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Darsteller(innen): Domhnall Gleeson, Rachel McAdams, Bill Nighy, Lydia Wilson, Lindsay Duncan, Richard Cordery, Joshua McGuire, Tom Hollander, Margot Robbie, Will Merrick, Vanessa Kirby, Tom Hughes u. A.
An seinem 21. Geburtstag wird Tim (Domhnall Gleeson) von seinem Vater (Bill Nighy) in ein uraltes Familiengeheimnis eingeweiht. Es ist allen Männern seiner Familie möglich, durch die Zeit zu reisen. Dafür muss er sich nur an einen dunklen Ort begeben und ganz fest an den speziellen Augenblick denken, an den er zurückreisen will. Tim ergreift natürlich sofort die Gelegenheit und ändert peinliche Momente in seiner Vergangenheit. Nachdem er ins chaotische London umgezogen ist, lernt er eines Tages die überaus attraktive Mary (Rachel McAdams) kennen, in die er sich sofort unsterblich verliebt. Er möchte alles richtig machen und beginnt damit, die Missgeschicke, die ihm während der Dating-Phase passieren, per Zeitreise zu kaschieren. Doch schließlich stellt Tim fest, dass auch Fehler ihre gute Seite haben können und zum Leben einfach dazugehören.
„Ich muss mit jemandem zusammen sein, der nett ist und langweilig!“
Der britische Drehbuchautor und Regisseur Richard Curtis hat nicht nur ein Faible für köstlichen Humor („Mr. Bean“), sondern auch ein ausgemachtes Händchen für Romantik-Kitsch: „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Notting Hill“ stammen aus seiner Feder. Für „Tatsächlich... Liebe“ führte er erstmal selbst Regie. Sein bis dato jüngstes Wirken als Autorenfilmer ist die romantische Zeitreise-Dramödie „Alles eine Frage der Zeit“ aus dem Jahre 2013.
Tim (Domhnall Gleeson, „Dredd“) wächst auf dem Lande in einer heilen Familie auf. An seinem 21. Geburtstag weiht ihn sein Vater (Bill Nighy, „Shaun of the Dead“) in ein Familiengeheimnis ein: Alle männlichen Familienmitglieder können in der Zeit zurückreisen, wenn sie an einem dunklen Ort die Augen fest schließen und sich an einem bestimmten Zeitpunkt aus dem bisherigen eigenen Leben zurückwünschen. Auf diese Weise versucht Tim, Charlotte (Margot Robbie, „Nachbarn“), die über den Sommer als Besucherin bleibende attraktive Freundin seiner Schwester Kit Kat (Lydia Wilson, „Alles, was wir geben mussten“), herumzubekommen, was ihm jedoch permanent misslingt. Später geht er als Jurist nach London, wo er bei einem Dinner im Dunkeln die sympathische Mary (Rachel McAdams, „Passion“) kennenlernt. Er verguckt sich in sie, man vereinbart ein Rendezvous. Doch als Tim seine besondere Fähigkeit nutzt, um seinem cholerischen Mitbewohner und Vermieter Harry (Tom Hollander, „Fluch der Karibik 2“) zu helfen, macht er versehentlich sein Kennenlernen mit Mary ungeschehen. Wird es ihm gelingen, Mary trotzdem für sich zu erobern?
Eine „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Variante also, in der Tim (der ein „Die fabelhafte Welt der Amélie“-Plakat in seinem Zimmer hängen hat) zu Beginn seine Familie aus dem Off vorstellt. Nach einer Silvesterparty weiht sein Vater ihn ins Familiengeheimnis ein, woraufhin er sich nach einem skeptischen Selbstversuch plötzlich zurück auf jener Feier befindet. Seine Versuche, bei Charlotte zu landen, bleiben erfolglos, was den Schluss nahelegt, dass sich auch mittels Zeitreisefähigkeiten eben nicht jede Frau einfach für einen gewinnen lässt – egal, wie viele Anläufe man zur Verfügung hat. Nachdem er sich damit abgefunden und in London Mary kennengelernt hat, reist er erneut in der Zeit zurück, um die Theaterpremiere seines Zimmerdisponenten zu retten. Damit verfolgt er erstmals ein hehres Ziel, wenn er auch zu seinem Leidwesen dadurch Mary nie kennengelernt hat und nun anderweitig versuchen muss, ihr Interesse auf sich zu lenken. So weit, so bedauernswert.
Auch mit den Szenen der Kate-Moss-Ausstellung, die Tim besucht, um Moss-Fan Mary dort zu treffen, wissen zu gefallen: Zeitrafferszenen zu „Friday I’m in Love“ von The Cure, die dem Song auch als Musikvideo gut zu Gesicht gestanden hätten – wenngleich Tim dort erfahren muss, dass Mary mittlerweile einen Freund hat. Letztlich gelingt es ihm dennoch, mit Mary zusammenkommen – und siehe da: Plötzlich macht ihm auch Charlotte Avancen, doch Tim entscheidet sich für Mary und gegen Charlotte. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, wurde hier als Dahinschmelzmoment für die weibliche Zielgruppe installiert. Sein erstes Mal mit Mary gönnt er sich übrigens gleich dreimal…
Fortan zeichnet Curtis ein überidealisiertes Bild einer Beziehung, neben dem man sich direkt schlecht fühlt. Damit ist der Film nun im knietiefen Kitsch angekommen, immerhin wird die Traumhochzeit noch durch ein Unwetter etwas abgeschwächt. Natürlich bekommt man Nachwuchs, der sich nahtlos in die heile Welt einfügt, während die stolzen Eltern kein bisschen altern. Der Griff zum Spuckbeutel ist nicht mehr weit... Wie Supertim dann auch noch seine Schwester rettet, ist endgültig absurd. Dies schien auch Curtis zu erkennen, riss er doch das Ruder noch einmal rum. Tims Vater dichtet das Drehbuch nun Krebs an, gegen den Zeitreisen nichts mehr ausrichten können, will er nicht seine ganze Familie auslöschen. Diese Wende zum Melodram hat die Folge, dass der Film zu lang wird und kein Ende findet. Nach dem unweigerlichen Tod seines Vaters hat Tim indes all das, was sich andere wünschen: Er kann in der Vergangenheit Zeit mit seinem in der Gegenwart toten Vater verbringen, zumindest bis das nächste Kind da ist. Irgendwann nimmt sich Curtis ein Herz und besiegelt seinen Film mit einem superkitschigen Ende, bei dem die Frauenzeitschriftleserinnen noch einmal in die Rotzfahne tröten dürfen.
Der mit Popmusik von Anfang der 2000er unterlegte und beständig aus dem Off kommentierte „Alles eine Frage der Zeit“ hätte eine Parabel auf Perfektionismuswahn werden können. Stattdessen ist dem Resultat eine fragwürdige Aussage immanent: Nur nicht die Realität akzeptieren und für sein eigenes Handeln die Verantwortung übernehmen. Diese wird gegen Ende alibimäßig zwar ein wenig abgeschwächt, und sicherlich ist es eine schöne Vorstellung, alles ausbügeln und im zweiten oder dritten Anlauf jedem Fettnäpfchen ausweichen zu können. Was hier jedoch permanent mitschwingt, ist die irrige, arrogante männliche Annahme, man müsse die Objekte seiner Begierde nur lange und trickreich genug von sich zu überzeugen wissen, damit sie sich einem hingeben, Zurückweisungen bräuchten nicht akzeptiert zu werden bzw. wenn doch, kämen die entsprechenden Damen früher oder später sowieso wieder angekrochen. Dass die Zeitreisen gegenüber Geschlechtsgenossen ohne Superkräfte extrem unlauteren Wettbewerb bedeuten, wird zudem mit keiner Silbe problematisiert. All dies wurde verpackt in eine vergnügliche erste Hälfte, die mit ihrem Dialogwitz und ihrer Situationskomik für ein paar Schmunzler gut ist, und eine melodramatische, sich bis ins Absurde steigernde Zuspitzung, für die sich eine bestimmte Zielgruppe erwärmen dürfte, die spießigen, utopischen Idealen perfekter Familien nachhängt und gar nicht bemerkt, was man ihr unter diesem Zuckerguss an ranzigem Schmalz weit überm Verfallsdatum serviert. Da hilft dann auch keine wirklich schöne Folkballade wie „How long will I love you“ mehr. Eine Erkenntnis jedoch nehme ich aus diesem Film mit: Zeitreisende haben mir früher die Mädels weggeschnappt...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)