Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
Darsteller(innen): Hansjörg Felmy, Ulli Philipp, Wolfgang Völz, Julia Valet, Alexander Winter, Joachim Wichmann, Brigitte Mira, Karin Heym, Alexander May, Linde Fulda, Hans Häckermann, Gert Haucke, Ingeborg Lapsien, Ingrid Steeger, Wolfrid Lier, Hans Helmut Dickow, Horst Michael Neutze u. A.
Philipp Kelch (Hansjörg Felmy) muss sich gemeinsam mit seinem Chauffeur Butzke (Wolfgang Völz) und seiner Sekretärin Sabine (Ulli Philipp) unkonventioneller – und nicht immer ganz legaler – Mittel und Tricks bedienen, um sein Unternehmen nicht untergehen zu lassen. Hintergrund: Philipp wurde von einem Großkunden hintergangen und steht kurz vor dem Ruin. Er möchte jedoch seine Angestellten weiterbezahlen und auch auf sein Luxusleben nicht gerne verzichten. Da greift er zu phantasievollen Methoden, um zu überleben …
Quelle: Covertext
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Wolfgang Menge, Drehbuchautor u.a. manch bissiger TV-Satire („Ein Herz und eine Seele“, „Das Millionenspiel“), irritierte das bundesdeutsche Fernsehpublikum im Jahre 1986 mit der sechsteiligen Gaunerkomödie „Unternehmen Köpenick“, die erst auf 3sat und schließlich sonntags im Vorabendprogramm des ZDF ausgestrahlt wurde. Regisseur der jeweils knapp 45-minütigen Episoden ist Hartmut Griesmayr (u.a. diverse „Tatort“-Folgen), die Hauptrollen bekleiden Hansjörg Felmy (WDR-„Tatort“-Kommissar von 1974 bis 1980), Ulli Philipp („Monaco Franze – Der ewige Stenz“) und Wolfgang Völz („Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“).
„Kunst und Feinkost haben eine Menge miteinander zu tun.“
Nachdem der kleine Hamburger Konservenhersteller „Feinkost Kelch“ vom Einzelhandelskettenleiter Anton Galewski (Alexander May, „Die Wicherts von nebenan“) bewusst in die Insolvenz getrieben wurde und schließlich droht, von diesem feindlich übernommen, sprich: aufgekauft zu werden, steht Inhaber Philipp Kelch (Hansjörg Felmy) vor den Trümmern seiner unternehmerischen Existenz. Der alleinerziehende Vater von zwei Kindern im Grundschulalter sieht nur noch einen Ausweg, seinen Lebensstandard zu halten und eventuell sein Unternehmen zurückzugewinnen: den Weg in die Illegalität. Seine Sekretärin Sabine Brinkmann (Ulli Philipp) und seinen Chauffeur Butzke (Wolfgang Völz) macht er kurzerhand zu Komplizen. Zu dritt schlüpft man in die verschiedensten Rollen und Maskeraden, um mit teils kapitalen, teils kleineren Betrügereien Reibach zu machen. Zu einem der Opfer von Kelch & Co. wird ausgerechnet der pensionierte Kriminalkommissar Gustav Suhrbier (Joachim Wichmann, „Der Schnüffler“) vom Betrugsdezernat, dessen Wege immer wieder jene Kelchs kreuzen…
Auf einen verdammt coolen Spielautomatenvorspann, an dessen Ende Kelch schelmisch und zugleich süffisant in die Kamera lächelt, folgt zunächst der von Galewski initiierte Konkurs Kelchs, gefolgt von einem großartigen wirtschaftskritischen Monolog Kelchs über Ökonomie und Moral, aus dem man deutlich Menges Handschrift heraushört, und eben Kelchs folgenschwerem Entschluss, kriminell zu werden. Kelch wird als sehr kultiviert, aber auch rechthaberisch und herrisch, mitunter pingelig und aufgeblasen charakterisiert. Mittels einer genial durchgeplanten Köpenickiade ergaunert man sich wertvolle Gemälde von Galewski persönlich – und verkauft diese an einen Sammler in Übersee. Der erste Schachzug ist fulminant geglückt.
In der zweiten Episode allerdings verkauft man Kühe als Anlageobjekte an normale, „kleine“ Leute, darunter besagten pensionierten Ex-Kommissar Suhrbier, und verschickt billige Briefmarken als „Porträts von Persönlichkeiten“ an eine ahnungslose Kundschaft. Menge verpackt eine Diskussion über Steuersparmodelle von Zahnärzten und EG-Landwirtschaftssubventionen in Dialoge; ein Lamento über teure Zahnärzte zieht sich durch die Episode. Hier wird’s erstmals eigenartig, denn die von Kelch, Brinkmann und Butzke betriebene Bauernfängerei ist nicht sonderlich sympathisch, die eingeflochtene Polit-Kritik wirkt etwas erzwungen und während die Zahnarztthematik allenfalls für augenzwinkernde Seitenhiebe gut wäre, scheint sie hier die Methoden Kelchs und Konsorten rechtfertigen zu sollen.
In Episode 3 tritt Brigitte Mira („Berlin Alexanderplatz“) als Schwester Herrn Suhrbiers in Erscheinung (und bleibt als solche auch in den weiteren Episoden erhalten), während Kelch mit Haushälterin und Kindern urlaubt – auf Sylt, wo alles teuer ist bzw. extra kostet – und die anderen beiden versuchen, billige Bücher überteuert unters Volk zu bringen. Kelch debattiert uneinsichtig mit Gert Haucke („Didi und die Rache der Enterbten“) über die Kurtaxe, die ja nun einmal – Bonzen-Sylt hin oder her – ihren Sinn hat, prellt diese und holt seine Komplizen nach. Pikanterweise reisen auch Galewski zusammen mit einer Mitarbeiterin und die Suhrbiers nach Sylt. Während Herr Suhrbier den Gaunern auf die Schliche zu kommen versucht, treiben Kelch & Co. als falsche Kurverwaltungsmitarbeiter auf dem Autozug nach Sylt vermeintliche Kurtaxe ein – u.a. bei Galewski. Damit gelingt dieser Episode dann doch noch eine sehr vergnügliche Pointe.
Den Suhrbiers begegnet Kelch in der vierten Episode erneut, diesmal auf einem Jahrmarkt, wo er anderen als falscher Geschäftsführer das Essen stiehlt. Seine Kinder versuchen, ihn mit Brinkmann zu verkuppeln, und er erschleicht sich einen sündhaft teuren Konzertflügel – denn für ihn muss es stets vom Besten sein… Die Ausgangssituation der vorletzten Episode ist dann bemerkenswert schräg: Brinkmann vertritt eine Freundin als auf Bahnfahrten buchbare Sekretärin im Zugabteil, die Diktate wechselnder Geschäftsreisender entgegennimmt und tippt. Darüber lernt sie den Botschafter eines kleinen und armen südamerikanischen Staats kennen, der jemandem für die Übereignung einer Landpartie sucht. Brinkmann fällt sofort Kelch ein, doch dieser hadert zunächst und weiß nichts mit dieser Chance anzufangen. Dennoch fädelt Brinkmann eine Verlosung auf einem Presseball ein, durch den die großartig aufspielende Ingrid Steeger („Ich – Ein Groupie“) als Moderatorin führt und wo sich auch Carlo von Tiedemann (in Norddeutschland bekannter Radio- und TV-Moderator) ein Stelldichein gibt. Vom Gewinner des Grundstücks zockt Kelch Notariatsgebühren und dergleichen ab. Eine dann doch, auch innerhalb dieses Sujets, etwas arg überkonstruierte Folge.
Zu guter Letzt wird man in der finalen Episode auf eine Segelyacht im Hamburger Hafen aufmerksam, die von ihren Besitzern mehr oder weniger unbeachtet zurückgelassen wurde. Also gibt man sich als zum Verkauf bevollmächtigt aus, droht aber an internationalen Vorschriften und Bürokratie zu scheitern. Aus diesem Grund verübt man sogar einen Brandanschlag (!) auf das Schiff. Der Kaufinteressent wird an der Nase herumgeführt, man macht ihn gewissermaßen sogar ohne dessen Wissen zu einem Komplizen. Anschließend geht’s nach Mallorca, wo auch die Suhrbiers gerade weilen. Wird nun das dicke Ende eingeleitet? Achtung, Spoiler: Mitnichten, vielmehr das große Happy End. Gentleman-Gauner Kelch gibt den Suhrbiers ihr Geld zurück – „mit Zinsen“. Schwester Suhrbier freut sich, knuddelt ihn und meint, er brauche eigentlich nichts zurückzahlen – ihr Bruder habe das wegen seiner Doofheit verdient. Doch Kelch, nun ganz in Geberlaune, spielt ihnen sogar den Ertrag der Yacht zu. Man geht davon aus, dass der wahre Besitzer der Yacht sich ohnehin nie melden werde… Ein Showdown steht noch aus: Kelch düpiert Galewski und kauft per Aktienmehrheit sein Unternehmen zurück.
Es fällt nicht leicht, das Gesehene zu beurteilen. So viel für Wolfgang-Menge-Verhältnisse ungewohnte Naivität im Finale auch mitspielt, so sehr bereitet es über weite Strecken doch ein diebisches Vergnügen, den viele Jahre als äußerst populärer „Tatort“-Kommissar für Recht und Gesetz kämpfenden Felmy einmal auf der anderen Seite des Gesetzes agieren zu können. Generell ist das Ensemble vom Feinsten und weiß auch der Deutschland-in-den-‘80ern-Look zu gefallen. Die Hauptdarsteller spielen im Prinzip gleich mehrere Rollen, schlüpfen sie für ihre Gaunereien doch in unterschiedlichste Masken. Der Titel „Unternehmen Köpenick“ verspricht in dieser Hinsicht nicht zu viel. Doch was verspricht man sich von einem Menge? Sicherlich nicht, einen aufgeblasenen Popanz, der eben nicht nur Mitglieder der vermögenden Oberschicht, sondern auch einfache Leute skrupellos über den Tisch zieht, zum Sympathieträger einer komödiantischen Serie zu stilisieren.
Tatsächlich gibt es immer wieder Szenen, in denen Kelch wenig schmeichelhaft dargestellt wird, etwa wenn er im Restaurant auf feinen Pinkel macht und seinen Chauffeur unerträglich belehrend vollquatscht, weil dieser sich ein ehrliches Pils bestellt. Manch einer wurde für ein solches Verhalten schon verprügelt, und das vollkommen zurecht. Wenig sympathisch sind auch Felmys „konservative“ Einstellung zur Kindererziehung – autoritär und körperlicher Züchtigung nicht grundsätzlich abgeneigt – sowie seine Mentalität, dass das Beste für ihn gerade gut genug sei. Zeitweise steht der Verdacht im Raum, Menge treibe ein perfides Spiel mit seinem Publikum, indem er einen vermeintlichen Sympathieträger zur Identifikationsfigur und Mittelpunkt der Serie macht. Doch dazu passen weder Griesmayrs Inszenierung noch das Happy End. Oder wollte Menge vor den hier von Kelch angewandten und somit einem breiten Publikum präsentierten Methoden warnen? Wenn ja, so schwingt doch aber stets ein kräftiges, selbstgefälliges „Selbst schuld, wenn ihr so doof seid“ mit. Vermutlich ist „Unternehmen Köpenick“ auch schlicht eine als solche missglückte Persiflage auf die Wirtschaft und ihre Methoden, die im Endergebnis zu einer fragwürdigen Mischung aus Robin Hood, David gegen Goliath und schrulliger Gaunerklamotte geriet – die aber dennoch das Zeug dazu hat, kurzweilig zu unterhalten und sogar Spannung zu erzeugen, wenn einem das Lachen auch manchmal im Halse stecken bleibt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)