#Followme - Sam Hardy (2019)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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#Followme - Sam Hardy (2019)
Originaltitel: #Followme
Produktionsland: Großbritannien 2019
Regie: Sam Hardy
Darsteller: Kara Kingsward-Hughes, Scarlett Davies, Maria Louis
Puh, das ist nun auch schon eine Weile her, dass ich einen derart nicht nur kinematographisch komplett uninteressanten, sondern auch inhaltlich völlig nichtssagenden und aufgrund seiner Figuren regelrecht nervtötenden Film gesehen habe…
Jessica, Sophie, Lisa sind drei junge Londonerinnen, die von der britischen Hauptstadt nach Kalifornien reisen, da Jessica, bei der es sich um eine berühmte YouTuberin und Influencerin handelt, an einer internationalen Convention in San Francisco im Applaus ihrer Fans baden möchte. Erster Programmpunkt nach der Landung ist jedoch zunächst Los Angeles, wo man die beliebtesten Touristenattraktionen abklappert: Hollywood-Sign, Walk of Fame, Partystrand. Zwischendurch werden noch zwei Jünglinge aufgegabelt, mit denen Lisa und Sophie eine drogen- und alkoholschwangere Nacht in der angemieteten Luxusvilla verbringen, während die verlobte Jessica sich über den exzessiven Hedonismus ihrer Busenfreundinnen echauffiert. Am nächsten Tag geht’s dann mit dem Mietwagen in die Wüste Richtung San Francisco, wobei die Fahrt überschattet ist vom Hangover der Fahrerin Lisa, die als einzige der Bande einen Führerschein hat, davon, dass Lisas Smartphone spurlos verschwunden ist, und dass man irgendwo im Niemandsland einen Platten hat, und so weiter, und so fort, - und inzwischen ist fast eine Stunde dieses furchtbaren Streifens vergangen, ohne dass IRGENDETWAS Nennenswertes passiert wäre: Gefilmt sind die unerträglichen Nichtereignisse ausnahmslos per verwackelter Handykamera, mit der Jessica für ihre Follower den US-Aufenthalt aufzeichnet, sodass das Ganze wahlweise wirkt wie Einblicke in den Urlaubsalltag reichlich belangloser Menschen, denen der Sinn nach kaum etwas anderem steht als Booze und Boys, oder wie ein uninspiriertes Urlaubsvideo, das nicht mal denjenigen, die es geschossen haben, retrospektiv spannend genug erscheinen dürfte, dass sie es sich nochmals in voller Länge anschauen. Stellt euch einfach vor, ihr seid nicht bei Tante Erna und Onkel Willibald zum Dia-Gucken eingeladen, sondern bei den Bitches Next Door.
Wer mir nun entgegenhalten möchte, #FOLLOWME würde eben genau diese Seelen- und Belanglosigkeit der gegenwärtigen Medienkultur thematisieren wollen und seine Argumentation mit Zitaten Byung-Chul Hans garniert, um mir zu beweisen, dass Regisseur Sam Hardy seinen trivialen, materialistischen Figuren eigentlich fortwährend einen Spiegel vorhält, um sie zu entmystifizieren und damit die gesamte YouTube- und Influencer-Szene zu konterkarieren – tja, der hat wirklich den Schuss nicht gehört, und der wird es auch als GROSSE KUNST bezeichnen, wenn ich morgen ein Handyvideo beim örtlichen Kurzfilmfestival einreiche, das zeigt, wie ich meine Wäsche zum Trocknen in die Sonne hänge.
Wenn #FOLLOWME wenigstens als plakativer Thriller funktionieren würde… nun, auch dann wäre das kein origineller Film, sondern der hunderttausendste Aufguss von Projekten à la BLAIR WITCH & Co., nur eben verlegt ins Milieu enervierender Internet-Stars. Aber, wie oben schon angedeutet, von Spannung kann keine Rede sein: Es dauert ja allein über eine Stunde, bis unsere, hust, „Heldinnen“ überhaupt auf die Idee kommen, dass sie möglicherweise verfolgt und bespitzelt werden. Das anschließende Finale hat mich dann indes tatsächlich sprachlos gemacht: Ein maskierter Killer tötet die Damen nacheinander off-screen, bevor wir mit der Information in den Abspann entlassen werden, dass über die Identität des Mörders rein gar nichts bekannt ist; die Polizei hat am Tatort lediglich Jessicas Kamera nebst etlicher Videoclips gefunden, aus denen sich dann wiederum der Film zusammensetzt. Sicher, es gibt genügend Werke, die davon leben, dass die in ihnen dargestellten Verbrechen nicht final aufgeklärt werden, sondern die Fährtenlese letztlich dem Publikum selbst obliegt. Aber, argh, jemanden nach eineinhalb Stunden Blick in die oberflächliche Virtual-Reality-Hölle mit einem derartigen Nichts von Schluss abzuspeisen, das grenzt im Falle von Herrn Hardy schon an strafrechtlich relevante Kreativitätsverweigerung.
Gerade im Sektor des Found-Footage-Horrors, (dem sich #FOLLOWME ja offenbar, dem Selbstverständnis nach, zurechnet), gibt es so viele Gurken, dass man damit eine McDonalds-Großfiliale eine ganze Woche lang problemlos versorgen könnte. Aber meist bietet noch der fadeste Genre-Beitrag ja doch wenigstens die eine oder andere halbwegs nette Prämisse, die eine oder andere aufsehenerregende Gewaltspitze, den einen oder anderen vielleicht nicht ganz so vorhersehbaren Plot-Twist. Doch mal ernsthaft: Weshalb sollte sich irgendwer 90 Minuten lang angucken, wie drei absolut unsympathische Zicken in Kalifornien saufen, Jungs aufreißen, sich selbst in Szene setzen, nur um am Ende ohne großes Brimborium vom Maskenmann gemeuchelt zu werden?
Der Bodensatz des Kinos -, sofern man denn ein solches Machwerk überhaupt noch dem Dispositiv "Kino" zurechnen möchte. Wohl eher handelt es sich um das Ende des Kinos, wie es Godard schon vor einem halben Jahrhundert in WEEK END verkündet hat. Oder, in den Worten Lyotards: Das Ende der Erzählungen, das Ende der Geschichten, das Ende der Mythen. #FOLLOWME erzählt nichts mehr, verführt nicht mehr, verzaubert nicht mehr. Alles ist blanke, glatte, reibungslose Oberfläche: Eine besoffene YouTuberin ist eine besoffene YouTuberin ist eine besoffene YouTuberin. Es werden bloß noch schnöde Dinge gezeigt, und hinter dem Gezeigten gähnt die ästhetische, intellektuelle, dramaturgische Leere. Eine hohle Nuss, ein Kondom ohne Inhalt. #FOLLOWME ist einer der wenigen Spielfilme, bei denen ich es vollends gerechtfertigt fände, wenn man ihn sich besoffen an der Haltestelle auf dem Smartphone anschaut, wo man auf seinen Bus wartet.