Kleinruppin forever - Carsten Fiebeler (2004)

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Kleinruppin forever - Carsten Fiebeler (2004)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Kleinruppin forever

Herstellungsland: Deutschland / 2004

Regie: Carsten Fiebeler

Darsteller: Tobias Schenke, Anna Brüggemann, Michael Gwisdek, Tino Mewes, Tobias Kasimirowicz, Toni Snetberger, Sebastian Kroehnert, Uwe Kockisch, Heike Jonca, Michael Kind, Nils Nelleßen, Alexander Hörbe u. A.
Der 19-jährige Mädchenschwarm und zukünftige Tennisprofi Tim (Tobias Schenke) fährt mit seiner Schulklasse nach Kleinruppin in der DDR. Dort trifft er auf seinen ihm bisher unbekannten Zwillingsbruder Ronnie (auch Tobias Schenke) der ihn kurzerhand niederstreckt und an seiner Stelle in den Westen zurückkehrt. Tim versucht zunächst dem Sozialismus zu entkommen, doch als ihm niemand seine absurde Geschichte abkauft, beginnt er sich mit der Situation zu arrangieren. Als Tim Jana (Anna Brüggemann) begegnet, wird für ihn die graue DDR bunt. Doch da bietet sich ihm die Chance, mit dem Kleinruppin-Schwimmteam in den Westen zu fahren…
Quelle: www.ofdb.de

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Re: Kleinruppin forever - Carsten Fiebeler (2004)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wenn du jetzt gehst, dann kannste gleich drüben bleiben!“ (Gesagt, getan – wenn auch unfreiwillig…)

Im Jahre 2004 drehte der deutsche Regisseur Carsten Fiebeler („Die Datsche“) mit „Kleinruppin forever“ eine Komödie, die zu Zeiten der 1980er-Jahre in der damals noch real existenten DDR angesiedelt wurde. Damit lieferte er nach Meinung einiger Kritiker einen trendgerechten Beitrag zu einer filmischen „Ostalgie“-Welle, die ich als solche aber nicht zu erkennen vermag. Mit Filmen wie „Good Bye Lenin!“ und „Sonnenallee“ gab es zwar eine komödiantische Thematisierung der DDR, die meines Erachtens jedoch überraschend spät einsetzte und bis heute angesichts 40-jähriger Existenz jenes Staates, der immerhin über rund 16 Millionen Einwohner verfügte und das politische Geschehen im westlichen Teil Deutschlands oftmals indirekt mitbestimmte, über eine doch sehr überschaubare Anzahl an filmischen Beiträgen verfügt. Von einem großen Trend zur „ostalgischen“ DDR-Komödie kann meines Erachtens demnach kaum eine Rede und häufig erahne ich in der kritischen Beurteilung dieser Filme bewusste oder unbewusste, möglicherweise anerzogene ideologische Beweggründe.

„Kleinruppin forever“ erzählt die Geschichte des 19-jährigen Tims aus gutem BRD-Hause, der sich neben der Schule als erfolgreicher Nachwuchs-Tennisspieler verdingt und als lebenslustiger Halbstarker wenig Interesse an der Erwartungshaltung seines Vaters entwickelt. Als er mit seiner Schulklasse an einem Ausflug nach Kleinruppin in der DDR teilnimmt, begegnet er durch Zufall seinem Zwillingsbruder, von dem er kurz nach der Geburt getrennt wurde. Dieser heißt Ronnie und wuchs als Heimkind in der DDR auf. Ronnie nutzt die Gunst der Stunde, schlägt seinen Bruder bewusstlos und kehrt an seiner statt in die BRD zurück, wo er sich zum neuen Lieblingssohn des Vaters entwickelt. Tim wiederum hält man nun allerorts für Ronnie und möchte ihn partout nicht ausreisen lassen, seine abenteuerliche Geschichte kauft man ihm schon gar nicht ab. Stattdessen handelt er sich Konflikte mit der Staatsmacht ein. Wohl oder übel muss er sich ein Stück weit mit den Gegebenheiten arrangieren. Er „übernimmt“ Ronnies Freunde und spielt weiter mit ihnen in der Hobby-Band, während er sich nebenbei dem Schwimmsport verschreibt und darin eine Möglichkeit zur Republikflucht sieht. Doch hat er sich auch in die bereits vergebene Jana verliebt… Gibt es für diese Liebe überhaupt eine Chance? Und wie wird Tim sich letztlich entscheiden?

Zunächst einmal hat das von klassischen Rollentauschfilmen inspirierte Drehbuch sehr gute Karten, denn es entbehrt keinerlei Komik, wenn Tennis-Popper Tim unheimlich blauäugig in der DDR herumläuft und neben einem Bruder, der (natürlich) Ronnie heißt mit Wartburgs, Polikliniken, Kohlenhandlungen, dem Oktoberklub, der Freikörperkultur sowie dem „Urst“-Laut konfrontiert wird. Zusammen mit Plattenbauten, Rollschuhen und Kindern in bayrischen Lederhosen (waren die eigentlich „typisch Ost“ oder trug man die – außerhalb Bayerns – auch im Westen?) ergibt sich so ein augenzwinkernd klischeehaftes, jedoch in seiner Selbstverständlichkeit sympathisch dargereichtes und mit vielen Wiedererkennungseffekten gespicktes Bild der 1980er der DDR noch vor den großen Umwälzungen. Zudem werden die DDR-Bürger anhand einzelner Beispiele nicht nur grob porträtiert, sondern wird im Subtext die keinesfalls klassenlose Gesellschaft (die sie eigentlich hätte sein sollen) verdeutlicht. Soziale Unterschiede gab es durchaus, auch wenn sich diese nicht vorrangig am materiellen Reichtum festmachen ließen. So komödientypisch überzeichnet man dabei auch vorgeht, so sehr verzichtet man dennoch auf antisozialistische Holzhammer-Polemik – was wiederum dazu führt, dass man den Eindruck bekommen könnte, Stasi und Staatsmacht würden zwar mitunter verdammt nerven, eine wirklich ernstzunehmende Gefahr ginge von ihnen jedoch nicht aus. Dem Film an dieser Stelle aber Verharmlosung vorzuwerfen, bedeutete, sein Genre zu ignorieren. Aufmerksame Zuschauer werden sehr wohl den Überwachungsstaat und die eingeschränkte persönliche Freiheit bis hin zu Repressionen erkennen, auch ohne explizite, plakative Unrechtsexzesse, die Betroffenheit und Wut im Zuschauer auslösen würden (was nicht Ziel einer derartigen Komödie sein kann).

Neben dem Genre ist einer der Gründe dafür, dass „Kleinruppin forever“ neben der DDR ein weiteres, wie sich herausstellen wird viel gewichtigeres Thema behandelt: das der Liebe zwischen zwei Menschen, Widerständen und unglücklichen Umständen zum Trotz. Was die unter keinen guten Sternen stehende Beziehung zwischen Jana und Tim betrifft, gestaltet sich Fiebelers Film lange Zeit spannend und mit einer dicken Prise nostalgischer (in Bezug auf die eigene Jugend, staatenunabhängig), melancholischer Emotion versehen und präsentiert mit Jana einen ambivalenten, interessanten Charakter, an dem Tim spürbar reift. Das Ende indes ist zwar arg kitschig geraten, die Aussage jedoch in Bezug auf die Kraft der Liebe mag zunächst ähnlich naiv anmuten wie Tims anfängliches Herumgestolpere in der DDR in Anwesenheit seiner Schulklasse, ist letztlich aber ein Plädoyer gegen Materialismus und vorgefertigte Karrierepläne sowie ein Aufräumen mit der Mär vom menschenunwürdigen Unrechts- und Terrorstaat, der 24 Stunden am Tag seine Bevölkerung malträtiert. Fiebeler zeigt die negativen Seiten des politischen DDR-Zentralismus, aber auch das lebenswerte Leben der Bürger, ihren eben nicht permanent von Unterdrückung und Diktatur bestimmten Alltag sowie ihre menschlichen Gefühle, die unabhängig vom politischen System die Menschen eint.

Mit all dem erreicht „Kleinruppin forever“ allerdings nicht die Qualitäten beispielsweise eines „Sonnenallee“, dafür wurde die Geschichte dann doch aus zu vielen Unwahrscheinlichkeiten konstruiert und zudem entscheidende Teile des Soundtracks dreist bei „La Boum – Die Fete“ geklaut, wird darüber hinaus auch nicht der Tiefgang hinter den Klischees erreicht, wie es anderen Filmen dieser Art gelang. Tobias Schenke („Knallharte Jungs“) meistert seine Doppelrolle solide, auch die anderen Jungdarsteller, insbesondere die in ihrer Rolle wirklich bezaubernde und freizügige Anna Brüggemann („Anatomie“), tragen ihren Teil zum Vergnügen bei. Insgesamt kein allzu großer Wurf, aber eine über weite Strecken gelungene, sympathisch menschliche romantische Komödie, die man in ihrer Leichtfüßigkeit bitte nicht auf die politisch-ideologische Goldwaage legen sollte – ganz gleich, von welcher Seite man sie betrachtet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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