Rapunzels Fluch 2 - David Brückner (2023)
Moderator: jogiwan
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Rapunzels Fluch 2 - David Brückner (2023)
Originaltitel: Rapunzels Fluch 2 - Sie ist zurück!
Produktionsland: Deutschland 2023
Regie: David Brückner
Cast: Silvana Ursu, Daniel Littau, Tabea Georgiamo, Juergen J. Straub, Sabine Heinen, Sebastian Prenzel, Malina Stark, Asia Luna Mohmand
Vor geraumer Zeit sind Jogi und ich uns bei unseren unabhängigen Sichtungen von David Brückners Independent-Schauerstück RAPUNZELS FLUCH einig gewesen: Produktionstechnisch erstaunt der Streifen für ein derart geringbudgetiertes Projekt, denn immerhin konnte der ambitionierte Jungregisseur als Kulisse eine waschechte Burg akquirieren, die sich vollgestopft erweist mit stimmigen Requisiten wie Rüstungen, verblichenen Gemälden und sogar einem eigenen Kuriositätenkabinett; hinzukommt auf inszenatorischer Seite eine meist solide, manchmal kunstvolle Kameraarbeit mit der einen oder anderen prägnanten Bildkomposition sowie eine Montage, der man anmerkt, dass die Verantwortlichen zumindest das kleine ABC des spannungsfördernden Filmschnitts beherrschen. Inhaltlich freilich hinkt das Ganze dann aber leider hinter seinen ästhetisch-technischen Aspekten hinterher, und präsentiert eine unausgegorene, weil niemals auf die Basis einer vollwertige Mythologie gestellte Gruselmär, die zwar oberflächlich so tut, als würde sie sich irgendwie auf die Deutsche Romantik à la Gebrüder Grimm beziehungsweise überhaupt das Arsenal heimischer Schauerromantik beziehen, unterm Strich aber doch bloß eine abgeschmackte Gespenstergeschichte darstellt, die sich alsbald in die üblichen Slasher-Klischees und Geisterbahneffekte verliert.
Dennoch kann ich nicht verhehlen, mit einem Fünkchen Hoffnung an RAPUNZELS FLUCH 2 herangegangen zu sein: Was, wenn Brückner in den vergangenen drei Jahren auf den Trichter gekommen sein sollte, dass man neben einer ansprechenden formalen Gestaltung vielleicht doch auch die eine oder andere inhaltliche Innovation aufs Tapet bringen sollte? Leider macht das Sequel all diese Tagträume schnell zunichte: Die Story ist genauso flach, ereignislos, letztlich redundant wie bei Teil 1 – mit dem Unterschied, dass RAPUNZELS FLUCH 2 nicht mal mehr irgendwelche Dinge aufbietet, die meinem Auge schmeicheln.
Die Burg aus dem Vorgänger taucht nur noch zu Beginn als Handlungsort auf, dafür entspinnt sich die extrem sedative Handlung größtenteils in einer frischbezogenen Wohnung, die naturgemäß eher weniger mit Schauwerten (oder überhaupt Mobiliar) gesegnet ist. Einzug gehalten hat dort das Geschwisterpärchen Erik und Katharina, die gerade eine schwere Zeit durchleben: Erik hat bei einem Unfall eine Gruppe Podcaster zu Tode gefahren, die wiederum ausgezogen waren, in der Burg, die im Vorgängerfilm der Rachedämonin Rapunzel als Heimstatt dient, auf Geisterjagd zu gehen. Die Schuld an deren Ableben wird den Toten angekreidet, die, wie die Spurensicherung nachweist, völlig kopflos vor Eriks Kühlergrill gesprungen sind. Obwohl Erik selbst niemand den Prozess macht, wird er natürlich trotzdem von Schuldgefühlen geplagt, immerhin gehen auf sein Konto nunmehr ein paar Menschenleben auf dem Konto. Diese Bisse ins Gewissen sind es auch, wie seine Schwester mutmaßt, die ihm nachts den Schlaf rauben, sich in Gestalt grässlicher Höllenfratzen manifestieren, von denen Erik, und irgendwann auch sie, zunehmend malträtiert wird, und die dafür sorgen, dass er immer öfter unter spontanem Gedächtnisverlust leidet, sich nicht mehr erinnern kann, weshalb und wie er an einen bestimmten Ort gelangt ist.
Uns wissendem Publikum ist demgegenüber schnell klar, dass Rapunzel sowohl hinter dem Katharina und Erik zusetzendem Wohnungsspuk wie auch hinter Eriks fortschreitender Dissoziation steckt. Zunächst hat die Ruhelose die Podcaster-Truppe besetzt, ist sodann während des Autounfalls auf Fahrer Erik übergesprungen, und plant nun, die einzige Überlebende des Massakers aus Teil 1, Alina Grimm, zu beseitigen, die seit den Vorkommnissen in der Geschlossenen sitzt. Denn, wir erinnern uns: Die Prämisse des Vorgängerfilms ist es gewesen, dass Alina als einzige Nachkommin eines Exorzisten im 17. Jahrhundert automatisch zum Zielscheibe des Hasses Rapunzels wurde, als sie sich, unwissentlich, auf jene Burg begibt, wo ihr Ururururahn dem Dämon einst erfolgreich zu bannen verstand, um dort ihren Abschlusshochschulfilm zu drehen. Jahrelang hat Rapunzel in dem Gemäuer gewartet, bis in Gestalt der Podcaster endlich neues Frischfutter auflief, das man zum Body-Switiching missbrauchen konnte. Im Finale wird nun Eriks Körper für Rapunzel zum hilfreichen Werkzeug, um sich den Weg in die Psychiatrie zu bahnen und dort ein Blutbad anzurichten…
…und bis dieses Blutbad dann endlich überraschend graphisch über uns hereinprasselt, muss man sich weit über eine Stunde durch Szenen quälen, in denen die Geschwister von "gruseligen" Erscheinungen aka Jump Scares am laufenden Band innerhalb ihrer neuen Wohnung verängstigt werden, in denen Alina hinter Zellentüren ihrer behandelnden Ärztin gegenüber prophezeit, auf sie würde eine unheilvolle Zukunft lauern, und, als dritter Handlungsstrang, ein Oberkommissar kurz vor der Rente und sein Assistent mit mäßigem Gelingen die Ermittlungen betreiben, was genau es denn gewesen sein könnte, das die Hobbygeisterjäger derart verschreckt hat, dass sie sich kopfüber vor die Räder eines fahrenden PKWs werfen.
Exakt zwei Dinge haben mir an RAPUNZELS FLUCH 2 gefallen: Zum einen der gesamte Prolog, der konsequent aus wackliger Smartphonekameraperspektive der Podcaster gefilmt ist, und der den Eindruck erweckt, beim zweiten Teil würde Brückner nun vollends auf den Found-Footage-Zug aufspringen. Dass nach fünf bis zehn Minuten dann doch zum Modus eines herkömmlichen Spielfilms gewechselt wird, damit hatte ich, ehrlich gesagt, schon nicht mehr gerechnet. Man verstehe mich nicht falsch: Nicht dass ich besonders scharf darauf gewesen wäre, diese Unsympathen, die sich im Live-Stream einer Séance unterziehen, und dann die Geister nicht mehr vom Hals bekommen, die sie willentlich herbeigerufen habe, einen kompletten Film lang zu ertragen, doch der jähe formale Wechsel ließ mich doch eine kurze Sekunde darüber erstaunen, dass Brückner mich auf eine falsche Fährte gelockt hatte. Zum andern empfand ich den Darsteller des erwähnten Oberkommissars Schulz als überaus anheimelnd: Ein gewisser Juergen J. Straub, der laut der IMDB anscheinend schon in den 70ern in einer Mini-Rolle für Ingmar Bergman vor der Kamera stand und seitdem in etlichen TV-Produktionen mitgewirkt hat, und dem man anmerkt, dass es sich bei ihm, im Gegensatz zum übrigen Cast, um einen Schauspieler handelt, der seine Profession von der Pike auf gelernt hat. Schulz steht, wie gesagt, kurz vor der Pension, und möchte eigentlich am liebsten seine letzten Arbeitswochen lang noch eine ruhige Kugel schieben - und dann kommen ihm Rapunzel, der besessene Erik, ein niedergemetzeltes Trio von Social-Media-Selbstprofilierern in die Quere. Möglicherweise habe ich in der Figur auch einfach mich selbst wiedererkannt: So wie Schulz keine Lust auf den Fall hat, bewegte sich meine Lust, diesen Film weiterzuschauen, irgendwann auf den Nullpunkt zu.
Neben der suboptimalen Inszenierung, der man eigentlich schon Arbeitsverweigerung unterstellen kann, ist es vor allem eine Sache, die RAPUNZELS FLUCH 2 das Genick bricht: Schon im ersten Teil wirkte die gesamte Geschichte um die historische Rapunzel, um ihren frühneuzeitlichen Exorzismus, um dessen Nachfahrin Alina Grimm (sic!) wie eine hingeschluderte Skizze, der noch ziemlich viel Fleisch auf den Knochen fehlt, um ansatzweise Originalität für sich beanspruchen; in Teil Zwei wird nun selbst auf das narrative Gerüst, das RAPUNZELS FLUCH vorformulierte, kaum noch eingegangen, und ich kann mir vorstellen, dass jemand, der den ersten Film entweder gar nicht oder vor geraumer Zeit gesehen hat, einige der Plot-Entwicklungen gar nicht nachvollziehen kann - zumal die Story ja überaus konstruiert daherkommt, und die gesamte Chose um die Geschwister Erik und Katharina ja bloß dazu dient, um am Ende doch wieder auf die alte Leier von Rapunzel vs. Familie Grimm umzuschwenken.
Knappe letzte Worte: RAPUNZELS FLUCH 2 dürfte der langweiligste, uninspirierteste, fadeste Genre-Beitrag sein, den ich in letzter Zeit sehen musste, eine wahre Bankrotterklärung, bei denen man am liebsten so langes Haar wie die märchenhafte Titelheldin hätte, um es aus dem Fenster hängen zu lassen, auf dass ein Prinz daran hochklettert, und einem den Laptop ausknipst, damit man diesen Humbug nicht weiterschauen muss, puh...
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Re: Rapunzels Fluch 2 - David Brückner (2023)
Erscheint voraussichtlich am 01.12.2023 bei Soulfood zusammen mit Teil 1 noch einmal auf Blu-ray in zwei verschiedenen Mediabooks:
Cover A, limitiert auf 500 Exemplare
Cover B, limitiert auf 500 Exemplare
Extras:
- Kurzfilm Claustrophobia - Hinter den Kulissen - Interviews mit Cast & Crew - Outtakes - Slideshow, Teaser Trailer, Original Trailer - Bildergalerie mit Setfotos - Audiokommentar des Regisseurs - Der komplette Soundtrack von Rapunzel 1 & 2
Quelle: OFDb-Shop
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Cover B, limitiert auf 500 Exemplare
Extras:
- Kurzfilm Claustrophobia - Hinter den Kulissen - Interviews mit Cast & Crew - Outtakes - Slideshow, Teaser Trailer, Original Trailer - Bildergalerie mit Setfotos - Audiokommentar des Regisseurs - Der komplette Soundtrack von Rapunzel 1 & 2
Quelle: OFDb-Shop
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- Salvatore Baccaro
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Re: Rapunzels Fluch 2 - David Brückner (2023)
Auf den Audiokommentar des Regisseurs wäre ich ja wirklich mal gespannt...