liebespaar im Park. Er droht ihr, zu einer anderen zu gehen, wenn sie ihn nicht endlich heranlasse, woraufhin sich die Situation zu seinen Gunsten zu entwickeln scheint, was der Film nicht problematisiert, anscheinend normal findet. Hmm… „Du sollst nicht töten!“, betont der Sprecher noch mal – na gut!

Getötet habe ich gut 75 Minuten mit diesem für Reportfilm-Verhältnisse mitunter tatsächlich recht interessanten, leidlich unterhaltsamen und insbesondere durch den Sprecher nicht selten unfreiwillig komischen Sittenporträt, das auf jegliche explizite Szenen verzichtet und wie das völlig zusammenhanglose Ergebnis eines Brainstormings des Produzenten und Autors Artur Brauner wirkt; gerade so, als habe Franco dessen ungeordnete Notizen schlicht von oben nach unten heruntergefilmt und zusammen mit Archivmaterial aneinandergepappt. Nicht nur deshalb ist Francos Reportfilm-Exkurs weit davon entfernt, ein wirklich guter Erotik- oder Dokumentarfilm zu sein. Doch ist er mit seinem Mondofilm-Anleihen und Zeitreisen zuweilen erfrischend anders und weit weniger frauenfeindlich und chauvinistisch als so viele Konkurrenzbeiträge allem voran der Herren Hofbauer und Boos bzw. Hartwig.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Maulwurf
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Re: Jungfrauen-Report - Jess Franco (1972)

Beitrag von Maulwurf »

Puh, mit dem konnte ich gar nichts anfangen. Die Fanbrille hat dem Werk 4 von 10 Schamesröten ermöglicht, aber eigentlich(!) fand ich den grottig. So grottig, dass selbst meine Besprechung ausgesprochen kurz ausfiel:
Maulwurf hat geschrieben:Mit dem JUNGFRAUEN-REPORT von Jess Franco konnte ich leider gar nichts anfangen. Report-Filme sind eh nicht mein Ding, und da macht diese Mischung aus Report und Mondo auch keine Ausnahme. Er hat bestimmt seine Qualitäten, aber vielleicht war ich halt auch einfach nicht in Stimmung, kann schon sein.
Aber vielleicht ist Dein bewunderungswürdiges Beackern der schlechtesten/peinlichsten Erotik-Flicks der 70er die Ursache, dass der hier ein wenig aus dem Morast heraussticht ...
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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buxtebrawler
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Re: Jungfrauen-Report - Jess Franco (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

Maulwurf hat geschrieben: So 28. Jan 2024, 14:52 Aber vielleicht ist Dein bewunderungswürdiges Beackern der schlechtesten/peinlichsten Erotik-Flicks der 70er die Ursache, dass der hier ein wenig aus dem Morast heraussticht ...
Genauso ist es.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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