Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Moderator: jogiwan
Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Originaltitel: Eastern Promises
Herstellungsland: Großbritannien, Kanada, USA
Erscheinungsjahr: 2007
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Viggo Mortensen, Naomi Watts, Vincent Cassel, Armin Mueller-Stahl, Sinéad Cusack,
Donald Sumpter, Tamer Hassan, Sarah-Jeanne Labrosse, Raza Jaffrey, Olegar Fedoro, Alice Henley,
Peter Rnic...
Inhalt:
In einem Londoner Krankenhaus, stirbt bei einer Geburt ein junges russisches Mädchen, offenbar eine Prostituierte.
Aus Mitgefühl für ihr Baby versucht die russischstämmige Hebamme Anna, Verwandte des Mädchens ausfindig zu machen.
Ein auf Russisch geführtes Tagebuch, sowie der Name eines bekannten russischen Restaurants, sind Annas einzige Spuren.
Semyon, der angesehene Besitzer des Restaurants, der über Verbindungen zur russischen Mafia verfügen soll,bietet ihr seine Hilfe an.
Anna unterschätzt die Gefahr, die von ihm ausgeht, und schlägt auch die Warnungen des Fahrers Nikolai in den Wind, der als Aufpasser für Semyons rücksichtslos-impulsiven Sohn Kirill fungiert und Anna zu beschützen versucht. Ehe sie es sich versieht, steckt Anna mitten drin in den brutalen Machenschaften und internen Machtkämpfen der Mafia: Ihr Leben und das ihrer Familie schwebt in tödlicher Gefahr.
Wem kann Anna noch trauen? Und welche Rolle spielt der mysteriöse Nikolai?
Fazit:
Abgründig, hart und kompromisslos, jetzt schon ein Klassiker, wie ich finde!
Cronenberg schafft es nach "A History Of Violence" hier noch eins drauf zu setzten, denn auch in "Tödliche Versprechen" scheut er sich nicht vor krasser zur Schau stellung von Gewalt, um die menschenverachtenden Machenschaften der Russen-Mafia darzustellen.
Viggo Mortensen ist die Idealbesetzung für diese Rolle auch Naomi Watts ist gut gewählt und Vincent Cassel als Sohn des Paten, der von Armin Müller Stahl gespielt wird, ist genial.
Mir gefällt "Eastern Promises" noch besser als "History Of Violence", weil komplexer und spannender, dieser Streifen gehört zu meinen ganz speziellen Lieblingen.
Natürlich ist es eher ein Film der leiseren, dafür aber um so intensiveren Gangart, wer also ne Aktiongranate erwartet wird enttäuscht sein.
Mir hat auch das Bonusmaterial auf der DVD getaugt, weil da unter anderem ein Spezial über die Stukturen und Tattoo's der Russenmafia dabei ist, die tragen ja sozusagen ihr ganzes Leben am Körper, ist faszinierend!
Wer Mafia Filme mag, dem sei "Tödliche Versprechen" jedenfalls wärmstens ans Herz gelegt!
10/10
Wer einen Blick riskieren will, der Film läuft am 15.12. um 23 Uhr auf SWR.
Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Ich widerspreche dir ja nur ungern, aber für mich sind die neueren Cronenberg ja alle eher passable Thriller für den Einmalkonsum als irgendwelche grandiosen Filme mit Nachhaltigkeit. Der einzige Unterschied zu anderen Thrillern ist halt, dass die Gewalt beim Croni extrem authentisch und schmerzhaft rüberkommt, während man bei vergleichbaren Mainstream-Werken eher davon verschont bleibt. Wenn ich aber bedenke, welche grandiosen Geschichten er früher verfilmt hat und jetzt diese ganze Zeit diese mafiösen Geschichten, dann find ich das doch eher schade, auch wenn "History of Violence" und "Tödliche Versprechen" zweifellos gut gemacht sind...
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Was hast Du gegen Mafia-Storys???
Kommt das bei Dir etwa gleich nach den Western??
Ich liebe Mafia Filme!
Gut, meine 10 von 10 sind auch nicht ganz objektiv, geb ich zu, aber der Film hier, trifft bei mir wohl einen ganz bestimmten Nerv, ich kann mir den immer wieder anschauen!
Kommt das bei Dir etwa gleich nach den Western??
Ich liebe Mafia Filme!
Gut, meine 10 von 10 sind auch nicht ganz objektiv, geb ich zu, aber der Film hier, trifft bei mir wohl einen ganz bestimmten Nerv, ich kann mir den immer wieder anschauen!
Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
hehe, genau! So Mafia-Gangster-Sachen kommen gleich nach den Western. Wenn ich an solche überlange Sachen wie "Scarface", "Untouchables" oder "Es war einmal in Amerika" denke.... lalala laaaaaaaangweilig Alles nie gesehen!
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Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Alles klar Jogi. jetzt versteh ich alles!
Du hast den Paten vergessen....!
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Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Ach ja, die beiden Oberschnarcher....
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Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Ich finde "Eastern Promises" auch nicht so prickelnd. Was einerseits an den schrecklichen Klischees liegt (mal ehrlich, welches Russen-Klischee wurde ausgelassen?), an den Stereotypen, wie den latent schwule, natürlich vom Vater missverstandene, Sohn mit Minderwetigkeitskomplexen oder die naive Krankenschwester deren Großvater (Skolimowski, einer der bedeutendsten POLNISCHEN Regisseure), als Russe natürlich auch eine Mafia-Vergangenheit hat. Aber was ich dem Film am Meisten vorwerfe ist seine schreckliche Inkonsequenz. Da wird erst ein brutaler und skrupelloser Killer als Sympathieträger aufgebaut (was schön ambivalent ist) und das ganze durch einen billigen Plot-Twist schnell wieder in die Tonne getreten. Sorry, aber dieses Schwanz einziehen kann ich dem Film nicht verzeihen. Ich vergab, glaube ich, gnädige 5/10.
Ach ja: Ich liebe Gangsterfilme und "Public Enemy" mit Cagney ist einer meiner Lieblingsfilme. Und "Carlito's Way" von De Palma ist auch ein Monument
Ach ja: Ich liebe Gangsterfilme und "Public Enemy" mit Cagney ist einer meiner Lieblingsfilme. Und "Carlito's Way" von De Palma ist auch ein Monument
Früher war mehr Lametta
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Filmforum Bremen
Weird Xperience
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Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Kurzkommentar aus dem Filmtagebuch:
Tödliche Versprechen - Eastern Promises (Großbritannien, Kanada, USA 2007, Originaltitel: Eastern Promises)
Die Hebamme und der Mut, die Russen und das Blut
London. Ein minderjähriges Mädchen aus Osteuropa, wird hochschwanger in ein Krankenhaus eingeliefert. Selbst noch ein halbes Kind, bringt sie per Kaiserschnitt ein kleines Mädchen zu Welt, die junge Mutter verstirbt bei diesem Eingriff. Die Hebamme Anna (Naomi Watts) ist sehr angerührt vom tragischen Ende des Mädchens, sie möchte mit den Hinterbliebenen in Kontakt treten, den Säugling der Familie zuführen. Leider kann man die Tote nicht identifizieren, Anna findet lediglich ein Tagebuch, sowie den Hinweis auf ein russisches Restaurant. Als sie das besagte Restaurant aufsucht, macht sie die Bekanntschaft des zuvorkommenden Besitzers Semyon (Armin Mueller-Stahl), der ihr anbietet das Tagebuch zu übersetzen. Anna hat selbst russische Wurzeln, zwar kann sie die Einträge nicht lesen, jedoch ist ihr Onkel Stepan (Jerzy Skolimowski) dazu in der Lage. Während sich Semyon zunächst mit einer Kopie des Tagebuches behelfen muss, erfährt Anna von ihrem Onkel erschreckende Details. Offenbar wurde das verstorbene Mädchen, von Semyon und dessen Sohn Kirill (Vincent Cassel) schwer mißhandelt und mißbraucht. Die Hebamme begibt sich auf dünnes Eis, denn das Tagebuch stellt eine Gefahr für Semyon und seine Sippe dar. Vor allem Kirill scheint ein sehr unbeherrschter Bursche zu sein, der ständig von seinem "Fahrer" Nikolai (Viggo Mortensen) beschwichtigt werden muss. Während Semyon nach und nach die Maske fallen lässt, behandelt zumindest Nikolai die mutige Anna mit Respekt. Welches Spiel spielt der undurchsichtige Nikolai, der vermutlich viel mehr als nur ein kleiner Gehilfe ist...?
Bereits 2005 arbeitete Regisseur David Cronenberg mit Viggo Mortensen zusammen. Mortensen übernahm die Hauptrolle in Cronenbergs Gangsterthriller "A History of Violence", das Ergebnis konnte rundum überzeugen. Auch die erneute Zusammenarbeit erweist sich als Glücksfall, der zweite Ausflug in die Unterwelt ist ebenfalls ein sehr ansprechender Film geworden. Vergleicht man Filme wie "A History of Violence" und "Eastern Promises", mit älteren Werken Cronenbergs, z.B. "Rabid" (1977) und "Die Fliege" (1986), ist sehr auffallend, dass die früheren Werke überwiegend auf ihre intensive Atmosphäre bauen. In der stets dominierenden Kälte, gehen die Figuren regelrecht auf, während die neueren Streifen die Charaktere mit mehr Tiefe ausstatten, den Schauspielern mehr Raum zur Entfaltung gewähren. Selbstverständlich verzichtet Cronenberg nicht auf die Erzeugung einer packenden Atmosphäre, nur erreicht er dies inzwischen mit anderen Mitteln. Jede Szene ist sorgfältig geplant und ausgeführt, die Farbgebung, die Ausstattung der Sets, hier wurde nichts dem Zufall überlassen, nichts geschieht ohne Bedacht.
Vor den großartigen Leistungen der Besetzung, muss man sich nahezu in Andacht verneigen. Naomi Watts mag ich sehr gern, ich schätze ihre natürliche Ausstrahlung, die selbst in einem Mega-Blockbuster wie "King Kong", nicht im allgemeinen Krawall und Effektspektakel untergeht. In "Eastern Promises" ist ihre Anna die Verkörperung von Anstand, Mut und Menschlichkeit, doch sie verkommt nicht zu glatten Engelbüste. Nein, auch Anna hat mit Tiefschlägen zu kämpfen, verlor ihr eigenes Baby vor der Geburt, hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Aber sie kämpft sich stets wieder an die Oberfläche, stellt unbequeme Fragen, gibt nicht nach. Ihre Leistung ist ohne Fehl und Tadel, aber trotzdem stehlen ihr die männlichen Kollegen ein wenig die Schau. Dies liegt keineswegs an den Fähigkeiten von Naomi Watts, es liegt schlicht und ergreifend an der Anlage der Rollen. Viggo Mortensen spielt ganz gross auf. Zunächst zurückhaltend, betont "übercool", bei aller "Coolness" aber nie ohne Tiefe, nie ohne Emotionen. In der beeindruckenden "Dampfbadszene" beweisst er Mut zur Nacktheit, hier bleibt es nicht beim Blick auf das blanke Hinterteil. Doch Nacktheit und Coolness allein sind es nicht, die den Auftritt in die Spitzenklasse erheben. Es sind die vielen Feinheiten, die er aus der -vermeintlich- klischeehaften Gangsterrolle herauskitzelt. Man beachte z.B. die Mimik, als er von seinem "Chef" dazu genötigt wird seine Männlichkeit zu beweisen. Vincent Cassel beeindruckt auf den ersten Blick gar noch stärker, er explodiert als mißratener Sohn des grossen Bosses, spielt seinen Part mit hysterischer Kraft. Schnell erkennt man jedoch, dass dieser Charakter längst nicht die Komplexität aufweist, wie der von Mortensen verkörperte Part. Aber Vorsicht, denn David Cronenberg ist ein gewitzter Bursche, im späteren Verlauf des Films, darf auch Cassel subtilere Töne anschlagen, die er mit gleicher Bravour meistert. Dann wäre da noch Armin Mueller-Stahl, der sich hinter der Maske des freundlichen Herren versteckt, gewissermaßen der Wolf im Schafspelz. Die Contenance kommt ihm -wenn überhaupt- nur im Ansatz abhanden, selbst wenn er prügelt, verliert er nie die Kontrolle. Ein abgrundtief verdorbener Charakter, souverän und stilvoll gespielt. Bei dieser geballten Kompetenz, mit der die tragenden Rollen von "Eastern Promises" besetzt wurden, sind die Nebendarsteller freilich lediglich schmückendes Beiwerk. Allerdings Beiwerk der besseren Sorte. Ich möchte -stellvertretend für alle anderen Mitwirkenden- auf Jerzy Skolimowski hinweisen, der als knurriger Onkel der weiblichen Hauptrolle überzeugt. Wenn ich weiter oben schreibe, Viggo Mortensen "verkörpert" seine Rolle, so ist dies durchaus auch wörtlich zu verstehen. Der "Körperlichkeit" spielt in "Eastern Promises" eine nicht unwichtige Rolle, die sich längst nicht auf die zahlreichen Tattoos der Protagonisten reduziert.
Dem aufmerksamen Zuschauer wird nicht entgehen, mit welcher Liebe zum Detail "Eastern Promises" gesegnet ist. Das bedrohliche Milieu der Unterwelt wurde auf überzeugende Weise eingefangen, ein erneuter Hinweis auf die perfekte Ausstattung etc. muss erlaubt sein. Dabei spielt London als Ort des Geschehens nur eine sehr untergeordnete Rolle, die Eigenarten der Metropole bleiben weitestgehend unberücksichtigt. Cronenberg verlässt sich stattdessen auf seine Schauspieler und die Sets, die Stadt sorgt hauptsächlich durch ihre Nennung für Griffigkeit, lässt den Film durch ihren Namen erdiger, realer erscheinen. Die Handlung schreitet konsequent und ohne Hänger vorwärts, doch für ungedulige Betrachter ist das Werk sicher nicht geeignet. Cronenberg ist dafür bekannt, sehr heftige und blutige Gewaltszenen in seine Filme einzubauen. Während sich in "A History of Violence" der Trend zeigte, die Gewalt als "Unterhaltungswert" zu präsentieren, kommt sie in "Eastern Promises" wieder erschreckender daher. Wie ein Faustschlag in die Magengrube, typisch Cronenberg, keinesfalls als Selbstzweck, der lediglich geifernde Blutgeier erfreuen soll (Ok, ich bin ein geifernder Blutgeier, doch das tut nichts zur Sache).
Alle Zutaten ergeben gemeinsam ein gelungenes Menü, doch erneut muss ich die Besetzung in höchsten Tönen loben. Vermutlich das beste Ensemble, welches David Cronenberg je vor der Kamera hatte. Der Engel mit Narben, der böse Wolf und sein Sohn. Doch in erster Linie der rätselhafte Nikolai, dessen Ambivalenz ihn über alle Maßen interessant -regelrecht faszinierend- erscheinen lässt. "Eastern Promises" lebt sicher nicht nur von einem besonders cleveren Thrillerdrehbuch (obwohl es nicht an entsprechenden Qualitäten mangelt), hier stehen die nicht vollends greifbaren Charaktere im Mittelpunkt, die sich in einem vollendet ausgestalteten Milieu bewegen. David Cronenberg mag mit seinen jüngeren Werken eingängiger geworden sein. Auch "normale" Filmfreunde können Zugang zu diesen Filmen finden. Aber kann man es wirklich so simpel auf den Punkt bringen? Ich denke nicht, denn hinter der bodenständigen Fassade, lauern noch immer tiefste Abgründe. Nur wer sich wirklich auf den Film einlassen kann, wird auch die Intensität erfahren, die nach wie vor von Cronenbergs Schöpfungen ausgeht. Wer den üblichen Gangsterschmonz ala Scorsese erwartet, wird vermutlich eine herbe Enttäuschung erleben, vielleicht aber auch eine neue Erfahrung machen, die Lust auf mehr macht...
Die Blu-ray zu "Eastern Promises" ist von sehr ansprechender Qualität. Der Film liegt in tadelloser Qualität vor, die Boni sind interessant. Klare Kaufempfehlung für alle Cronenberg-Fans, für alle die Fans werden sollen, für Filmfreunde mit Lust auf ein grosses Kinoerlebnis.
Sehr gut = 8/10
Lieblingszitat:
"Halten Sie sich fern, von Menschen wie mir."
Tödliche Versprechen - Eastern Promises (Großbritannien, Kanada, USA 2007, Originaltitel: Eastern Promises)
Die Hebamme und der Mut, die Russen und das Blut
London. Ein minderjähriges Mädchen aus Osteuropa, wird hochschwanger in ein Krankenhaus eingeliefert. Selbst noch ein halbes Kind, bringt sie per Kaiserschnitt ein kleines Mädchen zu Welt, die junge Mutter verstirbt bei diesem Eingriff. Die Hebamme Anna (Naomi Watts) ist sehr angerührt vom tragischen Ende des Mädchens, sie möchte mit den Hinterbliebenen in Kontakt treten, den Säugling der Familie zuführen. Leider kann man die Tote nicht identifizieren, Anna findet lediglich ein Tagebuch, sowie den Hinweis auf ein russisches Restaurant. Als sie das besagte Restaurant aufsucht, macht sie die Bekanntschaft des zuvorkommenden Besitzers Semyon (Armin Mueller-Stahl), der ihr anbietet das Tagebuch zu übersetzen. Anna hat selbst russische Wurzeln, zwar kann sie die Einträge nicht lesen, jedoch ist ihr Onkel Stepan (Jerzy Skolimowski) dazu in der Lage. Während sich Semyon zunächst mit einer Kopie des Tagebuches behelfen muss, erfährt Anna von ihrem Onkel erschreckende Details. Offenbar wurde das verstorbene Mädchen, von Semyon und dessen Sohn Kirill (Vincent Cassel) schwer mißhandelt und mißbraucht. Die Hebamme begibt sich auf dünnes Eis, denn das Tagebuch stellt eine Gefahr für Semyon und seine Sippe dar. Vor allem Kirill scheint ein sehr unbeherrschter Bursche zu sein, der ständig von seinem "Fahrer" Nikolai (Viggo Mortensen) beschwichtigt werden muss. Während Semyon nach und nach die Maske fallen lässt, behandelt zumindest Nikolai die mutige Anna mit Respekt. Welches Spiel spielt der undurchsichtige Nikolai, der vermutlich viel mehr als nur ein kleiner Gehilfe ist...?
Bereits 2005 arbeitete Regisseur David Cronenberg mit Viggo Mortensen zusammen. Mortensen übernahm die Hauptrolle in Cronenbergs Gangsterthriller "A History of Violence", das Ergebnis konnte rundum überzeugen. Auch die erneute Zusammenarbeit erweist sich als Glücksfall, der zweite Ausflug in die Unterwelt ist ebenfalls ein sehr ansprechender Film geworden. Vergleicht man Filme wie "A History of Violence" und "Eastern Promises", mit älteren Werken Cronenbergs, z.B. "Rabid" (1977) und "Die Fliege" (1986), ist sehr auffallend, dass die früheren Werke überwiegend auf ihre intensive Atmosphäre bauen. In der stets dominierenden Kälte, gehen die Figuren regelrecht auf, während die neueren Streifen die Charaktere mit mehr Tiefe ausstatten, den Schauspielern mehr Raum zur Entfaltung gewähren. Selbstverständlich verzichtet Cronenberg nicht auf die Erzeugung einer packenden Atmosphäre, nur erreicht er dies inzwischen mit anderen Mitteln. Jede Szene ist sorgfältig geplant und ausgeführt, die Farbgebung, die Ausstattung der Sets, hier wurde nichts dem Zufall überlassen, nichts geschieht ohne Bedacht.
Vor den großartigen Leistungen der Besetzung, muss man sich nahezu in Andacht verneigen. Naomi Watts mag ich sehr gern, ich schätze ihre natürliche Ausstrahlung, die selbst in einem Mega-Blockbuster wie "King Kong", nicht im allgemeinen Krawall und Effektspektakel untergeht. In "Eastern Promises" ist ihre Anna die Verkörperung von Anstand, Mut und Menschlichkeit, doch sie verkommt nicht zu glatten Engelbüste. Nein, auch Anna hat mit Tiefschlägen zu kämpfen, verlor ihr eigenes Baby vor der Geburt, hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Aber sie kämpft sich stets wieder an die Oberfläche, stellt unbequeme Fragen, gibt nicht nach. Ihre Leistung ist ohne Fehl und Tadel, aber trotzdem stehlen ihr die männlichen Kollegen ein wenig die Schau. Dies liegt keineswegs an den Fähigkeiten von Naomi Watts, es liegt schlicht und ergreifend an der Anlage der Rollen. Viggo Mortensen spielt ganz gross auf. Zunächst zurückhaltend, betont "übercool", bei aller "Coolness" aber nie ohne Tiefe, nie ohne Emotionen. In der beeindruckenden "Dampfbadszene" beweisst er Mut zur Nacktheit, hier bleibt es nicht beim Blick auf das blanke Hinterteil. Doch Nacktheit und Coolness allein sind es nicht, die den Auftritt in die Spitzenklasse erheben. Es sind die vielen Feinheiten, die er aus der -vermeintlich- klischeehaften Gangsterrolle herauskitzelt. Man beachte z.B. die Mimik, als er von seinem "Chef" dazu genötigt wird seine Männlichkeit zu beweisen. Vincent Cassel beeindruckt auf den ersten Blick gar noch stärker, er explodiert als mißratener Sohn des grossen Bosses, spielt seinen Part mit hysterischer Kraft. Schnell erkennt man jedoch, dass dieser Charakter längst nicht die Komplexität aufweist, wie der von Mortensen verkörperte Part. Aber Vorsicht, denn David Cronenberg ist ein gewitzter Bursche, im späteren Verlauf des Films, darf auch Cassel subtilere Töne anschlagen, die er mit gleicher Bravour meistert. Dann wäre da noch Armin Mueller-Stahl, der sich hinter der Maske des freundlichen Herren versteckt, gewissermaßen der Wolf im Schafspelz. Die Contenance kommt ihm -wenn überhaupt- nur im Ansatz abhanden, selbst wenn er prügelt, verliert er nie die Kontrolle. Ein abgrundtief verdorbener Charakter, souverän und stilvoll gespielt. Bei dieser geballten Kompetenz, mit der die tragenden Rollen von "Eastern Promises" besetzt wurden, sind die Nebendarsteller freilich lediglich schmückendes Beiwerk. Allerdings Beiwerk der besseren Sorte. Ich möchte -stellvertretend für alle anderen Mitwirkenden- auf Jerzy Skolimowski hinweisen, der als knurriger Onkel der weiblichen Hauptrolle überzeugt. Wenn ich weiter oben schreibe, Viggo Mortensen "verkörpert" seine Rolle, so ist dies durchaus auch wörtlich zu verstehen. Der "Körperlichkeit" spielt in "Eastern Promises" eine nicht unwichtige Rolle, die sich längst nicht auf die zahlreichen Tattoos der Protagonisten reduziert.
Dem aufmerksamen Zuschauer wird nicht entgehen, mit welcher Liebe zum Detail "Eastern Promises" gesegnet ist. Das bedrohliche Milieu der Unterwelt wurde auf überzeugende Weise eingefangen, ein erneuter Hinweis auf die perfekte Ausstattung etc. muss erlaubt sein. Dabei spielt London als Ort des Geschehens nur eine sehr untergeordnete Rolle, die Eigenarten der Metropole bleiben weitestgehend unberücksichtigt. Cronenberg verlässt sich stattdessen auf seine Schauspieler und die Sets, die Stadt sorgt hauptsächlich durch ihre Nennung für Griffigkeit, lässt den Film durch ihren Namen erdiger, realer erscheinen. Die Handlung schreitet konsequent und ohne Hänger vorwärts, doch für ungedulige Betrachter ist das Werk sicher nicht geeignet. Cronenberg ist dafür bekannt, sehr heftige und blutige Gewaltszenen in seine Filme einzubauen. Während sich in "A History of Violence" der Trend zeigte, die Gewalt als "Unterhaltungswert" zu präsentieren, kommt sie in "Eastern Promises" wieder erschreckender daher. Wie ein Faustschlag in die Magengrube, typisch Cronenberg, keinesfalls als Selbstzweck, der lediglich geifernde Blutgeier erfreuen soll (Ok, ich bin ein geifernder Blutgeier, doch das tut nichts zur Sache).
Alle Zutaten ergeben gemeinsam ein gelungenes Menü, doch erneut muss ich die Besetzung in höchsten Tönen loben. Vermutlich das beste Ensemble, welches David Cronenberg je vor der Kamera hatte. Der Engel mit Narben, der böse Wolf und sein Sohn. Doch in erster Linie der rätselhafte Nikolai, dessen Ambivalenz ihn über alle Maßen interessant -regelrecht faszinierend- erscheinen lässt. "Eastern Promises" lebt sicher nicht nur von einem besonders cleveren Thrillerdrehbuch (obwohl es nicht an entsprechenden Qualitäten mangelt), hier stehen die nicht vollends greifbaren Charaktere im Mittelpunkt, die sich in einem vollendet ausgestalteten Milieu bewegen. David Cronenberg mag mit seinen jüngeren Werken eingängiger geworden sein. Auch "normale" Filmfreunde können Zugang zu diesen Filmen finden. Aber kann man es wirklich so simpel auf den Punkt bringen? Ich denke nicht, denn hinter der bodenständigen Fassade, lauern noch immer tiefste Abgründe. Nur wer sich wirklich auf den Film einlassen kann, wird auch die Intensität erfahren, die nach wie vor von Cronenbergs Schöpfungen ausgeht. Wer den üblichen Gangsterschmonz ala Scorsese erwartet, wird vermutlich eine herbe Enttäuschung erleben, vielleicht aber auch eine neue Erfahrung machen, die Lust auf mehr macht...
Die Blu-ray zu "Eastern Promises" ist von sehr ansprechender Qualität. Der Film liegt in tadelloser Qualität vor, die Boni sind interessant. Klare Kaufempfehlung für alle Cronenberg-Fans, für alle die Fans werden sollen, für Filmfreunde mit Lust auf ein grosses Kinoerlebnis.
Sehr gut = 8/10
Lieblingszitat:
"Halten Sie sich fern, von Menschen wie mir."
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
- buxtebrawler
- Forum Admin
- Beiträge: 40222
- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
- Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
- Kontaktdaten:
Re: Tödliche Versprechen - David Cronenberg
Alles nie gesehen und trotzdem langweilig?jogiwan hat geschrieben:hehe, genau! So Mafia-Gangster-Sachen kommen gleich nach den Western. Wenn ich an solche überlange Sachen wie "Scarface", "Untouchables" oder "Es war einmal in Amerika" denke.... lalala laaaaaaaangweilig Alles nie gesehen!
Grundsätzlich kann ich dich was diese Mafia-Filme betrifft gut verstehen, mich reizen die normalerweise auch überhaupt nicht (von Italo-Reißern wie "Syndikat des Grauens" oder den Di-Leo-Filmen mal abgesehen), aber "Scarface" ist grandios!!!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!