Virgin Territory - David Leland
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Virgin Territory - David Leland
Originaltitel: Virgin Territory
Herstellungsland: Großbrittanien / Frankreich / Italien / Luxemburg 2007
Regie: David Leland
Darsteller: Hayden Christensen, Mischa Barton, Christopher Egan,Tim Roth, Silvia Colloca, Coral Beed, Giulia Bianchini, Silvia Bruni, Ryan Cartwright, Andrea Celani, Tommaso Cini, Federico Ciuffolini
Selten hat mir ein Film eine solche Ratlosigkeit beschert wie vorliegendes Machwerk, das ich mir ohne große Erwartungen und eigentlich nur wegen dem schlicht unglaublichen Alternativtitel DECAMERON PIE zu Gemüte führte. VIRGIN TERRITORY ist die Zerrissenheit in Person, eine ominöse Melange aus kreativen Einfällen, die man so oder so ähnlich zwar allesamt schon einmal irgendwo zu Gesicht kriegte, die aber in dieser speziellen Konstellation zumindest mir nie unterkamen. Dabei liest sich schon der Plot wie eine Tour de Force durch stibitzte Ideen: Während die Pest zu Renaissance-Zeiten die Einwohner von Florenz dezimiert, ergibt sich der junge, rebellische Lorenzo in sein Schicksal, von der von ihm begehrten Patriziertochter Pampinea in seiner Liebe zurückgewiesen worden zu sein, und entschließt sich, die Stadt zu verlassen. Pampinea indes hadert mit ihrem eigenen Unglück. Der Stadtwiderling Gerbino nämlich, der schon länger ein Auge auf sie warf, eröffnet ihr, dass ihr verstorbener Vater finanziell tief in seiner Schuld steht, und spricht die freundliche Drohung aus, sollte Pampinea nicht die Verlobung zu einem russischen Grafen lösen, die ihr seliger Erzeuger einfädelte, und stattdessen ihn zum Gatten wählen, würde er diesen Machtvorteil konsequent zu ihrem Schaden nutzen. Um sich vor Gerbino in Sicherheit zu bringen, kehrt nun auch Pampinea der Stadt den Rücken zu und sucht Zuflucht in einem nahen Nonnenkloster, just dem, in dem auch Lorenzo durch eine glückliche Fügung als angeblich taubstummer Gärtner eine Anstellung gefunden hat. Lüsterne Nonnen versüßen dem Jüngling seine Tage und Pampinea, die sich ihm im wahrsten Sinne des Wortes verschleiert nicht zu erkennen gibt, spürt die Eifersucht sich in ihr regen wie eine erwachende Natter. Aber auch Gerbino sieht nicht ein, seine Felle einfach so davonschwimmen zu lassen, und zwischenzeitlich ist auch ihr offizieller Verlobter aus der Tundra eingetroffen, um seine Braut heimzuführen...
Von seiner äußeren Form her ist VIRGIN TERRITORY eine am Budget gemessene durchaus prachtvolle Angelegenheit, die, wie viele Kostümfilme, dazu neigt, sich in ihrem rein oberflächlichen Prunk selbst zu ertränken. Die Ästhetik indes bildet nur die Folie, auf der sich die reichlich aus dem Arsenal der Verwechslungskomödie zusammengetragenenen Verwicklungen abspielen, ein goldener Rahmen, der es nicht schafft, von dem wirren Inhalt abzulenken, der aus einer teilweise völlig willkürlich aufeinanderfolgenden Reihung von Szenen besteht. Da werden übliche Kostümfilm-Genre-Versatzstücke ebenso bedient wie bodenlose Albernheiten, die so wenig Komik versprühen, dass sie schon wieder unfreiwillig komisch wirken, ausgedehnte Seifenoper-Melodramatik, in der Gefühle reine Äußerlichkeit sind, die geschmachtet und geseufzt werden muss, treffen mit Soft-Sex-Eskapaden zusammen, die zumindest in den Klosterszenen, wären sie nur ein bisschen schmuddliger, auch in einem typischen Nunsploitation-Streifen nicht negativ auffallen würden, Shakespeare-Anspielungen und ernste Untertöne wie die allgegenwärtige Pest-Epidemie verbinden sich mit wahlweise ergreifenden oder kitschigen Liebesszenen, bei denen es schwer fällt, zu entscheiden, ob die Verantwortlichen diese nun todernst oder ironisch meinten. Überhaupt ist das ein Punkt, um den die meisten Fragezeichen meinerseits kreisen. VIRGIN TERRITORY macht es stellenweise schlicht unmöglich einen festen Standpunkt finden, von dem aus man den Film in Form eines Blickwinkels irgendwo einordnen könnte (was gerade das ist, was ich seine Stärke nennen würde). Er verunsichert, bleibt unklar, und damit überraschend. Szenen, die im Grunde völlig unwichtig für den Plot sind, werden breit ausgewalzt, andere, die durchaus Bedeutung haben, wie nebenbei abgehandelt. Hinzukommt der starke Episodencharakter des Films. Eine wirkliche Hauptfigur existiert nicht, stattdessen zerfasert er vor allem in der Mitte in viele kleine Anekdötchen, von denen keine wirkt, als sei sie nicht schlecht bei Boccaccio geklaut worden. Mal scheint der Film seine Figuren, seine Handlung wirklich ernst zu nehmen, sie ihm wichtig zu sein, dann wieder tritt eine kaum zu übersehende Selbstironie zutage, von den ständigen Kindereien ganz abgesehen, die jegliche seriöse Note permanent torpedieren. Diese ganze Konfusion findet sich naturgemäß auch im Soundtrack wieder. Ein völlig übertriebener Orchester-Score, den man eher in einer Kinderkomödie hätte erwarten können, wunderschöne Post-Rock-Ambient-Melodien und inflationär eingesetzte moderne Popmusik sind die drei Säulen, auf denen er ruht und die das Dilemma oder den Wahnsinn dieses seltsamen Films am besten zusammenfassen. Hier passt nichts, oder zumindest nicht viel, und gerade deshalb habe ich mich nicht schlecht unterhalten mit diesem betrunken vor sich hin plappernden Film, der selbst nicht recht zu wissen scheint, was er nun eigentlich darstellt, und eine Struktur aufweist, die mich mehr als ein bisschen an die von manchem italienischen Trash-Filmchen erinnert.