Meine teuflisch gute Freundin – Marco Petry (2018)
Moderator: jogiwan
- FarfallaInsanguinata
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Meine teuflisch gute Freundin – Marco Petry (2018)
Regie: Marco Petry
Drehbuch: Rochus Hahn, Marco Petry, Hortense Ulrich (Literarische Vorlage)
Produktion: Solveig Fina, Helge Sasse
Kamera: Stephan Schuh
Schnitt: Martin Wolf
Darsteller:
Emma Bading: Lilith
Janina Fautz: Greta Birnstein
Ludwig Simon: Samuel
Samuel Finzi: Teufel
Emilio Sakraya: Carlo
Oliver Korritke: Gabriel Birnstein
Alwara Höfels: Sybille Birnstein
Inhalt:
Als die Tochter des Teufels vom Leben in der Hölle gelangweilt ist, schickt ihr Vater sie auf die Erde, um die Menschen dort zum Bösen zu bekehren.
(laut IMDb)
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
- Salvatore Baccaro
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Re: Meine teuflisch gute Freundin – Marco Petry (2018)
Auf der Suche nach leichter Kost, die mich einmal nicht dazu führt, dass ich die mir nachdenkenswert erscheinenden Aspekte eines Films in Echtzeit mitstenographisiere, bin ich gestern Abend auf den Hinweis der lieben Farfalla hier gestoßen - und habe mir diese teuflische Comic-of-Age-Teeniekomödie tatsächlich komplett in einer KIKA-TV-Fassung angeschaut, die ich nach wenigen Klicks im Netz ausfindig machen konnte.
Sagen wir es so: Der Film hat seinen Zweck voll und ganz erfüllt. Meine Erwartungshaltung wurde jedenfalls nicht enttäuscht: Es ist ein naiv-reizendes Märchen, das sich grob am US-Highschool-Film orientiert, seine Figuren ausnahmslos dem Arsenal einschlägiger Klischees entnimmt, stellenweise durchaus witzig ist, zudem sympathisch besetzt, nur manchmal steht selbst die interne Logik auf etwas wackligen Stelzen.
Originell ist, dass uns die Hölle als Frankfurter Hochhaus präsentiert wird, in dem der Teufel angetan mit Business-Suit die Geschicke der Welt lenkt: Nicht länger werden arme Seelen über offenen Feuern wie Bratwürste gebrutzelt, nun gilt es, politische Intrigen zu spinnen, die Menschheit per Fake-Posts zu verwirren, auf den ganz großen Bühnen mitzumischen - quasi die Trump-isierung Gehennas. Des Teufels Töchterchen backt freilich noch kleinere Brötchen, und treibt sich, wenn sie nicht gerade den heillos überforderten Hauslehrer malträtiert, auf Social Media herum, um gleichaltrige Teenies ins Bockhorn zu jagen, sprich, Selbstzweifel in ihnen zu säen, ihnen zu raten, ihren Boyfriend zu betrügen, und dergleichen. Aber Mademoiselle hat weitergehende Ambitionen: Endlich einmal möchte sie heraus aus dem Wolkenkratzerkäfig, in dem sie zeitlebens eingesperrt ist, und Unheil unter den Menschen stiften. Bevor ihr Papa sich geschlagen gibt, und sie endlich in die große weite Welt entlässt, muss ein Pakt her: Sollte Lilith, wie sein Nachwuchs sinnigerweise heißt, es schaffen, während eines einwöchigen Erdaufenthalts ein absolutes integres Menschenkind auf den schlechten Weg zu führen, darf sie in den Außendienst wechseln. Liliths Opfer sucht sich der diabolische Daddy natürlich selbst aus - und die Wahl fällt auf die unscheinbare Greta, die nicht nur heißt wie Thunberg, sondern auch Spross von Eltern ist, die wie Abziehbilder dessen wirken, was man gemeinhin als Gutmenschen versteht: Sie trägt Muttis selbstgestrickte Pullis, sucht bei Konflikten die Schuld erstmal bei sich selbst, statt wütend auf ihre Umwelt zu werden, ist Zielscheibe der Attacken ihrer mobbenden Mitschüler. Aus fadenscheinigen Gründen quartiert sich Lilith bei Familie Bernstein ein - angeblich soll sie alsbald auf Gretas Schule wechseln, und Gretas Eltern haben offenbar kein Problem damit, wildfremden Teenagern einfach mal eine Woche Obdach zu bieten -, und setzt nun alles daran, die Moral ihrer neuen Freundin zu korrumpieren - was sich schwieriger gestaltet als gedacht, zumal sich zwischen Lilith und Greta nach anfänglichen Startschwierigkeiten doch allmählich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt, und Lilith außerdem dem Schul-Anarcho Samuel über den Weg läuft, der in ihr bislang völlig unbekannte Gefühle weckt, Stichwort: Fledermäuse im Bauch...
Wie gesagt: MEINE TEUFLISCH GUTE FREUNDIN ist so harmlos wie ein Teufelspüppchen am Portal einer Geisterbahn. Assoziationen weckte der Film für mich vor allem zur ebenfalls deutschsprachigen Film-Trilogie DIE VAMPIRSCHWESTERN, die ja gleichermaßen mit Topoi aus christlicher Religion und Schauerliteratur operiert, um irdische Teenie-Themen wie Erste Liebe, Zoff mit den Eltern, Herausbildung der eigenen Identität zu verhandeln. Obwohl der Film einen Stereotyp nach dem andern abfackelt - der erzkonservative Schulleiter, der in fragwürdige Finanzgeschäfte verstrickt ist; die obligatorische Umstyling-Szene, in der Greta vom grauen Mäuschen zum Blickfang mutiert; der Schulrowdy, dem Lilith die Leviten liest; die Clique aus Modepüppchen, dumm wie Stroh; die Schulaufführung, in der sämtliche Handlungsstränge zusammenfinden, sich alle Konflikte lösen, es zum bombastischen Finale kommt -, (oder gerade aufgrund all dieser Klischees?), hat mich das Ganze bestens unterhalten - wobei es dann aber doch ein paar Momente gibt, die mit den Genre-Vorgaben brechen: Das erwähnte Umstyling beispielsweise endet eben nicht damit, dass Greta ihre neue Rolle als aufgetakelte Tussi akzeptiert, vielmehr stimmt sie letztendlich ihrer Mutter zu, dass all die aufreizende Wäsche, all das Make-Up, das Lilith angeschleppt hat, nicht zu ihrer Persönlichkeit passen, streift sich schließlich wieder ihre biederen Baumwollpullis über. Gott übrigens spielt in MEINE TEUFLISCH GUTE FREUNDIN eigentlich nur in einer einzigen Sequenz eine Rolle, dann nämlich, wenn Samuel Lilith mit ins örtliche Gotteshaus nimmt, wo er aus Spaß die Glöckchen bimmeln lassen möchte. Kaum hat unsere Heldin die geweihte Schwelle überschritten, überkommt sie Übelkeit, ihr sausen die Ohren, das Weihwasser brodelt in den Becken - ein überaus spannender Moment, der jedoch relativ isoliert steht, denn der Fakt, dass dann, wenn es einen Satan gibt, es auch einen übernatürlichen Konterpart geben dürfte, wird nie wieder aufgegriffen, so wie sich der Film auch generell nicht allzu sehr aus dem Fenster lehnt, was metaphysisch-philosophische Fragen betrifft im Sinne von: Was ist eigentlich das Böse? Das sollte ich aber sowieso nicht von einem Film erwarten, der hauptsächlich die Lebenswelt Jugendlicher innovativ abzubilden versucht, und tut meinem positiven Eindruck keinen Abbruch - und nun entschuldigt mich, denn ich muss mir noch einen verkopften Experimentalfilm zum Frühstück anschauen, in dem man 3 Stunden lang nur rasant geschnittene Großaufnahmen von Uhrzeigern sieht, zu denen ein Soundtrack aus elektronisch verfremdetem Hahnenschreien ertönt...
Sagen wir es so: Der Film hat seinen Zweck voll und ganz erfüllt. Meine Erwartungshaltung wurde jedenfalls nicht enttäuscht: Es ist ein naiv-reizendes Märchen, das sich grob am US-Highschool-Film orientiert, seine Figuren ausnahmslos dem Arsenal einschlägiger Klischees entnimmt, stellenweise durchaus witzig ist, zudem sympathisch besetzt, nur manchmal steht selbst die interne Logik auf etwas wackligen Stelzen.
Originell ist, dass uns die Hölle als Frankfurter Hochhaus präsentiert wird, in dem der Teufel angetan mit Business-Suit die Geschicke der Welt lenkt: Nicht länger werden arme Seelen über offenen Feuern wie Bratwürste gebrutzelt, nun gilt es, politische Intrigen zu spinnen, die Menschheit per Fake-Posts zu verwirren, auf den ganz großen Bühnen mitzumischen - quasi die Trump-isierung Gehennas. Des Teufels Töchterchen backt freilich noch kleinere Brötchen, und treibt sich, wenn sie nicht gerade den heillos überforderten Hauslehrer malträtiert, auf Social Media herum, um gleichaltrige Teenies ins Bockhorn zu jagen, sprich, Selbstzweifel in ihnen zu säen, ihnen zu raten, ihren Boyfriend zu betrügen, und dergleichen. Aber Mademoiselle hat weitergehende Ambitionen: Endlich einmal möchte sie heraus aus dem Wolkenkratzerkäfig, in dem sie zeitlebens eingesperrt ist, und Unheil unter den Menschen stiften. Bevor ihr Papa sich geschlagen gibt, und sie endlich in die große weite Welt entlässt, muss ein Pakt her: Sollte Lilith, wie sein Nachwuchs sinnigerweise heißt, es schaffen, während eines einwöchigen Erdaufenthalts ein absolutes integres Menschenkind auf den schlechten Weg zu führen, darf sie in den Außendienst wechseln. Liliths Opfer sucht sich der diabolische Daddy natürlich selbst aus - und die Wahl fällt auf die unscheinbare Greta, die nicht nur heißt wie Thunberg, sondern auch Spross von Eltern ist, die wie Abziehbilder dessen wirken, was man gemeinhin als Gutmenschen versteht: Sie trägt Muttis selbstgestrickte Pullis, sucht bei Konflikten die Schuld erstmal bei sich selbst, statt wütend auf ihre Umwelt zu werden, ist Zielscheibe der Attacken ihrer mobbenden Mitschüler. Aus fadenscheinigen Gründen quartiert sich Lilith bei Familie Bernstein ein - angeblich soll sie alsbald auf Gretas Schule wechseln, und Gretas Eltern haben offenbar kein Problem damit, wildfremden Teenagern einfach mal eine Woche Obdach zu bieten -, und setzt nun alles daran, die Moral ihrer neuen Freundin zu korrumpieren - was sich schwieriger gestaltet als gedacht, zumal sich zwischen Lilith und Greta nach anfänglichen Startschwierigkeiten doch allmählich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt, und Lilith außerdem dem Schul-Anarcho Samuel über den Weg läuft, der in ihr bislang völlig unbekannte Gefühle weckt, Stichwort: Fledermäuse im Bauch...
Wie gesagt: MEINE TEUFLISCH GUTE FREUNDIN ist so harmlos wie ein Teufelspüppchen am Portal einer Geisterbahn. Assoziationen weckte der Film für mich vor allem zur ebenfalls deutschsprachigen Film-Trilogie DIE VAMPIRSCHWESTERN, die ja gleichermaßen mit Topoi aus christlicher Religion und Schauerliteratur operiert, um irdische Teenie-Themen wie Erste Liebe, Zoff mit den Eltern, Herausbildung der eigenen Identität zu verhandeln. Obwohl der Film einen Stereotyp nach dem andern abfackelt - der erzkonservative Schulleiter, der in fragwürdige Finanzgeschäfte verstrickt ist; die obligatorische Umstyling-Szene, in der Greta vom grauen Mäuschen zum Blickfang mutiert; der Schulrowdy, dem Lilith die Leviten liest; die Clique aus Modepüppchen, dumm wie Stroh; die Schulaufführung, in der sämtliche Handlungsstränge zusammenfinden, sich alle Konflikte lösen, es zum bombastischen Finale kommt -, (oder gerade aufgrund all dieser Klischees?), hat mich das Ganze bestens unterhalten - wobei es dann aber doch ein paar Momente gibt, die mit den Genre-Vorgaben brechen: Das erwähnte Umstyling beispielsweise endet eben nicht damit, dass Greta ihre neue Rolle als aufgetakelte Tussi akzeptiert, vielmehr stimmt sie letztendlich ihrer Mutter zu, dass all die aufreizende Wäsche, all das Make-Up, das Lilith angeschleppt hat, nicht zu ihrer Persönlichkeit passen, streift sich schließlich wieder ihre biederen Baumwollpullis über. Gott übrigens spielt in MEINE TEUFLISCH GUTE FREUNDIN eigentlich nur in einer einzigen Sequenz eine Rolle, dann nämlich, wenn Samuel Lilith mit ins örtliche Gotteshaus nimmt, wo er aus Spaß die Glöckchen bimmeln lassen möchte. Kaum hat unsere Heldin die geweihte Schwelle überschritten, überkommt sie Übelkeit, ihr sausen die Ohren, das Weihwasser brodelt in den Becken - ein überaus spannender Moment, der jedoch relativ isoliert steht, denn der Fakt, dass dann, wenn es einen Satan gibt, es auch einen übernatürlichen Konterpart geben dürfte, wird nie wieder aufgegriffen, so wie sich der Film auch generell nicht allzu sehr aus dem Fenster lehnt, was metaphysisch-philosophische Fragen betrifft im Sinne von: Was ist eigentlich das Böse? Das sollte ich aber sowieso nicht von einem Film erwarten, der hauptsächlich die Lebenswelt Jugendlicher innovativ abzubilden versucht, und tut meinem positiven Eindruck keinen Abbruch - und nun entschuldigt mich, denn ich muss mir noch einen verkopften Experimentalfilm zum Frühstück anschauen, in dem man 3 Stunden lang nur rasant geschnittene Großaufnahmen von Uhrzeigern sieht, zu denen ein Soundtrack aus elektronisch verfremdetem Hahnenschreien ertönt...
- buxtebrawler
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- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
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Re: Meine teuflisch gute Freundin – Marco Petry (2018)
Klingt in der Tat sehr unterhaltsam
Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Mi 19. Jun 2024, 08:09 und nun entschuldigt mich, denn ich muss mir noch einen verkopften Experimentalfilm zum Frühstück anschauen, in dem man 3 Stunden lang nur rasant geschnittene Großaufnahmen von Uhrzeigern sieht, zu denen ein Soundtrack aus elektronisch verfremdetem Hahnenschreien ertönt...
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!