Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel? - Werner M. Lenz

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Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel? - Werner M. Lenz

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel?

Herstellungsland: Deutschland / 1972

Regie: Werner M. Lenz

Darsteller: Zenta Bayer-Ozols, Gerd Behrendt, Karin Götz, Michael Büttner, Dagmar Conrad, Doris Grogorenz, Anne-Marie Lebeau, Erich Joey Pflüger, Solvi Stubing, Angelica Wehbeck
Partnertausch, Sex zu dritt oder Austausch von Zärtlichkeiten in größeren Gruppen: Funktionieren Liebe und Sex als "Gesellschaftsspiel" außerhalb einer klassischen Zweierbeziehung? Oswalt Kolle zeigt mit Renate und Klaus ein Pärchen, das erst Sex zu dritt mit einer Frau und dann mit einem zweiten Pärchen ausprobiert und stellt dann ein holländisches Gruppensex-Experiment vor.
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel? - Werner M. Lenz

Beitrag von buxtebrawler »

„Das klingt irrsinnig vernünftig!“

1972 sollte das Elend endlich ein Ende haben, denn Journalist und „Volksaufklärer“ Oswalt Kolle präsentierte mit „Liebe als Gesellschaftsspiel?“ den achten und letzten seiner umstrittenen und skandalträchtigen Aufklärungsfilme. Sich durch diesen zu quälen, geriet indes noch einmal zu einer besonderen Herausforderung. Mit der Regie betraut wurde einmal mehr Werner M. Lenz, der diese bereits bei „Dein Mann, das unbekannte Wesen“ und „Dein Kind, ...“ übernommen hatte.

„Die Eheleute werden sich gegenseitig volle sexuelle Freiheit gewähren!“

Zu wildem Hippierock aus dem Off leckt sich ein Mund in Großaufnahme lüstern über die Lippen und verdeutlicht damit von vornherein den nicht vorhandenen seriösen Anspruch des Films. Kolle tritt vor der Kamera, betont die mittlerweile erlangte sexuelle Freiheit, aber auch, uns trotzdem schockieren zu werden. Er wagt Ausblicke in die Zukunft und erweist sich dabei als reichlich naiv.

„Bist du wirklich so tolerant oder tust du nur so?“

Im folgenden längeren Einspielfilm tuckert ein Paar fast nackt in einem Boot über einen Fluss – ein ganz alltägliche Situation also… Dort wird natürlich gepimpert, doch es stellt sich heraus, dass der Mann seine Frau betrügt – nämlich mit der Reisekauffrau, die er da gerade beglückt hat. Diese ist wenig begeistert davon, wie unehrlich er zu seiner Frau ist. Als er seiner Gattin gesteht, verzeiht diese ihm sofort und schlägt vor, seine sexuelle Affäre einzuladen. Also unternehmen sie etwas zusammen, landen anschließend zu Hause und die Ehefrau täuscht an, ihren Mann bereitwillig teilen zu wollen. Wie sich herausstellt, vergrault sie die Dame, denn Gruppensex ist kein Thema für sie.

„Das ist doch nicht zu viel verlangt!“

Doch damit war das letzte Wort noch nicht gesprochen und so kommt es zu einem weiteren Treffen zu dritt. Zunächst zoomt die Kamera reichlich sinnlos auf das leere Bett, doch bald darauf findet dort softpornös gefilmter Gruppensex statt. „Ich war überhaupt nicht eifersüchtig!“, gibt die Ehefrau zu Protokoll und ist angefixt: Sie würde gern einmal zu viert ins Bett, denn die Reisekauffrau ist ebenfalls liiert und würde ihren lockeren Freund einmal mitbringen. Seine Frau fordert also Gleichberechtigung ein, doch als das Quartett versammelt ist, wird ihr Mann eifersüchtig und bockig. Seine liebende Frau bringt es nicht fertig, tatsächlich mit dem Fremden zu schlafen und gesellt sich wieder zu ihrem Mann: Happy End und daumendicke, entlarvende Doppelmoral, indem Kolle anhand dieser furchtbar konstruierten Episode suggeriert, eine Frau würde den Seitensprung eines Mannes wesentlich besser verkraften als umgekehrt. Erklärende oder einordnende Worte dazu findet Kolle nicht.

Stattdessen berichtet Kolle von seinem Gruppensex-Experiment, das er in Holland durchgeführt und gefilmt habe. Tatsächlich zeigt er uns Amateurfilmaufnahmen einer gemischten Gruppe junger Menschen, alle rauchend, trinkend und bebrillt. Maskiert geben sie sich dem experimentellen Rudelbumsen hin. Sonderlich erquicklich sieht das alles nicht aus; in Interviews mit den Probanden äußern diese offenbar recht ehrlich ihre Empfindungen, doch die revolutionäre Wirkung auf die weitere Entwicklung der Sexualität, die Kolle einmal mehr betont, will man aus diesen wenig attraktiven Bildern nicht so recht herauslesen. Zumindest scheint dies der einzige Anflug von Authentizität zu sein.

Fürs letzte Drittel hat sich Kolle offenbar endgültig vom „Schulmädchen-Report“-Trend anstecken lassen, denn die geschauspielerte Episode hat mit der eigentlich Thematik nicht viel zu tun: Es geht um den spontanen Sex vier junger Menschen an einem Strand. Im Anschluss plädiert Kolle für „Spielregeln“ bei der Suche nach Sexualpartnern, die es Interessenten erleichtern, zueinander zu finden. Versinnbildlicht wird dies durch die letzte Episode, in der ein Junge und ein Mädchen sich aufgrund ihrer Schüchternheit und Verunsicherung nicht gegenseitig anzusprechen trauen. Der Beitrag wird „zurückgespult“ und die gewünschte Entwicklung mit erneut mäßig anregendem softpornösem Happy End vollzogen – endgültig ad absurdum geführt vom anschließenden weltfremden Vorschlag zur Einführung einer Zeichensprache, die verstohlenes Anpirschen, interessiertes Kennenlernen sowie spannendes Flirten überflüssig machen soll. Eine paar müde Gags bringen den Film und damit Kolles Aufklärungsreihe schließlich zum Ende. „Liebe als Gesellschaftsspiel?“ verzichtete komplett auf die Involvierung von Wissenschaftlern, in deren Rolle Kolle sich vermutlich längst selbst wähnt, wenn er ein vermutlich kaum repräsentatives Experiment mit zwei Handvoll jugendlicher Holländer durchführt.

Sein letzter Film steckt voller falscher Prognosen und glaubt sich an der Speerspitze einer sexuellen Revolution, die Partnertausch und Gruppensex zur Normalität erklären wird, womit Kolle eine falsche Erwartungshaltung weckt und suggeriert, nur wer die sexuelle Befriedigung im Rudel suche, sei fortschrittlich und offen. Dass dies relativ weit an den realen Bedürfnissen eines Großteils der Menschen vorbeigeht, wollten selbsternannte Aufklärer und Sex-Revolutionäre à la Kolle aber nicht wahrhaben und propagierten stattdessen ihre bei genauerer Betrachtung männlich-egoistisch anmutenden, vermeintlich freien Sexualfantastereien, die zunehmend den Mann aus der Verantwortung nahmen, ihm aber willige Sexualpartnerinnen noch und nöcher avisierten, was eigentlich nur noch mit Verweis auf den experimentellen Geist der 1970er und das Aufbrechen einer religiös motivierten Spießigkeit zu rechtfertigen ist, die eine gewisse Zeit lang das gegenteilige Extrem heraufbeschwor.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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purgatorio
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Re: Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel? - Werner M. Lenz

Beitrag von purgatorio »

Der letzte Teil? Dann: Respekt vor der Gesamtleistung, Bux! Was für eine Tortur :thup:
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
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Re: Oswalt Kolle: Liebe als Gesellschaftsspiel? - Werner M. Lenz

Beitrag von buxtebrawler »

purgatorio hat geschrieben:Der letzte Teil? Dann: Respekt vor der Gesamtleistung, Bux! Was für eine Tortur :thup:
Haha, danke :D

Jetzt hab' ich aber auch noch einige Schulmädchen-Reports vor mir...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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