Haus des Grauens
Paranoiac
Großbritannien 1963
Regie: Freddie Francis
Janette Scott, Oliver Reed, Sheila Burrell, Maurice Denham, Alexander Davion, Liliane Brousse, Harold Lang, Arnold Diamond, Marianne Stone, Sydney Bromley, John Bonney, John Stuart, Laurie Leigh, Colin Tapley, Jack Taylor
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OFDB
Die vermögende Familie Ashby. Ein Hort der Familie und der Rechtschaffenheit, in dessen Schoß die junge Eleanor behütet aufwächst. Die Eltern sind vor 11 Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen, und Tante Harriet kümmert sich seitdem um den guten Ruf. Und nur darum. Unter anderem damit, dass sie jedes Jahr einen Gedenkgottesdienst veranstalten lässt. Den Freitod des 15-jährigen Tony vor acht Jahren hat Eleanor niemals so richtig überwinden können, hat sie ihren Bruder doch über alles geliebt, und sehnt ihn sich so sehr herbei, dass ihre Gesundheit gelitten hat und sie von einer französischen Pflegerin betreut wird. Dieses Jahr aber meint Eleanor, beim Gottesdienst Tony zu sehen, und fällt in Ohnmacht. Ein Umstand, der den älteren Bruder Simon vollkommen kalt lässt. Seine einzigen Interessen sind das Saufen, die geöffneten Schenkel der Pflegerin Françoise, und dass er in drei Wochen endlich an das Familienvermögen rankommt. Dass Tony plötzlich tatsächlich vor der Türe steht passt da gar nicht in Simons Plan, denn wenn Eleanor als verrückt erkannt werden würde, wäre er der einzige Erbe des Familienvermögens gewesen. Jetzt sind es plötzlich drei Erben! Eindeutig zwei zu viel … Oder ist Tony vielleicht nur ein Betrüger?
„
Sie ist ziemlich durcheinander, etwas verwirrt.“ „
Mein liebes Tantchen, meine Schwester ist geistesgestört!“
Das Haus das Verrückte macht würde als Titel besser passen. Absolut jeder hat hier einen gewaltigen Sprung in der Schüssel – Eleanor trauert nach 8 Jahren immer noch um ihren Bruder, Simon säuft wie ein Loch und steht prinzipiell mit einem Bein im Knast, und Tante Harriet schaut peinlichst genau darauf, dass nach außen hin alles wohlgesittet aussieht. Und dann das: Tony ist da! Acht Jahre nach seinem Freitod steht der jüngste Spross dieser missratenen Familie vor der Tür und erhebt Anspruch auf seinen Anteil am Reichtum. Dass da Mordgedanken hochkommen ist nachvollziehbar, und dass die Identität Tony genauestens überprüft werden muss ebenfalls. Aber ist der Mann nun ein Schwindler, oder ist er der echte Tony?
Auch wenn das recht früh verraten wird, ich möchte das hier nicht spoilern. Bis zur Auflösung hat es einige sehr spannende Momente, wo dieses „Ist er oder ist er nicht?“ ultimativ ausgewälzt wird. Überhaupt bekleckert sich das fein ausgearbeitete Drehbuch öfters einmal mit Ruhm, vor allem damit, dass die ganze Geschichte punktgenau und in schlappen 76 Minuten erzählt wird. Keine unnötigen Schleifen, keine unbrauchbaren Liebesgeschichten, und vor allem kein Kitsch am Ende. Der Film hört auf wenn er aufhört, und erschlägt den Zuschauer förmlich mit den letzten Bildern und dem dazugehörigen Drama. Auch die Dialoge sind gut austariert und verschwenden keine unnötige Zeit; so findet die Vorstellung der Familie und ihrer Tragödie zu Beginn durch den Pfarrer während des Gottesdienstes statt, und die Kamera dient sich der Ausführung an. Zeitsparend, und dabei hocheffizient.
Wie alles in HAUS DES GRAUENS eigentlich genau auf die Zwölf zeigt. Gut austarierte Küchenpsychologie überlässt man den Kollegen von der Arthouse-Front, hier werden die Charaktere zum Vergnügen des Zuschauers mit der groben Kelle gezeichnet, und zumindest Oliver Reed als Simon schafft es dabei trotzdem, ein feines Psychogramm eines vom Leben und seiner eigenen Habgier zerstörten Zynikers und Materialisten zu zeichnen. Janette Scott ist als Eleanor etwas blässlich, und der TV-Schauspieler Alexander Davion wirkt wie eine Mischung aus Robert Hossein und Cary Grant, gestaltet seine Rolle als Tony mit Fragezeichen aber sehr überzeugend und ist entschieden die Sympathiefigur des Films. Aber eben Oliver Reed ist es, der dem Film das Fleisch auf den Rippen gibt. Wenn er die Szenerie betritt weiß man, dass gleich Dialoge daherkommen von denen man im wahren Leben nur träumen kann, und dass die Eckpunkte Sex und Gewalt nur darauf lauern endlich von der Leine gelassen zu werden.
HAUS DES GRAUENS ist ein Prachtstück einer frühen Mixtur aus Psychothriller und Exploitation, der mit seiner direkten Art unglaublich Vergnügen macht und keinerlei Schwachpunkte bietet. Großes Kino!
8/10