Mutation - Marc Fehse, Timo Rose (1999)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Mutation - Marc Fehse, Timo Rose (1999)
Originaltitel: Mutation
Produktionsland: Deutschland 1999
Regie: Marc Fehse, Timo Rose
Cast: Marc Fehse, Carsten Fehse, Timo Rose, Mark Door, Juliane Block, Oliver Krekel, Andreas Schnaas, Andreas Bethmann
Abt.: Dem Dän sei Dank!
In meiner Kurzkritik zu SKY SHARKS, jenem Monumentalepos und Prestigeprojekt der Braunschweiger Fehse-Brüder, habe ich dem Film sowohl angekreidet, dass seine Story vollkommen verzettelt ist, wie auch, dass er ästhetisch-technisch auf sehr unangenehme Weise heterogen wirkt: Man sieht dem Werk einfach an, dass es über einen langen Zeitraum in unterschiedlichen Arbeitsetappen entstanden ist, dass man mehr oder minder bekannte Gaststars, die für Festivals und Conventions irgendwann mal in der Löwenstadt aufgeschlagen sind, für Mini-Szenen verpflichtet hat, die man anschließend notdürftig mit dem restlichen Plot vernähen musste, dass man sich, was Effekte und Stilistik angeht, vollkommen überhob, sodass SKY SHARS regelrecht überinszeniert wirkt, zugekleistert mit sinnbefreiten Gimmicks und (oftmals mittelmäßig ausgeführten) CGI-Exzessen, die reiner Selbstzweck zu sein scheinen und die konfuse Handlung in keiner Weise unterstützen.
Nun, nachdem ich mir Marc Fehses Langfilm-Debüt MUTATION aus dem Jahre 1999 besehen habe, begreife ich, dass das unglückliche Händchen, das die Fehses bei SKY SHARKS in sämtlichen relevanten Aspekten an den Tag gelegt haben, wohl keine Eintagsfliege gewesen ist, denn alles, was ich bei den Fliegenden Haifischen furchtbar fand, ist auch schon im früheren Film geschwisterlich miteinander vereint: MUTATION besitzt null Gespür für Timing oder Drive; MUTATION wirkt wie eine Aneinanderreihung von Szenen, deren übergeordneter Sinn sich zumindest mir zu keinem Zeitpunkt wirklich erschlossen hat: MUTATION suhlt sich förmlich in dramaturgisch kein bisschen motivierten Effekten wie wischenden Szenenübergängen, Zeitlupen, Farbfiltern, dass es anmutet, als hätten Marc Fehse und sein Co-Regisseur Timo Rose permanent ausprobieren wollen, was man für lustige Dinge während der Post-Production mit dem Tool ihres Vertrauens anstellen kann. Puh, im Ernst: Obwohl MUTATION sich gerade mal bei knapp siebzig Minuten Laufzeit einpendelt, erreicht der Film ein ganz neues Level dessen, was ein Mensch ertragen kann, (und das schreibt wohlgemerkt jemand, der sich durch achtzig Prozent des Bethmann-Oeuvres gekämpft hat.)
Apropos Bethmann: Den sieht man zu Beginn von MUTATION als Gast in einem Fischrestaurant, wobei sich sein Cameo indes darauf beschränkt, dass er besagte Speisestätte ohne eine einzige Dialogzeile verlässt. Ebenfalls mit von der Partie sind Oliver Krekel und Andreas Schnaas, (der sich für seine Rolle als Gangsterboss einen adretten Iro hat schneiden lassen!) – die Creme de la Creme der deutschsprachigen Amateur-Splatterszene (minus Olaf Ittenbach!) in einem Film zusammengewürfelt! Der Film selbst erzählt irgendetwas von einer Superdroge namens K7B, die die Nazis angeblich als Wunderwaffe im Zweiten Weltkrieg einsetzen wollten, da sie gewöhnliche Wehrmachtssoldaten in Übermenschen verwandelt, - (eine Idee, die in SKY SHARKS wiederaufgegriffen worden ist) - und die im Braunschweig der Gegenwart nunmehr in die falschen, weil kriminellen Hände gerät und eine Zombie-Invasion auslöst – zumindest habe ich mir die Story dergestalt zusammengereimt, denn wirklich aufeinander beziehen scheinen sich die einzelnen Szenen nicht: Der Schnitt ist hektisch; die Kamera fuchtelt herum; die gesamte Inszenierung kann man entweder wohlwollend als „hermetisch“ bezeichnen, (weil der Film im Prinzip gar keine Anstalten macht, irgendwie verständlich zu sein), oder als „hundsmiserabel“. Schön bringt all die Probleme dieses Machwerks die Art und Weise auf den Punkt, wie die Untertitel englischsprachiger Passagen eingefügt sind, nämlich a) viel zu schnell, b) falsch übersetzt, und c) voller Rechtschreibfehler, - aber, hey, immerhin stylisch sehen sie aus.
Nicht dass man mich falsch versteht: Ein Film kann von mir aus so wenig Budget haben wie er möchte, so amateurhaft inszeniert sein wie er möchte, eine noch so wirre Story kundtun (oder gerne auch gar keine) und generell Style over Substance setzen, - wenn das Ergebnis dann allerdings aussieht wie MUTATION, dann muss ich zu Protokoll geben, dass dieser Streifen (zusammen mit SKY SHARKS und dem einen oder anderen Bethmann) zum Ärgsten gehört, was mir dieses Jahr unter die Augen gekommen ist: Dieser deplatzierte deutsche Hip Hop, der ständig von der Tonspur schmettert!; die Tatsache, dass Fehse in einer Szene beim Telefonieren mit verzerrter Stimme spricht, obwohl eigentlich die Person am andern Ende der Leitung mit einem Stimmverzerrer gesegnet sein müsste; die mutwillige Entscheidung, das Finale von einem pseudo-philosophischen Off-Kommentar begleiten zu lassen; der Umstand, dass der Film künstlich mit eingefügten Musikvideos und Fake-Nachrichtensendungen gestreckt wird; die Augenbewegungen mancher Darsteller, wenn diese ihren Text sichtbar von Zetteln außerhalb des Bildkaders ablesen, (ganz zu schweigen von den selten lippensynchronen Stimmchen)! Fehlanzeige sind selbst hautzarte Versuche, die austauschbar anmutenden Charaktere ansatzweise psychologisch glaubhaft zu zeichnen oder als Sympathieträger und/oder Identifikationsfiguren zu modellieren, und auch für diesen Film gilt, (wie für SKY SHARKS): Quantität im Bereich möglichst schmoddriger Effekte ersetzt keineswegs ein Mindestmaß an Qualität derselben. (Für Genre-Fans mag es indes wenigstens halbwegs unterhaltsam sein, all die Referenzen zu zählen, die MUTATION einschlägigen Momenten/Motiven aus Klassikern von Fulci oder Romeo angedeihen lässt.)
Ein bisschen versöhnt mich mit MUTATION, dass man durchaus etwas mitbekommt vom Braunschweiger Lokalkolorit der späten 90er. Ein Restaurantmassaker zu Beginn wurde tatsächlich nur ein paar Gehminuten von meinem derzeitigen Wohnsitz gedreht: Ich wusste gar nicht, dass es in der Bremserstraße früher mal eine „Fischtwete“ gegeben hat. Voller nostaligschem Charme sind auch die Aufnahmen des Braunschweiger Hauptbahnhofs sowie eine Szene, die vor der Fassade des „Deutschen Hauses“ spielt, einem Hotel unweit des Doms, wo ich einst eine Nacht verbrachte, als ich mich auf Wohnungssuche befand und nicht wusste, wohin mit mir: Ich war frisch getrennt, fühlte mich seltsam frei, lief Paul Chain hörend durchs nächtliche Braunschweig – und all diese Erinnerungen werden MUTATION schon bald überdecken wie Schnee, der auf Brachland fällt. Dagegen ist ja selbst Bethmanns 1998er TODESENGEl, (in dem die beiden hiesigen Regisseure Rose und Fehse die Hauptrollen spielen), ein Feuerwerk an guter Unterhaltung, (vielleicht nur nicht unbedingt in der mehrstündigen Hardcore-Fassung.)
P.S.: Wie ich jetzt erst sehe, hat Timo Rose (ohne die Fehses) bis ins Jahre 2006 noch sage und schreibe drei (!) Fortsetzungen dieses Machwerks inszeniert: MUTATION 2: GENERATION DEAD (2001); MUTATION 3: CENTURY OF THE DEAD (2002) sowie MUTATION – ANNIHILATION (2006). Mögen die Deliria-Götter gnädig mit mir sein!