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Darsteller(innen): Tanja Gruber, Veit Relin, Andrea Rau, Peter Kollek, Julia Holt, Achim Hammer, Kitty Kino, Jürgen Draeger, Sonja Bohuslav, Tilo von Berlepsch, Inken Sommer, Peter Hohberger, Suzanne Geyer, Bernd Kampka, Inge Toifl, Kurt Strauss, Francy Fair u. A.
Mizzi – dies ist der Name des ewig Weiblichen in Gestalt einer vorgeblich „typischen“ Wienerin, die über die Jahrhunderte durch Charme, Liebreiz und Verführungskünste so manches Mal den Lauf der Geschichte gelenkt oder beeinflusst hat. Mizzi, das ist in dieser Zeitreise jedes Mal eine andere, hübsche Wienerin, die in jeder der Episoden mit vollem Körpereinsatz das Ihre tut, um die martialischen „Herren der Welt“ zu becircen, auf das diese sich mehr der Liebe in den Boudoirs als dem Krieg auf dem Schlachtfeld und der Eroberung hingeben mögen.
Die erste Mizzi tritt zur Zeit der römischen Herrschaft über Mitteleuropa zur Zeit der Spätantike auf, die zweite in den elendigen Zeiten von Pest und Verwüstung. Eine weitere Mizzi versucht so manchen Herrscher während des Wiener Kongress (1814/1815) zu betören, egal ob der Umworbene ein Österreicher, ein Däne oder ein Franzose ist. Schließlich folgen auch die tiefbraunen Zeiten, in dem die dortige Mizzi es mit einem gewissen A. H. zu tun bekommt. Nach Kriegsende und Besetzung begleitet schließlich die letzte Mizzi die Ereignisse, die zur Wiedererlangung der österreichischen Souveränität (1955) führen.
Im Zuge der neuen künstlerischen wie kommerziellen Möglichkeiten nach der sexuellen Revolution verfilmte der Österreicher Rolf Thiele („Das Mädchen Rosemarie“) im Sommer 1969 in deutscher Produktion ein Drehbuch Joachim Fernaus, um eine erotische, sittengeschichtlich-komödiantische Alternate-History-Revue Wiens aufs Zelluloid zu bringen. „Komm nach Wien, ich zeig dir was!“ kam im Jahre 1970 ins Kino.
„Der Mund ist nicht zum Reden da!“
Ein Sänger (Dietmar Schönherr, „Kohlhiesels Töchter“) singt eine Lobpreisung an Wien und führt anschließend als Moderator in den Episodenfilm ein. Die erste Episode spielt zur Zeit der römischen Besatzung: Die hübsche Julia vergnügt sich mit einem Römer, als ein anderer von seiner Zeit in Afrika berichtet. Eine Rückblende zeigt, wie eine nackte Dunkelhäutige ihn tanzend becircte. Zurück in der Gegenwart der Episode sind mehrere Römer um Julia versammelt, die nun bereitwillig für sie tanzt, sich ent- und mit Dessous wieder bekleiden lässt. Laut dem Erzähler sei dies exemplarisch für die Entstehung der multikulturell geprägten Wiener Frau, des Wiener Madl, auch „Mizzi“ genannt, wie sie fortan in mancher Episode heißt (in mancher aber auch nicht).
„Dass wir uns recht verstehen: Das ist streng historisch, nicht wahr?“
Die nächste Episode führt zum von Peter Kollek („Berlin Alexanderplatz“) gespielten deutschen Herzog Friedrich der Streitbare („Kein angenehmer Mensch!“), der über Wien herrschte und nur mit einem winzigen Lendenschurz bekleidet die Szenerie betritt. Dieser lernt bei irgendwelchen Wettkampfspielen die vermeintlich erst 13-jährige Bruni (Julia Holt) kennen. Sie weist ihn auf ihr Alter hin, woraufhin er sich nicht mehr für die Spiele, sondern nur noch für sie interessiert. Doch die Spielteilnehmerinnen passen ihn ab und präsentieren ihm ihre üppigen Oberweiten. Musikus Tannhäuser (Bernd Kampka, „Komm nur, mein liebstes Vögelein“) klimpert und trällert dazu. Bei den Feierlichkeiten am nächsten Tag stürzt der Herzog sich auf Bruni und vergewaltigt sie. Jedoch: Inklusive ihrer anschließenden Flucht und ihres Geschreis handelte es sich um ein geplantes Ritual, für das ihre Familie Geld erhält – ein abgekartetes Spiel, um den Herzog wegen Missbrauchs einer Minderjährigen loszuwerden. Nichtsdestotrotz hat Bruni tatsächlich etwas Unschuldiges an sich und ist entsprechend süß anzusehen.
„Fürs Vaterland…“
Etwas verwirrend wird’s nun im Wien des Jahres 1440: Zofe Helene Kottannerin (Tanja Gruber, „Die Weibchen“) will die ungarische Krone stehlen. Was inklusive einer beschleunigt wiedergegebenen Tanzszene unzusammenhängend anmutet, wird im Nachhinein erklärt: Der Königin (Suzanne Geyer, „Sperrmüll“), mit der sie gern nackt im Bett liegt, erzählt sie, dass sie mit fünf Männern habe schlafen müssen, um an den Schlüssel zu gelangen. In der nun folgenden Pestzeit seien deutsche Mädchen aus dem Schwabenländle auf Booten und singend ins halbleere Wien gekommen; und unter der türkischen Besatzung (in deren Zusammenhang sogar aufgespießte Köpfe gezeigt werden) verkleidet sich die Mizzi dieser Episode als Türkin, zeigt sich den Wachen oben ohne und lässt sich zu einem Prinzen geleiten, der mit französischem Akzent spricht. Dort lässt sie sich neu einkleiden. Dank der Schilderungen ihrer Feindbeobachtungen können die Türken schließlich besiegt werden. Ihre Familie eröffnet daraufhin das erste Kaffeehaus.
Nächster Halt: Der Wiener Kongress 1814, Fürst von Metternich (Veit Relin, „Der Himmel kann warten“) und Konsorten – und viele hübsche Mädels, die den einzelnen hohen Herrn zugeteilt werden und die Politik beeinflussen sollen. Die entblößte Oberweite einer Frau wird als Landkarte benutzt, anschließend sehen wir tricktechnisch verfremdete (und angezogene!) Walzertänze. Weiter in die Gründerzeit (auch wenn der Erzähler diese Bezeichnung ablehnt), genauer: ins Jahr 1875 zu einem Atelierball des „Malerfürsten“ Hans Makart (Jürgen Draeger, „Jet Generation – Wie Mädchen heute Männer lieben“). Eine Baronin will sich von ihm malen lassen. Die Comtesse will auch mit rauf und zeigt sich ihm nackt, um ihn zu überzeugen. Dies soll – auf etwas plumpe, nichtsdestotrotz irgendwie charmante Weise – die Entstehung eines berühmten Gemäldes rekapitulieren.
„Es war ein herrliches Jahrhundert!“
Silvester 1899 wird als Vorstufe zum 20. Jahrhundert genannt – ein beliebter Fehler, denn dieses begann erst mit dem Jahre 1901. Es werden die Weltkriege verurteilt und die Abschaffung des Adels erwähnt, bis Freud auftaucht und Hitler (Achim Hammer, „Ich – ein Groupie“), die alte Nazisau, veralbert wird, er Mitleid bei den Mädels erregt. Im Kontext mit den anderen Episoden wird deutlich, wie wenig Hitler und Wien zusammenpassten – zumindest will der Film dies glauben machen. Seine nackte Freundin will ihn ins Bett kriegen, aber er redet sich über Belanglosigkeiten ideologisch in Rage – eine köstliche Parodie! Schließlich geht er nach München… Diese Episode arbeitet teilweise mit Schwarzweiß-Archivmaterial.
„Mit uns kann man doch gar net bös sein... net lang.“
Zu guter Letzt wohnt man einem Besuch bei Cruschtschow bei. „A Wiener Madln“ prostituiert sich fürs Vaterland und sorgt so für die Freiheit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Dialog mit sich selbst rudert der Erzähler allerdings zurück, angeblich sei diese Geschichte dann doch nicht wahr. Alle anderen sind natürlich historisch verbrieft, scho‘ recht! Die letzten Worte allerdings gehören den „Madln“.
Thieles Film wurde angesichts der Ausstattung – Ensemble, Kulissen etc. – offenbar mit ziemlichem Aufwand realisiert, und dies zahlte sich aus – das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Moderator/Erzähler beherrscht Wiener Schmäh und Lakonie perfekt. Inhaltlich ist’s zum einen eine eigenwillige Form der Ehrerbietung an die Wieder Madln und Mizzies oder wie auch immer, zum anderen die etwas andere Geschichts-Doppelstunde – lehrreich und schelmisch flunkernd zugleich, dabei überwiegend schön und liebevoll gemacht, nicht nur aufgrund Wolf Wirths sporadisch zum Zuge kommender origineller Kameraeffekte. Natürlich ist auch „Komm nach Wien, ich zeig dir was!“ an konventionellen Maßstäben gemessen keine hohe Filmkultur, aber immerhin ein recht positives Beispiel für den kreativen und geschmackvollen Umgang mit der damals neuen Freizügigkeit im Unterhaltungskino. So macht „Gesichtsunterricht“, ja, sogar Österreich Spaß! Nur: Weshalb blieb ausgerechnet Josefine Mutzenbacher, Österreichs Sex-Export Nr. 1, ausgespart…?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Komm nach Wien, ich zeig dir was! C.jpg (179.5 KiB) 23 mal betrachtet
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.