Blinded by the Light - Gurinder Chadha (2019)

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Blinded by the Light - Gurinder Chadha (2019)

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Originaltitel: Blinded by the Light

Herstellungsland: Großbritannien / USA (2019)

Regie: Gurinder Chadha

Darsteller(innen): Viveik Kalra, Kulvinder Ghir, Meera Ganatra, Aaron Phagura, Dean-Charles Chapman, Nikita Mehta, Nell Williams, Tara Divina, Rob Brydon, Frankie Fox, Hayley Atwell, Sally Phillips u. A.

Der 16-jährige Javed (Viveik Kalra) lebt mit seiner einst aus Pakistan immigrierten Familie in der englischen Kleinstadt Luton. Sein Vater Malik (Kulvinder Ghir) arbeitet in einer Autofabrik, seine Mutter Noor (Meera Ganatra) schuftet als Näherin. Für ihren Sohn haben sie andere Pläne: Er soll studieren, einer hochdotierten Tätigkeit nachgehen und es einmal besser haben. Doch der sensible Javed träumt heimlich davon, Schriftsteller zu werden. Er führt Tagebuch und verfasst Gedichte sowie Songtexte für seinen Freund Matt (Dean-Charles Chapman) aus der Nachbarschaft, der Mitglied einer Synthie-Pop-Band ist. Seine neue Englischlehrerin Miss Clay (Hayley Atwell) versucht, Javed zu fördern, doch Javed glaubt selbst nicht an sein Talent, zumal er es vor seinen Eltern verheimlichen muss. In der von Premierministerin Margaret Thatcher zerstörten Gesellschaft ist Javeds Dasein freudlos und trist und sein weiterer Lebensweg scheint vorgezeichnet. Doch als ihm sein neuer Mitschüler Roops (Aaron Phagura) die Springsteen-Musikkassetten „Born in the U.S.A.“ und „Darkness on the Edge of Town“ zusteckt, hat Javed sein Erweckungserlebnis: Die Texte sprechen ihm aus den Herzen, erstmals fühlt er sich verstanden. Er wird zum begeisterten Springsteen-Fan und lässt sich von den Texten inspirieren. Sein Leben nimmt eine Wende, er lernt sogar seine erste Freundin kennen. Doch kommt es auch zum unausweichlichen Konflikt mit seinem Vater…

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Re: Blinded by the Light - Gurinder Chadha (2019)

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„You can’t start a fire without a spark!”

Ein Coming-of-Age-Film, der 1987 spielt und Popkultur zum Inhalt hat? Will da jemand auf dem ‘80er-Retro-Zug mitfahren? Kaum, denn „Blinded by the Light“ ist kein Genrefilm. Die multikulturelle Regisseurin Gurinder Chadha („Kick It Like Beckham“) dieser britisch-US-amerikanischen Koproduktion aus dem Jahre 2019 verfilmte vielmehr die Memoiren „Greetings from Bury Park: Race, Religion and Rock’n’Roll“ des britischen Journalisten, Schriftstellers und Bruce-Springsteen-Fans Sarfraz Manzoor. „Blinded by the Light“ ist Dramödie, Zeitporträt und Springsteen-Ode zugleich.

Der 16-jährige Javed (Viveik Kalra, „Next of Kin“) lebt mit seiner einst aus Pakistan immigrierten Familie in der englischen Kleinstadt Luton. Sein Vater Malik (Kulvinder Ghir, „Kick It Like Beckham“) arbeitet in einer Autofabrik, seine Mutter Noor (Meera Ganatra) schuftet als Näherin. Für ihren Sohn haben sie andere Pläne: Er soll studieren, einer hochdotierten Tätigkeit nachgehen und es einmal besser haben. Doch der sensible Javed träumt heimlich davon, Schriftsteller zu werden. Er führt Tagebuch und verfasst Gedichte sowie Songtexte für seinen Freund Matt (Dean-Charles Chapman, „Game of Thrones“) aus der Nachbarschaft, der Mitglied einer Synthie-Pop-Band ist. Seine neue Englischlehrerin Miss Clay (Hayley Atwell, „Cinderella“) versucht, Javed zu fördern, doch Javed glaubt selbst nicht an sein Talent, zumal er es vor seinen Eltern verheimlichen muss. In der von Premierministerin Margaret Thatcher zerstörten Gesellschaft ist Javeds Dasein freudlos und trist und sein weiterer Lebensweg scheint vorgezeichnet. Doch als ihm sein neuer Mitschüler Roops (Aaron Phagura) die Springsteen-Musikkassetten „Born in the U.S.A.“ und „Darkness on the Edge of Town“ zusteckt, hat Javed sein Erweckungserlebnis: Die Texte sprechen ihm aus den Herzen, erstmals fühlt er sich verstanden. Er wird zum begeisterten Springsteen-Fan und lässt sich von den Texten inspirieren. Sein Leben nimmt eine Wende, er lernt sogar seine erste Freundin kennen. Doch kommt es auch zum unausweichlichen Konflikt mit seinem Vater…

„Blinded by the Light“ gewährt einen authentisch anmutenden Einblick ins unter Thatchers arbeiterklassenfeindlicher Politik ächzende England der 1980er aus der Sicht einen jungen Angehörigen der pakistanischstämmigen Minderheit, die sich zunehmendem Rechtsradikalismus durch den Abschaum der National Front und krassen Diskriminierungen ausgesetzt sahen – und trotz allem versuchten, so ruhig und unauffällig wie möglich zu bleiben. Javed schließlich ist es, der aus seiner Rolle ausbricht und seinen eigenen Weg zu gehen versucht, wobei ihm die Musik des „Boss“ hilft. Dieser hatte seit dem Welterfolg „Born in the U.S.A.“ kein Studioalbum mehr veröffentlicht und war von der nunmehr auf New Wave und Synthie-Pop abfahrenden Jugend zum alten Eisen gezählt worden. Im Oktober 1987 erschien das qualitativ abfallende „Tunnel of Love“, das dennoch auch in Großbritannien auf Platz 1 in den Charts landete, im Film jedoch keine Rolle spielt. Stattdessen sind es insbesondere die Songs „Dancing in the„Dark“ und „The Promised Land“, die Javed tief beeindrucken und in Lyric-Videoclip-Ästhetik in die Handlung integriert wurden. Sie veranschaulichen eindrucksvoll die Kraft und die Macht der Musik sowie Springsteens lyrisches und musikalisches Geschick.

Zum industriellen Strukturwandel, der Arbeitslosigkeit (von der schließlich auch Javeds Vater betroffen ist), dem Rassismus und Javeds Problemen, Akzeptanz, Freundschaft und Liebe zu finden, gesellen sich die familiären Probleme, resultierend aus dem Umgang mit Familientraditionen. Ebenso wie die Tory-Verrätereltern Javeds späterer Freundin Eliza (Nell Williams, „Game of Thrones“) verharrt sein Vater in konservativen Familienbildern, was Patriarchat, das Festhalten an pakistanischen Traditionen und Skepsis gegenüber der westlichen Kultur bedeutet. Doch Malik ist kein bösartiger Tyrann, sondern jemand, der, einst in der Hoffnung auf ein besseres Leben in den Westen gekommen, seine Erfahrungen gemacht hat und die Träume seines Sohns daher für Hirngespinste und Fantastereien hält. Javeds Emanzipationsprozess ist folglich für beide schmerzhaft.

Dennoch steuert „Blinded by the Light” auf ein allumfassendes, sehr sentimentales und rührseliges Happy End zu; der Weg dorthin ist gespickt mit zahlreichen Seitenhieben auf die britische Politik und Gesellschaft, spannenden Einblicken in den Alltag pakistanischstämmiger Familien sowie leider dann doch etwas zu kitschigen Bollywood-Musicaleinlagen. Die USA werden sehr undifferenziert und unkritisch als das Paradies auf Erden gezeichnet, was ärgerlich ist, und manch Veränderung in Javeds Leben – z.B. das Zusammenkommen mit seiner Freundin – erscheint mir unrealistisch übereilt. Entscheidend aber sind die zwar nicht sonderlich neuen, aber aus seltener Perspektive gezeigten Erkenntnisse über den Ausbruch aus scheinbar vorgegebenen Rollenbildern und über das Selbstbewusstsein, das man zunächst einmal benötigt, um sich erfolgreich zur Wehr setzen zu können. All das geht mit durchaus schmerzhaften Bildern einher, wenngleich sich der Film immer wieder verweigert, ein schwermütiges Drama zu werden: Neben reichlich populärkulturellem Zeitkolorit sind es die fantastische Musik Springsteens und der sympathische Humor, und nicht zuletzt natürlich der Umstand, dass alle durch Javeds Aufbegehren herbeigeführten Änderungen zum Erfolg führen, die „Blinded by the Light“ zu einem Kinoerlebnis zwischen Gänsehaut, Tränen der Rührung, Inspiration und guter Laune machen. Sogar der zwischenzeitliche Zwist zwischen Synthie-Pop und Blue-Collar-Rock wird beigelegt und mündet in eine friedliche Koexistenz. Da stört es dann auch nicht, dass das Grundprinzip einem „Kick It Like Beckham“ doch recht ähnlich ist.

Der aktuelle ‘80er-Retro-Trend dürfte „Blinded by the Light“ in die Hände spielen, und tatsächlich fügt er sich als unterhaltsame Aufarbeitung prima zwischen all den vornehmlich mit der Ästhetik des Jahrzehnts spielenden Genrefilmen ein. Dabei ist es im Prinzip auch vollkommen egal, ob man seine musikalische Erweckung durch den Boss oder eine(n) andere(n) Künstler(in) respektive Band erlebt hat – so Springsteen-fixiert Chadhas Film auch sein mag, so übertragbar ist doch sein Effekt. Die authentischen Fotos Javeds realen Alter Egos Sarfraz Manzoor im Abspann sind dann noch ein weiteres Schmankerl, die daran erinnern, dass es sich um kein Holly- oder Bollywood-Märchen handelt. Das ist schön – weniger schön sind die beunruhigenden Parallelen zur Gegenwart, was verfehlte Politik, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus betrifft. Was den Film umso bedeutsamer macht.

„Yeah, he was blinded by the light / Oh, cut loose like a deuce, another runner in the night / Blinded by the light / He got down, but he never got tight / But he's gonna make it tonight…”
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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