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Monaco Franze - Der ewige Stenz.jpg (49.66 KiB) 205 mal betrachtet
Originaltitel: Monaco Franze - Der ewige Stenz
Herstellungsland: Deutschland / 1983
Regie: Helmut Dietl, Franz Geiger
Darsteller(innen): Helmut Fischer, Ruth-Maria Kubitschek, Karl Obermayr, Christine Kaufmann, Erni Singerl, Klaus Guth, Kristina van Eyck, Gisela Schneeberger, Alexander Hegarth, Ruth Drexel, Gustl Bayrhammer, Wolfgang Fierek, Walter Sedlmayr, Marie Bardischewski, Mandy Hausenberger, Georg Marischka, Enzi Fuchs u. A.
Zwischen Westend und Schwanthalerhöh' wurde Franz Münchinger geboren, durch und durch ein "Stenz", was ihm bald den Spitznamen "Monaco Franze" einbrachte. Immer cool und lässig ist er nach wie vor auf der Suche nach dem ewigen Abenteuer bei den Frauen, obschon er längst verheiratet ist und nicht mehr zu den Jüngsten zählt. Er paßt so gar nicht zu seiner Frau Annette, die vielmehr den Künsten musikalischer und gestalterischer Natur verfallen ist. Von ihrem Freundeskreis wird der aus einfachen Verhältnissen stammende Filou auch deswegen nie akzeptiert. Für Spaß, Konflikte und Charme ist somit stets gesorgt.
„Ehrlich gesagt, ich interessier’ mich wahnsinnig für Frauen…“
Im Frühjahr 1983 ging eine Fernsehserie im bayrischen ARD-Vorabendregionalfenster auf Sendung, die rasch Kultstatus erlangte und ihn bis heute genießt: „Monaco Franze – Der ewige Stenz“, erdacht und geschrieben von Helmut Dietl, Patrick Süskind und Franz Geiger, in zehn rund 50-minütigen Episoden inszeniert von Dietl und Geiger. Die komödiantische Serie griff mit dem „Stenz“, einem um Charme und Eleganz bemühten, windigen Aufreißer und Lebemann, eine Nebenfigur aus Dietls vorausgegangener Serie „Der ganz normale Wahnsinn“ auf, in der sie bereits von Helmut Fischer verkörpert wurde. Sie stellte sich als Fischer regelrecht auf den Leib geschrieben heraus, da sie, so munkelte man, gewisse Parallelen zu seinem Privatleben aufwies. Der Stenz wurde zu Fischers Paraderolle, mit der er bis heute, weit über seinen Tod hinaus, identifiziert wird.
„Ein bissel was geht immer!“
Franz Münchinger (Helmut Fischer), genannt „Monaco Franze“ (nach dem italienischen Wort für München), ist Mitte 40, Kriminalbeamter und ein echter Lebemann, immer auf der Suche nach libidinösen Abenteuern. Ein daraus entsprungenes uneheliches Kind zwang ihn jedoch dazu, etwas gediegener zu werden. Der dem Proletariat entstammende und es bis auf den sicheren Beamtensessel geschafft habende Münchinger heiratete mit Annette von Soettingen (Ruth Maria Kubitschek, „Melissa“) eine Frau aus „besseren Kreisen“, die ein Luxusantiquariat mit einer Angestellten (Christine Kaufmann, „Lili Marleen“) betreibt. Er lebt mit ihr im Münchner Stadtteil Schwabing zusammen, man leistet sich eine Haushälterin (knorrig: Erni Singerl, „Der Jäger von Fall“) und er lässt sich seinen Lebensstandard und -wandel von seinem „Spatzl“, wie er seine Frau liebevoll nennt, mitfinanzieren. Seine Ehe hindert ihn jedoch nicht daran, immer wieder auf die Pirsch zu gehen, was seine ihn dafür eher belächelnde Frau jedoch mal mehr, mal weniger zähneknirschend toleriert. Ihre Versuche, ihn in die „höhere Gesellschaft“ einzuführen, scheitern indes regelmäßig – u.a. weil es ihm sein Beruf erlaubt, sich mittels vermeintlicher Sonder- und Nachtschichten vor Opernbesuchen und Ähnlichem zu drücken…
Seit ich Helmut Fischer im Kindesalter in irgendeiner Serienrolle erstmals sah, mochte ich ihn, denn er hatte so eine ganz bestimmte Melancholie in den Augen – eine, die ihm sicherlich auch half, seinen Dackelblick auf- und zielführend einzusetzen, ob vor oder hinter der Kamera. Über die Aufarbeitung klassischer „Tatort“-Episoden, darunter auch die Münchner, in denen er erst Kriminalobermeister, später dann Kriminalhauptmeister Ludwig Lenz verkörperte, habe ich mich ihm nun weiter angenähert. Zwei seiner sieben „Tatorte“, in denen ihm nach Gustl Bayrhammers Ausscheiden die Hauptrolle zuteilgeworden war, waren ausgestrahlt worden, als die erste „Monaco Franze“-Episode ihr Publikum fand. Da er auch hier einen Kriminalbeamten spielt, persifliert er ein Stück weit seine „Tatort“-Rolle. Die vierte Wand durchbrechend stellt er sich offen über sein Schwerenötertum sprechend den Zuschauerinnen und Zuschauern vor; ein inszenatorischer Kniff, der der ersten Episode vorbehalten bleiben und an deren Ende es sein „Spatzl“ ihm gleichtun wird – die dem Publikum damit verrät, mehr über ihren Mann zu wissen, als dieser glaubt. Die erste Hälfte der Handlung ist hier noch eine Rückblende, in der Thomas Gottschalk in einer Nebenrolle als Club-Türsteher auftaucht. Am Ende wissen wir: Seine Frau und er versuchen sich gegenseitig übers Ohr zu hauen, wobei er seinen spitzbübischen Charme gegenüber der Damenwelt voll ausspielt, während sie mit aus unterschwelligem Überlegenheitsgefühl resultierender Gelassenheit reagiert.
„Immer das G’schiss mit der Elli!“
Mit der zweiten Episode wird klar, dass die Serie mit vielen Auslassungen und nie genau definierten, aber offenbar beträchtlichen Zeitsprüngen zwischen den Episoden arbeitet. Leider bliebt dadurch auch der Ausgang der ersten Episode auf der Strecke: Was dort wie ein Cliffhanger wirkte, entpuppt sich als Pointe ungewisser Konsequenz. Dennoch wird Bezug auf vorausgegangene Ereignisse genommen, beispielsweise seine Bekanntschaft Elli (Gisela Schneeberger, „Kehraus“), die es nun – einige Zeit später – nicht verwinden kann, nur eine von vielen in Franz‘ Leben gewesen zu sein. Doch auch Annette ist nicht ohne und macht sich ihren Verehrer Prof. Hallerstein (Walter Sedlmayr, „Angst essen Seele auf“) zunutze, um Franz in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Im weiteren Verlauf der Serie verdingt er sich als Privatdetektiv und drückt später gar noch einmal die Schulbank. Die Konflikte zwischen ihm und seiner Annette werden ernster, doch findet man immer wieder zusammen. Zumindest beinahe, denn in Episode 6 ist man plötzlich getrennt. Hier irritieren die Auslassungen wieder, denn man hätte schon gern gewusst (und in eine launige Handlung verpackt gesehen), was genau passieren musste, damit Annette doch einmal die Reißleine zieht.
„,Ernsthafter älterer Herr?‘ Auf gar keinen Fall!“
Hin und wieder kommt Franz der kleinkriminelle Ganove Tierpark-Toni (Wolfgang Fierek, „Die Supernasen“) in die Quere, jedoch ohne ernsthafte Konsequenzen. Das Autorenteam ist nie versucht, „Monaco Franze“ in die Krimiecke zu schreiben, im Gegenteil: Der Polizeidienst, dem Franz‘ bester Freund Manfred „Manni“ Kopfeck (Karl Obermayr, „Eros-Center Hamburg“) weiterhin nachgeht und der zwei Gastauftritte Gustls Bayrhammers als Kriminaldirektor hervorbringt, wirkt hier beinahe langweilig und profan – kein Vergleich zu Fischers zweiter Spielwiese, dem „Tatort“, also. Die Themen der Serie sind vielmehr Franz‘ Gefühls- und Liebesleben (das ihn in Episode sieben eine handfeste Midlife-Krise in 50 Minuten durchleben lässt), allem voran aber eine komödiantisch bis satirisch überspitzte Persiflage auf die Münchner Schickeria und die Bussi-Bussi-Gesellschaft des Kulturbetriebs, was zu einem Lieblingsthema Helmut Dietls avancieren sollte, hier als Kontrast zur nicht minder durch den Kakao gezogenen immerwährenden männlichen Suche nach Bestätigung durchs weibliche Geschlecht. Immer schwingt dabei der Klassenunterschied zwischen Franz und Annette mit, längst nicht nur in Bezug auf seine Ablehnung der sog. Hochkultur und ihrer stocksteifen, blasierten Klientel, wie sie die bundesdeutsche Klassengesellschaft hervorgebracht hat.
Ein weites allgegenwärtiges Motiv der Serie ist, na klar: München! Jede Episode fühlt sich wie ein Kurzurlaub ins schöne Schwabing an, die vorletzte Folge gerät gar zu einer Liebeserklärung an die Stadt – und hält eine überraschende Wendung parat, deren Konsequenzen das große Finale in der Schlussepisode auskostet. Sie sind Teil einer über die ungefähr fünf Jahre, die die Handlung abdeckt, hinweg stattgefundenen charakterlichen Entwicklung der Figuren, die insbesondere Annette betrifft und sie erst ungewohnt naiv und anschließend eher unsympathisch erscheinen lässt – wohlgemerkt nachdem sie sieben Episoden lang weder das eine noch das andere gewesen war, ihrem Streben nach gesellschaftlichem Status und ihrer furchtbar übertrieben barocken Wohnungseinrichtung zum Trotz. Die Figuren wachsen einem derart ans Herz, dass einem das Serienfinale umso nähergeht.
Neben Fischers Paraderolle und dem generell tollen Ensemble, der wunderbaren Titelmelodie der Italiener Dario Farina und Gian Piero Reverberi und dem punktgenauen, für perfektes Timing sorgenden, mitunter gar originellen Schnitt ist das größte Pfund der Serie der tolle, feingeistige und liebevolle Humor, der, so möchte ich meinen, sowohl in die Loriot-Schule ging als auch sein Milieu genau studiert hat. Großen Anteil daran haben Sprach- und Dialogwitz. Ungeachtet seiner proletarischen Herkunft beherrscht auch Franz eine gewählte Ausdrucksweise, wie sie heute leider kaum noch gesprochen wird. Auch wenn man wie so oft bei BR-Produktionen oberhalb des Weißwurstäquators längst nicht jedes Wort versteht, macht diese Melange aus Fabulierfreude und Mundart Spaß. Annette spricht derweil stets sauberes Hochdeutsch, was als weiterer Hinweis auf ihre Klassenzugehörigkeit verstanden werden darf. Es heißt, manch Ausspruch sei durch „Monace Franze“ als geflügeltes Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.
“Monaco Franze – Der ewige Stenz” ist eine hervorragend gealterte, warmherzige Serie, die viel, aber längst nicht allein von Fischers spitzbübischem Charme lebt und sich zurecht ihren Platz im Langzeitgedächtnis des gesamtdeutschen Fernsehpublikums gesichert hat. Bei einem etwas sensibleren Umgang mit den Auslassungen und vielleicht etwas weniger harschen Charakterentwicklungen, die gegen Ende der Serie zuweilen ein wenig erzwungen wirken, und, ach, hätte er doch nicht unbedingt ein Bulle sein müssen, wären vielleicht sogar noch mehr als 8 von 10 Kurzen am Viktualienmarkt drin gewesen, die das erste (und einzige) Mitglied des Helmut-Fischer-Fanclubs Hamburg-Altona hiermit feierlich auf „Monaco Franze“ trinkt – denn ein bissel was geht immer!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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