ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Söldner, Mutanten und Kriegshelden

Moderator: jogiwan

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McBrewer
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ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von McBrewer »

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Originaltitel: Rolf
Alternativtitel: The Last Mercenary, Ein Söldner schlägt zurück, Der Tag des Söldners
Herstellungsland: Italien
Erscheinungsjahr:1984
Regie: Mario Siciliano
Darsteller: Antonio Marsina, Ketty Nichols, Tony Raccosta, Louis Walsor, Cynthia Cindy, Monty Caly, Nazzareno Zamperla, Malcom Duff, Goffredo Unge

Story: Er ist für andere in den Krieg gezogen. Für genügend Geld war ihm jeder Feind recht. Er war ein bezahlter Söldner. Aber Rolf (Antonio Marsina) will zusammen mit seiner Geliebten Joanna (Ketty Nichols) ein neues Leben anfangen. Er sucht sich einen Job und arbeitet als Pilot für ein kleines Transportunternehmen in der Nähe von Tunis. Nur der Polizeichef Rosario glaubt nicht, dass Rolf sich geändert hat. Er provoziert ihn zu Gewalttätigkeiten, versucht ihn zum Äußersten zu treiben ... Als frühere Kumpanen ihn zum Drogenschmuggel verleiten wollen, lehnt er ab. Sie töten seine Freundin, jagen ihn. Jetzt endlich schlägt er zurück. Dieser Tag ist der Tag des Söldners - und er wird blutig enden ... (Quelle: Covertext)

http://www.ofdb.de/film/37997,Der-Tag-des-S%C3%B6ldners
http://www.imdb.com/title/tt0200049/
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McBrewer
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von McBrewer »

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Auch bei diesem Film war ich verwundert, da es noch keinen entsprechenden Fred zu dem Titel hier gibt. (SuFu?)
Auch hier ergab sich letztens mal wieder eine Neusichtung des CBS/FOX Videotapes. Beim erstem mal schauen war ich ein wenig enttäuscht, hatte ich doch kurz vorher Mario Sicilianos Atombombe "Häutet sie lebend!" gesehen und war dementsprechend auf ein gleiches Werk vorbereitet. Aber politisch unkorrekter Söldneraction wird hier nicht geboten. Nun: unkorrekt schon, aber auf eine andere Art & Weise, weniger Söldner, mehr kaputte Gestalten. Womit ich bei meiner heutigen Meinungsänderung wäre, den wenn man sich von dem Cover & dem Vorgängerfilm (Häutet!) nicht täuschen lässt, bekommt man eine 1A Sleaze-Granate serviert. :popcorn:

Die Geschichte von ROLF beginnt quasi lose nach "Scorticateli vivi". Unser Titelgebender Held heißt aber eigentlich Golo und fristet seine Söldnerrentendasein in einer Küstenstadt in Nordafrika als Pilot, malt sich nebenbei seine Zukunft mit Freundin Joanna schon blumig aus. Aber der friedlichste Ex-Söldner kann nicht in Ruhe leben, wenn seine ehemaligen Kameraden große Drogengeschäfte vor haben. Dazu brauchen Sie natürlich einen erfahrenen & befreundeten Piloten. Der denkt aber gar nicht daran, sich beruflich zu verbessern, weswegen die Freundschaft auch schnell wieder Geschichte ist. Die Ex-Kumpels, allesamt freundliche Burschen der Marke "MAD-FOXES-Rocker-wie-die-Axt-im-Walde" lassen daher ihren Frust an der armen Joanna aus. Der hilflose blonde Golo kann auch gar nichts machen, wird er auch zeitgleich von dem fiesen Polizei-Chef auf dem Revier mit Nutella gedemütigt. Als die Schandtat der Rocker..ähmm: Söldner entdeckt wird, besinnt sich Golo natürlich auf seine Kampfausbildung & dreht dementsprechend im Laubwäldchen auf. Und über alle dem schwebt der locker-discohafte Score von Fabio Frizzi : "Rolf - you've taken a road that is too wide." *singalong*

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Siciliano hat als seinen letzten Film nochmal ein fettes Ausrufezeichen gesetzt ! Und ganze sicher möchte fast jeder Betrachter/Zuschauer nach dem Genuss dieses Werkes ganz schnell eine warme, ordentliche Dusche. Und sich danach gerne wieder im Dreck suhlen... :thup:
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Dick Cockboner
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Dick Cockboner »

Ein ganz famoser Film!
Der 5.9. ist übrigens der Tag des Kopfschmerzes,wann genau ist denn nun eigentlich der Tag des Söldners?
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Canisius
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Canisius »

Ein sehr amüsantes (zumindest, wenn man politisch inkorrektem Sleaze etwas abgewinnen kann) Werk aus dem Hause Siciliano. In der dt. Fassung fehlt allerdings die wohl abgef*ckteste Szene:

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Uwe Ochsenknechts böser & komplett degenerierter Bruder bei seinen ungewöhnlichen Schiessübungen... :shock: :? :o
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Canisius hat geschrieben:Ein sehr amüsantes (zumindest, wenn man politisch inkorrektem Sleaze etwas abgewinnen kann) Werk aus dem Hause Siciliano. In der dt. Fassung fehlt allerdings die wohl abgef*ckteste Szene:

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Uwe Ochsenknechts böser & komplett degenerierter Bruder bei seinen ungewöhnlichen Schiessübungen... :shock: :? :o
:shock:
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
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McBrewer
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von McBrewer »

Canisius hat geschrieben:Ein sehr amüsantes (zumindest, wenn man politisch inkorrektem Sleaze etwas abgewinnen kann) Werk aus dem Hause Siciliano. In der dt. Fassung fehlt allerdings die wohl abgef*ckteste Szene:

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Uwe Ochsenknechts böser & komplett degenerierter Bruder bei seinen ungewöhnlichen Schiessübungen... :shock: :? :o
Alter Verwalter :o :hirn:
Wer denkt sich so etwas aus? :palm:
Mit dieser Szene geht er definitiv Hand-in-Hand mit "Häutet sie lebend" :rambo:
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Canisius
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Canisius »

Ja, unbegreiflich, was Siciliano da abgeliefert hat.
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Nello Pazzafini
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Nello Pazzafini »

Marlon Sirko wie Mario ja auch schön international dann hieß...... hier ein englisch geschriebenes Werbeheft für den Auslandsverkauf, im Text wird Rolf dann zum Rolfo :lol:

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Onkel Joe
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Onkel Joe »

Nello Pazzafini hat geschrieben:Marlon Sirko wie Mario ja auch schön international dann hieß...... hier ein englisch geschriebenes Werbeheft für den Auslandsverkauf, im Text wird Rolf dann zum Rolfo :lol:

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Super!
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Salvatore Baccaro
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Re: ROLF / Der Tag des Söldners - Mario Siciliano (1984)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Holla, habe ich etwa versehentlich noch einmal SCORTICATELI VIVI eingelegt!? Das war zumindest mein erster Gedanke, nachdem ich einen weiteren Film Mario Sicilianos aus der kinematographischen Kelterei unseres foreneigenen Braumeisters in meinen Player geschoben hatte. ROLF – wie der Gegenstand meiner heutigen Untersuchung heißt - beginnt nämlich ähnlich wie Sicilianos Söldner-Reißer ein halbes Jahrzehnt zuvor mit einem Sprung ins eiskalte Wasser, beziehungsweise mitten hinein in das Gemetzel, das eine Gruppe vermutlich von lokalen Warlords angeworbener Kampfmaschinen in einem nicht näher spezifizierten afrikanischen Dorf veranstalten. Jeeps rasen in Buschhütten, Maschinengewehrsalven zerfetzen die Luft, Rebellen fliehen oder brechen tot zusammen. Bevor ich allerdings nachschauen kann, ob ich mich tatsächlich im Rohling vergriffen habe, wechseln Schauplatz und Stimmung, und es bleibt kein Zweifel daran, dass sich in den nächsten eineinhalb Stunden die Abenteuer eines gewissen Rolf vor mir entrollen werden: Das von Fabio Frizzi komponierte und einem mir unbekannten Herrn namens Chris J. King intonierte Synthie-Rock-Liedchen, das einem den Vorspann versüßt, funktioniert zwar wie jene Schlager in Italo-Western, die die Namen ihrer Helden nutzen, um ihnen in direkter Anrede Fragen zu stellen oder ihnen ihre derzeitige Lebenssituation vor Augen zu stellen („Rolf, you’ve thrown out the love inside / Rolf, you’ve taken a road that leads to pain“), klingt aber wie die zu Klang geronnenen Achtziger, und trällert über Bildern, die eher wenig mit dem Songtext zu tun haben. Melancholisch sitzt Rolf – (der aus mir unerfindlichen Gründen in der mir vorliegenden deutschsprachigen Synchronfassung Golo heißt) – an einem pittoresken Meeresstrand, scherzt mit einem kleinen Buben, der ihm frischen Fisch verkaufen möchte, und läuft, die Jacke leger über den breiten Rücken gehängt, die Küstenstraßen entlang.

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Abb.1: Rolf und Joanna im Glück. Ihr Fangenspiel ausgerechnet in den Ruinen von Karthago wirft allerdings bereits einen prophetischen Schatten auf die weiteren Ereignisse, und zeigt außerdem Sicilianos glückliches Händchen für nun wirklich nicht alltägliche Metaphorik.

Das erinnert zwar ein bisschen an die schwermütigen Streifzüge Rudi Kublers zu Beginn von SCORTICATELI VIVI, ist jedoch mit einer ungleich optimistischeren Grundnote versehen. Während Kubler in Sicilianos vorherigem Abstecher ins Söldner-Genre seine Erfahrung in der Fremdenlegion erst noch vor sich hat, ist sie bei Rolf bereits ein Stück Vergangenheit. Nachdem sein Vater stiften gegangen und seine Mutter einen qualvollen Drogen-Tod gestorben ist, hat es ihn nach Afrika verschlagen, wo er zusammen mit einer Einheit Wildgänsen exakt die Dinge mit Zivilisierten und Guerillas anstellte, die uns im Prolog des Films kurz und prägnant vorgeführt worden sind. Nun aber, geläutert durch all das vergossene Blut und all die verschmorten Fleischfetzen, verlebt er seine Tage in Tunesien, verdingt sich als Pilot, und ist verliebt in die Nachtclubtänzerin Joanna. Die Weichen, könnte man denken, sind gestellt für ein friedvolles Leben in der Fremde, doch, natürlich, die Vergangenheit ruht nicht, und besucht ihn alsbald in Form eines schmierigen Typen namens John, den er noch aus seiner Söldnerzeit kennt und der ihn dazu überreden möchte, da er doch Pilot sei, ihm und seinen Kumpanen bei einem Kokainschmuggel hilfreich unter die Arme zu greifen. Rolf lehnt das Angebot nicht nur dankend, sondern John zudem die Fresse polierend ab, wird kurz darauf aber, nachdem dieser sich Verstärkung von weiteren früheren Kampfgefährten Rolfs geholt hat, aus dem Hinterhalt attackiert, nach Strich und Faden vermöbelt, und - auch hier eine motivische Kongruenz zu SCORTICATELI VIVI - mit dem Ultimatum am Wegesrand liegengelassen, dass er sich bis zum Abend überlegen könne, ob er zu ihrem Team dazustoße, oder doch lieber das Zeitliche segnen wolle. Rolf möchte beides nicht, dafür aber Rache an John und seiner Bande nehmen. Als er herausbekommt, dass ein Pilotenkollege nunmehr als Kurier der berauschenden Stoffe angeheuert wurde, tut er sich mit dem zusammen, um John einen bösen Streich zu spielen: Aus höchster Höhe fliegt das Päckchen berauschenden Stoffs aufs Festland, dass es sich in Wolken und Wohlgefallen auflöst. Da John genau weiß, wo er Rolf am empfindlichsten treffen kann, ist es nicht unser Held, der nunmehr einen weiteren Besuch seiner früheren Waffenbrüdern abgestattet bekommt, sondern Joana, die nach kollektiven Vergewaltigung eine Kugel von ihren Martern erlöst. Endgültig bläst das Jagdhorn nun Sturm, und Rolf und seine Feinde liefern sich blutige Katz-und-Maus-Spiele in den Wäldern Nordafrikas, wobei mit perfiden Dschungelfallen genauso freimütig umgegangen wird wie mit Sprüchen der menschenverachtendsten Sorte.

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Abb.2: Blickwechsel zwischen Rolf und einem stummen Christus an der Leichenhallenwand, in der er von seiner Joanna Abschied nimmt. Der Blaufilter, bei dem ich fast an einen expressionistischen Bergfilm denken muss, hilft eindringlich dabei, das religiöse Artefakt als etwas durchweg Anachronistisches zu betrachten.

Wenn in ROLF Leichen durch die Hände ihrer eigenen Kameraden gefleddert werden, sobald diese die Gelegenheit dazu haben, Rolfs Pilotenkollege, bevor man ihn erschießt, erst einmal das Gesicht über dem Gasherd geröstet bekommt, Söldnerboss John sich nach stundenlangem Gewaltmarsch eine kurze Rast gönnt, um die ermattenden Kräfte mit einer Koks-Prise aufzupäppeln, oder, in einer Rückblende, die in der deutschen Fassung – diesmal aus für mich nicht schwerlich nachvollziehbaren Gründen - erheblich zusammengestaucht worden ist, kleine afrikanische Kinder als Zielscheiben für seine Schießübungen zweckentfremdet werden, dann könnte man vermuten, Siciliano habe in vorliegendem Film seinen animalischsten Instinkten freien Lauf und sie sich in Bildern manifestieren lassen, die ihre exorbitanten Gewaltspektakel als bloßen Selbstzweck zelebrieren. Dabei entpuppt sich ROLF aber, ebenso wie SCORTICATELI VIVI, meiner Meinung nach, wenn man den Film nur ein wenig unterhalb seiner schroff-schorfigen Oberfläche spekulativer Schauwerte abklopft, als durchweg kritische Kanzelrede gegen Rassismus, Sexismus, Drogenmissbrauch, und vor allem die Gewaltexzesse einer ökonomischen Gesetzen nicht mehr nur gehorchenden, sondern sie aktiv mit Waffengewalt perpetuierender patriarchalen Gesellschaft. ROLF mag sich der stilistisch-ästhetischen Konventionen des Exploitation-Kinos bedienen, um seine zutiefst humane Botschaft auszuformulieren. Das ändert aber nichts daran, dass Siciliano den Gräueln am laufenden Band eine ebenso permanente ethische Dimension unterjubelt. Die Söldner sind Negativ-Karikaturen von Helden, wie ich sie bereits aus SCORTICATELI VIVI kenne, jeder einzelne von ihnen ein wandelndes Fragezeichen, ob es denn in einem derartigen Geschäft so etwas wie Heroismus überhaupt geben kann. Der Polizeichef des Ortes, in dem Rolf untergetaucht ist, erweist sich von Anfang an als vorurteilsbelastet, und lässt bei einem Routine-Verhör schon einmal Fingerabdrücke von unserem Ex-Söldner nehmen, indem er ihn zwingt, seine Hand in eine kotverschmierte Toilettenschüssel zu tunken. Nicht einmal die Selbstjustiz wird von Siciliano als das Nonplusultra dargestellt, zu dem man sie in solchen Ein-Mann-Armee-Vehikeln, deren Mechanismen ROLF bis zum physischen und psychischen Kollaps von Protagonisten und Rezipienten ausreizt, gerne hochstilisiert. Nachdem sämtliche seiner Feinde über den Jordan gesetzt haben, erwartet Rolf nämlich nicht etwa nur der Abspann, und sein Publikum die erleichternde Befriedigung, dass die bösen Buben allesamt auf möglichst brutale Weise zur Rechenschaft gezogen worden sind. Stattdessen stellt der Polizeichef, obwohl er zugeben muss, dass er seinen Rachefeldzug aus persönlicher Sicht nachvollziehen kann, Rolf in Aussicht, sich für die begangenen Morde vor einem ordentlichen Gerichtshof verantworten zu müssen. Siciliano bleibt der in SCOTICATELI VIVI eingeschlagenen Bahn treu, und nimmt auch in ROLF die Rolle eines Chefanklägers sozialer, politischer, gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten gleichermaßen ein wie die des Advokaten der Schwachen und Unterdrückten, die unter der rohen Gewalt habgieriger, allein durch ihre rohe Gewalt mächtig gewordener Mannsbilder zu leiden haben. Dass er drastisch bebildert, was er kritisiert, hat mit einer ambivalenten Strategie zu tun, die man ebenfalls aus CANNIBAL HOLOCAUST kennt: Der Spiegel, der letztlich mir als Rezipient solcher Filmware in ROLF vorgehalten wird, ist so groß, dass da eine ganze Schulklasse Alices hineinpurzeln könnte.

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Abb.3: Noch einmal ein Kruzifix - vielleicht dasselbe?! -, nur eine Szene zuvor: Gleich wird dem Herrn links im Bild in Mikos-Stenopolis-Manier das Gesicht auf der Herdplatte geröstet, und erneut ist keine Hilfe von dem prominent zwischen den Kontrahenten platzierten blechernen Christus zu erwarten.

Darüber hinaus ist ROLF aber auch, wenn man Sicilianos erhobenen Zeigefinger geflissentlich übersehen möchte, und einfach nur ein eineinhalbstündiges räudiges Spektakel genießen möchte, aus ästhetisch-technischer Hinsicht ein wahres Fest von einem Film. Es gibt so viele Szenen, die von innen her in einer juvenilen Energie erstrahlen, dass man sich fühlt, als habe Siciliano mit seinen schmutzigen, leicht fiebrig zittrigen Händen das Kino neu aus der Taufe heben wollen. Einige Beispiele: Rolf und Joanna spielen nirgendwo anders Fangen als in den Ruinen von Karthago – was für ein wunderschönes Bild für die Unschuld dieser Liebesbeziehung und den Umstand, dass sie mit einem Bein bereits in ihrem baldigen unfreiwilligen Erlöschen steht. Wenn Rolf, bevor das Kokainpäckchen aus dem Flugzeug schleudert, erst einmal seinen Hosenschlitz öffnet, um das weiße Pulver mit seinem Urin zu benetzen, dann ist das eine weitere Metapher, die manche möglicherweise als holzhammerartig empfinden werden, trotzdem aber prägnant sowohl die Verachtung illustriert, die Rolf dem Rauschgiftkonsum und seinen in diesem verstrickten Ex-Kameraden entgegenbringt, aber auch die transgressive Gewalt, die nach wie vor in ihm schlummert, und durch den Kontakt mit John und seinen Wildgänsen allmählich neuen Atem eingehaucht bekommt. Christliche Symbolik findet ebenfalls wieder statt – man denke nur an die höchst symbolische Schlussszene in SCORTICATELI VIVI mit dem Brudermord-Szenario und der Rolle, die eine Giftschlange darin spielt. Wenn Rolf seine Joana betrauert, und einen vorwurfsvollen Blick auf ein in Blaulicht getauchtes Kruzifix an der Wand wirft, dann verdichtet Siciliano die Gefühle seines durchaus vielschichtig angelegten Protagonisten in einem einzigen aussagekräftigen Blickwechsel. Noch interessanter macht die Szene, dass auch in derjenigen direkt davor ein Kruzifix, das beinahe identisch mit jenem im Leichenhaus ausschaut, zu entdecken gewsen ist. Dort schmückt es die Wohnung von Rolfs Pilotenkollegen, und wohnt als stummer Zeuge bei, wie diesem von John das Gesicht über einer Herdplatte verbrüht wird. Von einem transzendenten Heiland, scheint Siciliano damit unmissverständlich klarzumachen, hat in der verwilderten Welt seiner Filme niemand etwas zu erhoffen. Meine liebste Szene – diejenige, die am meisten den narrativen Rahmen wie eine Splittergranate sprengt – ist jedoch eine andere. Rolf wurde gerade zum ersten Mal von seinen Freunden/Feinden zusammengeschlagen, und irgendwo im Gebüsch liegengelassen. Ein Rudel Blutegel nutzt das, um sich über den Besinnungslosen herzumachen. Nicht dass diese ihm großartig mehr tun würden, als ihm ein bisschen Blut abzuzapfen, und ihm über den Körper zu kriechen, und nicht dass Rolf sie nicht einfach, als er wieder zu Sinnen kommt, wenn auch leicht angeekelt, von der Haut reißen könnte. Trotzdem glaubt Siciliano, für diese Szene seine Geschichte erst einmal stagnieren lassen zu müssen, und gefühlte fünf Minuten einfach nur die schwärzlich-glibberigen Würmchen in Großaufnahme zeigen zu müssen. Es liegt nicht nur an dem synthetischen Score von Frizzi, dass mich dieser himmelschreiende Moment erheblich an die ähnlich zerdehnte Spinnen-Szene in Fulcis Meisterwerk L’ALDILÀ erinnert hat – nur mit dem Unterschied, dass sie dort auf Mord und Totschlag hinausläuft, und bei ROLF scheinbar lediglich einer puren Lust am Zeigen (auf Seite Sicilianos) und einer puren Lust am Schauen (auf meiner Seite) entspricht.

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Abb.4: Als ob Siciliano sich vor Bunuels CHIEN ANDALOU verbeugen, und dabei zugleich die Spinnen-Orgie in Fulcis L'ALDILÀ zitieren wolle: Minutenlang gucke ich nur dabei zu, wie Blutegel über den reglosen Körper Antonio Marsinas krauchen - eine elegische Seh-Studie, mit der allein Siciliano seinem vergessenen Juwel eine selbstreflexive Komponente einschreibt.

Was soll ich abschließend noch über Sicilianos Abschiedsgeschenk – sein letzter Film, bei dem er für Regie, Drehbuch und Story zuständig gewesen ist – sagen, was nicht schon aus den obigen Zeilen an Huldigung hervorschimmert? Dass Rolf ein bisschen versöhnlicher, wehmütiger, menschlicher daherkommt als SCOTICATELI VIVI soll nicht viel heißen: Wer nach diesem dreckigen Film-Bastard keine Dusche benötigt, hat ihn sich wahrscheinlich bereits im Schaumbad angeschaut. Das Schöne dabei aber ist: Wenn man die Schlamm- und Blutkrusten von Sicilianos Finalepos herabkratzt, legt man eine kritische Reflexionsebene frei, die das Werk weit über ähnlich gelagerte – und ungleich stumpfere – Dschungel-Ballereien erhebt. Es kommt mir vor, als sei es bei Siciliano ansatzweise ähnlich wie bei Alberto Cavallone, obgleich dieser freilich, allein aufgrund seiner berghohen intellektuellen Querverweise zu Kunst und Philosophie, in einer weitaus weniger ursprünglichen Liga spielt. Beide aber, Cavallone wie Siciliano, versichern sich des Instrumentariums eines anrüchigen Kinos, dessen Hauptstatuten Sex und Gewalt sind, um sie, durch ihren bewussten Umgang mit ihnen, ihr selbstkritisches Modellieren der einzelnen Elementen, gegen sich selbst zu wenden. So wie Cavallones BLUE MOVIE für jeden, der nur ein bisschen über den Film nachdenkt, sicherlich alles andere als ein misogyner Porno ist, so stellt auch Sicilianos ROLF alles andere als eine hirnlose Nummernrevue fragwürdiger Gewaltszenen dar, sondern redet mir mit ernster Stimme ins Gewissen: Lass die Finger von Drogen!, lass die Finger von Handfeuerwaffen!, lass vor allem aber die Finger von rassistischen Söldnertrupps, die mit Dir Afrika unsicher machen wollen!
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