Katharina und ihre wilden Hengste - Klaus König

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Salvatore Baccaro
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Katharina und ihre wilden Hengste - Klaus König

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Herstellungsland: BRD 1983

Regie: Klaus König

Darsteller: Uschi Karnat, Werner Singh, Jean-Paul Blondeau, Angela Fellini, Christian Beumer, Vladimir Tartakovski, Sylvia Franke, Nadja Boyer, Jacqueline Roussel, Mara Soerensen, Robert Wagner, Eva Maria Falk, Marion Schuberth, Klaus Falkenhausen,Ina Reutter

Da der in meiner "Jubiläums-Review" zu DIE HEINZELMÄNNCHEN erwähnte Giftschrank nun eben schon einmal offen steht, dachte ich mir, seinem bislang verschlossensten Bereich eine Chance zu geben, mich von sich zu überzeugen - zumal ich nach wie vor noch den Schock zu verarbeiten habe, den mir DRACULA 3D bereitete - hat Argento damit eben nicht nur einen weiteren schlechten Film gedreht, was mich nach seinen letzten Veröffentlichungen wie GIALLO oder MOTHER OF TEARS kaum noch verwundert, sondern zudem den Tod des Kinos proklamiert: denn wie anders soll man es bezeichnen, wenn man ein Produkt auf den Markt wirft, das exakt so aussieht wie ein mit billigen Effekten zugekleistertes Videospiel der nicht mal mittelmäßigen Sorte und mit all dem, was ich einmal die große Kunst der Kinematographie nennen würde, so gut wie gar nichts mehr zu tun hat.

Nun denn, so erhielt immerhin der, so las ich zumindest hier und da, bisher teuerste Porno aus deutschen Landen die Ehre, mich damit zu unterhalten, dass sein Produzent Alois Bummer, berühmt und berüchtigt in meinem Kosmos für den unsäglichen GRAF PORNO BLÄST ZUM ZAPFENSTREICH von 1970, einer der wenigen Filme, die ich beim besten Willen nicht bis zum bitteren Ende schauen konnte, und auch sonst als Regisseur vorrangig im teutonischen Witzel-Sex-Film der Marke GEILERMANNS TÖCHTER oder BEIM JODELN JUCKT DIE LEDERHOSE unterwegs, begeistert und berauscht von der Hardcore-Fassung von Tinto Brass' CALIGOLA, es für eine lohnbringende Idee hält, sein Publikum mit einer horizontal ausgerichteten Version der Abenteuer der russischen Zarin Katharina der Großen zu beschenken.

Wobei von "Abenteuern" im nicht-sexuellen Sinne eigentlich kaum die Rede sein kann, und dass Brummer nichts weniger plante als einen historisch akkuraten Rahmen für seine endlosen Beischlaf-Szenen zu schaffen, lässt sich allein schon daran feststellen, dass er seinen Film im Jahre 1775 ansiedelt und als geschichtlichen Hintergrund die Bauernaufstände des Kosaken Pugatschow wählt, der sich nicht nur eigenmächtig als legitimen Zaren aufrief, sondern auch die ausgebeuteten, geknechteten Schichten des Russischen Reichs von dieser Wahrheit so sehr überzeugte, dass seine Revolte zeitweise durchaus bedrohliche Aufwüchse annahm, für die er zwar schließlich, gefangen und verurteilt, mit dem Kopf zahlen musste, von den 1917er Revolutionären jedoch immerhin so weit als Vorbild anerkannt wurde, dass sie eine Stadt zu seinen Ehren umbenannten. Mal abgesehen davon, dass Pugatschow im Januar 1775 hingerichtet wurde und keine Szene des Films nun wirklich nach dieser Jahreszeit ausschaut, eher scheint im Sommer oder zumindest Frühling gedreht worden zu sein, befand sich die 1729 geborene Katharina zu dieser Zeit schon über der Vierziger-Grenze, was wohl schlicht zu alt gewesen wäre für die Hauptactrisse eines Mainstream-Pornos, weswegen man sie in der Gestalt der offenbar in der Scene nicht unbekannten, mir aber bis dato völlig fremden österreichischen Sexfilm-Schauspielerin Uschi Karnat einfach mal um eine Dekade verjüngerte.

Aber wahrscheinlich bin ich einfach das falsche Klientel für solche Art von Filmen, da ich mich bei Details aufhalte, die wohl niemanden, der sich das Werk freiwillig und mit Überzeugung zu Gemüte führt, ernsthaft interessieren. Großartig tiefer geht der Film nämlich sowieso nicht, was die Darstellung der außen- und innenpolitischen Situation des Zarenreichs betrifft, der Fokus liegt von Anfang an auf einer ganz anderen Ebene, für die die immerhin tatsächlich im Kontext eines deutschen Pornos der frühen 80er aufwändigen Kulissen und Kostüme nichts weiter als prestigeträchtiges und schmuckes Beiwerk sind. Mit einem CALIGOLA kann man das freilich an keiner Stelle vergleichen - zumal eben Brummer eindeutig auf Geschlechtsteile schielt, was bei Brass, meiner Meinung nach, nicht unbedingt der Fall ist -, und obwohl einige Szenen ästhetisch und atmosphärisch mir gar nicht schlecht gefallen haben - spontan fällt mir das Kosaken-Lager ganz zu Beginn ein, von dem ein paar Minuten lang einfach nur fragmentarische Impressionen gezeigt werden, die ein bisschen wie ruhigere Stellen in einem besseren Italo-Western ausschauen -, dennoch, selbst wenn man beispielweise den Weichzeichner-Stil eines Walerian Borowczyk zu kopieren versucht, das Endergebnis ist und bleibt eines, das mich vor allem deshalb nicht überzeugen kann, weil viele andere Aspekte, wie die schaurige deutsche Synchronisation, die hauptsächlich aus Zoten und Beleidigungen besteht, und eben die - so empfinde ich - uninspirierten, ewiggleichen Geschlechtsverkehraufnahmen es gründlich torpedieren, dass irgendwer KATHARINA UND DIE WILDEN HENGSTE mit einem ernstzunehmendem, ernstgemeinten Film verwechseln wird. Während nun also solche interessanten Sätze fallen wie "Du bist die Ausgeburt einer läufigen Hündin, die von einem Skorpion geschändet wurde!" oder "Ich will alles! Alles! Bis auf den letzten Tropfen!", was eine Dame ausstößt, die gierig auf ein Gläschen voller Sperma ist, gebärden sich die reinen Sex-Szenen recht bieder und systemkonform. Primär gibt es Vaginal-Verkehr und Oral-Leckereien zu sehen, selbst Anal-Penetrationen sind eine Seltenheit, und irgendwelche Praktiken, die darüber hinausgehen, glänzen sowieso durch Abwesenheit. Selbst Homosexualität wird in einer Szene einzig dazu benutzt, für einen mauen Scherz an einem Transvestiten oder Transsexuellen gut zu sein, um danach zurück in normierte, d.h. heterosexuelle, Bahnen gelenkt zu werden. So gesehen ist KATHARINA UND DIE WILDEN HENGSTE ein Film, der mich mit seiner Züchtigkeit weitgehend nicht wenig überrascht hat, wären da nicht drei, vier Vergewaltigungsszenen, die mir in ihrer wie selbstverständlich ausagierten und an keiner Stelle kritisch hinterfragten patriarchalen Aggressivität ziemlich übel aufstießen. Ob nun die Kosaken eine Hochzeitsgesellschaft überfallen und die Braut mit einem Maiskolben schänden oder ob eine Zofe Katharinas mittels Drohungen und Erpressungen auf "sanftere" Weise dazu getrieben wird, sich einem Minister hinzugeben, in beiden Fällen tut Brummer so, als ob das eben der Lauf der Dinge sei, und man sich bedenkenlos daran aufgeilen dürfe. Selbst das Herzstück des Films, eine Szene, in der Katharina sich in eine extra dafür verfertigte Apparatur legt, um dort von einem Hengst bestiegen zu werden, liegt weiter hinter dem zurück, was Filmemacher wie Joe D'Amato oder Walerian Borowczyk schon auf dem Gebiet gezeigt haben, und ist im wahrsten Sinne des Wortes von vorne bis hinten recht schlecht gestellt und daher mehr unfreiwillig komisch als schockierend oder anregend. Immerhin fiel mir indes auf, dass der Film, vor allem im Vergleich mit heutigen Pornos, die Rape-Scenes einmal subtrahiert, vom Tempo her und auch, was die "Heftigkeit" der bebilderten Sexualität betrifft, fast schon angenehm still und bescheiden daherkommt. Hier müssen die Männer noch nicht wie wildgewordene Stiere zustoßen und die Frauen sich von einem vorgeheuchelten Orgasmus zum nächsten winden, es läuft alles, obwohl man sich am angeblich so perversen Zarenhof aufhält, recht gesittet und respektvoll ab, wenn auch der Umstand, dass ein männlicher Samenerguss immer sichtbar sein muss, d.h. nicht sang- und klanglos in einer Vagina oder einem Mund verschwinden darf, wiederum klarmacht, wie männlich der Blick trotz allem ist, unter dem das alles stattfindet, und wie wenig die Phantasie in dem Zusammenhang zu sagen hat.

Neben dem Rumgebalze bleibt eigentlich nicht viel übrig, was der Film sonst noch sein eigen nennt. Dadurch, dass Brummer und sein Regisseur Klaus König, der, kurios genug, hauptberuflich eigentlich Kameramann war, unter anderem beim Uschi-Glas-Klassiker ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN, und später in jenem Serienfernsehen a la SCHLOSSHOTEL ORTH oder EIN SCHLOSS AM WÖRTHERSEE, die bei meiner Großmutter rauf und runter liefen, nie einen Zweifel daran lassen, dass jede Muschi-Großaufnahme und jede Ejakulation ihnen wichtiger ist als das Erzählen einer spannenden Geschichte, zerfällt der Film storytechnisch in drei größere Teile: 1. die Ausschweifungen am Zarenhof, angeführt von Katharina selbst und natürlich ihrem irren, sich völlig im nervigen over-acting verzettelnden Sohn und späteren Zaren Paul, der gerne einmal zur Menschenjagd bläst, Vögelchen zerquetscht oder seine Gespielinnen mit der Peitsche bearbeitet, 2. der Pugatschow-Aufstand, der damit eigentlich nur äußerst lose zusammenhängt und dessen Szenen größtenteils wirken, als seien sie völlig unabhängig davon und mit größerem Budget gedreht worden, 3. die Liebesgeschichte zwischen dem jungen, ehrenwerten Soldaten Basil und einer von Katharinas Zofe, der mit seinem Freund, dem Sexual-Geräte-Erfinder Stephan, allmählich von der Lasterhaftigkeit der Zarin überzeugt wird und, von ihr als Objekt ihrer Begierde auserkoren, sich dem zu entziehen versucht, da sein Herz in keuscher Liebe für jemand anderen schlägt - oder eben nicht, da auch Basil natürlich in der einen oder anderen Sex-Szene, trotz romantischem Liebesideal, seinen Mann stehen darf. Brummer und König nehmen in all dem Durcheinander, bei dem sich vieles wiederholt und einiges mehr befremdet als erregt, zudem keine klare politische Position ein: sowohl die Bauern als auch die Absolutisten sind schlimmes Gesindel, und nicht mal die nominellen "Helden" frei von Chauvinismus und Dünkel - wobei ich einfach mal davon ausgehe, dass das nun nicht wirklich einem elaborierten Konzept geschuldet ist, sondern einfach Resultat einer gewissen "Nachlässigkeit".

Wie gesagt: womöglich sollte ich nicht mit dem Hirn, sondern mit dem Schwanz denken und schreiben, wenn ich mich schon durch die dreistündige Komplett-Fassung dieses Monumentalwerks kämpfe - was allein wohl schon ein bezeichnendes Licht auf mich wirft, denke ich mir im Nachhinein, denn, ungelogen, obwohl es zuweilen in den Fingern juckte, jede einzelne Einstellung wanderte in meine Augen! -, doch selbst, was das anbetrifft, konnte der Film bei mir nicht punkten, denn, um vielleicht ein genre-immanentes Maß anzulegen: eine Erektion oder einen Erguss hatte ich in all den drei Stunden nicht...
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Adalmar
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Re: Katharina und ihre wilden Hengste - Klaus König

Beitrag von Adalmar »

Das ist eben ein aufwendiger Hardcorefilm, im Gegensatz zu den beiden Caligula-Filmen, bei denen es sich um Historien-Exploitationfilme mit ein bisschen expliziten Szenen am Rande handelt. Von daher trifft es der Vergleich einfach nicht. Ehrlich gesagt dachte ich aber auch, wenn schon die falsche Jahreszeit als Kritikpunkt herhalten muss, dann kann der Rest ja gar nicht mal so schlecht sein :mrgreen: So toll finde ich den Film wiederum auch nicht, aber im Vergleich zu heute finde ich es schon bemerkenswert, was für ein Aufwand damals noch für solche Filme bisweilen betrieben wurde.

Das Problem sehe ich hier eher in der grottigen DVD-Umsetzung von Herzog, denen ja Bildqualität meist ein Fremdwort zu sein scheint. So kommen die eigentlich ansehnlichen Aufnahmen viel zu billig rüber.

Nebenbei bemerkt frage ich mich, warum man dieses langweilige Argento-Bashing jetzt auch in Besprechungen von Filmen findet, die damit nicht das Geringste zu tun haben.
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