Zwischen gestern und morgen - Harald Braun (1947)

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Maulwurf
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Zwischen gestern und morgen - Harald Braun (1947)

Beitrag von Maulwurf »

 
Zwischen gestern und morgen
Deutschland 1947
Regie: Harald Braun
Hildegard Knef, Winnie Markus, Sybille Schmitz, Willy Birgel, Viktor de Kowa, Viktor Staal, Carsta Löck, Adolf Gondrell, Walter Kiaulehn,
Erich Ponto, Erhard Siedel, Otto Wernicke


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München 1947. Der Zeichner Michael Rott kommt nach 10 Jahren zurück nach München. In eine Stadt, die einmal fast sein Glück bedeutet hätte, und die jetzt aus Ruinen und Unglück besteht. Nicht nur die Häuser sind zerstört, auch die Menschen sind es. Durch die Schwarzmarktgeschäfte gibt es nur noch ein „Was bekomme ich dafür?“ – Nach 12 Jahren des Grauens gibt es kein Miteinander mehr, nur noch ein Gegeneinander. Es wird nicht mehr an die Unschuld geglaubt. Jeder ist schuldig. Irgendwie.
Rott quartiert sich in genau dem Hotel ein, in dem er vor 10 Jahren ebenfalls gewohnt hat, dem halb zerstörten Hotel Regina. Doch die Menschen begegnen ihm mit Misstrauen und Ablehnung. Und dann denkt man, wenn man jetzt als Freund wieder zurück kommt in ein Land, das fast alle Freunde verloren hat, dann müsste man willkommen sein. Und was hat der fremde Herr aus der Schweiz erlebt? Dass man ihm mit einem lauten Knall die Tür vor der Nase wieder zuwirft. Rott bekommt heraus, dass damals vor 10 Jahren, ein wertvoller Schmuck abhanden kam, und er seitdem als Dieb angesehen wird. Jetzt ist er wieder da, zurück aus der Sicherheit des Schweizer Exils, und die Erinnerungen an diesen letzten Abend im Hotel kommen wieder hoch.

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München 1937.
Michael Rott. Der aufstrebende Zeichner und Karikaturist trifft sich mit dem Ministerialdirektor Trunk, einem hohen Tier im Propagandaministerium, von dem er sich Aufträge erhofft. Vor dem Treffen karikiert er Trunk, und durch einen unglücklichen Umstand findet dieser die Zeichnung und steckt sie ein. Zu spät merkt Rott, dass er durch seine Leichtfüßigkeit und seine Art, nichts wirklich ernst zu nehmen, sein Leben riskiert. Er wird nie erfahren, dass er auch das Leben seiner Freunde riskiert, da er sich in die Schweiz absetzt, wo er in Sicherheit sein und es ihm gut gehen wird. Und während die Menschen zuhause in langen Bombennächten um alles zittern müssen was sie ausmacht, sitzt Rott im sicheren Ausland und glaubt an das Gute im Menschen. Wen wundert es, dass er jetzt scheel angeschaut wird?

Alexander Corty. Der früher erfolgreiche Schauspieler will wieder zurück auf die Bühne, doch das wird ihm verboten. Als Liebhaber ist sein Typ nicht mehr gefragt, auch wenn er gegen eine entsprechende Änderung der Gage gerne die älteren und gesetzten Herrn spielen dürfte. Aber mit seinen grauen Haaren und dem gesetzten Benehmen ist er ein Relikt aus fernen Zeiten, das nach erfolgreichen Filmjahren nun auf der Bühne eigentlich nichts mehr verloren hat. So wird es ihm zumindest erklärt, aber es stellt sich die Frage, ob die Begegnung mit seiner Ex-Frau Nelly Dreyfuss nicht ausschlaggebend dafür war, dass der Agent nichts mehr von ihm wissen will.

Nelly Dreyfuss. Cortys frühere Frau, eine Jüdin, die nach Monaten im Versteck endlich wieder einmal den Geschmack eines luxuriösen Lebens atmen möchte. Teppich, Champagner - Eine Badewanne! Sie trifft Corty, aber sie wird auch von Trunk erkannt, der weiß, dass sie eine Jüdin ist. Nelly möchte ihrem Ex-Mann das letzte geben was sie besitzt, ihren kostbaren Schmuck, um ihm wieder auf die Füße zu helfen, doch Corty weigert sich den Schmuck anzunehmen. In ihrer Verzweiflung gibt sie Rott den Schmuck, weil sie weiß, dass dieser mit Corty befreundet ist. Sie bittet ihn, ihrem Ex-Mann den Schmuck gleich am nächsten Morgen zu überreichen. Es ist der Abend, an dem Rott vor der Polizei Hals über Kopf flüchten muss.

Annette Rodenwald. Sie führt den Kiosk im Hotel und ist in Rott verliebt. Und er in sie. Sie verbringen einen Teil dieser letzten Nacht miteinander. Doch als Rott wieder in seinem Zimmer ist wird er gewarnt, und tatsächlich sind Trunk und die Gestapo schon auf dem Weg zu ihm. Er kann flüchten, doch selbst dies ist nur die halbe Geschichte. Denn als die Polizei in sein Zimmer kommt ist da noch jemand.

Victor de Kowa. Der Nationalsozialist, der sich als Opfer des Nationalsozialismus ins Bild setzen lässt. Und der in den ersten Sekunden seines Auftritts aussieht, als ob er das alles hier nicht gewollt hat, und von dem Ergebnis seiner politischen Überzeugung vollkommen niedergeschmettert scheint. Menschlich gesehen das allerletzte, ist seine schauspielerische Leistung hier allesüberragend. Michael Rott ist ein Mensch, der nicht versteht was er sieht. Der sich als Heimkehrer in einer Welt zurechtfinden muss, die nicht mehr die seine ist. In der er als Verbrecher angesehen wird, dessen Motiv für die Rückkehr nebulös und uninteressant ist. Alle anderen sehen ihn als miese Type an, und vielleicht ist de Kowa auch deswegen so überzeugend, weil er seine jetzigen Erfahrungen als einstiger Parteigänger zeigen kann. Weil er das, was er menschlich nach 1945 erlebt hat, in diese Rolle einbringen konnte. Das bemerkenswerteste Bild des Films dürfte in diesem Zusammenhang die Szene sein, wenn de Kowa mit seinen Koffern über einen schmalen Steg inmitten der Trümmer balanciert. Wobei sowohl die Trümmer wie auch der (gekonnte) Balanceakt nicht nur seine Umgebung betrafen, sondern sicher auch seine psychische Verfassung. Nach einem erneuten Treffen mit der jungen und energiegeladenen Kat ist die Brücke dann allerdings schon ein ganzes Stückchen breiter, scheinen die erlangte Sicherheit und der Ausblick in die Zukunft nicht mehr ganz so fragil und schwankend. Trotzdem, de Kowas Entschuldigung an das Publikum sieht als Dialog zwischen dem regimekritischen Rott und dem Funktionär Trunk eher mau aus:
- Ich will nicht verschweigen, dass ihre Haltung häufig zu schweren Bedenken Anlass gegeben hat.
- Ich bedauere es unendlich.
Dabei kann der verschwundene Schmuck sehr wohl als Metapher für das verlorene Vertrauen verstanden werden, dass Rott durch seine Flucht verspielt hat. Jetzt, 1947, sieht Rott sich bei seinen früheren Freunden und Bekannten einer Mauer aus Ablehnung gegenüber – Du hast uns damals im Stich gelassen, so scheint die Stimmung zu sein. „Wer nicht dabei war, mein Herr, weiß nichts!“ so drückt es der zum Misanthropen gewordene Professor von Walther aus, und genau diese Stimmung schlägt Rott nun entgegen. Das Misstrauen, dass einem entgegengebracht wird, der seine eigene Sicherheit höher setzte als die Solidarität zu den Geknechteten und sein Heil in der Flucht suchte, und der erst wieder zu den Verlierern zurückkommt, als ihm nichts mehr geschehen kann. Ob es auch das war, was Victor de Kowa empfand, als er nach dem Zusammenbruch wieder arbeiten wollte? Der Regisseur des Propagandafilms KOPF HOCH, JOHANNES!, der 1944 auf die von Goebbels geführte Gottbegnadeten-Liste gesetzt wurde, und damit um einen Fronteinsatz herumkam, ist in den Jahren ab 1945, wo er Intendant der Berliner Tribüne war, sicher nicht immer auf freundliche Gesichter gestoßen. Auch de Kowa hatte nämlich 10 Jahre vorher etwas Kostbares gestohlen: Das Vertrauen, dass ihm seine Mitmenschen entgegenbrachten. Und jetzt war er wieder da und schaut ungläubig über die Vernichtung, die seine damaligen Freunde über die Welt gebracht haben …

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Hildegard Knef. Ihr Auftritt zeigt sie als klassisches Trümmerkind, als jemand, der sich in dieser Welt aus Schutt und Dreck zurechtfindet und seinen Weg gehen wird. Es wird schon irgendwie weitergehen, es muss doch, das ist ihr Credo. Ein Satz, der von Rott dankbar aufgenommen wird, der die deutsche Mentalität in den schweren Nachkriegsjahren charakterisiert, und der mir erst wenige Tage vor der Sichtung des Films von einem Opfer der entsetzlichen Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal untergekommen ist. Von einem Menschen, der genauso wie die Menschen 1945 vor einem Krater steht, der gestern noch sein Leben war. Hildegard Knefs Katrina ist taff und zäh, sie lässt sich nicht unterkriegen. Weder von dem Elend, noch von den Geschäften in die sie verwickelt ist. Nur die Liebe kann sie bezwingen. Sicher ein dramaturgisches Einerlei einer Charakterisierung, aber es passt so perfekt zu dieser burschikosen jungen Frau und in diese Zeit. Hildegard Knef strahlt die Sonne der aufgehenden Zukunft aus, während Viktor de Kowa vor den Trümmern seiner vergangenen Überzeugungen steht.

Willy Birgel. Ab etwa 1937 lief er in unzähligen Filmen als Frauenschwarm und Charmeur, und in ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN spielt er sichtlich auch sich selber. Einen älter gewordenen Schauspieler, der die jugendlichen Rollen nicht mehr bekommt, auch wenn er sie noch so gerne hätte, und dem nur noch die Langweilerparts der gesetzten Herrn zufallen wie Brotkrumen vom Teller der Erfolgreichen. Willy Birgel gibt den Grandseigneur alter Schule mit sichtbarer Hingabe, entsprechend inszeniert er auch seinen Tod mit einer Grandezza, die einem Melodram alter Schule würdig ist. Trotzdem kann man seine Rolle durchaus als stichelnden Kommentar in Richtung aller erfolgreichen Schauspieler des Dritten Reichs verstehen, die nicht willens waren sich zur Menschlichkeit zu bekennen anstatt zur Karriere. Alexander Corty lässt sich im Film 1936 von seiner jüdischen Frau scheiden, die er damit dem sicheren Tod ausliefert. Heinz Rühmanns Scheidung von seiner jüdischen ersten Frau Maria Bernheim war 1938, und auch wenn er sie anschließend zwar noch unterstützte, wurde diese Entscheidung, auch wenn die Ehe bereits vorher nur noch auf dem Papier existierte, sicher auch politisch gutgeheißen, was dann wohl zur entsprechenden Unterstützung führte. Aber gut, nicht jeder konnte ein Hans Albers sein, der all die Jahre fest zu seiner jüdischen Frau stand, was sicher auch nicht immer leicht war.

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Sybille Schmitz. Einer der größten weiblichen Stars des Films im Dritten Reich, sank ihr Stern ab 1938, nachdem sie sich einerseits dem sexuellen Verlangen Joseph Goebbels‘ entzog, und gleichzeitig zunehmend gegen den Staat opponierte. Ein paar Durchhalte- bzw. Propagandafilme während der Kriegsjahre (WETTERLEUCHTEN UM BARBARA, DAS LEBEN RUFT, welcher 1944 ihr letzter Film unter dem Regime war) sorgten für ein zeitweiliges Auftrittsverbot nach dem Krieg. Als Nelly Dreyfuss darf sie irgendwann „Seit 3 Jahren bin ich nicht mehr hier gewesen. Wie schön, dass sie mich noch kennen.“ sagen, ein mehr als deutlicher Kommentar zu ihrer eigenen persönlichen Situation. Aber so sehr Schmitz‘ Karriere nach dem Krieg nicht mehr vom Fleck kam, so wenig bewegt sich auch Nelly Dreyfuss‘ Lage. Als Jüdin dürfte sie eigentlich gar nicht im Hotel übernachten, und nur der Sympathie des Hoteldirektors Ebeling verdankt sie diese Nacht im Luxus. Jedem spielt sie etwas vor, ihr Ex-Mann Corty ahnt kaum wie schlecht es ihr wirklich geht, und vor allem ihre psychische Lage verschlechtert sich zusehends. Das etwas affektierte Spiel der Schmitz wirkt zwar in diesen Augenblicken leicht antiquiert, und ist mimisch deutlich 10 Jahre früher einzuordnen, passt aber in diesem Augenblick hervorragend. Ein Mensch, der aus der Zeit gefallen ist, der seine besten Tage deutlich hinter sich hat, und nun versucht mit dem Unglück und dem drohenden persönlichen Untergang klarzukommen. Das ist nicht mehr das mondäne Hotel Sacher, und Sybille Schmitz ist nicht mehr die raffinierte Spionin Nadja Woroneff, dies ist das zerbombte Hotel Regina, und sie spielt eine Jüdin zu einem Zeitpunkt, wo es nicht gut war Jude zu sein. Mehr als 10 Jahre nach ihren großen Erfolgen ist ihre Schönheit allmählich dem Untergang geweiht, ist ihr Schauspiel rückwärts gewandt, und stehen andere, neue Schauspieler auf der Schwelle zum Glück. Die erfolgreiche Zeit ist vorbei, und Sybille Schmitz weiß dies genauso gut wie Nelly Dreyfuss das weiß. Das Ergebnis sind unendlich traurige und dabei hochgradig eindrucksvolle Momente, die tief in das Herz des Zuschauers treffen. Ob Sybille Schmitz, die nach diesem Film sage und schreibe zwei Jahre kein Filmengagement mehr hatte, in ihren letzten Lebenstagen wohl an die Handlung dieses Films gedacht hat, und sich zur bewussten Flucht entschloss, so wie Nelly Dreyfuss es tut?
Interessant in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass der Regisseur Harald Braun „mit der Rolle der verfolgten Jüdin seiner Sekretärin und guten Freundin Nelly Dreyfuss ein Denkmal setzen wollte. Frau Dreyfuss sah Sybille Schmitz sehr ähnlich, so sehr, dass sie auf der Straße oft als Frau Schmitz angehalten und um Autogramme gebeten wurde“ (1).

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Menschen zur falschen Zeit und am falschen Ort. Menschen, die den Erfolgen der früheren Tage nachtrauern und sich vor der Gegenwart fürchten. Zwischen dem glorreichen Gestern und dem ungewissen Morgen sich nicht entscheiden mögen wie es weitergehen soll und in einer Starre bleiben, die ihnen unter Umständen die Chancen verschließt. Im Jahr 1947 sicher eine Beschreibung, in der sich viele Filmzuschauer wiedergefunden haben dürften. Aber es wird schon irgendwie weitergehen, es muss doch. Und so, wie Rott wieder eine neue Liebe findet, so wird auch die Beziehung zwischen dem Hotelbesitzer Rolf Ebeling und seiner Frau weitergehen. Wie, das wird in diesem Film nicht dargestellt, und das ist sicher auch gut so. Dadurch bleibt unser Herz an der unglücklichen Annette Rodenwald hängen, die an ihrer Situation in keinster Weise schuld ist, aber trotzdem mit den Folgen leben muss. Wie so viele der damaligen Zuschauer, die durch Umstände, an denen sie nichts ändern konnten, ausgebombt wurden, geliebte Menschen verloren haben, vor den Trümmern des eigenen Lebens standen. Aber es muss ja irgendwie weitergehen. ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN gab diesen Menschen eine Stimme und vielleicht auch ein klein wenig Hoffnung. Heute gibt der Film dem Zuschauer einen Einblick in eine bittere und schwere Zeit, und durch den Vergleich mit der eigenen, meist vergleichsweise luxuriösen, Situation die klare Anleitung an die Hand, dass es ja irgendwie weitergehen wird. Der Vorwurf, der Harald Braun damals gemacht wurde, dass seine Filme das Vergangene ja nicht kritisch betrachten, wie es etwa die Filme Helmut Käutners zu dieser Zeit taten (DIE MÖRDER SIND UNTER UNS, IN JENEN TAGEN, den ich persönlich allerdings überhaupt nicht als kritisch bewerte), kam folgerichtig ausschließlich aus dem Elfenbeinturm des Feuilletons, und der damalige Erfolg des Films zeigt, dass die Menschen im Deutschland des Jahres Null eher nach Hoffnung verlangten als nach kritischer Auseinandersetzung.

Denn da sind ja auch noch die anderen Menschen im Film. Diejenigen, die nur am Rande beleuchtet werden, die aber mitunter entscheidend sind für die Dramaturgie oder für das Leben. Die nicht im Scheinwerferlicht stehen, sondern die Nebenrollen ausfüllen, genauso im Film wie auch im Leben. Da ist der Professor der Kunstgeschichte, der so gern gelebt hat, und der nach dem Krieg ein einsamer und verbitterter kleiner Mann wurde. Der von allen seinen Doktoranden aufzählen kann, was aus ihnen geworden ist: Gehängt, erschossen, tot, vermisst, blind, gefallen …
Der Ministerialdirektor Trunk, der klassische Karrierist einer Diktatur, der mit seinem Wohlwollen das Wohl und Wehe von Schicksalen anderer Menschen aufgleist. Der sich anmaßt, den Willen des Ministers in Form von Tod oder Leben auszuführen. Ein Mensch, wie man ihn in allen Regimen immer wieder trifft, und wie er menschlicher eigentlich nicht sein kann. Menschlich im Sinne von Begriffen wie karrieregeil, obrigkeitshörig, machtbesessen …
Trunk: Es ist nur im Sinne unserer Volksführung, wenn hin und wieder auch die gesunde Heiterkeit zu ihrem Recht kommt. Wer lacht, schimpft nicht.
Antwort Rott: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Oder der namenlose kleine Trinker an der Bar, der während des Bombenangriffs nur Augen hat für die Schnapsflasche auf dem Tresen. Grandios dargestellt von Werner Peters in seiner ersten Rolle, kann man ihn nicht verurteilen dass er weder Auge noch Ohr hat für die anderen Menschen im Keller. Wer würde im Angesicht des drohenden Todes anders handeln und an etwas anderes als sein eigenes Vergnügen denken?

Das Großartige an ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN ist seine Alltäglichkeit, die trotz der (naturgemäß) dramaturgischen Überhöhung den Blick auf diese Menschen lenkt. Menschen, die man damals wie heute jederzeit treffen konnte und kann, die alltäglich sind und dem Film trotz seiner Verortung in der Nachkriegszeit eine große Zeitlosigkeit geben. ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN könnte mit nur geringen Änderungen auch in der DDR der Jahre 1981 und 1991 spielen, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Personae ist die gleiche: Der in die Sicherheit Geflüchtete, der wieder heimkommt und dort geschmäht wird. Die verlassene Liebe, welche die Sicherheit einer anderen Beziehung gewählt hat um nicht allein zu sein. Derjenige, der gestern noch Erfolg hatte und morgen in der Masse untergehen wird. Die Verfolgte, die ebenfalls dem Gestern nachtrauert, sich nicht rechtzeitig lösen konnte und somit kein Morgen mehr haben wird. Und die junge Energische, die das Gestern abstreift und den Blick nach vorne lenkt.

ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN ist der Stoff aus dem große Dramen sind, eingebettet in eine dramatische Zeit und eine geschickt in Rückblenden erzählte Handlung. Mitreißend und packend erzählt, und dabei doch viele wunde Punkte nicht aussparend. Vielleicht hier und da ein wenig aufgesetzt wirkend in seiner Symbolik, aber auf jeden Fall großes Kino!

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_ ... und_morgen
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_de_Kowa

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Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Blap
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Re: Zwischen gestern und morgen - Harald Braun (1947)

Beitrag von Blap »

Maulwurf hat geschrieben: Sa 10. Dez 2022, 06:51 ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN ist der Stoff aus dem große Dramen sind, eingebettet in eine dramatische Zeit und eine geschickt in Rückblenden erzählte Handlung. Mitreißend und packend erzählt, und dabei doch viele wunde Punkte nicht aussparend. Vielleicht hier und da ein wenig aufgesetzt wirkend in seiner Symbolik, aber auf jeden Fall großes Kino!
Danke für deinen ausführlichen Beitrag zu diesem Werk. Dein Fazit möchte ich nach der gestrigen Sichtung unterschreiben.

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