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Mitwirkende: Nick Broomfield, Mari Earle Mari Earle, Tracy Marander, Alice Wheeler, Hank Harrison, Rozz Rezabek, Amy Squier, Tom Grant, Dylan Carlson, Al Bowman, Jack Briggs, El Duce, Chelsea Rae, Victoria Mary Clarke u. A.
Dieses Meisterwerk über Kurt Cobain und Courtney Love erzählt von der tragischen Geschichte des Leadsängers der Band Nirvana und bringt spannende und skandalöse Enthüllungen ans Tageslicht. Sämtliche Lügen und Gerüchte werden ausführlich in dieser Dokumentation mit Personen behandelt, die vom Freitod Cobains betroffen waren. Hintergründe, Fakten, Interviews: Der Film zeigt, welche Dinge sich vorher und nachher zugetragen haben. Wie war das Verhältnis zu Courtney und wie hat sie sich gewandelt? Prominente und Menschen aus dem Alltag verraten, wie es tatsächlich war.
Quelle: Covertext
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Der britische Dokumentarfilmer Nick Broomfield („Die Peitsche der Pandora“) sprang auf den auch einige Jahre nach dem Tode des Nirvana-Gitarristen und -Sängers Kurt Cobain noch nicht zum Halt gekommenen Zug um die Verschwörung, Kurt sei von seiner Ehefrau, der Musikerin und Schauspielerin Courtney Love, ermordet worden, auf und schickte sich an, für seinen 1998 veröffentlichten Film diesem Gerücht nachzugehen und die Beziehung zwischen Kurt und Courtney zu beleuchten. Doch da Kurts Witwe Courtney ihm nicht nur keine Nirvana-Songs für den Film lizenzierte, sondern auch generell keinerlei Lust hatte, mit Broomfield zu kooperieren, geriet „Kurt & Courtney“ zu einer Farce, die den Eindruck einer persönlichen Abrechnung Broomfields mit Courtney erweckt.
Broomfields erste Station ist Kurts Tante Mari Earle, die Gesangsaufnahmen Kurts im Alter von gerade einmal zwei Jahren vorspielt, gefolgt von Kurts ehemaligem Lehrer, bei dessen Familie Kurt für ein ganzes Jahr unterkam, nachdem er zu Hause rausgeflogen war. Auch wenn der Lehrer von Broomfield spontan überfallen zu werden scheint und zunächst entsprechend reagiert, erweist er sich als umgänglicher Gesprächspartner, und Tante Mari wirkt überaus nett und geerdet. Alte Fotos und Videoaufnahmen, auf die Broomfield Zugriff bekam, wurden integriert und bieten einen gewissen Mehrwert. Doch wer glaubt, die Doku würde auf diese Weise weitergehen, sieht sich getäuscht. Kurts Ex-Freundin Tracy Marander, für die er „About A Girl“ geschrieben hatte, berichtet über Kurts Dünnheit und zeigt Broomfield Gemälde, die Kurt gemalt hatte – woraufhin Broomfield ihr befremdliche und zu nichts führende Fragen stellt wie diejenige, ob Kurt eine Art Obsession für Föten gehabt habe.
Mit Nirvana-Fotografin und -Freundin Alice Wheeler spricht er über Ruhm und Isolation. Schon früh fällt auf, wie Broomfield seine Interview-Partnerinnen und -Partner mit Suggestivfragen löchert. Seine nächste Station ist Courtneys leiblicher Vater Hank, der sie zu hassen scheint, Bücher über Kurt schrieb, seine Tochter verdächtigt, Kurt umgebracht zu haben und kein gutes Haar an ihr lässt – obwohl sein Kontakt zu ihr schon lange abgebrochen ist. Der Eindruck, den er hinterlässt, ist dabei jedoch vielmehr der, dass Courtney gut daran tut, diesen hasserfüllten, öffentlich schmutzige Wäsche waschenden und es mit seinen wirren Theorien zu Bekanntheit und auch Geld bringenden Menschen zu meiden.
Von nun an geht es hauptsächlich um Courtney. Rozz Rezabek, ein gescheiterter Musiker und Ex-Freund Courtneys, beschreibt sie als Drama-Queen, beschuldigt sie, ihm die Karriere gestohlen zu haben, und kommt dabei unfreiwillig wie ein verbitterter Unsympath rüber, der es nur schwer erträgt, dass seine Ex im gleichen Metier erfolgreicher ist als er. Amy, eine gemeinsame Bekannte Kurts und Courtneys, lästert ebenfalls über Courtney, ohne dass daraus ein Erkenntnisgewinn fürs das Doku-Publikum resultieren würde. Der einst von Courtney engagierte Privatdetektiv Tom Grant vertritt lautstark die Mordtheorie und stellt Behauptungen auf wie die, dass Kurt zu viel Heroin intus gehabt habe, um seine Waffe überhaupt halten zu können, die aber direkt widerlegt wird.
Kurt habe sich scheiden lassen wollen, wird kolportiert, und Dylan, Mitglied der Band Earth, der Kurt angeblich die tödliche Waffe besorgte, wirkt im Gespräch mit Broomfield wie ein fertiger Junkie. Ausgerechnet ihn benutzt Broomfield, um seine These zu stützen, Kurt sei nicht suizidal gewesen. Und es wird immer schräger: Er beauftragt sogar zwei schmierige Paparazzi, Jagd auf Courtney zu machen. Diese filmen sich mit ihrer Kamera beim Blödsinnmachen, sodass der Akku den Geist aufgibt, als sie tatsächlich eine Gelegenheit haben, Aufnahmen von Courtney an ihrem Aufnahmestudio zu machen. Aber es wird noch irrer: „El Duce“, Mitglied der plakativ misogynen und schwarzhumorig-geschmacklosen Metal-Band Mentors und regelmäßiger Gast in Trash-TV-Formaten, der behauptete, von Courtney 50.000 Dollar angeboten bekommen zu haben, um Kurt um die Ecke zu bringen, wird auf seinem Grundstück aufgesucht, um genau das vor der Kamera zu wiederholen. Dies tut er und erwähnt als wahren Täter einen nicht näher spezifizierten „Allen“. Dabei wirkt er wie ein alkoholisierter Hinterwäldler. Dass „El Duce“ diesen Namen mutmaßlich fallenließ, um auf das just im Jahre 1998 sein Debütalbum veröffentlichende Bandprojekt „Kill Allen Wrench“ seines Mentors-Kollegen „Dr. Heathen Scum“ aufmerksam zu machen, und dass besagter Allen Wrench in Interviews anschließend damit kokettierte, irgendwie an 50.000 $ Dollar gekommen zu sein – von alldem scheint Broomfield nichts zu ahnen.
Als Tante Mari der Mordtheorie explizit widerspricht, will Broomfield an diese plötz- und angeblich auch nicht mehr glauben, doch dann wird „El Duce“ wenige Tage nach dem Interview von einem Zug überfahren – was diejenigen, die tatsächlich glauben, dass Courtney ihn umbringen lassen würde, weil er jedem TV-Reporter, der ihm Geld dafür gibt, das sagt, was er von ihm hören will, in ihrer Verschwörungstheorie bekräftigt. Statt neuer Erkenntnisse bekommen wir noch einmal Amy zu sehen, die gar nicht beweisen kann, Kurt und Courtney überhaupt gekannt zu haben, Courtneys Vater, der total beknackt wirkt (was nun auch Broomfield auffällt), und schließlich eine neue Figur: Chelsea, die angeblich Kurts und Courtneys ehemaliges Kindermädchen kennt. Sie erzählt Broomfield, ihr sei von diesem berichtet worden, Kurts Tochter habe sich von ihm entfremdet. Nun tritt besagtes Kindermädchen mit einer Pulle Bier selbst vor die Kamera und lässt wissen, dass zuletzt viel übers Testament geredet worden sei, Courtney Kurt völlig kontrolliert habe, sie Angst vor Courtney verspüre und nicht an den Suizid glaube. Broomfields vorausgegangene Beteuerungen, nicht mehr an eine solche Verschwörungstheorie zu glauben, wird dadurch relativiert und klingt im Nachhinein wie ein „Ich persönlich glaube das ja nicht, aber…“. Inwieweit diese beiden Mädchen überhaupt als glaubwürdige Quellen in Betracht kommen, bleibt völlig offen.
Broomfield macht sich in Manier Michael Moores und Konsorten selbst zum Teil der Doku, führt mit Leichenbittermiene und betontem Ernst durch seinen Film und erwähnt zwischenzeitlich immer wieder, dass Courtney ihn sabotiere. Stellen, an denen er offenbar ursprünglich Musikvideos oder Auftritte Nirvanas zeigen wollte, lässt er nicht etwa weg, sondern zeigt stattdessen Live-Aufnahmen völlig anderer Bands aus Seattle und Umgebung. Als inmitten der Dreharbeiten der damalige Musiksender MTV als Geldgeber aussteigt, weil Courtney offenbar ihren Einfluss geltend gemacht hat, platzt Broomfield endgültig der Kragen. Vermehrt geht es gegen Ende darum, wie böse Courtney sei. Zusammen mit seinen idiotischen Paparazzi passt Broomfield diese im Vorfeld ihres Auftritts bei der American Civil Liberties Union (ACLU), einer gemeinnützigen US-Bürgerrechtsorganisation, doch noch ab, doch die Paparazzi sind zu aufgeregt, um überhaupt einen Ton herauszubekommen, und Broomfield stellt ihr völlig belanglose Fragen. Zur Konfrontation kommt es erst, als Broomfield während der ACLU-Veranstaltung nach Courtneys Rede die Bühne entert und sie der Zensur der Redefreiheit bezichtigt, woraufhin er herausgeworfen wird.
Am Schluss weiß man nicht viel mehr über Kurts Tod, sein Leben mit Courtney, über Nirvana oder Courtney Love als vorher, außer, dass letztere vermutlich schlicht (und mit leidlichem Erfolg) versuchte, unseriöse Schmierfinken einzuschüchtern und aus ihrem Privatleben fernzuhalten. Dafür erfährt man aber einiges über Nick Broomfield und sein Verständnis von investigativem Journalismus, das vielmehr wie sensationsgeiler Klatsch und Tratsch ohne Rücksicht auf Verluste wirkt und diesen Film hervorbrachte, der besonders in der Retrospektive unfreiwillig komisch wirkt. Neben den bereits erwähnten Kuriositäten gibt es einige weitere zu entdecken: Wir sehen Broomfield in einer minutenlangen Einstellung zu Kurts ehemaligem Haus fahren, nur um ihn dort angekommen sagen zu hören, dass dies besagtes Haus sei. Dann fährt er wieder davon. In einer anderen Szene betritt er ein Geschäftsgebäude, dem Kurt einst gegenüber gewohnt habe. Die Empfangsdame wirft Broomfield direkt wieder heraus. Was er dort überhaupt wollte, erfahren wir nicht. Derart sinnlose Füllszenen bringen den Film auf seine Länge, haben aber keinerlei Informationsgehalt.
Anderes kommt hingegen überhaupt nicht in „Kurt & Courtney“ vor, beispielsweise Gespräche mit wirklich relevanten Interviewpartnern wie Kurts ehemaligen Bandmitgliedern oder engen Begleitern der Band. Auf diese Idee scheint Broomfield auch gar nicht gekommen zu sein, zumindest verliert er kein Wort darüber. Nach einem vielversprechenden Auftakt mit Mari Earle, dem Lehrer, Tracy und Alice bekommen wir nur noch wenig vertrauenserweckende Gestalten zu Gesicht, die nicht selten der Realität entrückt scheinen. Auswahl der Gesprächspartnerinnen und -partner sowie Broomfields Rhetorik sind tendenziös und dabei leicht zu durchschauen. Seine Zensurvorwürfe gegenüber Courtney lassen ebenso tief blicken wie der unbedingte Wille, aus einer vielleicht tatsächlich unsympathischen Person eine mörderische schwarze Witwe zu machen. Dies scheint mir viel damit zu tun haben, dass sie sich nicht so benimmt, wie Gesellschaft und Business es vielleicht von einer Frau erwarten; aus heutiger aufgeklärter Sicht war der unterschwellige Sexismus für mich schwer zu übersehen.
Neben privaten Investoren sprang sogar die BBC ein, um Broomfields Film zu finanzieren. Gab es je eine niveaulosere BBC-Produktion? Ich weiß es nicht. Mit Sicherheit aber habe ich bisher keinen misslungeneren Dokumentarfilm als diesen gesehen, bei dem man fast wie bei einem Autounfall trotzdem hingucken muss. „Kurt & Courtney“ ist perfekt für Medien- und Journalismus-Seminare geeignet – als abschreckendes Beispiel.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)