Kaisersturz
Kaisersturz
Deutschland 2018
Regie: Christoph Röhl
Sylvester Groth, Sunnyi Melles, Hubertus Hartmann, Christian Redl, Gerti Drassl, Franz Hartwig, Holger Handtke, Bernd Birkhahn, Helene Blechinger, Frederik Bott, Nicolai Despot, Peter Kaghanovitch[ /color]
OFDB
Kaisersturz
Deutschland 2018
Regie: Christoph Röhl
Sylvester Groth, Sunnyi Melles, Hubertus Hartmann, Christian Redl, Gerti Drassl, Franz Hartwig, Holger Handtke, Bernd Birkhahn, Helene Blechinger, Frederik Bott, Nicolai Despot, Peter Kaghanovitch[ /color]
OFDB
Eine Darstellung derjenigen Tage, die gegen Ende des ersten Weltkrieges die entscheidenden waren. Entscheidend für das Kriegsende, entscheidend vor allem aber für die Monarchie und für Kaiser Wilhelm II. Entsprechend wird in Kaisersturz viel Gewicht auf den Monarchen gelegt: Wie er mit sich und der Welt versucht im Reinen zu sein, als oberster Kriegsherr bemüht ist, durch einen Sieg über die Feinde, vor allem die widerlichen Engländer, den Frieden zu erringen, und wie ihm die Sozialdemokraten in Gestalt von Friedrich Ebert nach und nach immer näher auf den Pelz rücken und eine ihm völlig fremde Variante einer Regierung, den Parlamentarismus, einsetzen wollen.
Im September 1918 wird langsam klar, dass der erste Weltkrieg für das Deutsche Reich verloren ist. Na ja, so richtig klar wird es nicht allen. Das Volk ist kriegsmüde, die Soldaten sind völlig entkräftet, und die Lage an der Westfront ist katastrophal. Aber der Kaiser redet stur von Widerstand und Durchbruch und Sieg und all dem ganzen Scheiß, den wahre Krieger so vor sich hinbrabbeln. Er weiß nicht, dass er in einem ganz anderen Spiel nur eine Marionette ist: Der Leiter der OHL Ludendorff zwingt die Regierung, bei den Amerikanern nach einem Waffenstillstand anzufragen. Und die Schande für diesen Waffenstillstand will er in einem perfiden und perfekt ausgeklügelten Plan den aufstrebenden Sozialisten in die Schuhe schieben, die sich, in Gestalt ihres Vorsitzenden Friedrich Ebert, voller Freude als Opferlamm hingeben. Ohne die Falle zu sehen verbrüdern sich Ebert und der designierte Reichskanzler Prinz Max von Baden, um den Krieg so zu beenden, dass der Kaiser nach Möglichkeit an der Macht bleiben kann, dass die Bedingungen des Waffenstillstandes nicht zu grausam werden, und um vor allem das Volk davon abzuhalten, eine Revolution zu beginnen. Eine gefährliche Gratwanderung,
Prinzipiell ist es schade, dass der Kaiser in diesem Film der Schwerpunkt ist, und dass der Opportunist und Monarchiefreund Ebert so viel Gelegenheit hat, sein Familienleben auszubreiten. Ich persönlich hätte es spannender gefunden, wenn vor allem die Tage zwischen dem 1. und dem 11. November, also zwischen dem Kieler Matrosenaufstand und dem Tag der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, im Fokus gestanden hätten. Dann allerdings hätte der Film nicht Kaisersturz heißen dürfen …
Also gut, KAISERSTURZ. Nicht Novemberrevolution. Ausgehend vom Thema beleuchtet der Film das Familienleben des Kaisers, stellt geschickt die Frage, von wem das Deutsche Reich in jenen Tagen eigentlich regiert wurde (von Kaiser Wilhelm oder vielleicht doch eher von seiner Frau), und wirbelt die Handelnden der deutschen Politik gegen Kriegsende hin ein wenig durcheinander. Ein wildes Namedropping findet nicht statt, was sehr positiv zu bewerten ist, und die Anzahl der handelnden Personen ist immer überschaubar und nachvollziehbar. Als jemand, der sich mit dieser Zeit sehr intensiv beschäftigt, frage ich mich allerdings, wie jemand den Film empfindet, der nicht ganz so tief in der Materie steckt und dem möglicherweise viele Hintergrundinformationen fehlen. Meine Frau zum Beispiel hat hinterher festgestellt, dass sie vor allem den Beginn sehr langweilig fand, und mit den Namen und den Aktionen überhaupt nicht zurecht kam. Was ihr gefallen hatte, und das hebt KAISERSTURZ auch definitiv in eine höhere Liga, sind die zeitgenössischen Filmaufnahmen, die den Dokuhistorie-Ansatz, der seit einigen Jahren in den Infotainment-Kanälen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens so beliebt ist, angenehm auflockern und Realismus in die Bilder bringen. Und da die meisten dieser Originalaufnahmen auch noch nachkoloriert sind, schaffen gerade diese Szenen eine starke Verbindung zwischen Zuschauer und Handlung. Die Bilder von Arbeitern und Soldaten des Jahres 1918, die vermeintlich in die Kamera eines Filmemachers von heute schauen, wirken gerade durch die Farbe wie Szenen von heute. Das könnten auch der Chef oder der Nachbar sein, die da gerade vorbeilaufen und ihren ganz persönlichen Alltag erleben. Diese Aufnahmen wirken nicht wie von früher und lange vorbei, sondern tagesaktuell, und reißen an der Stelle auch sehr mit, vor allem wenn am Ende des Films, das heißt mit Beginn der deutschen Revolution, das Erzähltempo merklich anzieht.
Hier glänzt KAISERSTURZ und kann sogar Spannung ins Spiel bringen, was in der ersten Stunde leider völlig fehlt. Kleinere historische Ungenauigkeiten können mit dem Blick auf dramaturgische Unerbittlichkeiten auch verziehen werden, wie etwa der Umstand, dass Friedrich Ebert in den Hof seines Berliner Hauses tritt und seiner Frau erklärt, dass er heute am Bodensee mit Prinz Max gesprochen hat. Ehrlich? Im Jahr 1918 bei herrschendem Treibstoffmangel innerhalb eines Tages vom Bodensee bis Berlin? Das ist ja heute schon eine Tortur …
Es ist halt einfach nur schade, dass der Film am Abend des 9. Novembers endet. Dass die Abreise des Kaisers ins Exil nur angedeutet wird, und gerade die sich zuspitzende Situation in Spa, wo der Kaiser zwischen einer erfundenen Abdankung, dem Führen kaisertreuer Truppen gegen die verdammten Sozis, und sogar einem möglichen Heldentod in einer kurzfristig anberaumten Schlacht schwankte, dass diese Situation nur überflogen wird, und die beginnende Revolution in Berlin, die in diesem Augenblick des Films in den Fokus rückt, abgewürgt wird bevor sie überhaupt anfängt, nämlich vor den Wahlen der Arbeiter- und Soldatenräte am 10. November. In diesem Augenblick steht Deutschland vor den aufregendsten Momenten seiner Geschichte, und das, was zwischen November 1918 und Mai 1919 passiert, hat weitreichende Konsequenzen, die bis heute nachklingen, und spannend und schrecklich und schrecklich spannend zugleich sind. Durch das gewählte Thema des Films, eben den Sturz des Kaisers, müssen diese Vorgänge narrativ aber genau am Beginn des Höhepunktes unterbrochen werden - Man stelle sich vor, dass ein Thriller genau vor dem Showdown beendet wird … Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Regisseur Christoph Röhl gegen Ende nicht mehr so recht gewusst hat wo er hin will. Aber das ging dem Kaiser und so einigen der damaligen deutschen Sozialdemokraten schließlich ganz genauso.
Was schlussendlich bleibt ist das Entsetzen über einige katastrophale schauspielerische Leistungen (etwa Hubertus Hartmann, der als Prinz Max hoffnungslos übertreibt), und die Enttäuschung über die Schwerpunkte, die sich anscheinend immer gerade dorthin verlagern, wo es nicht interessant ist. Dokudramen haben halt einfach nicht spannend zu sein. Punkt. Die Leute sollen was lernen und nicht unterhalten werden, so ist der Eindruck. Die tollen und erstklassig eingebauten dokumentarischen Aufnahmen reißen es heraus, aber insgesamt ist das alles doch relativ mau …
5/10