Sexarbeiterin - Sobo Swobodnik (2016) [Doku]
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Sexarbeiterin - Sobo Swobodnik (2016) [Doku]
Originaltitel: Sexarbeiterin
Herstellungsland: Deutschland / 2016
Regie: Sobo Swobodnik
Mitwirkende: Lena Morgenroth, Thekla Morgenroth, Kerstin Runte u. A.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Sexarbeiterin - Sobo Swobodnik (2016) [Doku]
„Ja, ich mach‘ gerne Analmassagen!“
Der deutsche Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik („BErliN - Aus diesem Trallala kommst du nicht raus“) trat mit seinem im Jahre 2016 veröffentlichten Dokumentarfilm „Sexarbeiterin“ an, die Berliner Sexarbeiterin Lena Morgenroth in ihren Selbstverständnis sowohl bei ihrer Arbeit als auch in ihrem Alltag zu dokumentieren und ihre Tätigkeit damit zu entmystifizieren. Der mittels Crowdfunding finanzierte 97-minütige Film ist komplett in Schwarzweiß gehalten und wurde in fünf Akte unterteilt.
Der Prolog zeigt eine Kundin Morgenroths, die von ihr gerade per Hand zum Orgasmus gebracht wird. Zum von einer Interpretin namens Ines gesungenen Titellied, an dessen Text Morgenroth mitgeschrieben hat, zeigt der Film stilisierte Einzelszenen, teils in Zeitlupe, aus Morgenroths normalem Alltag und ihrem Beruf. Der erste Akt geht von einem aus dem Off ertönenden Radiobeitrag über zu einem Radiogespräch Morgenroths im Studio, bei dem sie ganz offen über ihre Arbeit plaudert und damit, ob bewusst oder unbewusst, für Akzeptanz wirbt. Als Vorstandsmitglied des Berufs¬ver¬bands erotische und sexuelle Dienst¬leis¬tungen wird sie indes ihre Interessen vertreten, auch ein Stück weit Lobbyarbeit betreiben. Der Kamera zeigt sie sich nackt im Badezimmer bei der Hygiene, beim Frühstück und beim Lesen. Ihr Arbeitstag beginnt, indem sie mit Interessent(inn)en telefoniert. Bereitwillig beantwortet sie Fragen, ob am Telefon, beim vorbereitenden Gespräch mit einer sich ebenfalls ganz offen gebenden Kundin oder im Rahmen des Films (bei dem die fragende Person unsichtbar bleibt, auch auf jegliche Kommentierung wird verzichtet). Bei der Ausübung einer erotischen Massage ist die Kamera dann ebenso selbstverständlich wieder dabei wie bei Morgenroths Gang zum Bahnhof und beim Tippen auf ihrem Notebook während ihrer Fahrt auf einen Sexkongress. Erneut erklingt das Titellied, das sporadisch immer wieder zu hören sein wird.
Akt 2: Morgenroth sortiert Akten und liest aus ihren angefertigten Kundenprofilen vor, bevor sie ihren Arbeitsplatz vorbereitet und ihren Auftrag an einer Frau ausführt. Anschließend Radio, Alltag, der nächste Job. Ihre Lebensgefährtin taucht vermehrt in den Alltagsbildern auf, zunächst ohne vorgestellt zu werden. Der nächste Schnitt führt zum Verbandskongress der Sexarbeiterinnen, bevor sie beim Klettersport gefilmt wird. Während man noch sinnieren mag, welchen Sinn diese Aufteilung in Akte wohl haben mag, wenn die Chronologie offenbar ohnehin aufgebrochen und zerteilt wurde, beginnt auch schon Akt 3: Am Rathaus Schöneberg steigt Morgenroth in eine S-Bahn und telefoniert amüsanterweise wenig diskret mitten in der Bahn mit einer Interessentin oder einem Interessenten. Der Film verfolgt sein Konzept recht stringent und überraschungsarm weiter, wird bei einer Analmassage in seinen Bildern jedoch etwas expliziter. Der vierte Akt kontrastiert diese Szene damit, wie Morgenroth mit ihrer Familie bei Kaffee und Kuchen zusammensitzt. Es kommt zur Sprache, wie ihre Familie auf ihren Beruf reagiert habe. Eine Radiosendung enthält Morgenroths Statements zum Themenkomplex Sexarbeit, der ihre Position verdeutlicht. U.a. erzählt sie von ihrer Beteiligung an einer Protestaktion gegen ein Anti-Sexarbeitsbuch der pornografie- und prostitutionsfeindlichen Feministin Alice Schwarzer. Akt 4 endet mit Morgenroth bei BDSM-Spielen mit ihrer Lebensgefährtin.
Im finalen Akt wird ihre Liebesbeziehung im Radio thematisiert, erhält sie eine Möbellieferung, führt sie an einem Kunden einen Handjob in Kombination mit Lustgewinn durch heißes Kerzenwachs durch, sucht sie einen geeigneten Raum und fingert sie eine weitere Kundin, bevor erstmals Sängerin Ines gezeigt wird, die zum letzten Mal ihr Lied singt.
Ein Vorstandsmitglied organisierter Sexarbeiterinnen in bedeutungsschwangerem Schwarzweiß und mittels weiterer Stilmittel ästhetisch aufgepeppt zu zeigen, wie sie scheinbar selbstverständlich erotische und sexuelle Dienstleistungen in ihren Alltag integriert und damit ihren Lebensunterhalt bestreitet, hat beinahe mehr von einem Werbefilm denn von einer nüchternen Dokumentation. Morgenroth geht es um Entmystifizierung und Entstigmatisierung, Swobodnik bietet ihr eine Bühne. Diese füllt Morgenroth, die, wie wir erfahren, mit ihren sexuellen Neigungen und partnerschaftlichen Vorlieben ohnehin nie in ein konservativ-kleinbürgerliche Welt- und Menschenbilder passte, mit Leichtigkeit aus – Offenheit und körperlicher Exhibitionismus scheinen ihr in die Wiege gelegt. Jedoch muss sie sich auch keinerlei allzu neugierigen oder gar kritischen Fragen stellen. Weshalb sie zwar alle erdenklichen sexuellen Dienstleistungen, jedoch keinen Geschlechtsverkehr inklusive Penetration anbietet, wie es jedoch die allermeisten Sexarbeiterinnen und -arbeiter tun, kommt ebenso wenig zur Sprache wie etwaige Schattenseiten des Berufs, eigene negative Erfahrungen, die es schließlich auch geben muss, oder schlicht irgendetwas, woran sich bei der Diskussion um Sexarbeit anknüpfen ließe oder was Unbedarften vermitteln könnte, weshalb es sich um keinen klassischen Ausbildungsberuf handelt. Morgenroth scheint stets die Kontrolle über das von ihr vermittelte Bild zu behalten, und dieses bleibt für ein wirkliches Porträt viel zu glatt.
Diese Kontrolle scheint Morgenroth auch stets bei der überaus selbstbewussten Ausübung ihres Berufs innezuhaben, was einer der Schlüssel dafür sein dürfte, diese Art von körpernaher Dienstleistung bzw. Prostitution – sprich: Sexarbeit – als emanzipatorischen, selbstbestimmten Akt zu begreifen, für den dieser Film als Plädoyer betrachtet werden kann. „Sexarbeiterin“ zeigt einen Gegenentwurf zur amoralischen, weil mit Menschenhandel, Ausbeutung und/oder menschlichem Elend verbundenen Seite des Geschäfts. Diese wird zwar nicht verleugnet, andererseits aber auch gar nicht erst erwähnt. Damit ist dieser Film ein Diskussionsbeitrag, jedoch keine Diskussion selbst. Als solcher bietet er einen interessanten Blick hinter die Kulissen, zeigt eine lebenslustige junge Frau mit einem alternativen Lebensentwurf, der für sie aufzugehen scheint, und vermittelt ein anzustrebendes Idealbild von Sexarbeit, über dessen Verbreitungsgrad man leider nichts erfährt. Für wie viel Prozent der Sexarbeiterinnen und -arbeiter es als exemplarisch betrachtet werden kann, bleibt im Dunkeln.
All das hätte der Film allerdings auch ohne künstlerisch ambitionierte Pretiosen und in zwei Drittel oder gar der Hälfte der Zeit geschafft, und hätte dann weniger eitel und selbstverliebt gewirkt. Denn für 97 Minuten gibt Morgenroth letztlich aller Freizügigkeit zum Trotz zu wenig von sich preis – da ist sie ganz der Profi, der sie wahrscheinlich auch bei der Ausübung ihres Berufs sein muss. Fokussiert sich ein Film jedoch derart lang auf eine Einzelperson, möchte man sie doch aber auch mit ihren Ambivalenzen, Widersprüchen und Brüchen kennenlernen, nicht nur als Aushängeschild eines sicherlich in der jetzigen Form viel zu undifferenziert stigmatisierten Berufsstands.
Der deutsche Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik („BErliN - Aus diesem Trallala kommst du nicht raus“) trat mit seinem im Jahre 2016 veröffentlichten Dokumentarfilm „Sexarbeiterin“ an, die Berliner Sexarbeiterin Lena Morgenroth in ihren Selbstverständnis sowohl bei ihrer Arbeit als auch in ihrem Alltag zu dokumentieren und ihre Tätigkeit damit zu entmystifizieren. Der mittels Crowdfunding finanzierte 97-minütige Film ist komplett in Schwarzweiß gehalten und wurde in fünf Akte unterteilt.
Der Prolog zeigt eine Kundin Morgenroths, die von ihr gerade per Hand zum Orgasmus gebracht wird. Zum von einer Interpretin namens Ines gesungenen Titellied, an dessen Text Morgenroth mitgeschrieben hat, zeigt der Film stilisierte Einzelszenen, teils in Zeitlupe, aus Morgenroths normalem Alltag und ihrem Beruf. Der erste Akt geht von einem aus dem Off ertönenden Radiobeitrag über zu einem Radiogespräch Morgenroths im Studio, bei dem sie ganz offen über ihre Arbeit plaudert und damit, ob bewusst oder unbewusst, für Akzeptanz wirbt. Als Vorstandsmitglied des Berufs¬ver¬bands erotische und sexuelle Dienst¬leis¬tungen wird sie indes ihre Interessen vertreten, auch ein Stück weit Lobbyarbeit betreiben. Der Kamera zeigt sie sich nackt im Badezimmer bei der Hygiene, beim Frühstück und beim Lesen. Ihr Arbeitstag beginnt, indem sie mit Interessent(inn)en telefoniert. Bereitwillig beantwortet sie Fragen, ob am Telefon, beim vorbereitenden Gespräch mit einer sich ebenfalls ganz offen gebenden Kundin oder im Rahmen des Films (bei dem die fragende Person unsichtbar bleibt, auch auf jegliche Kommentierung wird verzichtet). Bei der Ausübung einer erotischen Massage ist die Kamera dann ebenso selbstverständlich wieder dabei wie bei Morgenroths Gang zum Bahnhof und beim Tippen auf ihrem Notebook während ihrer Fahrt auf einen Sexkongress. Erneut erklingt das Titellied, das sporadisch immer wieder zu hören sein wird.
Akt 2: Morgenroth sortiert Akten und liest aus ihren angefertigten Kundenprofilen vor, bevor sie ihren Arbeitsplatz vorbereitet und ihren Auftrag an einer Frau ausführt. Anschließend Radio, Alltag, der nächste Job. Ihre Lebensgefährtin taucht vermehrt in den Alltagsbildern auf, zunächst ohne vorgestellt zu werden. Der nächste Schnitt führt zum Verbandskongress der Sexarbeiterinnen, bevor sie beim Klettersport gefilmt wird. Während man noch sinnieren mag, welchen Sinn diese Aufteilung in Akte wohl haben mag, wenn die Chronologie offenbar ohnehin aufgebrochen und zerteilt wurde, beginnt auch schon Akt 3: Am Rathaus Schöneberg steigt Morgenroth in eine S-Bahn und telefoniert amüsanterweise wenig diskret mitten in der Bahn mit einer Interessentin oder einem Interessenten. Der Film verfolgt sein Konzept recht stringent und überraschungsarm weiter, wird bei einer Analmassage in seinen Bildern jedoch etwas expliziter. Der vierte Akt kontrastiert diese Szene damit, wie Morgenroth mit ihrer Familie bei Kaffee und Kuchen zusammensitzt. Es kommt zur Sprache, wie ihre Familie auf ihren Beruf reagiert habe. Eine Radiosendung enthält Morgenroths Statements zum Themenkomplex Sexarbeit, der ihre Position verdeutlicht. U.a. erzählt sie von ihrer Beteiligung an einer Protestaktion gegen ein Anti-Sexarbeitsbuch der pornografie- und prostitutionsfeindlichen Feministin Alice Schwarzer. Akt 4 endet mit Morgenroth bei BDSM-Spielen mit ihrer Lebensgefährtin.
Im finalen Akt wird ihre Liebesbeziehung im Radio thematisiert, erhält sie eine Möbellieferung, führt sie an einem Kunden einen Handjob in Kombination mit Lustgewinn durch heißes Kerzenwachs durch, sucht sie einen geeigneten Raum und fingert sie eine weitere Kundin, bevor erstmals Sängerin Ines gezeigt wird, die zum letzten Mal ihr Lied singt.
Ein Vorstandsmitglied organisierter Sexarbeiterinnen in bedeutungsschwangerem Schwarzweiß und mittels weiterer Stilmittel ästhetisch aufgepeppt zu zeigen, wie sie scheinbar selbstverständlich erotische und sexuelle Dienstleistungen in ihren Alltag integriert und damit ihren Lebensunterhalt bestreitet, hat beinahe mehr von einem Werbefilm denn von einer nüchternen Dokumentation. Morgenroth geht es um Entmystifizierung und Entstigmatisierung, Swobodnik bietet ihr eine Bühne. Diese füllt Morgenroth, die, wie wir erfahren, mit ihren sexuellen Neigungen und partnerschaftlichen Vorlieben ohnehin nie in ein konservativ-kleinbürgerliche Welt- und Menschenbilder passte, mit Leichtigkeit aus – Offenheit und körperlicher Exhibitionismus scheinen ihr in die Wiege gelegt. Jedoch muss sie sich auch keinerlei allzu neugierigen oder gar kritischen Fragen stellen. Weshalb sie zwar alle erdenklichen sexuellen Dienstleistungen, jedoch keinen Geschlechtsverkehr inklusive Penetration anbietet, wie es jedoch die allermeisten Sexarbeiterinnen und -arbeiter tun, kommt ebenso wenig zur Sprache wie etwaige Schattenseiten des Berufs, eigene negative Erfahrungen, die es schließlich auch geben muss, oder schlicht irgendetwas, woran sich bei der Diskussion um Sexarbeit anknüpfen ließe oder was Unbedarften vermitteln könnte, weshalb es sich um keinen klassischen Ausbildungsberuf handelt. Morgenroth scheint stets die Kontrolle über das von ihr vermittelte Bild zu behalten, und dieses bleibt für ein wirkliches Porträt viel zu glatt.
Diese Kontrolle scheint Morgenroth auch stets bei der überaus selbstbewussten Ausübung ihres Berufs innezuhaben, was einer der Schlüssel dafür sein dürfte, diese Art von körpernaher Dienstleistung bzw. Prostitution – sprich: Sexarbeit – als emanzipatorischen, selbstbestimmten Akt zu begreifen, für den dieser Film als Plädoyer betrachtet werden kann. „Sexarbeiterin“ zeigt einen Gegenentwurf zur amoralischen, weil mit Menschenhandel, Ausbeutung und/oder menschlichem Elend verbundenen Seite des Geschäfts. Diese wird zwar nicht verleugnet, andererseits aber auch gar nicht erst erwähnt. Damit ist dieser Film ein Diskussionsbeitrag, jedoch keine Diskussion selbst. Als solcher bietet er einen interessanten Blick hinter die Kulissen, zeigt eine lebenslustige junge Frau mit einem alternativen Lebensentwurf, der für sie aufzugehen scheint, und vermittelt ein anzustrebendes Idealbild von Sexarbeit, über dessen Verbreitungsgrad man leider nichts erfährt. Für wie viel Prozent der Sexarbeiterinnen und -arbeiter es als exemplarisch betrachtet werden kann, bleibt im Dunkeln.
All das hätte der Film allerdings auch ohne künstlerisch ambitionierte Pretiosen und in zwei Drittel oder gar der Hälfte der Zeit geschafft, und hätte dann weniger eitel und selbstverliebt gewirkt. Denn für 97 Minuten gibt Morgenroth letztlich aller Freizügigkeit zum Trotz zu wenig von sich preis – da ist sie ganz der Profi, der sie wahrscheinlich auch bei der Ausübung ihres Berufs sein muss. Fokussiert sich ein Film jedoch derart lang auf eine Einzelperson, möchte man sie doch aber auch mit ihren Ambivalenzen, Widersprüchen und Brüchen kennenlernen, nicht nur als Aushängeschild eines sicherlich in der jetzigen Form viel zu undifferenziert stigmatisierten Berufsstands.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!