Jäger der Apokalypse - Antonio Margheriti (1980)

Söldner, Mutanten und Kriegshelden

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buxtebrawler
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Re: Jäger der Apokalypse - Antonio Margheriti (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

Ist mutmaßlich am 24.05.2021 bei HCE noch einmal auf Blu-ray erschienen:

Bild

Extras:
- Deutscher Kinotrailer
- US Trailer
- Italienische Originalsprachfassung mit deutschen Untertiteln.
- Audiokommentar von Pelle Felsch und Oliver Nöding
- Italienischer Trailer
- Deutsches Werbematerial
- Französischer Alternativanfang

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=110162
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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sid.vicious
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Re: Jäger der Apokalypse - Antonio Margheriti (1980)

Beitrag von sid.vicious »

Ein sehr alter, aber recht unterhaltsamer Text.

Originaltitel: L'ultimo cacciatore
Deutsche Erstaufführung: 23. Oktober 1980
Regisseur: Antonio Margheriti
Kamera: Riccardo Pallottini
Musik: Franco Micalizzi
Drehbuch: Gianfranco Couyoumdjian, Dardano Sacchetti
jaeger_der_apokalypse.jpg
jaeger_der_apokalypse.jpg (87.83 KiB) 35 mal betrachtet
]Saigon 1972: Nachdem der US Army Captain Henry Morris mit ansehen muss, wie sein Kamerad Steve in einem Puff Amok läuft, bittet er seine Vorgesetzten um Versetzung. Morris erhält die Order einen Propagandasender ausfindig zu machen und zu zerstören. Sein Auftrag führt den Captain in die Tiefen des vietnamesischen Dschungels, dorthin wo der Vietcong ungeduldig auf Frischfleisch lauert.

Neben dem Afrikafeldzug sowie weiteren Schlachten des Zweiten Weltkriegs setzten sich Italiens Filmemacher auch mit dem Vietnamkrieg auseinander. Das bekannteste (und natürlich politisch absolut inkorrekte) Erzeugnis wurde in der Bundesrepublik auf den namen „Jäger der Apokalypse“ getauft.

Ein Film, der den Löwenanteil seiner Inspiration aus Coppolas „Apocalypse now“ zieht, dessen integrierten „Walkürenritt“ vollkommen ungeniert zitiert und mit dem Zusammenspiel aus Bild und Ton propagiert, dass eine Hubschrauberschwadron am verseuchten Firmament von Vietnam ungedingt mit Wagners Klängen geziert werden muss. IMHO schreit Ritchies „Ritt der Wallküren“ tatsächlich danach, in eine solche Bildkomposition eingebettet zu werden, da die daraus resultierende Kraft des Gesamtkonstrukts das Adrenalin des Rezipienten strömen lässt. Auditive Macht und (erfolgreiche) Manipulation reichen sich somit die Hand, vergleichbar mit den marschierenden Mitgliedern der JN oder der Wiking Jugend, die inbrünstig „Als Jungen wurden wir Soldaten“ singen und damit einen Adrenalinschub durch die eigenen Reihen fegen lassen.

Thomas Rufin behauptet in seinem Text „Musik schafft Bedeutung: Wagners Walkürenritt im Film“, dass die Walküre in der Auffassung vieler Zuschauer die Oper ist, in der das Stück aus „Apocalypse Now“ vorkommt und nicht umgekehrt. Eine Einschätzung, die man so stehen lassen kann, da Wagners Komposition von den meisten Filmfreunden primär mit Coppolas „Apocalypse“ und sekundär mit dem „Nibelungenring“ assoziiert wird. Daraus lässt sich folgern, dass man den „Walkürenritt“ – sofern er in Verbindung mit Krieg und Helikoptern eingesetzt wird - durchaus als Underscoring interpretieren kann.

„Was haben sie eigentlich für einen Auftrag? Es ist doch merkwürdig, dass sie etwas schaffen sollen, dass Panzer, Jagdflugzeuge und Hubschrauber nicht schaffen. Also frage ich mich, was sie hier tun? (Jane Foster)

Ungeachtet ob die Kriegsschauplätze Vietnam, Korea oder Tobruk heißen, stellt sich dem Zuschauer stets die Frage, warum die Hauptprotagonisten im jeweiligen Inferno gelandet sind? Dabei werden z. B. die Perspektivlosigkeit des gesellschaftlichen Losers, die Geldgier des Söldners, der Zwang des Wehrpflichtigen und die enthusiastische Leidenschaft des Patrioten als mögliche Argumente transportiert. Letztgenanntes Beispiel lässt sich bestens mit dem von John Wayne verkörperten Charakter Colonel Mike Kirby („Die grünen Teufel“) kombinieren. Ein Nationalist, der als Führer einer Kriegsgruppe fungiert und sich von den Einzelkampfmaschinen - siehe John Rambo und Co. - abgrenzt.

„Jäger der Apokalypse” präsentiert eine Hauptfigur, Captain Henry Morris (David Warbeck), die sich zwischen Leader und Lone Wolf begreifen lässt. Ein erfahrener Kämpfer, der mit Menschen umgehen kann, aber nicht auf sie angewiesen ist. Was ihn letztendlich nach Vietnam führte, beantwortet er uns nicht – jedenfalls nicht eindeutig.

„Saigon ist Asiens größter Puff, da kann einem nicht langweilig werden.“ (Major Cash)


An der Seite des Captains marschieren wir Rezipienten durch die grüne Hölle von Vietnam. Weitere „Expeditionsteilnehmer/innen“ sind der stets zu sarkastischen Scherzen aufgelegte Sergeant George Washington (Tony King), die Reporterin Jane Foster (Tisa Farrow) sowie einige Mitläufer, die über ihre Eigenschaft als Kanonenfutter nicht hinauskommen. Ihr gemeinsamer Weg führt zu Major Cash (John Steiner), der sich mit seinen Leuten in einem Höhlenareal niedergelassen hat. Ein kriegsmüder und selbstgefälliger Zyniker, dessen Lieblingsmusik aus den (in seinem unterirdischen Domizil installierten) Lautsprechern ballert und sich aus den Gefechtsklängen schwerer Maschinengewehre zusammensetzt. Cashs Einheit besteht aus einem Haufen von Alkohol- und Haschischkonsumierenden, notgeilen Halunken. Es überrascht demnach nicht, dass diese abgestumpfte GI-Horde auf Jane Foster scharf ist und eine Massenvergewaltigung plant. Die Aktion geht jedoch nach hinten los, und deren Hauptinitiator und Motivator wird von Cash zum Obstpflücken in „Charlies Garten“ geschickt. Ja, ja "Charlie don´t surf..."

Trotz kleiner humoristischer Abstecher, fiesen „Charliefallen“, diversen Foltermethoden sowie blutigen Schlachten wird der Kern des Films, Morris Mission, nicht außer Acht gelassen, denn der ominöse Propagandasender ist allgegenwärtig und wird selbst in Captain Cashs Besatzerhöhle empfangen. Des Senders Message hat zum Ziel, die Moral der amerikanischen Truppen zu untergraben. Diese Thematik lässt sich mit der damaligen nordvietnamesischen Propaganda assoziieren, denn während des Vietnamkriegs wurden in Nordvietnam ca. 200 Filme produziert, die die Moral und Kampfkraft des Vietcong stabilisieren und stärken sollten, womit man überwiegend auch erfolgreich war.

„Irgendwann schneiden sie uns sowieso bald allen den Kopf ab.“


Klar, aber so ist das nun mal in einem harten Vietnam-Vehikel. Das Blut fließt in Strömen, Knochen werden gebrochen, Ratten fressen Augäpfel, und seinen Feinden schießt man - um auf Nummer Sicher zu gehen - in den Rücken. Die Jäger (und die Gejagten) der Apokalypse sind halt keine Messdiener, ihr Motto lautet: Töten, töten und nochmals töten! Der Grund ist ihnen genauso scheißegal wie der Tod ihrer Kameraden, denn hier stirbt niemand den Heldentod für seine Nation, sondern weil Satan es so will. Wer sich mit solchen Vorraussetzungen nicht anfreunden mag, der sollte von einer Sichtung absehen, denn Antonio Margheritis Vietnaminterpretation ist von allen kritischen Färbungen befreit, verherrlicht die Gewalt und lässt den Menschhass in jeder Situation spüren. Ein Combat Movie, der aufgrund seines Brutalitätsfaktors sowie seiner fundierten Geschmacklosigkeitssymptome eine rege und patzige Stellung in diesem Subgenre einnimmt.

In seinem 2004 erschienenen Buch, „Der Vietnamkrieg“, schreibt Rolf Steiniger:

„Bemerkendwert ist auch, dass man amerikanische Vietnamfilme heutzutage in Saigon an jeder Straßenecke in jedem Videoladen ausleihen kann.“

Ob sich zum US-Output auch Margheritis unbelehrbarer Nam-Rabauke gesellte?

Zu guter Letzt muss ich die deutsche Bearbeitung lobend erwähnen, denn Michael Chevalier, Lothar Blumhagen und Co. sind bestens aufgelegt und stärken mit taktlosen Wortspielen wie „gelbe Ratte“ und „Charlie-Nutte“ ein durchweg impertinentes Sprachkonstrukt.

„Sie hassen den Vietcong, nicht wahr?“ (Jane Foster)
„Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Ich töte sie!“ (Henry Morris)


Fazit: Eine brutale und dreckige Reise durch den, auf die Philippinen verlegten, vietnamesischen Dschungel. Durchweg Menschenverachtend, extrem Frauenfeindlich und ungehemmt faschistisch - genau so funktioniert unterhaltsame „Namploitation“.
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Dick Cockboner
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Re: Jäger der Apokalypse - Antonio Margheriti (1980)

Beitrag von Dick Cockboner »

sid.vicious hat geschrieben: Sa 29. Mär 2025, 10:02

In seinem 2004 erschienenen Buch, „Der Vietnamkrieg“, schreibt Rolf Steiniger:

„Bemerkendwert ist auch, dass man amerikanische Vietnamfilme heutzutage in Saigon an jeder Straßenecke in jedem Videoladen ausleihen kann.“

Nun ja, das ist ja, wenn überhaupt, eine gefühlte Realität.
Ich tue mich generell schwer mit Filmen über den Vietnam - Krieg, bei denen die Verlierer als Helden gefeiert werden. Täter- Opfer- Umkehr par excellence. > 2.000.000 tote Vietnamesen vs. 60.000 tote GI, jeder Einzelne ist einer zu viel, aber dieser Krieg bzw. seine filmische Verarbeitung von Seiten des Aggressors ist schlicht :kotz:
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