Wenn die Musik nicht wär' - Carmine Gallone (1935)

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Maulwurf
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Wenn die Musik nicht wär' - Carmine Gallone (1935)

Beitrag von Maulwurf »

 
Wenn die Musik nicht wär'
Deutschland 1935
Regie: Carmine Gallone
Paul Hörbiger, Karin Hardt, Sybille Schmitz, Louis Rainer, Ida Wüst, Willi Schaeffers, Hubert von Meyerinck, Annemarie Steinsieck, Max Wilmsen, Hugo Flink, Josefine Dora, Rudolf Biebrach, Harry Hardt, Herta Worell, Walter Schramm-Duncker, Emmy Wyda, Otto Sauter-Sarto

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Im Berlin des Jahres 1880 gibt der erfolglose Klaviervirtuose Florian Mayr, mit Y, Unterricht im Hause des Konsul Burmeester. Dummerweise ist Thekla, die hübsche Tochter des Hauses so untalentiert, dass er ihr eines Tages einen Klaps auf die Hände gibt. Tja, das war es dann mit dem Einkommen als Klavierlehrer. Sein Nachfolger, der Aufschneider Kusjmitsch von Prschitschkin, ist mehr an der Heirat mit Thekla interessiert, sieht diese doch gut aus und gehört vor allem einer reichen Familie an. Thekla allerdings findet Kusjmitsch ausgesprochen unausstehlich, ganz im Gegensatz zur Mama, die schnell Hochzeitspläne zwischen den beiden schmiedet. Dabei ist Thekla doch so schrecklich in den Florian Mayr, mit Y, verliebt …
Der macht mittlerweile die Bekanntschaft mit Ilonka Badacz, ihres Zeichens Meisterschülerin bei Franz Liszt, und bekommt dadurch die Möglichkeit, im Hause Tockenburg dem großen Meister vorspielen zu dürfen. Dumm nur, dass es statt eines Klavierkonzertes von Mayr einen Satz heiße Ohren für Kusjmitsch gibt: Dieser und Florian prügeln sich nämlich, weswegen die Sache mit dem Klaviererfolg erst mal gegessen ist. Ilonka Badacz aber hat sich in den Florian verknallt und schafft es, dass dieser Schüler (und Sekretär) bei Meister Liszt wird. Wo eines Tages auch wieder Kusjmitsch auftaucht, die Noten für die Hochzeit mit Thekla vor sich her tragend. Eigentlich, ja eigentlich will der Florian ja die Thekla, und eigentlich will die Thekla ja nur den Florian. Aber sie sind halt beide so stolz. Und Theklas Mutter ist so stur. Und die Ilonka … Und der Meister Liszt … Ach, wenn halt nur die Musik nicht wär‘ …

WENN DIE MUSIK NICHT WÄR' ist einfach so dermaßen heiter und beschwingt, ist lustig, hat schöne Musik und großartige Schauspieler, und besteht einfach aus unglaublich vielen amüsanten Episoden, da kommen dann solche Inhaltsangaben fast wie von selbst zustande. Der eigentlich viel zu alte Paul Hörbiger beweist als Mayr mit Y auf köstlichste sein komisches Talent, Karin Hardt als Thekla ist zuckersüß und sehr sexy, und Louis Rainer als Franz Liszt könnte mit seiner Ausstrahlung fast Conrad Veidt in den Schatten stellen. Fast. Aber die absolute Überraschung ist Sybille Schmitz, die energisch, frech und sehr komisch ganz gegen ihr sonstiges Image besetzt wurde, und als scharfe Ungarin den gleichen Elan an den Tag legt wie Liselotte Pulver es viele Jahre später in ICH DENKE OFT AN PIROSCHKA tun wird: Ein Energiebündel, bestehend aus Unverschämtheit, Frechheit, Eigennutz, Paprika und Schönheit. Wo ist die elegante und distanzierte Dame von Welt, die man bei Sybille Schmitz sonst so oft sah? Wo die weltentfernte Dame aus gutem Haus? Hier durfte sich die Schmitz mal so richtig austoben, und das tut dem Film ungemein gut. Der Schmitz'sche Schwung, die bayerische Schlitzohrigkeit von Paul Hörbiger (der hier als Österreicher tatsächlich einen Bayern mit ganz leichtem Akzent spielt), und die erotische Unschuld der Hardt, das passt alles so herrlich zusammen, dass man die mehr als holprige Geschichte der letzten 20 Filmminuten gerne verzeiht.

Wir reden hier halt von einem Musiklustspiel aus der Mitte der 1930er-Jahre, was von den meisten Menschen heutzutage als Schund angesehen wird. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich diesen Film sehen durfte, stellt er doch die meisten der ach so hochgelobten Filme eines Hans Moser oder eines Theo Lingen mit seiner Lockerheit und seinem natürlichen Witz locker in den Schatten. Schwere Empfehlung für eine längst überfällige Wiederentdeckung.

8/10
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