Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Moderator: jogiwan
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Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
15. außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos
Der werte Leser dieser Zeilen mag sich fragen: Was zur Hölle soll das denn bitte für eine Veranstaltung sein?! Wir zitieren dazu drei langjährige Stammbesucher aus ihren Online-Rückblicken vergangener Kongresse:
„Zwei- bis dreimal im Jahr strömen Filmfreunde nach Nürnberg, in PKW-Fahrgemeinschaften aus Berlin oder Köln, mit Flugzeugen von Glasgow oder Wien, mit tödlich früh abfahrenden Fernbussen aus Aachen oder Jena. [...] Sie tun das wegen eines außergewöhnliches Filmfestivals, das seit knapp vier Jahren eine wachsende Anhängerschaft begeistert: der "Hofbauerkongress".
Seine Geschichte begann im Frühling 2011. Ein kleiner Kreis von Freunden im Umfeld des Kommkinos und des Filmblogs "Eskalierende Träume" traf sich in Nürnberg zur gemeinsamen Sichtung extravaganter Filme. In ihrer fantasievoll überschwänglichen Art nannten sie diese anfangs noch privaten Treffen ironisch-hochstaplerisch "Kongresse" und gaben sich den Namen "Hofbauerkommando", nach einem ihrer Lieblingsregisseure.
Ernst Hofbauer ist vor allem für seine Schulmädchenreporte bekannt, doch um den Fixstern "Sexfilm" kreisen bei ihm die verschiedensten Himmelskörper. Wie auf den Kongressen, die bald öffentlich wurden und sich anschickten, ihre eigene, völlig andere deutsche und auch internationale Filmgeschichte zu schreiben.
Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. [...] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. [...] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.
Es entsteht ein besonderes Geflecht der Sympathie und des Interesses für die Filme und einander. Antennen fahren raus, die Rezeptoren blinken auf, Reizüberflutung und Übernächtigung machen die Stimmung vertrauensvoll und hysterisch. Es wird angeregt geredet, gealbert und gelacht. Man setzt sich mit dem Geist der Filme, ihrer Zeit und ihren Menschen auseinander, und man erzählt von sich. [...] Zu der verschworenen Atmosphäre trägt bei, dass das Festival so sehr selbsterdacht, originell, leidenschaftlich, independent und low budget ist. Reich an Geld und Zeit sind weder die Veranstalter noch die Gäste. Beide Seiten nehmen vieles auf sich; keiner will mehr einen Kongress ausfallen lassen. Die organisatorische Hauptarbeit liegt in den Händen der jungen Filmexperten Andreas Beilharz und Christoph Draxtra: Recherche, Beschaffung, Restaurierung, manchmal sogar die Untertitelung der Filme: Kämpfe und Mühen!“ (Silvia Szymanski)
"Es geht eigentlich um eine Neueinschätzung von Filmgeschichte. Verfemte oder „illegitime“ Filme stehen im Mittelpunkt. Man nähert sich ihnen mit einer lustvollen, neugierigen Haltung jenseits der als gültig erachteten, überlieferten Parameter der Filmgeschichte. Was aber erfrischend un-tarantino-esk ausfällt. [...] Befasst man sich derart konzentriert mit Filmen, die eine snobistische Cinephilie keines Blickes würdigen würde, wird der eigene Blick ziemlich frei. Man merkt erst, wie diskursiv verstellt der Zugriff auf Filmgeschichte oft ist und was es jenseits der üblichen Sortierungen zu entdecken gibt. [...] Die Kongressvorführungen [zählen] zu den lebendigsten, fröhlichsten und unzynischsten, die ich je erlebt habe." (Thomas Groh)
"Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch." (Lukas Foerster)
Ein ganzes Jahr ist vergangen seit dem letzten außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos – ein zermürbend langes Jahr voller Aufopferung und Entsagung, voll klammer Hoffnung und scheuer Sehnsucht, in dem die Kongressbesucher immer wieder erwartungsvoll auf uns vier Kommandanten blickten, in ihren hungrigen Blicken ein unmissverständliches „Wann?!“.
Nun ist es soweit! Das einzigartige cinephile Liebhaberfestival, das bereits in epd-Film, Cargo und im Bayerischen Rundfunk gewürdigt wurde, kehrt zurück! Endlich werden wieder obskure, sonderbare, erotische, charmante und zwielichtige Entdeckungen und Raritäten ans Licht geholt. Teilt mit uns die infiniten Freuden der Verstrahlung, des 35mm-Materials, den Fleiß des Begehrens und den Preis der Lust! Wälzt euch im Schmier und lasst ihn in euch einwirken, denn er wird euch guttun! Erlebt ENDLICH wieder mit uns pulsierende Ekstasen der Sinne und zuckende Konvulsionen des Zwerchfells, denn das gibt’s, wie stets, nur einmal - das kommt nie wieder!
Höhepunkte sind neben dem obligatorischen Fokus auf das bundesdeutsche Kino der 60er bis 80er Jahre ein Pariser Striptease-Duett, das gerade jetzt umso mehr die hedonistisch-lustvolle Seite der Stadt feiert, sowie eine kleine Hommage zum 80. Geburtstag des legendären italienischen Regisseurs Joe D'Amato.
Unter den Links in der nachfolgenden Übersicht werden die einzelnen Filme in vom Hofbauer-Kommando verfassten Ankündigungstexten vorgestellt. Wir bedanken uns bei Silvia Szymanski, die Vorfreudetexte zu DIE SPANISCHE FLIEGE und DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT beigesteuert hat, und bei Florian Widegger, der für uns im BLUE ANGEL CAFÉ war. Bei Facebook gibt es außerdem eine Veranstaltungsseite zum Festival.
PROGRAMMÜBERSICHT:
Donnerstag, 07.01.2016
17:00 „Die Einäugige“ (35mm-Überraschungsfilm)
21:15 Love in Action – Zieh mich aus, Herzchen *
23:30 Tabus der Nackten *
Freitag, 08.01.2016
15:00 Die spanische Fliege
17:15 Skandalöse Emanuelle – Die Lust am Zuschauen
21:15 Das Spukschloss im Salzkammergut
23:30 Der triste Überraschungsfilm*
Samstag, 09.01.2016
15:00 Hörig bis zur letzten Sünde
17:15 Die Girls vom Crazy Horse
21:15 …und noch nicht Sechzehn *
23:30 Blue Angel Café
Sonntag, 10.01.2016
17:15 Die Perle der Karibik *
21:15 Die Spalte *
23:30 Mädchen beim Frauenarzt *
An allen Tagen ist jeweils gegen 2 Uhr ein nächtlicher Überraschungsfilm geplant (darunter der „stählerne Überraschungsfilm“) und am Montag, 11.01., um 21:15 Uhr eine Wiederholungsvorstellung. Vor den mit * markierten Filmen gibt es zudem Trailershows oder Vorfilme, nähere Infos in den entsprechenden Ankündigungstexten.
TICKETS:
Einzelticket: 6 Euro.
2-Tageskarten: 35 Euro.
3-Tageskarten: 50 Euro.
Dauerkarten: 60 Euro.
Reservierungen unter: reservierung[at]kommkino.de
Zu unserem Special:
EVVIVA JOE D'AMATO! DAS HOFBAUER-KOMMANDO GRATULIERT ZUM 80.
Joe D'Amato (bürgerlich Aristide Massaccesi) war ein rastloser Macher: Kameramann (unter anderem bei Alberto De Martino, Mario Bava, Jean-Luc Godard und Massimo Dallamano), Cutter, Drehbuchautor, Produzent und Autorenfilmer. Er selbst bestritt Letzteres, aber irgendwo und irgendwann in seiner aus Not und Leidenschaft uferlosen Filmographie hatte er selbst den Über- und Blick über und auf sein eigenes Werk verloren. Ein Werk, das nicht erst unter den Augen des Kenners und Genießers Distinktion gewinnt. Dem Hofbauer-Kommando wuchs er schon früh inniglich an Herz und Hose, als unvergleichlicher Meister der Fugenkunst, als aufrechter Fackelträger eines sinnlich-lebendigen, inspirierten Filmhandwerks, das oft lässig den bestehenden Rhythmen hinterher tanzte, und hinter seinem eigenen, sehr wohl profunden Verständnis des Kinos, seiner Formen und der Affekte, die es auslösen kann. Filme wie AMORE SPORCO, TOP MODEL, UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI und POMERIGGIO CALDO legten in der bewegten HK-Vergangenheit zu Fuß Zeugnis ab von D'Amatos aufreizend unbekümmerter Nonchalance, mit der er aus zunächst gewöhnlichen Genrefilmen alles Mechanische und Automatische herausnehmen und die so entstehenden Lücken mit dem zu füllen verstand, was nach Auffassung des Hofbauer-Kommandos schon immer tragisch unterschätzt wurde als ein wesensbestimmender Schlüssel zur Psyche und Seele der Filmmagie: Dem unschuldigen und fragilen, dem edlen und anmutigen, beständig changierenden Nichts - dem unergründlichen Klangkorpus in dem, mal laut, mal leis, die Freuden des Vulgären und die Leiden der von Begierden verworrenen Menschenseele lange und elegisch nachhallen. Weil wir in grenzreligiöser Zuversicht davon überzeugt sind, dass die Kongresse jedem, der sie regelmäßig besucht, früher oder später die befreiende, stimulierende und zutiefst befried(ig)ende Bedeutung dieses reichhaltigen und sublimen Nichts offenbaren werden, wollten wir uns Joe schon länger einmal ausführlicher widmen – ihm und seinen Ultrakunstwerken eines billigen Kommerzfilms, der geborgen und glücklich in den Armen der teuren Kinokunst liegt und friedvoll schlummert. Im Jahr 2016 des Herrn wäre Joe D'Amato 80 Jahre alt geworen. Wir sind uns sicher: Lebte er noch, er würde noch immer drehen und hätte längst die 300 geknackt! Das Hofbauer-Kommando nimmt sich dieses ganz besondere anniversario zum Anlass, ein Trio seiner Filme zur Aufführung zu bringen, die den umtriebigen Joe in ganz unterschiedlichen Schaffensphasen zeigen – in 35mm, auf der großen Leinwand. Dort, wo seine Filme, naturgemäß lange im Gefängnis einer VHS-Hülle eingesperrt, eigentlich hingehören. Wir gedenken zudem, diesem Geburtstagsspecial in der näheren Kongresszukunft eine Fortsetzung folgen zu lassen, denn die D'Amatianische Filmforschung ist gerade erst in ihrem seit Dekaden überfälligen Entstehen begriffen. Kommt und feiert mit uns einen singulären "total filmmaker", der das Hofbauer-Kommando und sein Filmverständnis entscheidend geprägt hat!
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
Expose Me, Lovely, USA 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Armand Weston, D.: Jennifer Welles, Eve Adams, Catharine Burgess
Vorab: XXX-Trailershow (Nur für Erwachsene!)
Wollten Sie schon immer wissen, warum man Privatdetektive in der nie um HK-Relevanz verlegenen amerikanischen Alltagssprache "private dicks" nennt? Neben vielen anderen intimen Einblicken in die zwielichtige Welt der femmes fatales und Privatdetektive wird uns der XXX-Klassiker des 15. Kongresses gewiß auch diese pikante Frage naßforsch beantworten. Wie der famose AFAA-Preisträger Armand Weston bereits mit seinen inspirierten, dunklen Porno-Thrillern THE TAKING OF CHRISTINA und THE DEFIANCE OF GOOD stoßkräftig unter Beweis stellte, war ihm Genrekino lieb und teuer. EXPOSE ME, LOVELY (1976) ist sein ersprießlicher Versuch eines "sex-driven film noir", in dem Rusty Knight, ein äußerlich smarter, doch innerlich schmieriger Spürhund der Schleimspur eines verschwundenen Mannes durch das ranzige New York der 70iger folgen muss, im Auftrag der kühlblonden Schwester des Gesuchten, die sich selbstverständlich erst der ausfüllenden und aufreibenden Qualitäten des private dick versichert, bevor sie ihn mit einem neuen Fall aus der Umklammerung ihrer Schenkel entlässt. Um des Vermissten habhaft zu werden, ist Rusty jedoch gezwungen, noch an so manch weiterer Muschel zu horchen und reichlich Seim zu schlecken, denn feucht und haarig ist des Rätsels Lösung!
Eine deutsche Erstaufführungskopie in verführerischen Agfa-Farben, unter dem Titel "Love in Action" und laut Christian Keßler mit einer Synchronisation, die unter anderem Elmar Wepper aufbietet, wird am Fr. 07.01. um 21:15 Uhr den Kongress offiziell eröffnen. Im Vorprogramm: Eine Zusammenstellung zeitgenössischer 35mm-XXX-Trailer aus dem Bestand des AB-Filmverleihs, der seinerzeit EXPOSE ME, LOVELY vertrieben hat.
TABUS DER NACKTEN
TABUS DER NACKTEN
Paris erotika, F 1963, 71 Min., DF, 35mm, R.: José Bénazéraf, D.: Dick Randall, Bonne Campbell, Cosette Blanche
Vorfilm: Bevor der Strip stirbt (BRD 1966, 14 Min., 35mm, R.: Günter Weiss-Thiele)
Dem melancholischen Zauber der COVER GIRLS erlagen wir alle beim 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos, der existenzialistischen Erotik des HEISSEN STRANDS bei unserem 1. auswärtigen Sondergipfel. Im Rahmen unseres sex-positiven Sonderprogramms "Paris! Vive la vie sexy!" kehrt nun der große José Bénazéraf zu uns zurück, um in Cinemascope und Farbe mit den TABUS DER NACKTEN (1964) zu brechen. 24 Stunden eines Amerikaners in Paris (so einer der Originaltitel) erzählt dieses Frühwerk des "Godard du X", in dem sich die mühselig bezähmten, alsbald jedoch ungestüm eskalierenden Begierden eines amerikanischen Lebenmanns an den üppigen Mädchen-Auslagen der Pariser Amüsierbetriebe entzünden. Unser geliebter Onkel Fürchtegott, der katholische Filmdienst, fand dafür ausdrucksstarke Worte: "Seine lüsternen Schweinsäuglein entdecken von der Seinestadt nicht mehr als die diversen Nachtlokale. Kann er dort dem Striptease nicht zuglotzen, giert er nach jeder schlanken Mädchenhüfte, die an ihm vorbeiwiegt, sei es bei einer Mißwähl (sic!), im Bistro oder im Hotel. (...) Dreist betätschelt er wildfremde Frauen, findet aber nirgendwo Anschluß." Selbigen werden wir indes sicherlich finden in dieser mutmaßlichen Bonbonniere des Flaneursfilms, der wir mit ganz besonderer Freude entgegenfiebern, seit wir im Sommer des vergangenen Jahres eine 35mm-Kopie des überaus seltenen Films aus den schmutzigen Tiefen der Porno-Scheune von Schwaben bergen konnten.
Bedauerlicherweise konnten wir hingegen FERIEN AUF EINER INSEL, jenen Nudisten-Kurzfilm, den der Brummer-Filmverleih seinerzeit zusammen mit Bénazérafs Hauptfilm an die BALI-Kinos auslieferte, nicht ausfindig machen. Stattdessen zeigen wir vorab eine unserer jüngsten Kulturfilm-Errungenschaften: BEVOR DER STRIP STIRBT (Günter Weiss-Thiele, 1966), dessen geheimnis- und klangvoller Titel allein ihn gewiß als Vorfilm für Bénazérafs Reigen des Strip und Strap prädestiniert. On se déshabiller le 07 janvier a 23:30!
DIE SPANISCHE FLIEGE
DIE SPANISCHE FLIEGE
BRD 1955, 94 Min., 35mm, R.: Carl Boese, D.: Joe Stöckel, Rudolf Platte, Elisabeth Flickenschildt
Ich habe diesmal unverhofft die Ehre, den ersten Aufriss schreiben zu dürfen und fühle mich geworfen, von grellem Scheinwerferlicht geblendet. Es ist ein Samstagvormittag, ich liege noch in meinem Arbeitsbett, draußen schneiden zwei urig-attraktive Landschaftsgärtner die Hecke. Jenseits dieser Hecke und des Wäldchens aber liegt, tief im Deutschland des Jahres 1955, die kleine Filmstadt Daxburg.
Dort haben gerade vier Herren der besseren Gesellschaft (ich hoffe, es handelt sich hierbei nicht um das Hofbauer-Kommando!) entdeckt, dass sie zwanzig Jahre lang für ein und dasselbe Kind Alimente gezahlt haben. Diese vier „Angstväter“ - der Schaufensterpuppenfabrikant Heinrich Klinke, der Lederwarenfabrikant Breilmann, der Modehausbesitzer Hugo Sommer und der Sägewerksbesitzer Hartmann - haben alle damals in der Nachtbar „Clou“ mit der „Spanischen Fliege“ geschlafen. Sie war dort Tänzerin und hat längst die Stadt verlassen. Doch nun, nach 20 Jahren, wo die Herren schon gutsituiert im Stadtrat sitzen, droht alles ans Licht zu kommen.
Die Posse „Die spanische Fliege“ wurde 1913 für die Bühne geschrieben und war dort ein Renner. Was man gut verstehen kann. Man blickt hinter die Kulissen eines gemütlichen Städtchens, und hinter jedem Türchen sitzt ein anderer Mann in seinem erschummelt honorigen Leben, mit einer bedrohlichen, sexuellenVergangenheit im Nacken, nass vor Angstschweiß: Das will man sehen! Der Regisseur, Carl Boese, hat 1920 mit Paul Wegener zusammen den „Golem“ inszeniert, war aber seit den Dreißigerjahren eher in der leichten Muse fleißig. Hits wie „5 Millionen suchen einen Erben“ mit Heinz Rühmann und „Hallo Janine“ mit Marika Rökk waren bis ins Omafernsehen der Sechziger Jahre allgegenwärtig, und in der „Spanischen Fliege“ spielen triste Stars wie Rudolf Platte, Ursula Herking, Elisabeth Flickenschildt, Hans Richter, Ruth Stephan… aber der Filmdienst schimpft! Ein derbes Volksstück sei das, voller grober Zweideutigkeiten, ein plattes Spiel mit dem Schmuddeligen. „Es muß hier einmal ganz offen gefragt werden, wie es zuging, daß auch diese traurige Leistung des deutschen Filmlustspiels, deren man sich tatsächlich schämen muß, durch die Zusage einer staatlichen Bundesbürgschaft finanziell ermöglicht wurde. (…) Der Film reizt keinen Erwachsenen zu unsittlichen Taten; ihm solches zuzumuten, hieße ihm zuviel Ehre antun. Aber hier ist jene Grenze überschritten, die zwischen der Verletzung des guten Geschmacks und der Verletzung des sittlichen Empfindens besteht. Es herrscht eine bedenkliche Atmosphäre, die, ohne nackte Unmoral ins Bild zu bringen, jedes moralische Gefühl erweicht und unterhöhlt. An solchen Filmen sollte man nicht achselzuckend vorübergehen, man muß ihre Gesinnung schärfstens anprangern.“ Meine Herren! Das macht schon sehr, sehr neugierig.
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
Voglia di guardare, I 1986, 84 Min. DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Lilli Carati, Laura Gemser, Aldina Martano
Die Lust am Zuschauen, so der Original- und deutsche Titel von SKANDALÖSE EMANUELLE (1986), war schon immer ein wesentliches Element in den Filmen des tiefenentspannten Softporno-Maestros Joe D'Amato, dem Voyeurismus als höchste Sphäre der Lust galt. Nach Decamerotici, Italowestern, Kriegsknüppeln, Horror-Reißern und Inselfilmen schuf Joe in den abgeklärten Ruinen des italienischen Exploitationfilms Mitte der 1980iger Jahre einen vier Filme umfassenden Zyklus dunkler Erotik-Melodramen, die er im Italien der 1930iger Jahre, mitten im blühenden Faschismus, ansiedelte. Abgründige, oft interfamiliäre Begehrlichkeiten, perverse Projektionen und das peinvolle Mäandern zwischen Materialität und Spiritualität des Sex waren der Stoff, aus dem Joe hier in überlebten Landhäusern morbide Tagträume webte. "Is this a Joe D'Amato film or a Douglas Sirk film?" fragt ein IMDB-Rezensent angesichts des urmelodramatischen Naturells dieser Filme ganz zurecht, denn selten zeigte Joe sich reifer und erzählerisch souveräner, vollends befähigt, komplexe und erwachsene Geschichten durch weichgezeichneten Sex zu erzählen. VOGLIA DI GUARDARE mag manchem zu schwermütig geraten sein und keinen ähnlich bizarren Plot aufweisen wie seine intensiven Vorgänger L'ALCOVA (1984) und IL PIACERE (1985), doch das Hofbauer-Kommando frohlockt nichtsdestotrotz angesichts der aromatischen Verheißung, endlich der irisierenden Villenfilmwelten des eklektischen Joe sowie der genießerisch dargebotenen Strapse der heißen Lilli Carati und der süßen Jenny Tamburi am Fr. 08.01. um 17:15 Uhr in den kühlheißen Farben einer deutschen 35mm-Agfa-Kopie ansichtig zu werden. Venite alla villa a vedere l'abisso dei piaceri!
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
BRD 1966, 81 Min., 35mm, R.: Hans Billian, Rolf Olsen, D.: Udo Jürgens, Hannelore Auer, Manfred Schnelldorfer
Ein Urlaubs-, Heimat-, Weißrössl-, Spukschloss- und Schlagertraum und -trauma, bei dem alte Kongresshasen und -häschen viele liebe Bekannte wiedertreffen werden. Die unglaublich fesche, draufgängerische Hannelore Auer wird wieder unbekümmert im wippenden Kleidchen winken, lachen und sich für nichts zu schade sein. Der freche Dialog- und Drehbuchdachs Hans Billian (leider nicht unumstritten!) wird ihr schlüpfrige Worte in den Mund legen. Auf dem Regiestuhl hat neben ihm schon Platz genommen: Profibär „Blutiger Freitag“ Olsen. Er spielt sogar mit – ich bin gespannt! Besonders freue ich mich persönlich auch auf den erotisch tapsigen Eiskunstläufer, Sänger, Cabriofahrer und Labradorwelpen Manfred Schnelldorfer. Jedoch! Es wird für manchen unter uns auch Prüfungen geben. Die Lieder werden oft nach im Kneipenzigarettenqualm versunkenen Musicboxen miefen. Die vergessenen „Candy Kids“, zwei echte brasilianische Kinder, wird man trüb und müde über ihre Reise mit der „Bimmelbahn, so lang sie bimmeln kann“ berichten hören. Und auch dass Peggy March musikalisch über die tausend Steine klagt, die die Welt verliebten Teenagern in den Weg legt, zeigt, dass DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT Unangenehmes nicht ausspart - komplizierte Liebesbeziehungen, Missgunst im Showgeschäft, den kulturellen Kampf zwischen U und E, selbst in den Körpern jungverliebter Paare (Udo Jürgens, Gertraud Jesserer): Künstler am Limit! Die Konkurrenten sägen neidisch Brücken an, schütten Kollegen Wasser in die Blasinstrumente, treiben sie mit Gruselmaskeraden in den Wahnsinn. Unsere strengen, großen und studierten Brüder vom film-dienst und dem evangelischen Film-Beobachter rümpften die Nasen. Dumm sei das, albern, zu klamaukig und klamottig. „Zu bewundern ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die ältesten Ladenhüter der Zelluloidbranche und die albernsten Scherzchen für neu verkauft werden“, schrieben sie spitz, „doch neu ist nichts, gekonnt ist nichts, und jegliche Logik war beurlaubt, von einem noch so bescheidenen Restchen von Geist gar nicht erst zu sprechen.“
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
von Joe D’Amato, ca. 90 Min., DF, 35mm
Unter Palmen am blauen Meer entfalten sich in unserem tiefenentspannten "tristen Überraschungsfilm" verführerisch flüsternd geheimnisvolle Begierden und unsittliche Riten. Im Wendekreis der Fugenkunst auf ein dominikanisches Eiland geworfen, trüben die Protagonisten unseres #TrÜF ratlos und erregt durch ein exotisches Wunderland der Sinnlichkeit, vorgeblich auf der Suche nach verschwundenen Menschen, in erster Linie aber natürlich nach sich selbst. Welch glückliche Fügung, dass die karibische See sie just in die vertrauensvollen, anheimelnd geduldigen Hände des großen Joe D'Amato spülte, der noch auf jede sexistenzialistische Frage eine weise Antwort hatte. Onkel Fürchtegott war indes freilich anderer Auffassung und geißelte dieses Meisterwerk des HK-kernrelevanten Genres des Inselfilms unnachgiebig: "Dem Alphabet fehlt leider noch ein Buchstabe, um nach üblicher Handelsart die Güteklasse dieses Machwerkes zu bestimmen. (...) Das dilettantisch gespielte und streckenweise in Reiseprospektform gekurbelte Filmchen versucht unter beträchtlichem Einsatz von akustischen Beigaben kriminalistische Spannungsfäden und exotischen "Zauber" zu entwickeln. Doch alles läuft hinaus nur auf eine abstoßende Addition von breit ausgespielter Pornografie und verschiedenen Scheußlichkeiten."
Wir glauben fest daran, dass hier lediglich der katholische Rezensent "nach üblicher Handelsart" an der bestrickenden Oneironautik des Films scheiterte und lecken uns bereits die Finger, den Geschmack von Kokosmilch und Südfrüchten am Gaumen, den hypnotischen Sound von Bongos im Ohr. Erfreut euch mit uns an der Kraft der Ruhe und der Ruhe der Kraft, wenn wir am Fr. 08.01. um 23:30 Uhr einen der möglicherweise wichtigsten Filme von Joe D'Amato in den dekorativ angerosteten Eastmancolor-Farben einer geschundenen Südtiroler 35mm-Kopie auf die KommKino-Bildwand werfen! Vorab eine kurze Einführung zum Film und eine Joe-D’Amato-Trailershow.
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
BRD 1969, 81 Min., 35mm, R.: Lothar Gündisch, Hans Billian, D.: Horst Naumann, Carine Christian, J.P. Dornseif
Mit Frivolitäten gewürzte Räuberpistolen sind die Leib- und Magenspeise des Hofbauer-Kommandos. Von uns liebevoll als „Frühschmier“ bezeichnet, macht den Reiz dieser zumeist im Gewand der Krimi-Kolportage daher kommenden schwarz-weißen Sittendramen und Milieureißer bevorzugt der mittleren 60er Jahre aus, dass sie moralische Grenzüberschreitungen und erotische Begehrlichkeiten noch nicht in aller Deutlichkeit ausformulieren durften, sich aber umso erfinderischer auf beiläufig eingestreute Anzüglichkeiten und Andeutungen verstanden. Man findet auch ungefilterten Straßenrealismus und rüde Alltagssprache in diesen rohen Sündentraktaten, von denen manche mit Schmiss und Schmackes auf Rabauken und Rabatz setzten und andere mit machtvoll trüber Fotografie die Abgründigkeit finsterer Noir-Erzählungen beschworen. Auch der 15. Kongress ist mit zwei Exemplaren dieser unverzichtbaren Gattung angereichert. Beim Ersten deutet schon die Verzögerung des Kinostarts an, dass es sich im Zuge der 1970 längst aufbrandenden Aufklärungs- und Reportfilmwelle um ein bereits leicht aus der Zeit gefallenes Werk handelt: 1967 in Produktion gegangen, erfolgte im Herbst 1969 die FSK-Prüfung und schließlich erst ein ganzes Jahr später im Herbst 1970 die Uraufführung, weil man offensichtlich nicht recht wusste, wie man zu dieser Zeit noch einen schwarz-weißen Sittenkrimi unters Volk bringen konnte. Nach den Arbeitstiteln ANWALT DES TEUFELS und NACKT WIE ER SIE WOLLTE sollte mit HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE der finale Kinotitel noch etwas aus- und aufrichten.
Die Mitte der 60er für die Music-House-Schlagerfilme als Regisseure tätigen Hans Billian und Lothar Gündisch übernahmen gemeinsam das Ruder, während HK-Kultgott Günter Hendel das nicht um ersprießliche sprachliche Blüten verlegene Drehbuch („Quasseln Sie nicht wie ein Intellektueller - Sie sind Polizist!“) rund um einen missglückten Banküberfall und die mit amourösen Intrigen verbundene Jagd nach dem Versteck der Beute beisteuerte. Statt des in diesem Fall seine Abkanzelung arg einfallslos vortragenden Onkel Fürchtegott lassen wir lieber Christian Witte zu Wort kommen: „Da ist Billian & Gündisch ein schön ausschweifend-fieses, exploitativ-knalliges Werk des hingerotzten Nihilismus gelungen, das durchweg durch sexy Modder latscht und zum Schluss Blut dort reinschießen lässt - weil es jetzt (1970) endlich erlaubt ist und man somit den moralischen Zeigefinger dezent bei der Leine halten kann. Ein wirklich spaßiger Reißer - Crime & Tits in Black & White, frech ausgekotzt über den bundesdeutschen Mief.“
Nach zähen Verhandlungen freuen wir uns umso mehr, den Film als Auftakt des dritten Kongresstages am Sa. 09.01. um 15 Uhr ankündigen zu können.
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
Crazy Horse de Paris, F 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Alain Bernardin, D.: John Lennox, Lova Moor, Rosa Fumetto
Als "Hauptstadt des Lasters und der Unzucht" bezeichneten die Daesh-Barbaren nach den Anschlägen Paris, jene 'Stadt der Liebe', der ein kleines Special zu widmen das Hofbauer-Kommando bereits vor einem halben Jahr beschloss. Durch den vorläufigen Ausfall einer anlassgebenden potenziellen Wiederentdeckung war der Plan zunächst vertagt, doch nach dem 13.11.2015 war klar, dass man jetzt ganz bewusst daran festhalten musste. Der Menschenverachtung und Lustfeindlichkeit der pseudo-religiösen, bigotten Faschisten, denen schon aufgrund ihrer bestialischen Frauen- und Kinderversklavungen keinerlei moralischer Fingerzeig zugestanden werden sollte, setzen wir mit zwei ausgewählten Paris- und Stripfilmen eine Feier der fröhlichen "Unzucht", des zeigefreudigen "Lasters" und des genussvollen Flanierens durch die erotischen Attraktionen des Nachtlebens entgegen: "Vive la vie sexy!"
Denn, aus Überzeugung und nicht nur Fassade: The Show must go on! Und wo könnte sie das besser, als im Crazy Horse de Paris? Jenem legendären Varieté-Nachtclub, dessen ausgeklügelte Striptease-Choreographien die "L'art du Nu" so stilvoll zelebrieren, dass der Connaisseur genießt und schweigt - oder sich in angeregte Kurven-Diskussionen versteigt. Lange bevor der große US-Institutionen-Dokumentarist Frederick Wiseman 2011 dem Crazy Horse auf geradezu schwelgerische Weise einen seiner ganz wenigen nicht in den USA angesiedelten Filme widmete, war es 1976 Eigentümer Alain Bernardin selbst, der sein 1951 gegründetes Etablissement ins Zentrum einer vom Geschmack des Werblichen unterfütterten Kinounternehmung stellte und die Figur eines schottischen Zeitungsreporters als Interviewer durch sein Reich führen ließ. Sogar der Filmdienst notiert zu den sinnlichen Reizen des daraus resultierenden DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE und den zugrundeliegenden Darbietungen anerkennend: "Auf einer kleinen Bühne zeigen gutgewachsene junge Frauen zu gepflegter Musik und raffinierten Lichtspielen originell choreografierten Striptease. Nie gleitet Bernardins Show ins Geschmacklose oder gar Peinliche ab: Ästhetik und Erotik geben sich hier ein "prickelndes" Stelldichein."
Anfang September schlenderten bei einem Paris-Urlaub zwei Hofbauer-Kommandanten, ein ergebener Hofbauer-Gefolgsmann und ein verehrter HK-Geburtshelfer eher zufällig an der Fassade des Crazy Horse Saloons vorbei - ein wenig überrascht von der unscheinbaren äußerlichen Anmutung und ein wenig betrübt darüber, dass am werktäglichen Nachmittag naturgemäß die Türen verschlossen blieben. An einem Nürnberger Nachmittag jedoch, am Sa. 09.01. um 17:15 Uhr, werden sich jene Türen nun endlich genauso geschmeidig öffnen wie die Vorhänge der Kinoleinwand und die unzüchtigen, Tanzstangen-umschlingenden Schenkel der lebenslustigen GIRLS VOM CRAZY HORSE.
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
BRD 1968, 90 Min., 35mm, R.: Peter Baumgartner, D.: Rosy-Rosy, Helen Vita, Peter Capra
Vorab: Trailershow
Rosy ist sexy, noch nicht sechzehn und lebt als Herumtreiberin auf der Straße. Dort lernt sie vor einem Nachtclub den einfühlsamen Studenten Rolf kennen. Fragile Bande jungen Liebesglücks werden im Schneetreiben geknüpft, doch schon bald geraten Rosy und Rolf in den Wirkungskreis des kriminellen Jonny, der Rosy in seinem Dienst zurück auf die Straße schicken will.
Der tragischerweise einzige Langfilm des Kameramanns Peter Baumgartner ist seit seiner Aufführung im Rahmen des 6. Hofbauer-Kongresses 2012 ein ganz besonderer Lieblingsfilm des Hofbauer-Kommandos und ein "Meisterwerk des psychotronischen deutschen Kinos" (Oliver Nöding). Ungebrochen aufregend finden wir, wie in diesem "niveaulosen Reißer" (Onkel Fürchtegott) zart knospende Gefühle vor der HK-immanenten Kulisse des winterlichen Münchens in rohem Schwarzweiß herzzerreißend an den Realitäten eines längst von Abhängigkeiten und Nihilismus ausgehöhlten subkulturellen Mikrokosmos zerschellen. Die blutjunge Rosy-Rosy strahlt als scheuer Stern der Nacht in diesem profund melancholischen Jugenddrama, dem die Nouvelle Vague sichtbar im Hinterkopf herumspukt. Den lakonischen Tonfall für diesen anrührend kleinen Film der erschreckend großen Gefühle gibt unser geliebtes HK-Glamour-Girl Helen Vita im Film als Nachtclubsängerin und Mutter der Gefallenen pointiert vor: "Wenn ich meinen Humor nicht hätte, würde ich mich totlachen."
Am Sa. 09.01. um 21:15 Uhr werden wir also endlich diesem anmutigen Film wiederbegegnen und erfüllen damit ein altes Versprechen: 2014 schon als ausgewiesener Höhepunkt unseres 1. auswärtigen Sondergipfels beim Filmkollektiv Frankfurt programmiert, musste der Film in letzter Minute gecancelt werden – die fragliche Filmkopie war vom Erdboden verschwunden. Zu unser aller unermesslichem Glück ist sie zwischenzeitlich wieder aufgetaucht und wird uns den auf DVD leider um geschlagene 15 Minuten gekürzten Film und seine "somnambule Atmosphäre unter Vergnügungssüchtigen" (Oliver) noch einmal in seiner vollständigen 35mm-Pracht nahebringen.
BLUE ANGEL CAFÉ
BLUE ANGEL CAFÉ
I 1989, 89 Min., DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Tara Buckman, Richard Brown, Rick Anthony Munroe
Sometimes life is so easy when it's over with your man unless you wake up and you're still in love...
Angie ist Nachtclubsängerin. Sie hat genau ein Lied drauf (das sich im Lauf des Films ins Hirn frisst) und ist damit ziemlich erfolgreich. Sie lernt den aufstrebenden und verheirateten, aber sexuell frustrierten Politiker Raymond kennen. All diese drei Eigenschaften verkehren sich mit der Affäre der beiden rasch ins Gegenteil und vom erträumten Luxusleben bleibt bald nichts mehr. Wieder muss Angie wieder Geld beschaffen, weil das Karriereende den Mann in den Alkoholismus treibt. Aber dann kommt doch wieder alles anders …
Eigentlich müsste ich Joe D'Amato ja böse sein. Von diesem Film kannte ich jahrelang nur die Titelsequenz: Schummriges (blaues) Licht in einer Bar, ein recht gefälliger 80ies Popsong dazu, und eine Dame mit Hut, die diesen inbrünstig zum Vortrag bringt. Was habe ich geträumt davon, wie dieser Film sein könnte! Vielleicht nur an diesem Ort spielend, wo allerlei Menschen im Laufe einer Nacht stranden, sich für ein paar Stunden finden und hoffnungslos-trüben Softsex miteinander treiben? Und wie anders ist all das geworden … Als ich kurz nach dieser Erstbegegnung nach Wien gezogen bin, fuhr ich manchmal an einem Lokal mit demselben Namen vorbei, und ich glaube, es handelte sich dabei ebenfalls um ein einschlägiges Etablissement, aber beim Googeln fand ich jetzt nur mehr den Verweis auf ein Restaurant in South Lake Tahoe. Das aber liegt in Kalifornien und Joe D'Amato hat, wie wir wissen, in den späten 80ern New Orleans und Louisiana zu seiner Walstatt erkoren.
So geht es nach knapp 15 Minuten im Nachtclub raus in die ziemlich hässliche, durchgepolsterte 80er-Jahre-Welt der Mächtigen und Schönen. Auf Cocktailparties, in Schönheitssalons, in teils pittoresk ausgestattete Häuser und Wohnungen. Über allem liegt der Mief. Schlimmer sind nur die Yuppies, die den Film bevölkern. Angie macht zunächst keine Ausnahme: Sie umgarnt Raymond erst aus Kalkül, verliebt sich dann aber tatsächlich in ihn – was zu einigen der schönsten Szenen im Film führt, wenn beide den erdrückenden Sets entfliehen, sich am Hafen austoben und zumindest für diese Augenblicke von einem anderen Leben träumen können. Auch der Sex wird dann ganz anders: Vorher dominierte das Verrucht-Abenteuerliche – eigentlich kaum anzusehen sind die Verrenkungen am Garderobentisch oder in einer Badewanne, später wird’s eher zärtlich-bieder. Als Zuckerl für die Fans gibt’s gen Ende auch einen Gastauftritt von Laura Gemser hinter der Fotokamera beim Nackt-Shooting, fast schon wie in alten Zeiten.
I still dream of you...
Ich denke nicht, dass Joe D'Amato die Menschen mag, die er in diesem Film zeigt. Aber zumindest für Angie, die das Zentrum bildet, scheint er Sympathien zu haben. Nach Jessica Moore und Valentine Demy ist Tara Buckman die dritte Hauptdarstellerin in seinem New-Orleans-Zyklus und sie ist von allen (später kamen noch ein paar andere hinzu) die toughste und zielstrebigste, was sie vor allem im Nachfolgerfilm „High Finance Woman“ unter Beweis stellt. Wie sich zeigen wird: Angie muss, obwohl sie nach Außen hin die starke Frau markiert, ziemlich viel über sich ergehen lassen, auch und gerade von dem Menschen, den sie liebt. Ganz gleich, ob man „Blue Angel Cafe“ als bissige Satire, als verunglückte Romanze oder trist-gelangweilten Zeitgeist-Kommentar sieht, er bleibt – trotz enttäuschter Erwartungen – einer meiner liebsten D'Amato Filme, in dem erneut all das zusammenkommt, was sein Werk zu dieser Zeit ausmachte: Alles läuft etwas gedämpfter und abgeklärter ab als in den 70ern. Angies Tränen am Ende des Films, wenn sie noch einmal ihr Lied anstimmt, zeigen eine Frau, die vielleicht wieder genau da angekommen ist, wo sie zu Beginn des Films war - aber völlig bewusst, reicher an Erfahrung, bereit für den nächsten Lebenskampf: Blue angels never cease to fly...
DIE PERLE DER KARIBIK
DIE PERLE DER KARIBIK
BRD 1981, 81 Min., 16mm, R.: Manfred Stelzer, D.: Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel
Vorfilm: Weihnachten bei einer Gastarbeiterfamilie (BRD 197?, 15 Min., 16mm)
Als „Monarch“ leerte der charismatische Rheinisch-Crooner Diethard Wendtland in den späten 70ern die Spielautomaten der Republik. Schon in dem gleichnamigen Dokumentarfilm-Meisterwerk von Johannes Flütsch und Manfred Stelzer erwies er sich als brillianter Schauspieler. Wandelbar wie ein Chamäleon, lässig und selbstsicher steckte er nicht nur die gewonnenen Münzen in seine extragroßen Jackettaschen, sondern auch betrunkene Kneipengäste und feindlich gesonnene Wirte. Der Wechsel ins Spielfilmfach erschien da nur folgerichtig. Wieder unter Stelzers Regie, erscheint DIE PERLE DER KARIBIK wie eine skurrile MONARCH-Fortsetzung. Denn der Weg ist kurz vom keuschen Münzkaufmann zum Lexikon-Vertreter, der dem Liebesverzicht endlich ein Ende machen will. Doch das ist nicht so einfach, wenn bei deutschen Grazien nichts zu holen ist. Aber es gibt Rettung, Heiratsvermittler Alfred Edel sei Dank. Die heiratswillige Exotin Beanboat von einer Insel über dem Winde eilt rasch herbei, voller Vorfreude und mit passablen Deutschkenntnissen. Foreigner welcome. Doch die anfängliche Euphorie trübt schnell ein. Die liebenswürdige Beanboat wird für Diethard zum Fluch der Karibik, in einem unbarmherzigen Moloch der enttäuschten Erwartungen. Wolfram Schütte befand seinerzeit treffend: „Da zielt ein Satiriker, und er trifft auch (nicht nur Popanze).“ Komödie? Tragödie? Es ist kryptisch und vage, wie das Leben selbst. Der Regisseur selbst bezeichnete dieses Kleinod als „traurige Komödie“. Vielleicht im Sinne von Oscar Wilde. Für ihn war das Leben eine Komödie für jene, die denken, aber eine Tragödie für jene, die fühlen.
DIE SPALTE
DIE SPALTE
BRD 1971, 86 Min., 35mm, R.: Gustav Ehmck, D.: Gerhild Berktold, Axel Schiessler, Werner Umberg
Vorfilm: Die Pfütze (BRD 1961, 13 Min., 16mm, R.: Herbert M. Franck)
Ein "Sozialreport" von der Münchner Freiheit, der davon erzählt, wie es Mädchen ergehen kann, die aus Erziehungsheimen fliehen und als entlaufene Fürsorgezöglinge auf der Straße stranden. Sozialethisch desorientierte Minderjährige, hilflos und vertrauensselig, und damit leichte Beute für skrupellose Ausbeuter, die in ihnen wenig mehr sehen als "spaltbares Material", das gewinnbringend in den Verwertungskreislauf zu überführen ist. Wo noch kindliche Unschuld waltet, macht sich zunächst ein "professioneller Aufreißer" ans Einführungswerk, später fungieren Geldscheine als Eintrittskarten...
Der von Regisseur Gustav Ehmck ursprünglich geplante Titel war SOPHIE, während der Verleih nach Gottfried Benn den Titel ICH WEISS, WIE HUREN UND MADONNEN RIECHEN erwog, der trotz seiner beträchtlichen Schmierpoesie der Länge wegen wieder verworfen wurde. Letztlich lief es auf DIE SPALTE hinaus, dessen schonungslos verdinglichender Tonfall allerdings bestens zu einem Film passt, in dem es um die Degradierung zum menschlichen Gebrauchsgegenstand als einträgliches Geschäft geht. Die "Spalte" als Funktionsapparat, der im Gegensatz zum Münzschlitz kein Geld schlucken, sondern ausspucken soll und dafür einiges wegstecken muss. Im zentralen Höhe- und Kulminationspunkt des Films werden zu den Klängen der Musik aus einem griechischen Lokal die Vorgänge im darunter liegenden Keller zu einer Symphonie schwindelerregend montierter, freudlos-nüchtern protokollierter Kopulationen im Akkord: Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf, Beischlafvollzug, Entladung, Reißverschluss zu, Beine zu, Tür zu, eilige Säuberung, erschöpftes Durchatmen, Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf,… Eine derart unerbittliche Sequenz über den mechanischen Verrichtungscharakter gewerbsmäßiger Massenbegattung hat es im Kino selten gegeben. Zu den Anhängern des singulären Werks zählt Klaus Lemke, und das Hofbauer-Kommando kann sich nur dem Urteil des Münchner Werkstattkinos anschließen: "Ein unglaublicher Film!"
Um unserem Lehrauftrag Folge zu leisten, werden wir am So. 10.01. um 21:15 Uhr vor DIE SPALTE außerdem den schwarz-weißen FWU-Kurzfilm DIE PFÜTZE zeigen. Ein Triebtäter im Anzug macht sich darin mit eindeutigen Absichten an einen spielenden Knaben heran. Es ergeht die freundliche Aufforderung an unsere Besucher, sich mit diesem finsteren Doppelprogramm über die Abgründe nicht-konsensueller Kohabitation kundig zu machen.
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
BRD 1971, 82 Min., 35mm, R.: Ernst Hofbauer, D.: Monika Dahlberg, Christine Schuberth, Jutta Speidel
Vorfilm: Von Liebe ganz zu schweigen (BRD 1978, 35 Min., 16mm, R.: Michael Bückner)
Einer meisterhaft voyeuristisch verdichteten Erzählperspektive bediente sich unser glühend verehrter Namenspatron 1971 für eines seiner bestialischsten chef-d’œuvres: MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT. Um sein riskantes Panorama zarter, weiblicher Exempel eine durchdringend lustbehaftete Aura ammoniakgetränkter Anteilnahme ausdünsten zu lassen, versetzte er die wissbegierigen Zuschauer wortwörtlich in die Gänsehaut des unverbindlich faszinierten Gynäkologen Dr. Wolf Romberg, auf dessen gleichnamigem BRAVO-Report die ungeheuerliche Kolportage fußt. Das herzerweichende Sexual-Folgegeschehen und gewagte Einblicke in schmerzgeplagte Lustkanäle präsentieren sich in Ernsts experimentierfreundigstem Report-Film durch die subjektive Kamera geradewegs aus der verständnisvollen Perspektive des berufsmäßigen Frauenverstehers, was Tim Lucas zu der Bemerkung veranlasste, es handele sich bei diesem auch an die sachliche Urteilskraft des progressiven Observanten appellierenden Bilderreigen flügge werdender Unschuld vermutlich um Hofbauers "most conspicuous grab for auteur status". Eine kontroverse Aussage, deren Wahrheitsgehalt wir am letzten Kongresstag, So. 10.01. um 23:30 Uhr intensiv erforschen und hingebungsvoll entblättern werden. Im Vorprogramm ein lieblich-tristes Juwel aus der FWU-Bibliothek: VON LIEBE GANZ ZU SCHWEIGEN (1979) heißt ein hinreißend mahnendes Kleinbürger-Drama über ungewollte Teenager-Schwangerschaft, welches wir in authentischer 16mm-Projektion als lehrreiches Komplementärstück zur tiefengynäkologischen sleaze-en-scène des Hofbauerianischen Traktats reichen werden.
Der werte Leser dieser Zeilen mag sich fragen: Was zur Hölle soll das denn bitte für eine Veranstaltung sein?! Wir zitieren dazu drei langjährige Stammbesucher aus ihren Online-Rückblicken vergangener Kongresse:
„Zwei- bis dreimal im Jahr strömen Filmfreunde nach Nürnberg, in PKW-Fahrgemeinschaften aus Berlin oder Köln, mit Flugzeugen von Glasgow oder Wien, mit tödlich früh abfahrenden Fernbussen aus Aachen oder Jena. [...] Sie tun das wegen eines außergewöhnliches Filmfestivals, das seit knapp vier Jahren eine wachsende Anhängerschaft begeistert: der "Hofbauerkongress".
Seine Geschichte begann im Frühling 2011. Ein kleiner Kreis von Freunden im Umfeld des Kommkinos und des Filmblogs "Eskalierende Träume" traf sich in Nürnberg zur gemeinsamen Sichtung extravaganter Filme. In ihrer fantasievoll überschwänglichen Art nannten sie diese anfangs noch privaten Treffen ironisch-hochstaplerisch "Kongresse" und gaben sich den Namen "Hofbauerkommando", nach einem ihrer Lieblingsregisseure.
Ernst Hofbauer ist vor allem für seine Schulmädchenreporte bekannt, doch um den Fixstern "Sexfilm" kreisen bei ihm die verschiedensten Himmelskörper. Wie auf den Kongressen, die bald öffentlich wurden und sich anschickten, ihre eigene, völlig andere deutsche und auch internationale Filmgeschichte zu schreiben.
Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. [...] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. [...] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.
Es entsteht ein besonderes Geflecht der Sympathie und des Interesses für die Filme und einander. Antennen fahren raus, die Rezeptoren blinken auf, Reizüberflutung und Übernächtigung machen die Stimmung vertrauensvoll und hysterisch. Es wird angeregt geredet, gealbert und gelacht. Man setzt sich mit dem Geist der Filme, ihrer Zeit und ihren Menschen auseinander, und man erzählt von sich. [...] Zu der verschworenen Atmosphäre trägt bei, dass das Festival so sehr selbsterdacht, originell, leidenschaftlich, independent und low budget ist. Reich an Geld und Zeit sind weder die Veranstalter noch die Gäste. Beide Seiten nehmen vieles auf sich; keiner will mehr einen Kongress ausfallen lassen. Die organisatorische Hauptarbeit liegt in den Händen der jungen Filmexperten Andreas Beilharz und Christoph Draxtra: Recherche, Beschaffung, Restaurierung, manchmal sogar die Untertitelung der Filme: Kämpfe und Mühen!“ (Silvia Szymanski)
"Es geht eigentlich um eine Neueinschätzung von Filmgeschichte. Verfemte oder „illegitime“ Filme stehen im Mittelpunkt. Man nähert sich ihnen mit einer lustvollen, neugierigen Haltung jenseits der als gültig erachteten, überlieferten Parameter der Filmgeschichte. Was aber erfrischend un-tarantino-esk ausfällt. [...] Befasst man sich derart konzentriert mit Filmen, die eine snobistische Cinephilie keines Blickes würdigen würde, wird der eigene Blick ziemlich frei. Man merkt erst, wie diskursiv verstellt der Zugriff auf Filmgeschichte oft ist und was es jenseits der üblichen Sortierungen zu entdecken gibt. [...] Die Kongressvorführungen [zählen] zu den lebendigsten, fröhlichsten und unzynischsten, die ich je erlebt habe." (Thomas Groh)
"Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch." (Lukas Foerster)
Ein ganzes Jahr ist vergangen seit dem letzten außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos – ein zermürbend langes Jahr voller Aufopferung und Entsagung, voll klammer Hoffnung und scheuer Sehnsucht, in dem die Kongressbesucher immer wieder erwartungsvoll auf uns vier Kommandanten blickten, in ihren hungrigen Blicken ein unmissverständliches „Wann?!“.
Nun ist es soweit! Das einzigartige cinephile Liebhaberfestival, das bereits in epd-Film, Cargo und im Bayerischen Rundfunk gewürdigt wurde, kehrt zurück! Endlich werden wieder obskure, sonderbare, erotische, charmante und zwielichtige Entdeckungen und Raritäten ans Licht geholt. Teilt mit uns die infiniten Freuden der Verstrahlung, des 35mm-Materials, den Fleiß des Begehrens und den Preis der Lust! Wälzt euch im Schmier und lasst ihn in euch einwirken, denn er wird euch guttun! Erlebt ENDLICH wieder mit uns pulsierende Ekstasen der Sinne und zuckende Konvulsionen des Zwerchfells, denn das gibt’s, wie stets, nur einmal - das kommt nie wieder!
Höhepunkte sind neben dem obligatorischen Fokus auf das bundesdeutsche Kino der 60er bis 80er Jahre ein Pariser Striptease-Duett, das gerade jetzt umso mehr die hedonistisch-lustvolle Seite der Stadt feiert, sowie eine kleine Hommage zum 80. Geburtstag des legendären italienischen Regisseurs Joe D'Amato.
Unter den Links in der nachfolgenden Übersicht werden die einzelnen Filme in vom Hofbauer-Kommando verfassten Ankündigungstexten vorgestellt. Wir bedanken uns bei Silvia Szymanski, die Vorfreudetexte zu DIE SPANISCHE FLIEGE und DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT beigesteuert hat, und bei Florian Widegger, der für uns im BLUE ANGEL CAFÉ war. Bei Facebook gibt es außerdem eine Veranstaltungsseite zum Festival.
PROGRAMMÜBERSICHT:
Donnerstag, 07.01.2016
17:00 „Die Einäugige“ (35mm-Überraschungsfilm)
21:15 Love in Action – Zieh mich aus, Herzchen *
23:30 Tabus der Nackten *
Freitag, 08.01.2016
15:00 Die spanische Fliege
17:15 Skandalöse Emanuelle – Die Lust am Zuschauen
21:15 Das Spukschloss im Salzkammergut
23:30 Der triste Überraschungsfilm*
Samstag, 09.01.2016
15:00 Hörig bis zur letzten Sünde
17:15 Die Girls vom Crazy Horse
21:15 …und noch nicht Sechzehn *
23:30 Blue Angel Café
Sonntag, 10.01.2016
17:15 Die Perle der Karibik *
21:15 Die Spalte *
23:30 Mädchen beim Frauenarzt *
An allen Tagen ist jeweils gegen 2 Uhr ein nächtlicher Überraschungsfilm geplant (darunter der „stählerne Überraschungsfilm“) und am Montag, 11.01., um 21:15 Uhr eine Wiederholungsvorstellung. Vor den mit * markierten Filmen gibt es zudem Trailershows oder Vorfilme, nähere Infos in den entsprechenden Ankündigungstexten.
TICKETS:
Einzelticket: 6 Euro.
2-Tageskarten: 35 Euro.
3-Tageskarten: 50 Euro.
Dauerkarten: 60 Euro.
Reservierungen unter: reservierung[at]kommkino.de
Zu unserem Special:
EVVIVA JOE D'AMATO! DAS HOFBAUER-KOMMANDO GRATULIERT ZUM 80.
Joe D'Amato (bürgerlich Aristide Massaccesi) war ein rastloser Macher: Kameramann (unter anderem bei Alberto De Martino, Mario Bava, Jean-Luc Godard und Massimo Dallamano), Cutter, Drehbuchautor, Produzent und Autorenfilmer. Er selbst bestritt Letzteres, aber irgendwo und irgendwann in seiner aus Not und Leidenschaft uferlosen Filmographie hatte er selbst den Über- und Blick über und auf sein eigenes Werk verloren. Ein Werk, das nicht erst unter den Augen des Kenners und Genießers Distinktion gewinnt. Dem Hofbauer-Kommando wuchs er schon früh inniglich an Herz und Hose, als unvergleichlicher Meister der Fugenkunst, als aufrechter Fackelträger eines sinnlich-lebendigen, inspirierten Filmhandwerks, das oft lässig den bestehenden Rhythmen hinterher tanzte, und hinter seinem eigenen, sehr wohl profunden Verständnis des Kinos, seiner Formen und der Affekte, die es auslösen kann. Filme wie AMORE SPORCO, TOP MODEL, UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI und POMERIGGIO CALDO legten in der bewegten HK-Vergangenheit zu Fuß Zeugnis ab von D'Amatos aufreizend unbekümmerter Nonchalance, mit der er aus zunächst gewöhnlichen Genrefilmen alles Mechanische und Automatische herausnehmen und die so entstehenden Lücken mit dem zu füllen verstand, was nach Auffassung des Hofbauer-Kommandos schon immer tragisch unterschätzt wurde als ein wesensbestimmender Schlüssel zur Psyche und Seele der Filmmagie: Dem unschuldigen und fragilen, dem edlen und anmutigen, beständig changierenden Nichts - dem unergründlichen Klangkorpus in dem, mal laut, mal leis, die Freuden des Vulgären und die Leiden der von Begierden verworrenen Menschenseele lange und elegisch nachhallen. Weil wir in grenzreligiöser Zuversicht davon überzeugt sind, dass die Kongresse jedem, der sie regelmäßig besucht, früher oder später die befreiende, stimulierende und zutiefst befried(ig)ende Bedeutung dieses reichhaltigen und sublimen Nichts offenbaren werden, wollten wir uns Joe schon länger einmal ausführlicher widmen – ihm und seinen Ultrakunstwerken eines billigen Kommerzfilms, der geborgen und glücklich in den Armen der teuren Kinokunst liegt und friedvoll schlummert. Im Jahr 2016 des Herrn wäre Joe D'Amato 80 Jahre alt geworen. Wir sind uns sicher: Lebte er noch, er würde noch immer drehen und hätte längst die 300 geknackt! Das Hofbauer-Kommando nimmt sich dieses ganz besondere anniversario zum Anlass, ein Trio seiner Filme zur Aufführung zu bringen, die den umtriebigen Joe in ganz unterschiedlichen Schaffensphasen zeigen – in 35mm, auf der großen Leinwand. Dort, wo seine Filme, naturgemäß lange im Gefängnis einer VHS-Hülle eingesperrt, eigentlich hingehören. Wir gedenken zudem, diesem Geburtstagsspecial in der näheren Kongresszukunft eine Fortsetzung folgen zu lassen, denn die D'Amatianische Filmforschung ist gerade erst in ihrem seit Dekaden überfälligen Entstehen begriffen. Kommt und feiert mit uns einen singulären "total filmmaker", der das Hofbauer-Kommando und sein Filmverständnis entscheidend geprägt hat!
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
Expose Me, Lovely, USA 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Armand Weston, D.: Jennifer Welles, Eve Adams, Catharine Burgess
Vorab: XXX-Trailershow (Nur für Erwachsene!)
Wollten Sie schon immer wissen, warum man Privatdetektive in der nie um HK-Relevanz verlegenen amerikanischen Alltagssprache "private dicks" nennt? Neben vielen anderen intimen Einblicken in die zwielichtige Welt der femmes fatales und Privatdetektive wird uns der XXX-Klassiker des 15. Kongresses gewiß auch diese pikante Frage naßforsch beantworten. Wie der famose AFAA-Preisträger Armand Weston bereits mit seinen inspirierten, dunklen Porno-Thrillern THE TAKING OF CHRISTINA und THE DEFIANCE OF GOOD stoßkräftig unter Beweis stellte, war ihm Genrekino lieb und teuer. EXPOSE ME, LOVELY (1976) ist sein ersprießlicher Versuch eines "sex-driven film noir", in dem Rusty Knight, ein äußerlich smarter, doch innerlich schmieriger Spürhund der Schleimspur eines verschwundenen Mannes durch das ranzige New York der 70iger folgen muss, im Auftrag der kühlblonden Schwester des Gesuchten, die sich selbstverständlich erst der ausfüllenden und aufreibenden Qualitäten des private dick versichert, bevor sie ihn mit einem neuen Fall aus der Umklammerung ihrer Schenkel entlässt. Um des Vermissten habhaft zu werden, ist Rusty jedoch gezwungen, noch an so manch weiterer Muschel zu horchen und reichlich Seim zu schlecken, denn feucht und haarig ist des Rätsels Lösung!
Eine deutsche Erstaufführungskopie in verführerischen Agfa-Farben, unter dem Titel "Love in Action" und laut Christian Keßler mit einer Synchronisation, die unter anderem Elmar Wepper aufbietet, wird am Fr. 07.01. um 21:15 Uhr den Kongress offiziell eröffnen. Im Vorprogramm: Eine Zusammenstellung zeitgenössischer 35mm-XXX-Trailer aus dem Bestand des AB-Filmverleihs, der seinerzeit EXPOSE ME, LOVELY vertrieben hat.
TABUS DER NACKTEN
TABUS DER NACKTEN
Paris erotika, F 1963, 71 Min., DF, 35mm, R.: José Bénazéraf, D.: Dick Randall, Bonne Campbell, Cosette Blanche
Vorfilm: Bevor der Strip stirbt (BRD 1966, 14 Min., 35mm, R.: Günter Weiss-Thiele)
Dem melancholischen Zauber der COVER GIRLS erlagen wir alle beim 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos, der existenzialistischen Erotik des HEISSEN STRANDS bei unserem 1. auswärtigen Sondergipfel. Im Rahmen unseres sex-positiven Sonderprogramms "Paris! Vive la vie sexy!" kehrt nun der große José Bénazéraf zu uns zurück, um in Cinemascope und Farbe mit den TABUS DER NACKTEN (1964) zu brechen. 24 Stunden eines Amerikaners in Paris (so einer der Originaltitel) erzählt dieses Frühwerk des "Godard du X", in dem sich die mühselig bezähmten, alsbald jedoch ungestüm eskalierenden Begierden eines amerikanischen Lebenmanns an den üppigen Mädchen-Auslagen der Pariser Amüsierbetriebe entzünden. Unser geliebter Onkel Fürchtegott, der katholische Filmdienst, fand dafür ausdrucksstarke Worte: "Seine lüsternen Schweinsäuglein entdecken von der Seinestadt nicht mehr als die diversen Nachtlokale. Kann er dort dem Striptease nicht zuglotzen, giert er nach jeder schlanken Mädchenhüfte, die an ihm vorbeiwiegt, sei es bei einer Mißwähl (sic!), im Bistro oder im Hotel. (...) Dreist betätschelt er wildfremde Frauen, findet aber nirgendwo Anschluß." Selbigen werden wir indes sicherlich finden in dieser mutmaßlichen Bonbonniere des Flaneursfilms, der wir mit ganz besonderer Freude entgegenfiebern, seit wir im Sommer des vergangenen Jahres eine 35mm-Kopie des überaus seltenen Films aus den schmutzigen Tiefen der Porno-Scheune von Schwaben bergen konnten.
Bedauerlicherweise konnten wir hingegen FERIEN AUF EINER INSEL, jenen Nudisten-Kurzfilm, den der Brummer-Filmverleih seinerzeit zusammen mit Bénazérafs Hauptfilm an die BALI-Kinos auslieferte, nicht ausfindig machen. Stattdessen zeigen wir vorab eine unserer jüngsten Kulturfilm-Errungenschaften: BEVOR DER STRIP STIRBT (Günter Weiss-Thiele, 1966), dessen geheimnis- und klangvoller Titel allein ihn gewiß als Vorfilm für Bénazérafs Reigen des Strip und Strap prädestiniert. On se déshabiller le 07 janvier a 23:30!
DIE SPANISCHE FLIEGE
DIE SPANISCHE FLIEGE
BRD 1955, 94 Min., 35mm, R.: Carl Boese, D.: Joe Stöckel, Rudolf Platte, Elisabeth Flickenschildt
Ich habe diesmal unverhofft die Ehre, den ersten Aufriss schreiben zu dürfen und fühle mich geworfen, von grellem Scheinwerferlicht geblendet. Es ist ein Samstagvormittag, ich liege noch in meinem Arbeitsbett, draußen schneiden zwei urig-attraktive Landschaftsgärtner die Hecke. Jenseits dieser Hecke und des Wäldchens aber liegt, tief im Deutschland des Jahres 1955, die kleine Filmstadt Daxburg.
Dort haben gerade vier Herren der besseren Gesellschaft (ich hoffe, es handelt sich hierbei nicht um das Hofbauer-Kommando!) entdeckt, dass sie zwanzig Jahre lang für ein und dasselbe Kind Alimente gezahlt haben. Diese vier „Angstväter“ - der Schaufensterpuppenfabrikant Heinrich Klinke, der Lederwarenfabrikant Breilmann, der Modehausbesitzer Hugo Sommer und der Sägewerksbesitzer Hartmann - haben alle damals in der Nachtbar „Clou“ mit der „Spanischen Fliege“ geschlafen. Sie war dort Tänzerin und hat längst die Stadt verlassen. Doch nun, nach 20 Jahren, wo die Herren schon gutsituiert im Stadtrat sitzen, droht alles ans Licht zu kommen.
Die Posse „Die spanische Fliege“ wurde 1913 für die Bühne geschrieben und war dort ein Renner. Was man gut verstehen kann. Man blickt hinter die Kulissen eines gemütlichen Städtchens, und hinter jedem Türchen sitzt ein anderer Mann in seinem erschummelt honorigen Leben, mit einer bedrohlichen, sexuellenVergangenheit im Nacken, nass vor Angstschweiß: Das will man sehen! Der Regisseur, Carl Boese, hat 1920 mit Paul Wegener zusammen den „Golem“ inszeniert, war aber seit den Dreißigerjahren eher in der leichten Muse fleißig. Hits wie „5 Millionen suchen einen Erben“ mit Heinz Rühmann und „Hallo Janine“ mit Marika Rökk waren bis ins Omafernsehen der Sechziger Jahre allgegenwärtig, und in der „Spanischen Fliege“ spielen triste Stars wie Rudolf Platte, Ursula Herking, Elisabeth Flickenschildt, Hans Richter, Ruth Stephan… aber der Filmdienst schimpft! Ein derbes Volksstück sei das, voller grober Zweideutigkeiten, ein plattes Spiel mit dem Schmuddeligen. „Es muß hier einmal ganz offen gefragt werden, wie es zuging, daß auch diese traurige Leistung des deutschen Filmlustspiels, deren man sich tatsächlich schämen muß, durch die Zusage einer staatlichen Bundesbürgschaft finanziell ermöglicht wurde. (…) Der Film reizt keinen Erwachsenen zu unsittlichen Taten; ihm solches zuzumuten, hieße ihm zuviel Ehre antun. Aber hier ist jene Grenze überschritten, die zwischen der Verletzung des guten Geschmacks und der Verletzung des sittlichen Empfindens besteht. Es herrscht eine bedenkliche Atmosphäre, die, ohne nackte Unmoral ins Bild zu bringen, jedes moralische Gefühl erweicht und unterhöhlt. An solchen Filmen sollte man nicht achselzuckend vorübergehen, man muß ihre Gesinnung schärfstens anprangern.“ Meine Herren! Das macht schon sehr, sehr neugierig.
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
Voglia di guardare, I 1986, 84 Min. DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Lilli Carati, Laura Gemser, Aldina Martano
Die Lust am Zuschauen, so der Original- und deutsche Titel von SKANDALÖSE EMANUELLE (1986), war schon immer ein wesentliches Element in den Filmen des tiefenentspannten Softporno-Maestros Joe D'Amato, dem Voyeurismus als höchste Sphäre der Lust galt. Nach Decamerotici, Italowestern, Kriegsknüppeln, Horror-Reißern und Inselfilmen schuf Joe in den abgeklärten Ruinen des italienischen Exploitationfilms Mitte der 1980iger Jahre einen vier Filme umfassenden Zyklus dunkler Erotik-Melodramen, die er im Italien der 1930iger Jahre, mitten im blühenden Faschismus, ansiedelte. Abgründige, oft interfamiliäre Begehrlichkeiten, perverse Projektionen und das peinvolle Mäandern zwischen Materialität und Spiritualität des Sex waren der Stoff, aus dem Joe hier in überlebten Landhäusern morbide Tagträume webte. "Is this a Joe D'Amato film or a Douglas Sirk film?" fragt ein IMDB-Rezensent angesichts des urmelodramatischen Naturells dieser Filme ganz zurecht, denn selten zeigte Joe sich reifer und erzählerisch souveräner, vollends befähigt, komplexe und erwachsene Geschichten durch weichgezeichneten Sex zu erzählen. VOGLIA DI GUARDARE mag manchem zu schwermütig geraten sein und keinen ähnlich bizarren Plot aufweisen wie seine intensiven Vorgänger L'ALCOVA (1984) und IL PIACERE (1985), doch das Hofbauer-Kommando frohlockt nichtsdestotrotz angesichts der aromatischen Verheißung, endlich der irisierenden Villenfilmwelten des eklektischen Joe sowie der genießerisch dargebotenen Strapse der heißen Lilli Carati und der süßen Jenny Tamburi am Fr. 08.01. um 17:15 Uhr in den kühlheißen Farben einer deutschen 35mm-Agfa-Kopie ansichtig zu werden. Venite alla villa a vedere l'abisso dei piaceri!
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
BRD 1966, 81 Min., 35mm, R.: Hans Billian, Rolf Olsen, D.: Udo Jürgens, Hannelore Auer, Manfred Schnelldorfer
Ein Urlaubs-, Heimat-, Weißrössl-, Spukschloss- und Schlagertraum und -trauma, bei dem alte Kongresshasen und -häschen viele liebe Bekannte wiedertreffen werden. Die unglaublich fesche, draufgängerische Hannelore Auer wird wieder unbekümmert im wippenden Kleidchen winken, lachen und sich für nichts zu schade sein. Der freche Dialog- und Drehbuchdachs Hans Billian (leider nicht unumstritten!) wird ihr schlüpfrige Worte in den Mund legen. Auf dem Regiestuhl hat neben ihm schon Platz genommen: Profibär „Blutiger Freitag“ Olsen. Er spielt sogar mit – ich bin gespannt! Besonders freue ich mich persönlich auch auf den erotisch tapsigen Eiskunstläufer, Sänger, Cabriofahrer und Labradorwelpen Manfred Schnelldorfer. Jedoch! Es wird für manchen unter uns auch Prüfungen geben. Die Lieder werden oft nach im Kneipenzigarettenqualm versunkenen Musicboxen miefen. Die vergessenen „Candy Kids“, zwei echte brasilianische Kinder, wird man trüb und müde über ihre Reise mit der „Bimmelbahn, so lang sie bimmeln kann“ berichten hören. Und auch dass Peggy March musikalisch über die tausend Steine klagt, die die Welt verliebten Teenagern in den Weg legt, zeigt, dass DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT Unangenehmes nicht ausspart - komplizierte Liebesbeziehungen, Missgunst im Showgeschäft, den kulturellen Kampf zwischen U und E, selbst in den Körpern jungverliebter Paare (Udo Jürgens, Gertraud Jesserer): Künstler am Limit! Die Konkurrenten sägen neidisch Brücken an, schütten Kollegen Wasser in die Blasinstrumente, treiben sie mit Gruselmaskeraden in den Wahnsinn. Unsere strengen, großen und studierten Brüder vom film-dienst und dem evangelischen Film-Beobachter rümpften die Nasen. Dumm sei das, albern, zu klamaukig und klamottig. „Zu bewundern ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die ältesten Ladenhüter der Zelluloidbranche und die albernsten Scherzchen für neu verkauft werden“, schrieben sie spitz, „doch neu ist nichts, gekonnt ist nichts, und jegliche Logik war beurlaubt, von einem noch so bescheidenen Restchen von Geist gar nicht erst zu sprechen.“
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
von Joe D’Amato, ca. 90 Min., DF, 35mm
Unter Palmen am blauen Meer entfalten sich in unserem tiefenentspannten "tristen Überraschungsfilm" verführerisch flüsternd geheimnisvolle Begierden und unsittliche Riten. Im Wendekreis der Fugenkunst auf ein dominikanisches Eiland geworfen, trüben die Protagonisten unseres #TrÜF ratlos und erregt durch ein exotisches Wunderland der Sinnlichkeit, vorgeblich auf der Suche nach verschwundenen Menschen, in erster Linie aber natürlich nach sich selbst. Welch glückliche Fügung, dass die karibische See sie just in die vertrauensvollen, anheimelnd geduldigen Hände des großen Joe D'Amato spülte, der noch auf jede sexistenzialistische Frage eine weise Antwort hatte. Onkel Fürchtegott war indes freilich anderer Auffassung und geißelte dieses Meisterwerk des HK-kernrelevanten Genres des Inselfilms unnachgiebig: "Dem Alphabet fehlt leider noch ein Buchstabe, um nach üblicher Handelsart die Güteklasse dieses Machwerkes zu bestimmen. (...) Das dilettantisch gespielte und streckenweise in Reiseprospektform gekurbelte Filmchen versucht unter beträchtlichem Einsatz von akustischen Beigaben kriminalistische Spannungsfäden und exotischen "Zauber" zu entwickeln. Doch alles läuft hinaus nur auf eine abstoßende Addition von breit ausgespielter Pornografie und verschiedenen Scheußlichkeiten."
Wir glauben fest daran, dass hier lediglich der katholische Rezensent "nach üblicher Handelsart" an der bestrickenden Oneironautik des Films scheiterte und lecken uns bereits die Finger, den Geschmack von Kokosmilch und Südfrüchten am Gaumen, den hypnotischen Sound von Bongos im Ohr. Erfreut euch mit uns an der Kraft der Ruhe und der Ruhe der Kraft, wenn wir am Fr. 08.01. um 23:30 Uhr einen der möglicherweise wichtigsten Filme von Joe D'Amato in den dekorativ angerosteten Eastmancolor-Farben einer geschundenen Südtiroler 35mm-Kopie auf die KommKino-Bildwand werfen! Vorab eine kurze Einführung zum Film und eine Joe-D’Amato-Trailershow.
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
BRD 1969, 81 Min., 35mm, R.: Lothar Gündisch, Hans Billian, D.: Horst Naumann, Carine Christian, J.P. Dornseif
Mit Frivolitäten gewürzte Räuberpistolen sind die Leib- und Magenspeise des Hofbauer-Kommandos. Von uns liebevoll als „Frühschmier“ bezeichnet, macht den Reiz dieser zumeist im Gewand der Krimi-Kolportage daher kommenden schwarz-weißen Sittendramen und Milieureißer bevorzugt der mittleren 60er Jahre aus, dass sie moralische Grenzüberschreitungen und erotische Begehrlichkeiten noch nicht in aller Deutlichkeit ausformulieren durften, sich aber umso erfinderischer auf beiläufig eingestreute Anzüglichkeiten und Andeutungen verstanden. Man findet auch ungefilterten Straßenrealismus und rüde Alltagssprache in diesen rohen Sündentraktaten, von denen manche mit Schmiss und Schmackes auf Rabauken und Rabatz setzten und andere mit machtvoll trüber Fotografie die Abgründigkeit finsterer Noir-Erzählungen beschworen. Auch der 15. Kongress ist mit zwei Exemplaren dieser unverzichtbaren Gattung angereichert. Beim Ersten deutet schon die Verzögerung des Kinostarts an, dass es sich im Zuge der 1970 längst aufbrandenden Aufklärungs- und Reportfilmwelle um ein bereits leicht aus der Zeit gefallenes Werk handelt: 1967 in Produktion gegangen, erfolgte im Herbst 1969 die FSK-Prüfung und schließlich erst ein ganzes Jahr später im Herbst 1970 die Uraufführung, weil man offensichtlich nicht recht wusste, wie man zu dieser Zeit noch einen schwarz-weißen Sittenkrimi unters Volk bringen konnte. Nach den Arbeitstiteln ANWALT DES TEUFELS und NACKT WIE ER SIE WOLLTE sollte mit HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE der finale Kinotitel noch etwas aus- und aufrichten.
Die Mitte der 60er für die Music-House-Schlagerfilme als Regisseure tätigen Hans Billian und Lothar Gündisch übernahmen gemeinsam das Ruder, während HK-Kultgott Günter Hendel das nicht um ersprießliche sprachliche Blüten verlegene Drehbuch („Quasseln Sie nicht wie ein Intellektueller - Sie sind Polizist!“) rund um einen missglückten Banküberfall und die mit amourösen Intrigen verbundene Jagd nach dem Versteck der Beute beisteuerte. Statt des in diesem Fall seine Abkanzelung arg einfallslos vortragenden Onkel Fürchtegott lassen wir lieber Christian Witte zu Wort kommen: „Da ist Billian & Gündisch ein schön ausschweifend-fieses, exploitativ-knalliges Werk des hingerotzten Nihilismus gelungen, das durchweg durch sexy Modder latscht und zum Schluss Blut dort reinschießen lässt - weil es jetzt (1970) endlich erlaubt ist und man somit den moralischen Zeigefinger dezent bei der Leine halten kann. Ein wirklich spaßiger Reißer - Crime & Tits in Black & White, frech ausgekotzt über den bundesdeutschen Mief.“
Nach zähen Verhandlungen freuen wir uns umso mehr, den Film als Auftakt des dritten Kongresstages am Sa. 09.01. um 15 Uhr ankündigen zu können.
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
Crazy Horse de Paris, F 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Alain Bernardin, D.: John Lennox, Lova Moor, Rosa Fumetto
Als "Hauptstadt des Lasters und der Unzucht" bezeichneten die Daesh-Barbaren nach den Anschlägen Paris, jene 'Stadt der Liebe', der ein kleines Special zu widmen das Hofbauer-Kommando bereits vor einem halben Jahr beschloss. Durch den vorläufigen Ausfall einer anlassgebenden potenziellen Wiederentdeckung war der Plan zunächst vertagt, doch nach dem 13.11.2015 war klar, dass man jetzt ganz bewusst daran festhalten musste. Der Menschenverachtung und Lustfeindlichkeit der pseudo-religiösen, bigotten Faschisten, denen schon aufgrund ihrer bestialischen Frauen- und Kinderversklavungen keinerlei moralischer Fingerzeig zugestanden werden sollte, setzen wir mit zwei ausgewählten Paris- und Stripfilmen eine Feier der fröhlichen "Unzucht", des zeigefreudigen "Lasters" und des genussvollen Flanierens durch die erotischen Attraktionen des Nachtlebens entgegen: "Vive la vie sexy!"
Denn, aus Überzeugung und nicht nur Fassade: The Show must go on! Und wo könnte sie das besser, als im Crazy Horse de Paris? Jenem legendären Varieté-Nachtclub, dessen ausgeklügelte Striptease-Choreographien die "L'art du Nu" so stilvoll zelebrieren, dass der Connaisseur genießt und schweigt - oder sich in angeregte Kurven-Diskussionen versteigt. Lange bevor der große US-Institutionen-Dokumentarist Frederick Wiseman 2011 dem Crazy Horse auf geradezu schwelgerische Weise einen seiner ganz wenigen nicht in den USA angesiedelten Filme widmete, war es 1976 Eigentümer Alain Bernardin selbst, der sein 1951 gegründetes Etablissement ins Zentrum einer vom Geschmack des Werblichen unterfütterten Kinounternehmung stellte und die Figur eines schottischen Zeitungsreporters als Interviewer durch sein Reich führen ließ. Sogar der Filmdienst notiert zu den sinnlichen Reizen des daraus resultierenden DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE und den zugrundeliegenden Darbietungen anerkennend: "Auf einer kleinen Bühne zeigen gutgewachsene junge Frauen zu gepflegter Musik und raffinierten Lichtspielen originell choreografierten Striptease. Nie gleitet Bernardins Show ins Geschmacklose oder gar Peinliche ab: Ästhetik und Erotik geben sich hier ein "prickelndes" Stelldichein."
Anfang September schlenderten bei einem Paris-Urlaub zwei Hofbauer-Kommandanten, ein ergebener Hofbauer-Gefolgsmann und ein verehrter HK-Geburtshelfer eher zufällig an der Fassade des Crazy Horse Saloons vorbei - ein wenig überrascht von der unscheinbaren äußerlichen Anmutung und ein wenig betrübt darüber, dass am werktäglichen Nachmittag naturgemäß die Türen verschlossen blieben. An einem Nürnberger Nachmittag jedoch, am Sa. 09.01. um 17:15 Uhr, werden sich jene Türen nun endlich genauso geschmeidig öffnen wie die Vorhänge der Kinoleinwand und die unzüchtigen, Tanzstangen-umschlingenden Schenkel der lebenslustigen GIRLS VOM CRAZY HORSE.
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
BRD 1968, 90 Min., 35mm, R.: Peter Baumgartner, D.: Rosy-Rosy, Helen Vita, Peter Capra
Vorab: Trailershow
Rosy ist sexy, noch nicht sechzehn und lebt als Herumtreiberin auf der Straße. Dort lernt sie vor einem Nachtclub den einfühlsamen Studenten Rolf kennen. Fragile Bande jungen Liebesglücks werden im Schneetreiben geknüpft, doch schon bald geraten Rosy und Rolf in den Wirkungskreis des kriminellen Jonny, der Rosy in seinem Dienst zurück auf die Straße schicken will.
Der tragischerweise einzige Langfilm des Kameramanns Peter Baumgartner ist seit seiner Aufführung im Rahmen des 6. Hofbauer-Kongresses 2012 ein ganz besonderer Lieblingsfilm des Hofbauer-Kommandos und ein "Meisterwerk des psychotronischen deutschen Kinos" (Oliver Nöding). Ungebrochen aufregend finden wir, wie in diesem "niveaulosen Reißer" (Onkel Fürchtegott) zart knospende Gefühle vor der HK-immanenten Kulisse des winterlichen Münchens in rohem Schwarzweiß herzzerreißend an den Realitäten eines längst von Abhängigkeiten und Nihilismus ausgehöhlten subkulturellen Mikrokosmos zerschellen. Die blutjunge Rosy-Rosy strahlt als scheuer Stern der Nacht in diesem profund melancholischen Jugenddrama, dem die Nouvelle Vague sichtbar im Hinterkopf herumspukt. Den lakonischen Tonfall für diesen anrührend kleinen Film der erschreckend großen Gefühle gibt unser geliebtes HK-Glamour-Girl Helen Vita im Film als Nachtclubsängerin und Mutter der Gefallenen pointiert vor: "Wenn ich meinen Humor nicht hätte, würde ich mich totlachen."
Am Sa. 09.01. um 21:15 Uhr werden wir also endlich diesem anmutigen Film wiederbegegnen und erfüllen damit ein altes Versprechen: 2014 schon als ausgewiesener Höhepunkt unseres 1. auswärtigen Sondergipfels beim Filmkollektiv Frankfurt programmiert, musste der Film in letzter Minute gecancelt werden – die fragliche Filmkopie war vom Erdboden verschwunden. Zu unser aller unermesslichem Glück ist sie zwischenzeitlich wieder aufgetaucht und wird uns den auf DVD leider um geschlagene 15 Minuten gekürzten Film und seine "somnambule Atmosphäre unter Vergnügungssüchtigen" (Oliver) noch einmal in seiner vollständigen 35mm-Pracht nahebringen.
BLUE ANGEL CAFÉ
BLUE ANGEL CAFÉ
I 1989, 89 Min., DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Tara Buckman, Richard Brown, Rick Anthony Munroe
Sometimes life is so easy when it's over with your man unless you wake up and you're still in love...
Angie ist Nachtclubsängerin. Sie hat genau ein Lied drauf (das sich im Lauf des Films ins Hirn frisst) und ist damit ziemlich erfolgreich. Sie lernt den aufstrebenden und verheirateten, aber sexuell frustrierten Politiker Raymond kennen. All diese drei Eigenschaften verkehren sich mit der Affäre der beiden rasch ins Gegenteil und vom erträumten Luxusleben bleibt bald nichts mehr. Wieder muss Angie wieder Geld beschaffen, weil das Karriereende den Mann in den Alkoholismus treibt. Aber dann kommt doch wieder alles anders …
Eigentlich müsste ich Joe D'Amato ja böse sein. Von diesem Film kannte ich jahrelang nur die Titelsequenz: Schummriges (blaues) Licht in einer Bar, ein recht gefälliger 80ies Popsong dazu, und eine Dame mit Hut, die diesen inbrünstig zum Vortrag bringt. Was habe ich geträumt davon, wie dieser Film sein könnte! Vielleicht nur an diesem Ort spielend, wo allerlei Menschen im Laufe einer Nacht stranden, sich für ein paar Stunden finden und hoffnungslos-trüben Softsex miteinander treiben? Und wie anders ist all das geworden … Als ich kurz nach dieser Erstbegegnung nach Wien gezogen bin, fuhr ich manchmal an einem Lokal mit demselben Namen vorbei, und ich glaube, es handelte sich dabei ebenfalls um ein einschlägiges Etablissement, aber beim Googeln fand ich jetzt nur mehr den Verweis auf ein Restaurant in South Lake Tahoe. Das aber liegt in Kalifornien und Joe D'Amato hat, wie wir wissen, in den späten 80ern New Orleans und Louisiana zu seiner Walstatt erkoren.
So geht es nach knapp 15 Minuten im Nachtclub raus in die ziemlich hässliche, durchgepolsterte 80er-Jahre-Welt der Mächtigen und Schönen. Auf Cocktailparties, in Schönheitssalons, in teils pittoresk ausgestattete Häuser und Wohnungen. Über allem liegt der Mief. Schlimmer sind nur die Yuppies, die den Film bevölkern. Angie macht zunächst keine Ausnahme: Sie umgarnt Raymond erst aus Kalkül, verliebt sich dann aber tatsächlich in ihn – was zu einigen der schönsten Szenen im Film führt, wenn beide den erdrückenden Sets entfliehen, sich am Hafen austoben und zumindest für diese Augenblicke von einem anderen Leben träumen können. Auch der Sex wird dann ganz anders: Vorher dominierte das Verrucht-Abenteuerliche – eigentlich kaum anzusehen sind die Verrenkungen am Garderobentisch oder in einer Badewanne, später wird’s eher zärtlich-bieder. Als Zuckerl für die Fans gibt’s gen Ende auch einen Gastauftritt von Laura Gemser hinter der Fotokamera beim Nackt-Shooting, fast schon wie in alten Zeiten.
I still dream of you...
Ich denke nicht, dass Joe D'Amato die Menschen mag, die er in diesem Film zeigt. Aber zumindest für Angie, die das Zentrum bildet, scheint er Sympathien zu haben. Nach Jessica Moore und Valentine Demy ist Tara Buckman die dritte Hauptdarstellerin in seinem New-Orleans-Zyklus und sie ist von allen (später kamen noch ein paar andere hinzu) die toughste und zielstrebigste, was sie vor allem im Nachfolgerfilm „High Finance Woman“ unter Beweis stellt. Wie sich zeigen wird: Angie muss, obwohl sie nach Außen hin die starke Frau markiert, ziemlich viel über sich ergehen lassen, auch und gerade von dem Menschen, den sie liebt. Ganz gleich, ob man „Blue Angel Cafe“ als bissige Satire, als verunglückte Romanze oder trist-gelangweilten Zeitgeist-Kommentar sieht, er bleibt – trotz enttäuschter Erwartungen – einer meiner liebsten D'Amato Filme, in dem erneut all das zusammenkommt, was sein Werk zu dieser Zeit ausmachte: Alles läuft etwas gedämpfter und abgeklärter ab als in den 70ern. Angies Tränen am Ende des Films, wenn sie noch einmal ihr Lied anstimmt, zeigen eine Frau, die vielleicht wieder genau da angekommen ist, wo sie zu Beginn des Films war - aber völlig bewusst, reicher an Erfahrung, bereit für den nächsten Lebenskampf: Blue angels never cease to fly...
DIE PERLE DER KARIBIK
DIE PERLE DER KARIBIK
BRD 1981, 81 Min., 16mm, R.: Manfred Stelzer, D.: Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel
Vorfilm: Weihnachten bei einer Gastarbeiterfamilie (BRD 197?, 15 Min., 16mm)
Als „Monarch“ leerte der charismatische Rheinisch-Crooner Diethard Wendtland in den späten 70ern die Spielautomaten der Republik. Schon in dem gleichnamigen Dokumentarfilm-Meisterwerk von Johannes Flütsch und Manfred Stelzer erwies er sich als brillianter Schauspieler. Wandelbar wie ein Chamäleon, lässig und selbstsicher steckte er nicht nur die gewonnenen Münzen in seine extragroßen Jackettaschen, sondern auch betrunkene Kneipengäste und feindlich gesonnene Wirte. Der Wechsel ins Spielfilmfach erschien da nur folgerichtig. Wieder unter Stelzers Regie, erscheint DIE PERLE DER KARIBIK wie eine skurrile MONARCH-Fortsetzung. Denn der Weg ist kurz vom keuschen Münzkaufmann zum Lexikon-Vertreter, der dem Liebesverzicht endlich ein Ende machen will. Doch das ist nicht so einfach, wenn bei deutschen Grazien nichts zu holen ist. Aber es gibt Rettung, Heiratsvermittler Alfred Edel sei Dank. Die heiratswillige Exotin Beanboat von einer Insel über dem Winde eilt rasch herbei, voller Vorfreude und mit passablen Deutschkenntnissen. Foreigner welcome. Doch die anfängliche Euphorie trübt schnell ein. Die liebenswürdige Beanboat wird für Diethard zum Fluch der Karibik, in einem unbarmherzigen Moloch der enttäuschten Erwartungen. Wolfram Schütte befand seinerzeit treffend: „Da zielt ein Satiriker, und er trifft auch (nicht nur Popanze).“ Komödie? Tragödie? Es ist kryptisch und vage, wie das Leben selbst. Der Regisseur selbst bezeichnete dieses Kleinod als „traurige Komödie“. Vielleicht im Sinne von Oscar Wilde. Für ihn war das Leben eine Komödie für jene, die denken, aber eine Tragödie für jene, die fühlen.
DIE SPALTE
DIE SPALTE
BRD 1971, 86 Min., 35mm, R.: Gustav Ehmck, D.: Gerhild Berktold, Axel Schiessler, Werner Umberg
Vorfilm: Die Pfütze (BRD 1961, 13 Min., 16mm, R.: Herbert M. Franck)
Ein "Sozialreport" von der Münchner Freiheit, der davon erzählt, wie es Mädchen ergehen kann, die aus Erziehungsheimen fliehen und als entlaufene Fürsorgezöglinge auf der Straße stranden. Sozialethisch desorientierte Minderjährige, hilflos und vertrauensselig, und damit leichte Beute für skrupellose Ausbeuter, die in ihnen wenig mehr sehen als "spaltbares Material", das gewinnbringend in den Verwertungskreislauf zu überführen ist. Wo noch kindliche Unschuld waltet, macht sich zunächst ein "professioneller Aufreißer" ans Einführungswerk, später fungieren Geldscheine als Eintrittskarten...
Der von Regisseur Gustav Ehmck ursprünglich geplante Titel war SOPHIE, während der Verleih nach Gottfried Benn den Titel ICH WEISS, WIE HUREN UND MADONNEN RIECHEN erwog, der trotz seiner beträchtlichen Schmierpoesie der Länge wegen wieder verworfen wurde. Letztlich lief es auf DIE SPALTE hinaus, dessen schonungslos verdinglichender Tonfall allerdings bestens zu einem Film passt, in dem es um die Degradierung zum menschlichen Gebrauchsgegenstand als einträgliches Geschäft geht. Die "Spalte" als Funktionsapparat, der im Gegensatz zum Münzschlitz kein Geld schlucken, sondern ausspucken soll und dafür einiges wegstecken muss. Im zentralen Höhe- und Kulminationspunkt des Films werden zu den Klängen der Musik aus einem griechischen Lokal die Vorgänge im darunter liegenden Keller zu einer Symphonie schwindelerregend montierter, freudlos-nüchtern protokollierter Kopulationen im Akkord: Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf, Beischlafvollzug, Entladung, Reißverschluss zu, Beine zu, Tür zu, eilige Säuberung, erschöpftes Durchatmen, Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf,… Eine derart unerbittliche Sequenz über den mechanischen Verrichtungscharakter gewerbsmäßiger Massenbegattung hat es im Kino selten gegeben. Zu den Anhängern des singulären Werks zählt Klaus Lemke, und das Hofbauer-Kommando kann sich nur dem Urteil des Münchner Werkstattkinos anschließen: "Ein unglaublicher Film!"
Um unserem Lehrauftrag Folge zu leisten, werden wir am So. 10.01. um 21:15 Uhr vor DIE SPALTE außerdem den schwarz-weißen FWU-Kurzfilm DIE PFÜTZE zeigen. Ein Triebtäter im Anzug macht sich darin mit eindeutigen Absichten an einen spielenden Knaben heran. Es ergeht die freundliche Aufforderung an unsere Besucher, sich mit diesem finsteren Doppelprogramm über die Abgründe nicht-konsensueller Kohabitation kundig zu machen.
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
BRD 1971, 82 Min., 35mm, R.: Ernst Hofbauer, D.: Monika Dahlberg, Christine Schuberth, Jutta Speidel
Vorfilm: Von Liebe ganz zu schweigen (BRD 1978, 35 Min., 16mm, R.: Michael Bückner)
Einer meisterhaft voyeuristisch verdichteten Erzählperspektive bediente sich unser glühend verehrter Namenspatron 1971 für eines seiner bestialischsten chef-d’œuvres: MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT. Um sein riskantes Panorama zarter, weiblicher Exempel eine durchdringend lustbehaftete Aura ammoniakgetränkter Anteilnahme ausdünsten zu lassen, versetzte er die wissbegierigen Zuschauer wortwörtlich in die Gänsehaut des unverbindlich faszinierten Gynäkologen Dr. Wolf Romberg, auf dessen gleichnamigem BRAVO-Report die ungeheuerliche Kolportage fußt. Das herzerweichende Sexual-Folgegeschehen und gewagte Einblicke in schmerzgeplagte Lustkanäle präsentieren sich in Ernsts experimentierfreundigstem Report-Film durch die subjektive Kamera geradewegs aus der verständnisvollen Perspektive des berufsmäßigen Frauenverstehers, was Tim Lucas zu der Bemerkung veranlasste, es handele sich bei diesem auch an die sachliche Urteilskraft des progressiven Observanten appellierenden Bilderreigen flügge werdender Unschuld vermutlich um Hofbauers "most conspicuous grab for auteur status". Eine kontroverse Aussage, deren Wahrheitsgehalt wir am letzten Kongresstag, So. 10.01. um 23:30 Uhr intensiv erforschen und hingebungsvoll entblättern werden. Im Vorprogramm ein lieblich-tristes Juwel aus der FWU-Bibliothek: VON LIEBE GANZ ZU SCHWEIGEN (1979) heißt ein hinreißend mahnendes Kleinbürger-Drama über ungewollte Teenager-Schwangerschaft, welches wir in authentischer 16mm-Projektion als lehrreiches Komplementärstück zur tiefengynäkologischen sleaze-en-scène des Hofbauerianischen Traktats reichen werden.
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Und Ugo, fährst du hin?
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Passt bei mir leider nicht.Onkel Joe hat geschrieben:Und Ugo, fährst du hin?
Immerhin wird "Die Spalte" ja bei Subkultur erscheinen, "und noch nicht 16" ist bei Pidax rausgekommen, den "Mädchen beim Frauenarzt" hab ich seit Jahren rumliegen (und immer noch nicht geschaut ), "Hörig bis zur letzten Sünde" hab ich als Kopie einer TV-Ausstrahlung und die deutsche VHS von "Expose me, lovely" nenne ich auch mein eigen. Und D'Amato ist doch eh unwichtig.
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Also D'AMATO auf 35mm würde mich ja immer reizen, dazu noch die Einäugige in der Christina Lindberg die Hauptrolle spielt (seltene 35mm) aber zwei Events in einem Monat bekomme ich einfach nicht hin. Ende Januar bin ich in Düsseldorf bei Mondo Bizarr und dann schaffe ich das leider nicht zum Hofbauer.
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Das komplette Programm:
Fr., 6.1.:
17 Uhr:
Dirty Love (Joe D'Amato, 1988)
21:15 Uhr
Der Liebe auf der Spur (Folge 1-4)
23:30 Uhr
„Der stählerne Überraschungsfilm“
Sa., 7.1.:
14 Uhr:
Verbotene Spiele auf der Schulbank (Jürgen Enz, 1980)
17 Uhr:
Syrtaki – Erotik ohne Maske (Giorgos Papakostas, 1966)
21:15 Uhr:
Der geheimnisvolle Buio Omega präsentiert: Einen japanischen Überraschungsfilm
23:30 Uhr:
Der geheimnisvolle Buio Omega präsentiert: Einen amerikanischen Überraschungsfilm
1 Uh:
Mit der Pille umso toller (Joe D'Amato, 1977)
So., 8.1.:
14 Uhr:
Verflixt nochmal ... wer hat, der hat (José Miziara, 1978)
16 Uhr:
Eine Rarität aus den 1930ern
21:15 Uhr:
Ein Film von Joe D'Amato
23:30 Uhr:
Eine Sittenkolportage aus den 60er Jahren
Weitere Informationen finden Sie in der separat ausliegenden Kongressbroschüre.
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- CamperVan.Helsing
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
DIRTY LOVE
(Amore sporco)
Italien 1988, 82 Min., 35mm, dF
Regie: Joe D'Amato, Darsteller: Valentine Demy, Cully Holland, Lisa Lowenstein, Jeff Stryker, Jannet Lori
Mit wunderbar entspannter schmutziger Liebe setzt der Eröffnungsfilm zum Festivalbeginn am Freitag, 6.1., um 17 Uhr ein großes Ausrufezeichen und formuliert bereits im Titel geradezu programmatisch das Motto des Kongresses: DIRTY LOVE! Vom Überleben in einer Welt, die von Arschlöchern bevölkert ist, handeln laut Jacques Rivette die Filme von Paul Verhoeven - von Joe D'Amatos Filmen der späten 80er Jahre könnte man ähnliches sagen, und DANCING IS MY LIFE (so der treffende Alternativtitel, in der BRD wurde der Film zudem auch verliehen unter dem abstrusen, irreführend eine Fortsetzung vorgaukelnden Titel: "Mädchen für verbotene Spiele, 2. Teil") erzählt wie SHOWGIRLS von einer bis zum Schlund mit Energie angefüllten Powerlady, die vom Lande kommend in der "großen Stadt" Richmond ihr Glück als Tänzerin machen will. Mit impulsivem Selbstbewusstsein träumerisch mäandernd soll es vom Tanzunterricht zur Karriere irgendwie voran gehen, während am Wegesrand allerlei schäbige Gestalten an die niederen Triebe im weiblichen Treibgut appellieren. Den unwiderstehlich fröhlich-lässigen Drive des Films barsch ignorierend beklagte sich Onkel Fürchtegott einst bitterlich: "Getanzt wird nur gelegentlich zu primitiver Disco-Musik-Retorte, wobei die Kamera die Bewegungen in unmotivierte Großaufnahmen "zerhackt" und mit Vorliebe in Hüfthöhe der Tänzerinnen angesiedelt ist. Garniert mit eher angedeuteten Sexeinlagen, ist der werbestrategische Bezug auf die Tanzfilmwelle eine Frechheit." Das Hofbauer-Kommando hingegen wählte DIRTY LOVE im Jahr 2012 in seine inoffizielle Top Ten der schmierig-schönsten Filme aller Zeiten für Sight & Sound - bezaubert vom ungehobelten Bewegungsdrang des Films, reinster Ausdruck eines Gefühlsstaus, der sich wonnig ausbrechend auch einmal in kargen Hausfluren entlädt. Valentine Demy tanzt sich ohne Rücksicht auf Verluste in die Herzen und Hosen von Filmpartnern und Zuschauern, und Joe D'Amato gewährt ihr gerne alle nötigen Räume, Freiheiten und Fugen zur Entfaltung. Einen schöneren Auftakt zum zweiten Teil unserer Hommage zum 80. Geburtstag des am 15. Dezember 1936 geborenen HK-Säulenheiligen können wir uns kaum vorstellen - let's dance, baby! (Hofbauer-Kommando)
DER LIEBE AUF DER SPUR
BRD 1988, 4 Episoden à 30 Min., 16mm
Regie: Mietek Lewandowski
Episode 1: Ich kann mich gut leiden
Episode 2: Hingeflogen – Herz verbogen
Episode 3: Laß' uns reden
Episode 4: Was mein Herz bewegt
Hingeflogen – Herz verbogen: Aus dem unerschöpflichen Fundus der FWU-Archive präsentiert das Hofbauer-Kommando eine herz- und hosenerwärmende Preziose der späten 80er Jahre, die sich dem zarten Erwachen jugendlicher Sexualität in Form einer 8-teiligen Kurzfilmreihe widmet. In gewohnt versteifter, wohlmeinend-altväterlicher Manier, jedoch nicht ohne ein gewisses Maß an verzaubernd unbeholfener Rührseligkeit begleitet DER LIEBE AUF DER SPUR (1988) mehrere Jugendliche bei der scheuen Erkundung ihrer sich gerade entfaltenden, (noch) unbefleckten Körperlichkeit. Der trübe Sven fantasiert in wundersamen Tagträumen von seiner Schulfreundin Nicole, bläst die im Nachtschränkchen der Eltern gefundenen Verhütungsmittel jedoch lieber zum Luftballon auf und weiß nicht so recht, was er mit sich und den Mädels anstellen soll – im Zeltlager keimen nach der gemeinsamen Masturbation mit Klassenkamerad Martin die Zweifel in ihm: ist er homosexuell? Nicole dagegen geht die Probleme des Erwachsenwerdens forsch, fidel und selbstbewusst an. „Ich kann mich gut leiden“, trällert sie keck unter der Dusche und brennt bald mit dem duften Zebu auf seinem Feuerofen durch. Dass es von den unschuldigen Spielereien der Heranwachsenden mitunter nur ein kleiner Schritt zur verruchten Verderbtheit ist, vermag Regisseur Mietek Lewandowski in beglückenden Montage-Einfällen auszudrücken, etwa wenn die sinnlich-zarten Teenagerträume an suggestionsreiche Close-Ups stolzer Lehrer-Schnauzbärte geschnitten werden. Subliminal-Schmier deluxe!
Entsprechend der mittlerweile langen Tradition der Kongress-begleitenden FWU-Verköstigungen wird der diesjährigen 16mm-Ausgrabung erstmals ein eigener Programmslot gewidmet. Das Hofbauer-Kommando lädt das fachkundige Kongresspublikum am 06.01 um 21:15 Uhr zur Leibesvisitation am juvenilen Anschauungsmaterial, und hofft, den süßen Geheimnissen der Liebe im Laufe der ersten vier Folgen an- und umfassend auf die Spur zu kommen. (Sebastian Schwittay)
DER STÄHLERNE ÜBERRASCHUNGSFILM
BRD 1967, 94 Min., 35mm
Wer den Stahl hat, hat die Qual - diesem Motto zum Trotz muss ich hier mal etwas ausdrücklich betonen: Das Hofbauer-Kommando ist sehr um das Wohlergehen seiner Untergebenen bemüht. Ich hatte das auch nicht gedacht, als ich eines Tages den berüchtigten amtsstubengrauen Umschlag aus recyceltem Papier, in dem das Kommando seinen Schriftverkehr zu versenden pflegt, aus dem Briefkasten fischte. Auch das bewährte Gutsherrengrinsen Markus Söders, den die limitierte Briefmarke zeigte, mit der der Umschlag stilsicher frankiert war, änderte nichts an meinem flauen Gefühl, einer Mischung aus dunkler Vorahnung und dem Pflichtgefühl des Selbstmordattentäters. Auch der Brief selbst, offensichtlich auf einer vormodernen Schreibmaschine getippt, der mich in sperrigem, scharfkantig-technokratischem Duktus um Mitwirkung bei der Erstellung der „Vorankündigungsparagrafen“ für den Stählernen Überraschungsfilm #StÜFweniger bat, denn mir die Zusage unmissverständlich nahelegte, ließ nicht gerade an Nächstenliebe und Philantropie denken. Doch anders als andere abtrünnige Konkurrenzveranstaltungen, die ihre Teilnehmer durch ein wochenendlanges Stahlgewitter schicken, ist das Hofbauer-Kommando letztlich dem reinen Glück verpflichtet – dass man bekanntermaßen noch mehr zu schätzen weiß, wenn man ab und zu mal einen übergezogen bekommt. So wurde ich dann auch angehalten, für diesen #StÜf eine ausdrückliche Warnung auszusprechen, eine HEU!-Warning sozusagen, denn bei empfindsamen Seelen oder Allergikern könnte er tatsächlich Alp(en)drücken oder schleimige Tröpfchenbildung an hervorstechenden Körperteilen auslösen. Unerschrockene, die das Billett trotzdem lösen, werden in die Untiefen des deutschen Humors entführt, an dessen tückisch lauernden Sandbänken oder sich jäh unter einem auftuenden Schlünden schon so mancher leichtfüßige Witzbold die Achillessehnen gerissen, Kniegelenke ausgekugelt oder Oberschenkelhälse gebrochen hat. Der Regisseur, der dem geneigten Betrachter solchermaßen hinterfotzig auflauert, ist ein alter Kongress-Bekannter, jemand, den man immer wieder gern bei sich empfängt, auch wenn er bisweilen unangenehme Spuren auf dem Lokus hinterlässt. Nein, ein Freund der Klobürste ist er gewiss nicht, Sushi kann man mit ihm auch nicht so gut essen (auch wenn er sich auf Fischmärkten durchaus heimisch fühlt) und die Feinheiten der Jean Paul'schen Dichtung bedeuten ihm nichts. Dafür weiß er immer den kürzesten Weg in den nächsten Amüsierbetrieb, kann krachend auf den Tisch hauen und hat in seinem Adressbüchlein die Telefonnummer so manchen Lebemannes, der stets was zu trinken beisteuert. So spielen auch hier einige gestandene Herren mit: Der eine kam sogar bis Hollywood, der andere entdeckte, dass der Wilden Westen gleich hinter Zagreb anfängt, ein Dritter hingegen betrat hier sattsam vertrautes Terrain und konnte nach Abschluss der Dreharbeiten wahrscheinlich gleich dableiben, um das nächste Spektakel teutonischer Humortektonik zu beehren. Ich räume ein, mir den Film nicht angesehen zu haben: Aus Angst, ihm allein nicht gewachsen zu sein, aber auch aus Solidarität mit den Kongressbesuchern. Unsere Generation hatte ja leider kein Stalingrad, in dem es sich bewähren konnte, noch nicht einmal ein Wackersdorf war uns vergönnt. Lasset uns also am Freitag, den 06.01., um Mitternacht dieses Stahlbad durchschreiten und durchstehen, in Liebe vereint gewissermaßen, denn nur gemeinsam sind wir viele. Am Ende empfangen uns für diese Opferbereitschaft die liebenden Arme der Hofbauer-Kommandanten, die unsere zitternden Körper fest an sich drücken und uns mit fränkisch rollendem R sanft in die empfindlichen Ohrmuscheln hauchen: „Es war nur ein Film, es war nur ein Film, es war nur ein Film ...“ (Oliver Nöding)
DELIZIA
Italien 1986, 80 Min., VHS, OmeU
Regie: Joe D'Amato (als Dario Donati), Darsteller: Tinì Cansino, Luca Giordana, Giorgio Pietrangeli, Adriana Russo
Von Herz- und Hosenpein der Jugend erzählte Joe D'Amato in den auslaufenden 1980er Jahren nur selten – voluminös gekleidete und frisierte, reife Rasseweiber in Strapsen waren in seinem unvergleichlichen New-Orleans-Zyklus angesagt. Just nach jenem Frauentyp lechzt hingegen in DELIZIA, einem von Joes seltenen italienischen Heimspielen dieser Zeit, eine Gruppe hormonbestauter Jungens im beschaulichen Viterbo: Delight, ein amerikanisches Fotomodell, ist der süße Stoff, aus dem ihre sahnigen Träume gewebt sind, und das Thema zahlreicher sehnsüchtig durchseufzter S(pr)itzungen mit Farbfotomagazinen. Claudio, von seinen duften Kumpels Bibero, "Babyfalsche" geheißen, hat indes eigentlich ganz andere Sorgen, gilt es doch, das Testament des verstorbenen Vaters zu vollstrecken. Zu diesem Zweck reist auch seine Cousine Carol aus den Staaten an, die sich – absonderliches Wunder des Schicksals! - als die feuchtheiß herbeigesehnte Delight entpuppt, die die Erbschaftsangelegenheit mit einem Unterwäsche-Shooting in Italien zu kombinieren gedenkt. Claudio, seinem Bruder und den jungheiseren Hähnen des Ortes schwillt alsbald der Kamm und der unbarmherzige Gefühlsfuror aller männlichen Beteiligten entfacht ein Lauffeuer erotischer Peinlichkeiten, welches den provinziellen Zaungästen die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Als einer von nur wenigen Filmen in D'Amatos Spätwerk, die nicht primär für die Exportmärkte, sondern beinahe exklusiv für italienische Leinwände produziert wurden – er war eine Art Vehikel für seine wohlgeformte Hauptdarstellerin, Tinì Cansino, einem seinerzeit populären Erotik-Starlet, dem gerüchteweise eine Verwandtschaft zu Rita Hayworth angedichtet wurde, worüber sie mutmaßlich nicht unglücklich war – und, wie im Fall des apokryphen DELIZIA ganz und gar zu unrecht, offenbar sogar nie außerhalb ihres Herkunftslandes Staat machen konnten. Wir freuen uns daher, diese spritzige D'Amatianische Antwort auf das Phänomen der Teenager-Komödie der 80er als VideoknüppelDeluxe am 07.01. gegen 2:00 morgens als Deutschlandpremiere featuren zu können, standesgemäß in einem von den großartigen LSP Medien eigens für uns angefertigten, kinotauglichen, aber garantiert ungefilterten, videoverrauschten HD-Digitalisat einer italienischen Videokassette, mit der Addition englischer Untertitel, denn in eine andere Sprache wurde diese titelwortwörtliche Köstlichkeit nie synchronisiert.
VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK
BRD 1981, 80 Min., 35mm
Regie: Jürgen Enz, Darsteller: Soraya Athigi, Monika Wolf, Mario Pollak, Horst Sieger, Elke Iro
Nach einer viel zu großen Pause stecken die Hofbauerkommandanten den Jungs und Mädchen endlich wieder etwas von einem ihrer liebsten deutschen Erotikfilmer in die Schultüten: VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK von Jürgen Enz - am 07. 01. um 14 Uhr! Ich hab schon reinschauen dürfen… und kam verstrahlt, mit Sternchen in den Augen wieder raus. Alles ist wieder da: Die brav bürgerlich zurechtgemachten Teenies wie aus einem 70er Jahre Quellekatalog und das Absurde ihres klobig-schüchternen und doch herzhaften Agierens. Die herausfordernden Elkes und Helgas, die aufgeblasene Kaugummis auf ihren Lippen platzen lassen. Die ungeschickten, pseudocoolen Ulfs und Jörgs. Die idyllische Schulausflugnatur mit ihrer friedlichen und zarten Poesie und ihren lächelnden Seen und Enten, einladenden Mädchen und andächtigen Männern (und Unterhöschenbäumen!). Die stylischen Bauernschränke, die ausladenden Wohnlandschaften und die verräucherten Schlager: Die Zeit steht still. Es ist wie ein Besuch in den Mittagsschlaf- und Mitschlafphantasien der Nachbarn von vor vierzig Jahren. „Auch in meine Klasse kommt heute eine neue Schülerin“, klagt der junge Lehrer – Typ Michael Schanze, dunkles Krolleköpfchen und Brusthaardekolleté, hüftlange Zopfstrickjacke im Schafswollchic – gegenüber seinen älteren Kollegen, die wie ARD-Nachrichtensprecher aussehen, „das bedeutet eine zusätzliche Belastung!“ Solch spröde Dialoge und gewisse lange, mit nur leichtem Transportgut belastete Einstellungen (so wenn jemand die Straße entlang geht oder ein Eis löffelt) bringen einen Hauch von Joe D'Amato ins Spiel. Nora heißt die neue Schülerin. Die Klasse spielt ihr den alten Streich mit dem Wassereimer oben auf der Tür, ihr sonnengelbes Trägerkleid wird nass, peinigend transparent; sie soll sich abtrocknen, im Lehrerzimmer. Das Lehrerzimmer! Ausdrucksvolle Ornamenttapete, nougatbrauner Kunstledersessel. Der Lehrer reicht Nora ein orangenes Tuch aus hochwertigem Samtrelieffrottee. Mit aufrichtig zärtlicher Wehmut sieht er sie an. Warm wie ein Heizlüfter pluckert die Musik; die Heimorgel imitiert ein Mandolinenorchester - Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen. Der „Katholische Filmdienst“ verachtet diesen zauberhaften, kleinen Schatz als „dümmlich inszenierten Spekulationsfilm“ und schürt damit nur noch mehr unsere Solidarität und Neugier. Spekuliert hat er aber wohl wirklich nur; er durfte bestimmt ja nur die Weichversion sehen. Da werden wir es besser haben! Wir sind die Harten. Wir kommen in den Garten. (Silvia Szymanski)
SYRTAKI – EROTIK OHNE MASKE
(Το Συρτάκι της Αμαρτίας)
Griechenland 1966, 84 Min., 35mm, dF
Regie: Giorgos Papakostas, Darsteller: Eleni Prokopiou, Byron Pallis, Yorgos Moutsios, Hristos Tsaganeas, Dina Trianti
Zum Tanz bitten bei diesem Kongress auf die ein oder andere Weise gleich mehrere Filme, aber nur einer zum Syrtaki. Kaum machte ALEXIS SORBAS den Tanzstil bekannt, schickten sich in den Folgejahren in bewährter Manier andere an, im gleichen Schritt das Tanzbein zu schwingen, um auf der Erfolgswelle mitzuwippen. Im vorliegenden Fall von SYRTAKI - EROTIK OHNE MASKE ist es eher der Ausbruchsdrang an sich, der ein liebesdurstiges Mädchen in die Welt hinaus tänzeln lässt, doch statt harmonisch-ekstatischem Paartanz erwartet sie rasch der Stechschritt rücksichtloser Männer, die ohne Sinn für zartes Erblühen rücksichtslos auf allen Knospen junger Gefühle herum trampeln. "In dümmlicher Hütet-euch-vor-den-Männern-Manier stellt er weiblicher Arglosigkeit und Vertrauensseligkeit ausnahmslos das Schreckensbild des Triebberserkers gegenüber", der obendrein mitunter "seine sexuelle Hemmungslosigkeit mit Salonmanieren [tarnt]", resümiert Onkel Fürchtegott und notiert: "Dieser Film kommt aus Griechenland und schildert minuziös die sexuellen Unbilden, denen ein Mädchen ausgesetzt ist, das lebenshungrig das Vaterhaus verlassen hat. Der Mann, der sie vor einer Vergewaltigung bewahrt und dem sie sich widersinnigerweise deshalb aus Dankbarkeit sofort hingibt, entpuppt sich als ihr Schwager. Als sie sich ihm später in der Wohnung der Schwester verweigert und auch seiner Gewaltanwendung trotzt, kommt es zum Familienzerwürfnis. Das Mädchen landet in obskurer Gesellschaft. Ein ältlicher "Betreuer" nimmt sich ihrer an; er wird von einem Freund des Schwagers in dessen Auftrag erschossen." Und das ist nur die erste Hälfte, der sich zahlreiche weitere wüste Turbulenzen anschließen, um in einem dezimierten Figurenarsenal zu münden: "Der Personenrest baut zum Schluß ein lebendes Bild der sittlichen Anklage. Die Handlung spricht für sich selbst; sie ist von einer manchmal schon ins Lachhafte umschlagenden schmalzigen Primitivität." Das pikierte Naserümpfen der damaligen Zeitgenossen vom Katholischen Filmdienst heizt einmal mehr nur unsere heutige Neugier an und lässt uns feinsten Kolportage-Kintopp erwarten, wenn diese griechische Frühschmier-Rarität von 1966 in schwarz-weiß am Samstag, 07.01., um 17 Uhr aufs Parkett des Kinosaals bittet. (Hofbauer-Kommando)
Der geheimnisvolle Filmclub Buio Omega besucht das Hofbauer-Kommando und hat zwei Archivschätze im Gepäck!
DER JAPANISCHE ÜBERRASCHUNGSFILM
Japan 1968, 75 Min., dF, 35mm – vorab: Trailer
Ähnlich wie der italienische Film der 60er und 70er Jahre ist auch das japanische Kino aus dieser Zeit ein Füllhorn voller filmischer Surprisen. Neben den gemeinhin anerkannten Klassikern diverser Genres und Produktionsfirmen wie Nikkatsu, Shōchiku oder Tōei sind auch unbekanntere filmische Ausgrabungen selten eine Enttäuschung - scheinen doch selbst kleine Produktionen, die außerhalb der großen Studios entstanden, oft mit technischer Sorgfalt und gelungener Erzählweise zu glänzen. Der vorliegende Film, inszeniert vom fleißigen Pinku-Eiga-Regisseur und Produzenten Kan Mukai, bestätigt das aufs Neue. Seine - wie im japanischen Sittenfilm nicht unüblich - pessimistische Geschichte lässt dabei von Anfang an kaum Fragen darüber offen, welchen Weg die Hauptdarstellerin beschreiten werden muss. Eine Kindheit und Jugend im Armenviertel voller lüsterner Männerfiguren, Glück zwischen Nachtclubs und Nutten samt komplettem gesellschaftlichen sowie gesundheitlichen Abstieg werden von Mukai in passenden Schwarzweißbildern in Szene gesetzt und machen Geschmack auf mehr, auch oder vielleicht gerade, weil hier alles komplett den Bach runter geht. (Buio Omega)
Der geheimnisvolle Filmclub Buio Omega besucht das Hofbauer-Kommando und hat zwei Archivschätze im Gepäck!
DER AMERIKANISCHE ÜBERRASCHUNGSFILM
USA 1968, 65 Min., dF, 35mm – vorab: Trailer
Dieser Klassiker aus der Autorenfilm-Schmiede der größten, kleinen Sexploitation-Queen der Welt, ist der letzte von sieben Filmen, die Doris Wishman im schwarzweißen Roughie-Genre gedreht hat. Und es ist einer von nur zwei dieser Filme, die es auch in die deutschen Lichtspieltheater geschafft hat. Wie immer, wenn ihr der Inhalt zu heikel erschien, zeichnete sie den Film mit dem Namen ihres damaligen Gatten Louis Silvermann. Im Gegensatz zu Wishmans anderen Roughie-Melodramen (BAD GIRLS GO TO HELL aka ICH WILL DICH OHNE; MY BROTHER'S WIFE; ANOTHER DAY, ANOTHER MAN etc.), steht hier ein männlicher Protagonist im Zentrum des Geschehens. Mike Torson ist ein Gigolo, Zuhälter, Erpresser und Dieb. All sein Tun zielt einzig und allein darauf, es "bis ganz nach oben zu schaffen". Ob Torson wirklich ein Sado-Snob ist, wie es der deutsche Werberatschlag behauptet? Es könnte sein, denn mit der Peitsche versteht er gut umzugehen. Vom technischen Standpunkt aus trägt das Werk sämtliche Merkmale von Wishmans Roughie-Stil. Fotografiert von ihrem bevorzugten Kameramann C. Davis Smith, mit dem Doris fast 40 Jahre später auch ihren letzten Film EACH TIME I KILL drehen sollte, wurde der Film mit Handkamera gedreht. Das macht ihn sehr lebendig, lässt den Zuschauer in die Abenteuer des Skrupellosen eintauchen. Sex gibt es kaum zu sehen, menschliche Abgründe jedoch zu Hauf. Wer jedoch vom deutschen Verleihtitel angelockt, auf Zaubereien mit entsprechenden Stäben aus ist, wird enttäuscht werden. Die sind pure Erfindung. Wir möchten darauf ausdrücklich hinweisen. Von Klagen wegen Betrugs ist also abzusehen. (Buio Omega)
MIT DER PILLE UMSO TOLLER
(Il ginecologo della mutua)
Italien 1977, 77 Min., 35mm, dF
Regie: Joe D'Amato, Darsteller: Renzo Montagnani, Loretta Persichetti, Massimo Serato, Paola Senatore, Riccardo Salvino
Von „spaltbarem Material“ schwärmen mitnichten nur die männlichen Protagonisten aus den Filmen des HK-Heiligen Jürgen Enz, dessen Werk Silvia gestern eine kleine sprudelnde Liebesquelle widmete. Auch in der Hochkultur heiligen Hallen sind Männer dem haarigen Dreieck verfallen. So schuf der umstrittene italienische Schriftsteller Gabriele D'Annunzio – bekennender Anhänger von Schopenhauer, Wagner, Nietzsche und sauren Nierchen – den von feuchten Schößen geradezu besessenen Frauenarzt Dr. Franco Giovanardi, eine der illustren Nebenfiguren seines apokryphen Schlüsselromans „Attaccare il dito nel pesce, le uova si file”, der sich im Absinthrausch die Unterschenkel amputiert, um immer auf der Höhe des menstruierenden Geschehens zu sein. Das Werk entfremdete den feingliedrigen Dichter nach Fertigstellung von seinem Freundes- und Kollegenkreis und wurde erst posthum und nach Streichung der saftigsten Passagen als Fortsetzungsgeschichte in einem Fachmagazin für sexuelle Hygiene publiziert – unter dem demütigenden Pseudonym “Gaetano Polpettone”. Wie Aristide Massaccesi aka Joe D'Amato auf die Idee kam, dieser Figur einen eigenen Film zu widmen, zudem einen ohne die genannten Exzesse, ist bis heute unklar. Dem Zuschauer dürfen solche genealogischen Überlegungen aber vollkommen egal sein, denn IL GINECOLOGO DELLA MUTUA – zu deutsch MIT DER PILLE UMSO TOLLER oder auch DAS HOSPITAL DER SEXY SCHWESTERN – vereint alle Stärken, für die der Name des Filmemachers steht: eine Kamera, die dahin geht, wo es wehtut, wenn man reintritt, feinsinnigen, sensiblen Humor, der das Zwerchfell in sanfte Schwingungen versetzt und unweigerlich an adipöse Trampolinspringerinnen denken lässt, sowie die entwaffnende Direktheit eines koprolalischen Schlachtermeisters. Das musste auch der Filmdienst neidlos anerkennen, kam nach nur zwei atemlosen, erkennbar vor Erregung bebenden Sätzen zu seinem unvermeidbaren Gütesiegel “Wir raten ab”. Brachialerotiker indes frohlocken, denn gemeinsam mit dem arglosen Frauenarzt Giovanardi, verkörpert von dem bemitleidenswert gutmütigen Renzo Montagnari, werden sie mit der ganzen Überfülle weiblicher Reize konfrontiert. Der arme Gynäkologe soll die Praxis des in krumme Geschäfte verwickelten Guido Lo Bianco (Massimo Serrato) übernehmen, solange der sich dem langen Arm des Gesetzes ins Ausland entzieht. Während Giovanardi in seiner eigenen bescheidenen Praxis nur braven Hausfrauen bei der Geburt des fünften Kindes beisteht, gehen in Lo Biancos Fummelbude die von ihren Ehemännern gelangweilten Rasseweiber ein und aus, das man sich vom entstehenden Durchzug fast eine Nierenbeckenentzündung holt. Da raucht bald der rote, prall gefüllte und pochende Kopf, sowohl jener auf den Schultern als auch der zwischen den Beinen. Kann der arme Giovanardi der mannigfaltigen Versuchung widerstehen? Wird seine Ehe diese biblische Prüfung überdauern? Werden Mario Carotenutos colaflaschenbodendicken Brillengläser beschlagen ob der heißen Ausdünstungen feuchter Höschen? Diese Fragen werden am 07.01. Um 1 Uhr beantwortet, wenn DAS HOSPITAL DER SEXY SCHWESTERN den Kongressbesuchern sanft die Beine spreizt und es ihnen nach Art der Commedia sexy all'Italiana besorgt. (Oliver Nöding)
VERFLIXT NOCHMAL... WER HAT, DER HAT
(O Bem Dotado - O Homem de Itu)
Brasilien 1978, 35mm, dF
Regie: José Miziara, Darsteller: Nuno Leal Maia, Consuelo Leandro, Maria Luíza Castelli, Guilherme Corrêa
Dass es auf die Größe mitunter eben doch ankommt, musste schon so manche Dame und mancher Herr in unbefriedigenden Praxiserfahrungen in den eigenen Orifizien nachvollziehen, denn nicht jeder Prügel schlägt sich auch wacker. Der Wunsch, sich einen besonders mächtig gewachsenen, stolz geschwollenen Lustspross nicht nur einzuverleiben, sondern gar zur persönlichen Verfügbarkeit zwecks allerweiliger Dehnübungen zu halten, scheint vor dem Hintergrund dieser heiklen Meßlatte daher nur allzu begreiflich. Eine dergestaltige Verdinglichung einmal nicht des weiblichen, sondern des männlichen Körpers thematisiert mit frivoler Unbekümmertheit das brasilianische Filmlustspiel VERFLIXT NOCHMAL... WER HAT, DER HAT, im Original unmissverständlich O BEM DOTADO ("Der Gutbestückte") geheißen. Die laut Onkel Fürchtegott - wie wir den ehrenwert graumelierten katholischen Filmdienst auch im Zeichen seines baldigen Ablebens weiterhin zu nennen belieben - "einfältig-dilletantische" lendenstarke Mär schildert die schweißtreibenden Geschicke eines potenzprotzenden Provinztölpels in der großen Stadt, wo seine Ehrfurcht gebietende Liebeskerze ob ihrer elefantösen Maße die gutsituierte Damenwelt anzieht wie ein Leuchtturm die Fregatten. Indes muss im heißhungrigen Klammergriff begieriger Fleischmangeln selbst der standhafteste Piephahn irgendwann einmal auskrähen und sich unausweichliche Erschlaffungserscheinungen einstellen, denn keine Versteifung währt ewig.
Sekretiert und lubrifiziert euch nach Kräften, denn am 08.01. um 14:00 werden wir euch jeden wonnigen Zentimeter dieser lateinamerikanischen Rarität zartfühlend einführen, auf dass ein jeder ihrer Stöße euch Freudenschreie entlocken und die appetitlichen Fujicolor-Töne einer prächtig erhaltenen deutschen Erstaufführungskopie eure Augen erquicken mögen. (Hofbauer-Kommando)
DAS BAD AUF DER TENNE
Deutschland 1943, 88 Min., 35mm
Regie: Volker von Collande, Darsteller: Heli Finkenzeller, Will Dohm, Richard Häussler, Gisela von Collande, Paul Henckels
Siehst du, wie der Sterne Schimmer…
die Natur wird uns zum Zimmer,
wo der Liebe Flamme brennt…
Ein Bad kann sehr viel Freude bringen. Das wussten schon die alten Flamen. Doch von allein kommt meist nicht viel. Zu zweit, zu dritt oder mit dem ganzen Dorf hingegen? Ja, da fängt es so richtig an zu spritzen!
Ein Bad, mögen Sie nun sagen. Pah! Was ist das schon? Alltäglich. Ganz gewöhnlich. Altbekannt. Da wird man ja bloß nass. Da bleib ich doch lieber im Bett.
Doch Baden will gelernt sein! Das Entkleiden! Das Hineingleiten! Öffentlich oder privat? Mit oder ohne Begleitung? Für wen, mit wem - tags oder nachts? Fragen deren Beantwortung Sie bei uns hautnah miterleben werden! Denn dies ist ein Film für Kenner!
Solch ein zunächst überaus harmlos scheinender Waschzuber ist es dann auch, der sich in unserem historischen Lustspiel auserkoren findet, zum Dreh- und Angelpunkt europäischer Sittengeschichte zu werden! Leer wirkt er noch ungefährlich. Mit heißem Wasser befüllt, mit Saft und Pulver getränkt jedoch!
Und wenn dann erst das nackte Fleisch hernieder sinkt, ein sanftes Wogen den Leib umringt, die Brust sich hebt, der Körper bebt, und alles in Aufruhr und Wallung gerät, während der Dampf in die Nase steigt und in jede Ritze dringt!
Und alles in Farbe! In Agfa-Color!
Da gibt es kein Halten mehr! Oh dolce amore!
Seinerzeit ein gewaltiger Kassenerfolg, spielte unser in seiner Herstellung äußerst aufwändige Film bis April 1944 bereits 4,627 Millionen Reichsmark ein! Und auch die Kritik war begeistert: Eine „Verulkung von Astlochguckern“ und gleichzeitig eine „Milieuskizze bäuerlicher Erotik“. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Nur Propagandaminister Joseph Goebbels machte zunächst den Miesepeter, möglicherweise aufgrund zu vieler Nackedeien – mehrere Szenen zeigen Aufnahmen spärlich bekleideter Damen! Aber lassen Sie sich davon nicht verwirren, sondern geben Sie sich den offensichtlichen Genüssen hin! Denn wir versprechen Ihnen: Dieses barocke Lustgemälde wird auch Ihre Sinne vernebeln!
Sehen Sie:
Heli Finkenzellers Verführungskünste. Als schöne Frau Antje, die sich bei der UFA bereits auf eine kleine Nachtmusik einließ und auch später immer noch an den Satansbraten ran durfte.
Gisela von Collandes vorgeschobenen Verzicht. Denn schon damals ahnte sie: Rosen blühen auch auf dem Heidegrab, und selbst hinter einem Vorhang macht sie bei weitem die beste Figur von allen!
Paul Henckels Wursthunger. Der alte Nimmersatt frisst und säuft und lässt nichts aus. So handelt nur ein weiser Mann!
Richard Häusslers Sangeskunst. Der Wannenbringer trällert, tippelt, macht sich frei. Und kann nicht nur von Liebe singen!
Kommen Sie und lassen Sie sich beglücken! Von den wuchtigen Kulissen Gabriel Pellons! Den strammen Screwball-Künsten des Ehepaars Dohm und Finkenzeller! Den cinesmatischen Verzückungen Andor von Barsys! Und steigen auch Sie am 08.01. um 16:00 frisch gestärkt und frisch gebadet aus diesem kinematographischen Großereignis hervor! (Sano Cestnik)
NACKTE EVA
(Eva nera)
Italien/GB 1976, 95 Min., 35mm, dF
Regie und Buch: Joe D'Amato, Darsteller: Laura Gemser, Jack Palance, Gabriele Tinti, Ziggy Zanger
In der heißen, schillernden Halbwelt Hongkongs lauern die Gefahren der Liebe bekanntermaßen hinter jeder noch so einladend wirkenden Fassade. Das müssen auch die beiden Protagonisten unserer letzten Joe-D’Amato-Kongressverköstigung, die reichen Brüder Jules (Gabriele Tinti) und Judas (Jack Palance) feststellen, als sie sich die exotische Schlangentänzerin Eva (Laura Gemser) ins schicke Loft holen. Eva, ungezügelt und heiß auf die Verlockungen des großstädtischen Nachtlebens, lässt sich von ihren Gastgebern nicht im goldenen Käfig halten und kostet die süßen Früchte der Freizügigkeit – was dem stolzen Jules natürlich den Dorn der Eifersucht in Auge und Hose treibt. Dem Chauvinismus der Brüder fällt schließlich Evas Geliebte Gerri zum Opfer… und der Zorn Evas ist entfesselt!
In Joe D‘Amatos frühem Meisterwerk steckt der Teufel im Detail: statt mit Kannibalismus (EMANUELLE E FRANCOISE LE SORELLINE), Hardcore-Sex und offen ausgespielter Sodomie (EMANUELLE NERA IN AMERICA) beglückt uns Signore Massaccesi in EVA NERA mit den sublimen Freuden des Uneindeutigen und präsentiert eine süße, unter soft-erotischer Oberfläche prickelnde Welt des Hedonismus und der ungelösten Konflikte. Mit traumwandlerischer Poesie stilisiert D’Amato das überkultivierte Setting Hongkongs zur unwirklichen und höchst zerbrechlichen Seifenblase, die angesichts schmieriger Avancen und männlicher Allmachtsphantasie jederzeit zu platzen droht. Weicher, femininer Sex, sanfte Liebkosungen, Tanz und Massage: D’Amatos Hongkong gehört den Frauen, und lädt zum entspannten, lustvollen Verweilen ein, prachtvoll untermalt vom mondänen Score Piero Umilianis. Seid also herzlich willkommen an Bord unseres HK-Ferienfliegers, wenn wir am 08.01. um 21:15 Uhr ins wilde, fernöstliche Paradies abheben. Doch lasst es uns nicht zu toll treiben: denn immer droht der verhängnisvolle Biss der schwarzen Eva… (Sebastian Schwittay)
IMMER WENN ES NACHT WIRD
BRD 1961, 94 Min., 35mm
Regie: Hans Dieter Bove, Darsteller: Jan Hendriks, Hannelore Elsner, Karin Kernke, Walter Wilz, Elisabeth Volkmann
Immer wenn es Nacht wird, wird es auch im Menschen dunkel, und die Laster rollen über ihn hinweg, wenn er nicht aufpasst. Weise gehen dann schlafen oder ins Kino, um die Wirrnis wegzuträumen. Bobby aber geht in Bars, und er passt nicht für 5 Pfennig auf. Jan Hendriks, gern gesehener böser HK-Filmjunge, spielt „recht hingebungsvoll“ (so das herablassende Lob des „Katholischen Filmdiensts“) den gefährdeten und gefährlichen Sohn aus gutbürgerlichem Hause. Bobbys Eltern, der berühmte Hautarzt Prof. Dr. Elkins und seine Frau Gloria (gespielt von Edith Mill, Schwägerin und „Heiße Ernte“-Star des HK-relevanten Regisseurs Hans Heinz König), können ihren Sohn nicht zähmen. Die Sechzigerjahre schaukeln sich in Schwung, und Bobby sucht in billigen Spelunken unsittliche Liebesabenteuer, mit „Sklavinnen des Lasters“ (so der Alternativtitel): Mit „Kitty“ (Elisabeth Volkmann in ihrem Filmdebut), „Lollo“, „Mady“ und mit Elke (der damals 19-jährigen Hannelore Elsner). Schon schrillen die Alarmsignale, Körper, Seele und Gesellschaft, alle schreien: Stop! Doch Bobby achtet nicht auf sie. So ungebremst und ungestüm – kann das in so einer Geschichte gut gehen?
Der Regisseur Hans Dieter Bove – sonst Drehbuchautor, Darsteller und Synchronregisseur - hat, soviel ich weiß, nur diesen einen Film gemacht, und einen zweiten, sieben Jahre später: die Komödie „Der Partyfotograf“ mit Rolf Zacher, Barbara Valentin und dem Showmaster Lou van Burg. Bei „Paimanns Filmlisten“ in Österreich kam IMMER WENN ES NACHT WIRD zu seiner Zeit gut an - wegen seiner „gut gesehenen Details“, der „Eleganz von Schnitt und Aufmachung“, der „Sauberkeit von Bild und Ton“; sie schrieben, sie könnten sich einen „Einsatz in Kinos mit städtischen Zuschauern“ gut vorstellen. Der hiesige „Filmdienst“ aber senkte nur verächtlich den Daumen: Miserabel sei der Film, „dilettantisch in der Machart: kaum denkbar, dass ein Theater, das auf sich hält, etwas Derartiges ins Programm nimmt.“ Ha! Ein Prophet war „Onkel Fürchtegott“ nun einmal nicht: Zum offiziellen Abschluss des HK-Programms am Sonntag, 8. 1., läuft der Film, wenn es Nacht wird: um 23:30 Uhr.
LEFT-HANDED
USA 1972, 88 Min., Digital, OV
Regie: Jack Deveau, Darsteller: Ray Frank, Robert Rikas, Larry Burns, Teri Reardon
Ein beispielloser künstlerischer Triumph des schwulen Hardcore-Kinos ist Jack Deveaus erster Langfilm LEFT-HANDED, zugleich rohes Melodram und tieftraurige Großstadtballade über die unmögliche Liebe zwischen einem schwulen "Linkshänder" und einem heterosexuellen Mann, die an den unterschiedlichen Liebesvorstellungen zweier Triebwelten scheitert. Im September 2015 suchten zwei Hofbauer-Kommandanten & friends einen Schmalfilmladen in Paris auf, der eine 16mm-Kopie von LEFT-HANDED zum Verkauf anbot, den aufgerufenen Kaufpreis aus großzügigen Spenden von HK-Groupies in der Hosentasche. Zu unserer großen Bestürzung hatte sich indes der Verkäufer geirrt – er konnte unsere filmmateriellen Sehnsüchte nicht stillen . Mit einer daher bedauerlicherweise lediglich digitalen Vorführung – Filmkopien schwuler 70er-Pornos habhaft zu werden, scheint weiterhin leider schier unmöglich – dieses auf- und erregenden Schlüsselfilms möchten wir am 09.01. gegen 2:00 den Kongress schwul beschließen, denn auch darauf legt das Hofbauer-Kommando nicht zuletzt aufgrund des tragischen Umstands, dass es nie ein dezidiert queeres Sexploitationkino gegeben hat, großen Wert. Wir zitieren einen Hofbauer-Kommandanten und ein Kongress-Groupie:
"Ich habe mich gesehnt. So, als hätte ich all das zum ersten Mal durch eine Kamera gesehen. Deveau filmt Sex wie niemand sonst. Bei ihm scheint alles zu leuchten. Als Porno versagt "Left-Handed" vermutlich, obwohl er all sex and no plot ist. Er hält bestimmt nicht lange genug drauf, es ist alles zu dunkel, er schneidet zuviel, von Gesichtern zu Armen zu Hüften zu Schwänzen zu Fenstern zu Augen zu Stühlen zu Haaren. Ein anmutiges Chaos, ein wahrhaftiges Chaos, ein lebenswichtiges Chaos, nach dem man sich keine Ordnung zurückwünscht, kein Ende herbeisehnt. (...) Was für ein Gefühl muss das gewesen sein, diesen Film 1972 im Kino zu sehen? Vielleicht just nach dem Coming out, frisch zuhause die Zelte abgebrochen, neu in der großen Stadt New York, herzklopfend zum ersten Mal in einen dieser Schuppen, von denen man dem Gehör nach weiß, was sich dort abspielt, aber trotzdem kein bisschen darauf vorbereitet ist? In einem schummrigen, verrauchten Kinosaal mit braunen Sitzen, die von Sperma und Bier verklebt sind, und ganz tief in diese Sitze hineinzusinken, in sie hineingedrückt zu werden von diesen 16mm-Bildern und dieser Musik da vorne oder da oben, und dabei einsam den eigenen Puls im Schritt gespürt zu haben?" (Christoph Draxtra)
"Danach traute ich mich kaum, dass Licht anzumachen und zu erkennen, dass ich jetzt wieder auf mich alleine gestellt war. Fast durchgängig herrschte große Wärme." (Robert Wagner)
(Amore sporco)
Italien 1988, 82 Min., 35mm, dF
Regie: Joe D'Amato, Darsteller: Valentine Demy, Cully Holland, Lisa Lowenstein, Jeff Stryker, Jannet Lori
Mit wunderbar entspannter schmutziger Liebe setzt der Eröffnungsfilm zum Festivalbeginn am Freitag, 6.1., um 17 Uhr ein großes Ausrufezeichen und formuliert bereits im Titel geradezu programmatisch das Motto des Kongresses: DIRTY LOVE! Vom Überleben in einer Welt, die von Arschlöchern bevölkert ist, handeln laut Jacques Rivette die Filme von Paul Verhoeven - von Joe D'Amatos Filmen der späten 80er Jahre könnte man ähnliches sagen, und DANCING IS MY LIFE (so der treffende Alternativtitel, in der BRD wurde der Film zudem auch verliehen unter dem abstrusen, irreführend eine Fortsetzung vorgaukelnden Titel: "Mädchen für verbotene Spiele, 2. Teil") erzählt wie SHOWGIRLS von einer bis zum Schlund mit Energie angefüllten Powerlady, die vom Lande kommend in der "großen Stadt" Richmond ihr Glück als Tänzerin machen will. Mit impulsivem Selbstbewusstsein träumerisch mäandernd soll es vom Tanzunterricht zur Karriere irgendwie voran gehen, während am Wegesrand allerlei schäbige Gestalten an die niederen Triebe im weiblichen Treibgut appellieren. Den unwiderstehlich fröhlich-lässigen Drive des Films barsch ignorierend beklagte sich Onkel Fürchtegott einst bitterlich: "Getanzt wird nur gelegentlich zu primitiver Disco-Musik-Retorte, wobei die Kamera die Bewegungen in unmotivierte Großaufnahmen "zerhackt" und mit Vorliebe in Hüfthöhe der Tänzerinnen angesiedelt ist. Garniert mit eher angedeuteten Sexeinlagen, ist der werbestrategische Bezug auf die Tanzfilmwelle eine Frechheit." Das Hofbauer-Kommando hingegen wählte DIRTY LOVE im Jahr 2012 in seine inoffizielle Top Ten der schmierig-schönsten Filme aller Zeiten für Sight & Sound - bezaubert vom ungehobelten Bewegungsdrang des Films, reinster Ausdruck eines Gefühlsstaus, der sich wonnig ausbrechend auch einmal in kargen Hausfluren entlädt. Valentine Demy tanzt sich ohne Rücksicht auf Verluste in die Herzen und Hosen von Filmpartnern und Zuschauern, und Joe D'Amato gewährt ihr gerne alle nötigen Räume, Freiheiten und Fugen zur Entfaltung. Einen schöneren Auftakt zum zweiten Teil unserer Hommage zum 80. Geburtstag des am 15. Dezember 1936 geborenen HK-Säulenheiligen können wir uns kaum vorstellen - let's dance, baby! (Hofbauer-Kommando)
DER LIEBE AUF DER SPUR
BRD 1988, 4 Episoden à 30 Min., 16mm
Regie: Mietek Lewandowski
Episode 1: Ich kann mich gut leiden
Episode 2: Hingeflogen – Herz verbogen
Episode 3: Laß' uns reden
Episode 4: Was mein Herz bewegt
Hingeflogen – Herz verbogen: Aus dem unerschöpflichen Fundus der FWU-Archive präsentiert das Hofbauer-Kommando eine herz- und hosenerwärmende Preziose der späten 80er Jahre, die sich dem zarten Erwachen jugendlicher Sexualität in Form einer 8-teiligen Kurzfilmreihe widmet. In gewohnt versteifter, wohlmeinend-altväterlicher Manier, jedoch nicht ohne ein gewisses Maß an verzaubernd unbeholfener Rührseligkeit begleitet DER LIEBE AUF DER SPUR (1988) mehrere Jugendliche bei der scheuen Erkundung ihrer sich gerade entfaltenden, (noch) unbefleckten Körperlichkeit. Der trübe Sven fantasiert in wundersamen Tagträumen von seiner Schulfreundin Nicole, bläst die im Nachtschränkchen der Eltern gefundenen Verhütungsmittel jedoch lieber zum Luftballon auf und weiß nicht so recht, was er mit sich und den Mädels anstellen soll – im Zeltlager keimen nach der gemeinsamen Masturbation mit Klassenkamerad Martin die Zweifel in ihm: ist er homosexuell? Nicole dagegen geht die Probleme des Erwachsenwerdens forsch, fidel und selbstbewusst an. „Ich kann mich gut leiden“, trällert sie keck unter der Dusche und brennt bald mit dem duften Zebu auf seinem Feuerofen durch. Dass es von den unschuldigen Spielereien der Heranwachsenden mitunter nur ein kleiner Schritt zur verruchten Verderbtheit ist, vermag Regisseur Mietek Lewandowski in beglückenden Montage-Einfällen auszudrücken, etwa wenn die sinnlich-zarten Teenagerträume an suggestionsreiche Close-Ups stolzer Lehrer-Schnauzbärte geschnitten werden. Subliminal-Schmier deluxe!
Entsprechend der mittlerweile langen Tradition der Kongress-begleitenden FWU-Verköstigungen wird der diesjährigen 16mm-Ausgrabung erstmals ein eigener Programmslot gewidmet. Das Hofbauer-Kommando lädt das fachkundige Kongresspublikum am 06.01 um 21:15 Uhr zur Leibesvisitation am juvenilen Anschauungsmaterial, und hofft, den süßen Geheimnissen der Liebe im Laufe der ersten vier Folgen an- und umfassend auf die Spur zu kommen. (Sebastian Schwittay)
DER STÄHLERNE ÜBERRASCHUNGSFILM
BRD 1967, 94 Min., 35mm
Wer den Stahl hat, hat die Qual - diesem Motto zum Trotz muss ich hier mal etwas ausdrücklich betonen: Das Hofbauer-Kommando ist sehr um das Wohlergehen seiner Untergebenen bemüht. Ich hatte das auch nicht gedacht, als ich eines Tages den berüchtigten amtsstubengrauen Umschlag aus recyceltem Papier, in dem das Kommando seinen Schriftverkehr zu versenden pflegt, aus dem Briefkasten fischte. Auch das bewährte Gutsherrengrinsen Markus Söders, den die limitierte Briefmarke zeigte, mit der der Umschlag stilsicher frankiert war, änderte nichts an meinem flauen Gefühl, einer Mischung aus dunkler Vorahnung und dem Pflichtgefühl des Selbstmordattentäters. Auch der Brief selbst, offensichtlich auf einer vormodernen Schreibmaschine getippt, der mich in sperrigem, scharfkantig-technokratischem Duktus um Mitwirkung bei der Erstellung der „Vorankündigungsparagrafen“ für den Stählernen Überraschungsfilm #StÜFweniger bat, denn mir die Zusage unmissverständlich nahelegte, ließ nicht gerade an Nächstenliebe und Philantropie denken. Doch anders als andere abtrünnige Konkurrenzveranstaltungen, die ihre Teilnehmer durch ein wochenendlanges Stahlgewitter schicken, ist das Hofbauer-Kommando letztlich dem reinen Glück verpflichtet – dass man bekanntermaßen noch mehr zu schätzen weiß, wenn man ab und zu mal einen übergezogen bekommt. So wurde ich dann auch angehalten, für diesen #StÜf eine ausdrückliche Warnung auszusprechen, eine HEU!-Warning sozusagen, denn bei empfindsamen Seelen oder Allergikern könnte er tatsächlich Alp(en)drücken oder schleimige Tröpfchenbildung an hervorstechenden Körperteilen auslösen. Unerschrockene, die das Billett trotzdem lösen, werden in die Untiefen des deutschen Humors entführt, an dessen tückisch lauernden Sandbänken oder sich jäh unter einem auftuenden Schlünden schon so mancher leichtfüßige Witzbold die Achillessehnen gerissen, Kniegelenke ausgekugelt oder Oberschenkelhälse gebrochen hat. Der Regisseur, der dem geneigten Betrachter solchermaßen hinterfotzig auflauert, ist ein alter Kongress-Bekannter, jemand, den man immer wieder gern bei sich empfängt, auch wenn er bisweilen unangenehme Spuren auf dem Lokus hinterlässt. Nein, ein Freund der Klobürste ist er gewiss nicht, Sushi kann man mit ihm auch nicht so gut essen (auch wenn er sich auf Fischmärkten durchaus heimisch fühlt) und die Feinheiten der Jean Paul'schen Dichtung bedeuten ihm nichts. Dafür weiß er immer den kürzesten Weg in den nächsten Amüsierbetrieb, kann krachend auf den Tisch hauen und hat in seinem Adressbüchlein die Telefonnummer so manchen Lebemannes, der stets was zu trinken beisteuert. So spielen auch hier einige gestandene Herren mit: Der eine kam sogar bis Hollywood, der andere entdeckte, dass der Wilden Westen gleich hinter Zagreb anfängt, ein Dritter hingegen betrat hier sattsam vertrautes Terrain und konnte nach Abschluss der Dreharbeiten wahrscheinlich gleich dableiben, um das nächste Spektakel teutonischer Humortektonik zu beehren. Ich räume ein, mir den Film nicht angesehen zu haben: Aus Angst, ihm allein nicht gewachsen zu sein, aber auch aus Solidarität mit den Kongressbesuchern. Unsere Generation hatte ja leider kein Stalingrad, in dem es sich bewähren konnte, noch nicht einmal ein Wackersdorf war uns vergönnt. Lasset uns also am Freitag, den 06.01., um Mitternacht dieses Stahlbad durchschreiten und durchstehen, in Liebe vereint gewissermaßen, denn nur gemeinsam sind wir viele. Am Ende empfangen uns für diese Opferbereitschaft die liebenden Arme der Hofbauer-Kommandanten, die unsere zitternden Körper fest an sich drücken und uns mit fränkisch rollendem R sanft in die empfindlichen Ohrmuscheln hauchen: „Es war nur ein Film, es war nur ein Film, es war nur ein Film ...“ (Oliver Nöding)
DELIZIA
Italien 1986, 80 Min., VHS, OmeU
Regie: Joe D'Amato (als Dario Donati), Darsteller: Tinì Cansino, Luca Giordana, Giorgio Pietrangeli, Adriana Russo
Von Herz- und Hosenpein der Jugend erzählte Joe D'Amato in den auslaufenden 1980er Jahren nur selten – voluminös gekleidete und frisierte, reife Rasseweiber in Strapsen waren in seinem unvergleichlichen New-Orleans-Zyklus angesagt. Just nach jenem Frauentyp lechzt hingegen in DELIZIA, einem von Joes seltenen italienischen Heimspielen dieser Zeit, eine Gruppe hormonbestauter Jungens im beschaulichen Viterbo: Delight, ein amerikanisches Fotomodell, ist der süße Stoff, aus dem ihre sahnigen Träume gewebt sind, und das Thema zahlreicher sehnsüchtig durchseufzter S(pr)itzungen mit Farbfotomagazinen. Claudio, von seinen duften Kumpels Bibero, "Babyfalsche" geheißen, hat indes eigentlich ganz andere Sorgen, gilt es doch, das Testament des verstorbenen Vaters zu vollstrecken. Zu diesem Zweck reist auch seine Cousine Carol aus den Staaten an, die sich – absonderliches Wunder des Schicksals! - als die feuchtheiß herbeigesehnte Delight entpuppt, die die Erbschaftsangelegenheit mit einem Unterwäsche-Shooting in Italien zu kombinieren gedenkt. Claudio, seinem Bruder und den jungheiseren Hähnen des Ortes schwillt alsbald der Kamm und der unbarmherzige Gefühlsfuror aller männlichen Beteiligten entfacht ein Lauffeuer erotischer Peinlichkeiten, welches den provinziellen Zaungästen die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Als einer von nur wenigen Filmen in D'Amatos Spätwerk, die nicht primär für die Exportmärkte, sondern beinahe exklusiv für italienische Leinwände produziert wurden – er war eine Art Vehikel für seine wohlgeformte Hauptdarstellerin, Tinì Cansino, einem seinerzeit populären Erotik-Starlet, dem gerüchteweise eine Verwandtschaft zu Rita Hayworth angedichtet wurde, worüber sie mutmaßlich nicht unglücklich war – und, wie im Fall des apokryphen DELIZIA ganz und gar zu unrecht, offenbar sogar nie außerhalb ihres Herkunftslandes Staat machen konnten. Wir freuen uns daher, diese spritzige D'Amatianische Antwort auf das Phänomen der Teenager-Komödie der 80er als VideoknüppelDeluxe am 07.01. gegen 2:00 morgens als Deutschlandpremiere featuren zu können, standesgemäß in einem von den großartigen LSP Medien eigens für uns angefertigten, kinotauglichen, aber garantiert ungefilterten, videoverrauschten HD-Digitalisat einer italienischen Videokassette, mit der Addition englischer Untertitel, denn in eine andere Sprache wurde diese titelwortwörtliche Köstlichkeit nie synchronisiert.
VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK
BRD 1981, 80 Min., 35mm
Regie: Jürgen Enz, Darsteller: Soraya Athigi, Monika Wolf, Mario Pollak, Horst Sieger, Elke Iro
Nach einer viel zu großen Pause stecken die Hofbauerkommandanten den Jungs und Mädchen endlich wieder etwas von einem ihrer liebsten deutschen Erotikfilmer in die Schultüten: VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK von Jürgen Enz - am 07. 01. um 14 Uhr! Ich hab schon reinschauen dürfen… und kam verstrahlt, mit Sternchen in den Augen wieder raus. Alles ist wieder da: Die brav bürgerlich zurechtgemachten Teenies wie aus einem 70er Jahre Quellekatalog und das Absurde ihres klobig-schüchternen und doch herzhaften Agierens. Die herausfordernden Elkes und Helgas, die aufgeblasene Kaugummis auf ihren Lippen platzen lassen. Die ungeschickten, pseudocoolen Ulfs und Jörgs. Die idyllische Schulausflugnatur mit ihrer friedlichen und zarten Poesie und ihren lächelnden Seen und Enten, einladenden Mädchen und andächtigen Männern (und Unterhöschenbäumen!). Die stylischen Bauernschränke, die ausladenden Wohnlandschaften und die verräucherten Schlager: Die Zeit steht still. Es ist wie ein Besuch in den Mittagsschlaf- und Mitschlafphantasien der Nachbarn von vor vierzig Jahren. „Auch in meine Klasse kommt heute eine neue Schülerin“, klagt der junge Lehrer – Typ Michael Schanze, dunkles Krolleköpfchen und Brusthaardekolleté, hüftlange Zopfstrickjacke im Schafswollchic – gegenüber seinen älteren Kollegen, die wie ARD-Nachrichtensprecher aussehen, „das bedeutet eine zusätzliche Belastung!“ Solch spröde Dialoge und gewisse lange, mit nur leichtem Transportgut belastete Einstellungen (so wenn jemand die Straße entlang geht oder ein Eis löffelt) bringen einen Hauch von Joe D'Amato ins Spiel. Nora heißt die neue Schülerin. Die Klasse spielt ihr den alten Streich mit dem Wassereimer oben auf der Tür, ihr sonnengelbes Trägerkleid wird nass, peinigend transparent; sie soll sich abtrocknen, im Lehrerzimmer. Das Lehrerzimmer! Ausdrucksvolle Ornamenttapete, nougatbrauner Kunstledersessel. Der Lehrer reicht Nora ein orangenes Tuch aus hochwertigem Samtrelieffrottee. Mit aufrichtig zärtlicher Wehmut sieht er sie an. Warm wie ein Heizlüfter pluckert die Musik; die Heimorgel imitiert ein Mandolinenorchester - Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen. Der „Katholische Filmdienst“ verachtet diesen zauberhaften, kleinen Schatz als „dümmlich inszenierten Spekulationsfilm“ und schürt damit nur noch mehr unsere Solidarität und Neugier. Spekuliert hat er aber wohl wirklich nur; er durfte bestimmt ja nur die Weichversion sehen. Da werden wir es besser haben! Wir sind die Harten. Wir kommen in den Garten. (Silvia Szymanski)
SYRTAKI – EROTIK OHNE MASKE
(Το Συρτάκι της Αμαρτίας)
Griechenland 1966, 84 Min., 35mm, dF
Regie: Giorgos Papakostas, Darsteller: Eleni Prokopiou, Byron Pallis, Yorgos Moutsios, Hristos Tsaganeas, Dina Trianti
Zum Tanz bitten bei diesem Kongress auf die ein oder andere Weise gleich mehrere Filme, aber nur einer zum Syrtaki. Kaum machte ALEXIS SORBAS den Tanzstil bekannt, schickten sich in den Folgejahren in bewährter Manier andere an, im gleichen Schritt das Tanzbein zu schwingen, um auf der Erfolgswelle mitzuwippen. Im vorliegenden Fall von SYRTAKI - EROTIK OHNE MASKE ist es eher der Ausbruchsdrang an sich, der ein liebesdurstiges Mädchen in die Welt hinaus tänzeln lässt, doch statt harmonisch-ekstatischem Paartanz erwartet sie rasch der Stechschritt rücksichtloser Männer, die ohne Sinn für zartes Erblühen rücksichtslos auf allen Knospen junger Gefühle herum trampeln. "In dümmlicher Hütet-euch-vor-den-Männern-Manier stellt er weiblicher Arglosigkeit und Vertrauensseligkeit ausnahmslos das Schreckensbild des Triebberserkers gegenüber", der obendrein mitunter "seine sexuelle Hemmungslosigkeit mit Salonmanieren [tarnt]", resümiert Onkel Fürchtegott und notiert: "Dieser Film kommt aus Griechenland und schildert minuziös die sexuellen Unbilden, denen ein Mädchen ausgesetzt ist, das lebenshungrig das Vaterhaus verlassen hat. Der Mann, der sie vor einer Vergewaltigung bewahrt und dem sie sich widersinnigerweise deshalb aus Dankbarkeit sofort hingibt, entpuppt sich als ihr Schwager. Als sie sich ihm später in der Wohnung der Schwester verweigert und auch seiner Gewaltanwendung trotzt, kommt es zum Familienzerwürfnis. Das Mädchen landet in obskurer Gesellschaft. Ein ältlicher "Betreuer" nimmt sich ihrer an; er wird von einem Freund des Schwagers in dessen Auftrag erschossen." Und das ist nur die erste Hälfte, der sich zahlreiche weitere wüste Turbulenzen anschließen, um in einem dezimierten Figurenarsenal zu münden: "Der Personenrest baut zum Schluß ein lebendes Bild der sittlichen Anklage. Die Handlung spricht für sich selbst; sie ist von einer manchmal schon ins Lachhafte umschlagenden schmalzigen Primitivität." Das pikierte Naserümpfen der damaligen Zeitgenossen vom Katholischen Filmdienst heizt einmal mehr nur unsere heutige Neugier an und lässt uns feinsten Kolportage-Kintopp erwarten, wenn diese griechische Frühschmier-Rarität von 1966 in schwarz-weiß am Samstag, 07.01., um 17 Uhr aufs Parkett des Kinosaals bittet. (Hofbauer-Kommando)
Der geheimnisvolle Filmclub Buio Omega besucht das Hofbauer-Kommando und hat zwei Archivschätze im Gepäck!
DER JAPANISCHE ÜBERRASCHUNGSFILM
Japan 1968, 75 Min., dF, 35mm – vorab: Trailer
Ähnlich wie der italienische Film der 60er und 70er Jahre ist auch das japanische Kino aus dieser Zeit ein Füllhorn voller filmischer Surprisen. Neben den gemeinhin anerkannten Klassikern diverser Genres und Produktionsfirmen wie Nikkatsu, Shōchiku oder Tōei sind auch unbekanntere filmische Ausgrabungen selten eine Enttäuschung - scheinen doch selbst kleine Produktionen, die außerhalb der großen Studios entstanden, oft mit technischer Sorgfalt und gelungener Erzählweise zu glänzen. Der vorliegende Film, inszeniert vom fleißigen Pinku-Eiga-Regisseur und Produzenten Kan Mukai, bestätigt das aufs Neue. Seine - wie im japanischen Sittenfilm nicht unüblich - pessimistische Geschichte lässt dabei von Anfang an kaum Fragen darüber offen, welchen Weg die Hauptdarstellerin beschreiten werden muss. Eine Kindheit und Jugend im Armenviertel voller lüsterner Männerfiguren, Glück zwischen Nachtclubs und Nutten samt komplettem gesellschaftlichen sowie gesundheitlichen Abstieg werden von Mukai in passenden Schwarzweißbildern in Szene gesetzt und machen Geschmack auf mehr, auch oder vielleicht gerade, weil hier alles komplett den Bach runter geht. (Buio Omega)
Der geheimnisvolle Filmclub Buio Omega besucht das Hofbauer-Kommando und hat zwei Archivschätze im Gepäck!
DER AMERIKANISCHE ÜBERRASCHUNGSFILM
USA 1968, 65 Min., dF, 35mm – vorab: Trailer
Dieser Klassiker aus der Autorenfilm-Schmiede der größten, kleinen Sexploitation-Queen der Welt, ist der letzte von sieben Filmen, die Doris Wishman im schwarzweißen Roughie-Genre gedreht hat. Und es ist einer von nur zwei dieser Filme, die es auch in die deutschen Lichtspieltheater geschafft hat. Wie immer, wenn ihr der Inhalt zu heikel erschien, zeichnete sie den Film mit dem Namen ihres damaligen Gatten Louis Silvermann. Im Gegensatz zu Wishmans anderen Roughie-Melodramen (BAD GIRLS GO TO HELL aka ICH WILL DICH OHNE; MY BROTHER'S WIFE; ANOTHER DAY, ANOTHER MAN etc.), steht hier ein männlicher Protagonist im Zentrum des Geschehens. Mike Torson ist ein Gigolo, Zuhälter, Erpresser und Dieb. All sein Tun zielt einzig und allein darauf, es "bis ganz nach oben zu schaffen". Ob Torson wirklich ein Sado-Snob ist, wie es der deutsche Werberatschlag behauptet? Es könnte sein, denn mit der Peitsche versteht er gut umzugehen. Vom technischen Standpunkt aus trägt das Werk sämtliche Merkmale von Wishmans Roughie-Stil. Fotografiert von ihrem bevorzugten Kameramann C. Davis Smith, mit dem Doris fast 40 Jahre später auch ihren letzten Film EACH TIME I KILL drehen sollte, wurde der Film mit Handkamera gedreht. Das macht ihn sehr lebendig, lässt den Zuschauer in die Abenteuer des Skrupellosen eintauchen. Sex gibt es kaum zu sehen, menschliche Abgründe jedoch zu Hauf. Wer jedoch vom deutschen Verleihtitel angelockt, auf Zaubereien mit entsprechenden Stäben aus ist, wird enttäuscht werden. Die sind pure Erfindung. Wir möchten darauf ausdrücklich hinweisen. Von Klagen wegen Betrugs ist also abzusehen. (Buio Omega)
MIT DER PILLE UMSO TOLLER
(Il ginecologo della mutua)
Italien 1977, 77 Min., 35mm, dF
Regie: Joe D'Amato, Darsteller: Renzo Montagnani, Loretta Persichetti, Massimo Serato, Paola Senatore, Riccardo Salvino
Von „spaltbarem Material“ schwärmen mitnichten nur die männlichen Protagonisten aus den Filmen des HK-Heiligen Jürgen Enz, dessen Werk Silvia gestern eine kleine sprudelnde Liebesquelle widmete. Auch in der Hochkultur heiligen Hallen sind Männer dem haarigen Dreieck verfallen. So schuf der umstrittene italienische Schriftsteller Gabriele D'Annunzio – bekennender Anhänger von Schopenhauer, Wagner, Nietzsche und sauren Nierchen – den von feuchten Schößen geradezu besessenen Frauenarzt Dr. Franco Giovanardi, eine der illustren Nebenfiguren seines apokryphen Schlüsselromans „Attaccare il dito nel pesce, le uova si file”, der sich im Absinthrausch die Unterschenkel amputiert, um immer auf der Höhe des menstruierenden Geschehens zu sein. Das Werk entfremdete den feingliedrigen Dichter nach Fertigstellung von seinem Freundes- und Kollegenkreis und wurde erst posthum und nach Streichung der saftigsten Passagen als Fortsetzungsgeschichte in einem Fachmagazin für sexuelle Hygiene publiziert – unter dem demütigenden Pseudonym “Gaetano Polpettone”. Wie Aristide Massaccesi aka Joe D'Amato auf die Idee kam, dieser Figur einen eigenen Film zu widmen, zudem einen ohne die genannten Exzesse, ist bis heute unklar. Dem Zuschauer dürfen solche genealogischen Überlegungen aber vollkommen egal sein, denn IL GINECOLOGO DELLA MUTUA – zu deutsch MIT DER PILLE UMSO TOLLER oder auch DAS HOSPITAL DER SEXY SCHWESTERN – vereint alle Stärken, für die der Name des Filmemachers steht: eine Kamera, die dahin geht, wo es wehtut, wenn man reintritt, feinsinnigen, sensiblen Humor, der das Zwerchfell in sanfte Schwingungen versetzt und unweigerlich an adipöse Trampolinspringerinnen denken lässt, sowie die entwaffnende Direktheit eines koprolalischen Schlachtermeisters. Das musste auch der Filmdienst neidlos anerkennen, kam nach nur zwei atemlosen, erkennbar vor Erregung bebenden Sätzen zu seinem unvermeidbaren Gütesiegel “Wir raten ab”. Brachialerotiker indes frohlocken, denn gemeinsam mit dem arglosen Frauenarzt Giovanardi, verkörpert von dem bemitleidenswert gutmütigen Renzo Montagnari, werden sie mit der ganzen Überfülle weiblicher Reize konfrontiert. Der arme Gynäkologe soll die Praxis des in krumme Geschäfte verwickelten Guido Lo Bianco (Massimo Serrato) übernehmen, solange der sich dem langen Arm des Gesetzes ins Ausland entzieht. Während Giovanardi in seiner eigenen bescheidenen Praxis nur braven Hausfrauen bei der Geburt des fünften Kindes beisteht, gehen in Lo Biancos Fummelbude die von ihren Ehemännern gelangweilten Rasseweiber ein und aus, das man sich vom entstehenden Durchzug fast eine Nierenbeckenentzündung holt. Da raucht bald der rote, prall gefüllte und pochende Kopf, sowohl jener auf den Schultern als auch der zwischen den Beinen. Kann der arme Giovanardi der mannigfaltigen Versuchung widerstehen? Wird seine Ehe diese biblische Prüfung überdauern? Werden Mario Carotenutos colaflaschenbodendicken Brillengläser beschlagen ob der heißen Ausdünstungen feuchter Höschen? Diese Fragen werden am 07.01. Um 1 Uhr beantwortet, wenn DAS HOSPITAL DER SEXY SCHWESTERN den Kongressbesuchern sanft die Beine spreizt und es ihnen nach Art der Commedia sexy all'Italiana besorgt. (Oliver Nöding)
VERFLIXT NOCHMAL... WER HAT, DER HAT
(O Bem Dotado - O Homem de Itu)
Brasilien 1978, 35mm, dF
Regie: José Miziara, Darsteller: Nuno Leal Maia, Consuelo Leandro, Maria Luíza Castelli, Guilherme Corrêa
Dass es auf die Größe mitunter eben doch ankommt, musste schon so manche Dame und mancher Herr in unbefriedigenden Praxiserfahrungen in den eigenen Orifizien nachvollziehen, denn nicht jeder Prügel schlägt sich auch wacker. Der Wunsch, sich einen besonders mächtig gewachsenen, stolz geschwollenen Lustspross nicht nur einzuverleiben, sondern gar zur persönlichen Verfügbarkeit zwecks allerweiliger Dehnübungen zu halten, scheint vor dem Hintergrund dieser heiklen Meßlatte daher nur allzu begreiflich. Eine dergestaltige Verdinglichung einmal nicht des weiblichen, sondern des männlichen Körpers thematisiert mit frivoler Unbekümmertheit das brasilianische Filmlustspiel VERFLIXT NOCHMAL... WER HAT, DER HAT, im Original unmissverständlich O BEM DOTADO ("Der Gutbestückte") geheißen. Die laut Onkel Fürchtegott - wie wir den ehrenwert graumelierten katholischen Filmdienst auch im Zeichen seines baldigen Ablebens weiterhin zu nennen belieben - "einfältig-dilletantische" lendenstarke Mär schildert die schweißtreibenden Geschicke eines potenzprotzenden Provinztölpels in der großen Stadt, wo seine Ehrfurcht gebietende Liebeskerze ob ihrer elefantösen Maße die gutsituierte Damenwelt anzieht wie ein Leuchtturm die Fregatten. Indes muss im heißhungrigen Klammergriff begieriger Fleischmangeln selbst der standhafteste Piephahn irgendwann einmal auskrähen und sich unausweichliche Erschlaffungserscheinungen einstellen, denn keine Versteifung währt ewig.
Sekretiert und lubrifiziert euch nach Kräften, denn am 08.01. um 14:00 werden wir euch jeden wonnigen Zentimeter dieser lateinamerikanischen Rarität zartfühlend einführen, auf dass ein jeder ihrer Stöße euch Freudenschreie entlocken und die appetitlichen Fujicolor-Töne einer prächtig erhaltenen deutschen Erstaufführungskopie eure Augen erquicken mögen. (Hofbauer-Kommando)
DAS BAD AUF DER TENNE
Deutschland 1943, 88 Min., 35mm
Regie: Volker von Collande, Darsteller: Heli Finkenzeller, Will Dohm, Richard Häussler, Gisela von Collande, Paul Henckels
Siehst du, wie der Sterne Schimmer…
die Natur wird uns zum Zimmer,
wo der Liebe Flamme brennt…
Ein Bad kann sehr viel Freude bringen. Das wussten schon die alten Flamen. Doch von allein kommt meist nicht viel. Zu zweit, zu dritt oder mit dem ganzen Dorf hingegen? Ja, da fängt es so richtig an zu spritzen!
Ein Bad, mögen Sie nun sagen. Pah! Was ist das schon? Alltäglich. Ganz gewöhnlich. Altbekannt. Da wird man ja bloß nass. Da bleib ich doch lieber im Bett.
Doch Baden will gelernt sein! Das Entkleiden! Das Hineingleiten! Öffentlich oder privat? Mit oder ohne Begleitung? Für wen, mit wem - tags oder nachts? Fragen deren Beantwortung Sie bei uns hautnah miterleben werden! Denn dies ist ein Film für Kenner!
Solch ein zunächst überaus harmlos scheinender Waschzuber ist es dann auch, der sich in unserem historischen Lustspiel auserkoren findet, zum Dreh- und Angelpunkt europäischer Sittengeschichte zu werden! Leer wirkt er noch ungefährlich. Mit heißem Wasser befüllt, mit Saft und Pulver getränkt jedoch!
Und wenn dann erst das nackte Fleisch hernieder sinkt, ein sanftes Wogen den Leib umringt, die Brust sich hebt, der Körper bebt, und alles in Aufruhr und Wallung gerät, während der Dampf in die Nase steigt und in jede Ritze dringt!
Und alles in Farbe! In Agfa-Color!
Da gibt es kein Halten mehr! Oh dolce amore!
Seinerzeit ein gewaltiger Kassenerfolg, spielte unser in seiner Herstellung äußerst aufwändige Film bis April 1944 bereits 4,627 Millionen Reichsmark ein! Und auch die Kritik war begeistert: Eine „Verulkung von Astlochguckern“ und gleichzeitig eine „Milieuskizze bäuerlicher Erotik“. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Nur Propagandaminister Joseph Goebbels machte zunächst den Miesepeter, möglicherweise aufgrund zu vieler Nackedeien – mehrere Szenen zeigen Aufnahmen spärlich bekleideter Damen! Aber lassen Sie sich davon nicht verwirren, sondern geben Sie sich den offensichtlichen Genüssen hin! Denn wir versprechen Ihnen: Dieses barocke Lustgemälde wird auch Ihre Sinne vernebeln!
Sehen Sie:
Heli Finkenzellers Verführungskünste. Als schöne Frau Antje, die sich bei der UFA bereits auf eine kleine Nachtmusik einließ und auch später immer noch an den Satansbraten ran durfte.
Gisela von Collandes vorgeschobenen Verzicht. Denn schon damals ahnte sie: Rosen blühen auch auf dem Heidegrab, und selbst hinter einem Vorhang macht sie bei weitem die beste Figur von allen!
Paul Henckels Wursthunger. Der alte Nimmersatt frisst und säuft und lässt nichts aus. So handelt nur ein weiser Mann!
Richard Häusslers Sangeskunst. Der Wannenbringer trällert, tippelt, macht sich frei. Und kann nicht nur von Liebe singen!
Kommen Sie und lassen Sie sich beglücken! Von den wuchtigen Kulissen Gabriel Pellons! Den strammen Screwball-Künsten des Ehepaars Dohm und Finkenzeller! Den cinesmatischen Verzückungen Andor von Barsys! Und steigen auch Sie am 08.01. um 16:00 frisch gestärkt und frisch gebadet aus diesem kinematographischen Großereignis hervor! (Sano Cestnik)
NACKTE EVA
(Eva nera)
Italien/GB 1976, 95 Min., 35mm, dF
Regie und Buch: Joe D'Amato, Darsteller: Laura Gemser, Jack Palance, Gabriele Tinti, Ziggy Zanger
In der heißen, schillernden Halbwelt Hongkongs lauern die Gefahren der Liebe bekanntermaßen hinter jeder noch so einladend wirkenden Fassade. Das müssen auch die beiden Protagonisten unserer letzten Joe-D’Amato-Kongressverköstigung, die reichen Brüder Jules (Gabriele Tinti) und Judas (Jack Palance) feststellen, als sie sich die exotische Schlangentänzerin Eva (Laura Gemser) ins schicke Loft holen. Eva, ungezügelt und heiß auf die Verlockungen des großstädtischen Nachtlebens, lässt sich von ihren Gastgebern nicht im goldenen Käfig halten und kostet die süßen Früchte der Freizügigkeit – was dem stolzen Jules natürlich den Dorn der Eifersucht in Auge und Hose treibt. Dem Chauvinismus der Brüder fällt schließlich Evas Geliebte Gerri zum Opfer… und der Zorn Evas ist entfesselt!
In Joe D‘Amatos frühem Meisterwerk steckt der Teufel im Detail: statt mit Kannibalismus (EMANUELLE E FRANCOISE LE SORELLINE), Hardcore-Sex und offen ausgespielter Sodomie (EMANUELLE NERA IN AMERICA) beglückt uns Signore Massaccesi in EVA NERA mit den sublimen Freuden des Uneindeutigen und präsentiert eine süße, unter soft-erotischer Oberfläche prickelnde Welt des Hedonismus und der ungelösten Konflikte. Mit traumwandlerischer Poesie stilisiert D’Amato das überkultivierte Setting Hongkongs zur unwirklichen und höchst zerbrechlichen Seifenblase, die angesichts schmieriger Avancen und männlicher Allmachtsphantasie jederzeit zu platzen droht. Weicher, femininer Sex, sanfte Liebkosungen, Tanz und Massage: D’Amatos Hongkong gehört den Frauen, und lädt zum entspannten, lustvollen Verweilen ein, prachtvoll untermalt vom mondänen Score Piero Umilianis. Seid also herzlich willkommen an Bord unseres HK-Ferienfliegers, wenn wir am 08.01. um 21:15 Uhr ins wilde, fernöstliche Paradies abheben. Doch lasst es uns nicht zu toll treiben: denn immer droht der verhängnisvolle Biss der schwarzen Eva… (Sebastian Schwittay)
IMMER WENN ES NACHT WIRD
BRD 1961, 94 Min., 35mm
Regie: Hans Dieter Bove, Darsteller: Jan Hendriks, Hannelore Elsner, Karin Kernke, Walter Wilz, Elisabeth Volkmann
Immer wenn es Nacht wird, wird es auch im Menschen dunkel, und die Laster rollen über ihn hinweg, wenn er nicht aufpasst. Weise gehen dann schlafen oder ins Kino, um die Wirrnis wegzuträumen. Bobby aber geht in Bars, und er passt nicht für 5 Pfennig auf. Jan Hendriks, gern gesehener böser HK-Filmjunge, spielt „recht hingebungsvoll“ (so das herablassende Lob des „Katholischen Filmdiensts“) den gefährdeten und gefährlichen Sohn aus gutbürgerlichem Hause. Bobbys Eltern, der berühmte Hautarzt Prof. Dr. Elkins und seine Frau Gloria (gespielt von Edith Mill, Schwägerin und „Heiße Ernte“-Star des HK-relevanten Regisseurs Hans Heinz König), können ihren Sohn nicht zähmen. Die Sechzigerjahre schaukeln sich in Schwung, und Bobby sucht in billigen Spelunken unsittliche Liebesabenteuer, mit „Sklavinnen des Lasters“ (so der Alternativtitel): Mit „Kitty“ (Elisabeth Volkmann in ihrem Filmdebut), „Lollo“, „Mady“ und mit Elke (der damals 19-jährigen Hannelore Elsner). Schon schrillen die Alarmsignale, Körper, Seele und Gesellschaft, alle schreien: Stop! Doch Bobby achtet nicht auf sie. So ungebremst und ungestüm – kann das in so einer Geschichte gut gehen?
Der Regisseur Hans Dieter Bove – sonst Drehbuchautor, Darsteller und Synchronregisseur - hat, soviel ich weiß, nur diesen einen Film gemacht, und einen zweiten, sieben Jahre später: die Komödie „Der Partyfotograf“ mit Rolf Zacher, Barbara Valentin und dem Showmaster Lou van Burg. Bei „Paimanns Filmlisten“ in Österreich kam IMMER WENN ES NACHT WIRD zu seiner Zeit gut an - wegen seiner „gut gesehenen Details“, der „Eleganz von Schnitt und Aufmachung“, der „Sauberkeit von Bild und Ton“; sie schrieben, sie könnten sich einen „Einsatz in Kinos mit städtischen Zuschauern“ gut vorstellen. Der hiesige „Filmdienst“ aber senkte nur verächtlich den Daumen: Miserabel sei der Film, „dilettantisch in der Machart: kaum denkbar, dass ein Theater, das auf sich hält, etwas Derartiges ins Programm nimmt.“ Ha! Ein Prophet war „Onkel Fürchtegott“ nun einmal nicht: Zum offiziellen Abschluss des HK-Programms am Sonntag, 8. 1., läuft der Film, wenn es Nacht wird: um 23:30 Uhr.
LEFT-HANDED
USA 1972, 88 Min., Digital, OV
Regie: Jack Deveau, Darsteller: Ray Frank, Robert Rikas, Larry Burns, Teri Reardon
Ein beispielloser künstlerischer Triumph des schwulen Hardcore-Kinos ist Jack Deveaus erster Langfilm LEFT-HANDED, zugleich rohes Melodram und tieftraurige Großstadtballade über die unmögliche Liebe zwischen einem schwulen "Linkshänder" und einem heterosexuellen Mann, die an den unterschiedlichen Liebesvorstellungen zweier Triebwelten scheitert. Im September 2015 suchten zwei Hofbauer-Kommandanten & friends einen Schmalfilmladen in Paris auf, der eine 16mm-Kopie von LEFT-HANDED zum Verkauf anbot, den aufgerufenen Kaufpreis aus großzügigen Spenden von HK-Groupies in der Hosentasche. Zu unserer großen Bestürzung hatte sich indes der Verkäufer geirrt – er konnte unsere filmmateriellen Sehnsüchte nicht stillen . Mit einer daher bedauerlicherweise lediglich digitalen Vorführung – Filmkopien schwuler 70er-Pornos habhaft zu werden, scheint weiterhin leider schier unmöglich – dieses auf- und erregenden Schlüsselfilms möchten wir am 09.01. gegen 2:00 den Kongress schwul beschließen, denn auch darauf legt das Hofbauer-Kommando nicht zuletzt aufgrund des tragischen Umstands, dass es nie ein dezidiert queeres Sexploitationkino gegeben hat, großen Wert. Wir zitieren einen Hofbauer-Kommandanten und ein Kongress-Groupie:
"Ich habe mich gesehnt. So, als hätte ich all das zum ersten Mal durch eine Kamera gesehen. Deveau filmt Sex wie niemand sonst. Bei ihm scheint alles zu leuchten. Als Porno versagt "Left-Handed" vermutlich, obwohl er all sex and no plot ist. Er hält bestimmt nicht lange genug drauf, es ist alles zu dunkel, er schneidet zuviel, von Gesichtern zu Armen zu Hüften zu Schwänzen zu Fenstern zu Augen zu Stühlen zu Haaren. Ein anmutiges Chaos, ein wahrhaftiges Chaos, ein lebenswichtiges Chaos, nach dem man sich keine Ordnung zurückwünscht, kein Ende herbeisehnt. (...) Was für ein Gefühl muss das gewesen sein, diesen Film 1972 im Kino zu sehen? Vielleicht just nach dem Coming out, frisch zuhause die Zelte abgebrochen, neu in der großen Stadt New York, herzklopfend zum ersten Mal in einen dieser Schuppen, von denen man dem Gehör nach weiß, was sich dort abspielt, aber trotzdem kein bisschen darauf vorbereitet ist? In einem schummrigen, verrauchten Kinosaal mit braunen Sitzen, die von Sperma und Bier verklebt sind, und ganz tief in diese Sitze hineinzusinken, in sie hineingedrückt zu werden von diesen 16mm-Bildern und dieser Musik da vorne oder da oben, und dabei einsam den eigenen Puls im Schritt gespürt zu haben?" (Christoph Draxtra)
"Danach traute ich mich kaum, dass Licht anzumachen und zu erkennen, dass ich jetzt wieder auf mich alleine gestellt war. Fast durchgängig herrschte große Wärme." (Robert Wagner)
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Das Hofbauer-Kommando wird im kommenden Monat zu Gast in Sachsen, genauer in Leipzig, sein.
https://www.luru-kino.de/?page_id=4914Zärtlich! Lustvoll! Wüst! – Außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos im LURU!
Dauerkarte: 50€
Tageskarte: 20€
Einzelticket regulär/ermäßigt: 8€ / 7€
Dauerkarten können unter info@luru-kino.de vorbestellt und dann vor Ort abgeholt werden.
Kartenvorbestellung oder Online-Kauf für einzelne Vorstellungen noch nicht möglich.
Eine Reservierung für das Open Air ist nicht möglich, hier sind aber ausreichend Plätze vorhanden.
Programm:
Donnerstag, der 9. Juni:
20:00:
Greta, die Fremde kam nackt / Claude et Greta (Max Pécas, F 1970, 73min, 35mm, DF)
22:00 – OPEN AIR:
Hut ab, wenn du küsst! (Rolf Losansky, DDR 1971, 86min, 35mm)
Vorfilm: Das Stacheltier: Das GROSSE Abenteuer (Richard Groschopp, DDR 1953, 10min, 35mm)
Freitag, der 10. Juni:
14:00:
Schön ist die Manöverzeit (Erich Schönfelder, D 1931, 85min, 35mm)
16:00:
Randy – The Electric Lady (Philipp Schuman, USA 1980, 72min, 35mm, OV)
20:00:
Gefährdete Mädchen (Wolfgang Glück, BRD 1958, 94min, 35mm, FmeU)
22:00 – OPEN AIR:
Baron Pornos nächtliche Freuden / Roulette d‘amour (Frits Fronz, AT/BRD 1968, 73min, 35mm)
Vorfilm: Bevor der Strip stirbt (Günter Weiss-Thiele, BRD 1966, 14min, 35mm)
Samstag, der 11. Juni:
14:00:
Ich suche einen Mann (Alfred Weidenmann, BRD 1966, 87min, 35mm)
16:00:
Verbotene Spiele auf der Schulbank (Jürgen Enz, BRD 1980, 72min, 35mm)
19:30:
Hautnah / Lady Beware (Karen Arthur, USA 1987, 112min, 35mm, DF)
22:00 – OPEN AIR:
Griechische Feigen (Siggi Rothemund, BRD 1977, 95min, 35mm)
Vorfilm: Gli Italiani si voltano (Alberto Lattuada, IT 1954, 14min, 35mm, o.D.)
Sonntag, der 12. Juni:
15:00:
Papaya – Die Liebesgöttin der Kannibalen / Papaya dei Caraibi (Joe D’Amato, IT 1978, 86min, 35mm, DF)
17:00:
Die Rebellenbraut / La Escondida (Roberto Gavaldón, MX 1956, 100min, 35mm, DF)
19:00:
Heiße Berührungen / Midnight Party (Jesús Franco, ES/B/F 1976, 63min, 35mm, DF)
Am 4. Januar 2018 standen zwei Leipziger Kinofreunde rauchend in einer Seitengasse nahe der Nürnberger Altstadtmauer. Direkt vor der Holztür, die ins komisch riechende Treppenhaus des Filmhauses und damit auch zum orangenen Saal des KommKinos führt, stand noch ein anderer Raucher. Er musterte zunächst die beiden Angereisten eingehend und fragte dann etwas wie: Na, ihr seid doch neu, von wo? – Aus Leipzig – Ah, aus dem Osten. Das ist selten. Kurz darauf erfuhren die beiden Neulinge, dass der, der sie ansprach, einer der Initiatoren und Kuratoren des Außerordentlichen Filmkongresses des Hofbauer-Kommandos ist. In den nächsten vier Tagen wurde dem aus ganz Deutschland angereisten Freundeskreis des Hofbauerkongresses (HK), wie man das Kino-Happening der Einfachheit halber nennt, ein bunter Strauß des apokryphen, uneitlen und lustbetonten Films präsentiert.
Nun ist der HK im Osten angekommen, auf dem alten Baumwollspinnerei-Gelände und mit der nunmehr 20. Ausgabe (inklusiver einiger besonderer Kongresslieblinge aus früheren Jahren) im Gepäck. Neues Format, bleibende Obsession: Ein Kongress-Gastspiel, wenn man so will, oder wie es in der privatmythologischen Sprache des Kongresses heißt: ein Sondergipfel, der wie die bisherigen Ausgaben unbeirrt eine Alternativgeschichte des Kinos propagiert. Zwei Jahre lang konnte der Kongress nicht im Wellenpeak-Monat Januar „tagen“, nun sollen dafür ein Tapetenwechsel, schwitzrige Leiber und laue Sommernächte – inklusive drei 35mm-Open-Airs inmitten von Industriearchitektur – entschädigen. Mit dem HK teilt das LURU die unbedingte Liebe zum analog projizierten Film und das vorurteilsfreie Durchforsten der (Genre-)Filmgeschichte. Was euch in Leipzig vom 9. bis 12. Juni präsentiert wird, ist fernab des Kanons, manchmal vielleicht auch fernab der Lustbarkeiten, die die Titel der Filme versprechen. Es geht vor allem anderen um das Spektrum dessen, was man erotisch nennt; die Übergänge zur Tristesse und/oder Finsternis sind hier manchmal fließend. Neben einer Würdigung alter Recken wie etwa Lina Romay, Jesús Franco und Joe D’Amato gibt es wieder etliche verborgene Schätzchen zu heben. Die Gastkuratoren haben euch ein Paket geschnürt, bei dem ihr Erfahrungen machen werdet, auf die ihr im stillen Kämmerchen noch nicht einmal in Gedanken gekommen wärt. Ein Roulette d’amour … mit einem der Filmtitel gesprochen (vgl. auch dessen deutsche Um-„Dichtung“).
Und nun noch ein paar Zeilen zweier Kongress-Veteran*innen, die viel besser beschreiben können, was den HK ausmacht, als jemand, der gerade einmal ein „Stammgast“ dreier popeliger Ausgaben ist:
„Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. […] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. […] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.“
– Silvia Szymanski (seit 2019 selbst Hofbauer-Kommandantin)
„Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch.“
– Lukas Foerster
Große Freude, vor gut viereinhalb Jahren den Kongress entdeckt zu haben und ihn nun wie wundersam in Leipzig begrüßen zu dürfen!
Tilman aus dem LURU
Eintritt: 7€, 6€ ermäßigt
Kontakt und Vorbestellungen: info@luru-kino.de
Adresse: Spinnereistr. 7 / 04179 Leipzig
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- CamperVan.Helsing
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Re: Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
https://www.kommkino.de/festival/hofbauer-kongress
20. außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos
05.-08.01.2023
Nach drei langen Jahren, deren Entbehrungen nur von einem Sondergipfel im Juni 2022 im Luru-Kino in Leipzig gelindert wurden, findet endlich wieder ein außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos in Nürnberg statt!
Streifzüge durch die Seitengassen der deutschen Filmgeschichte verbinden sich mit Schlaglichtern auf das Gegenwartskino (zu Gast: Eckhart Schmidt und Garegin Vanisian) und Ausflügen in andere Länder und Kontinente. Lange wurde in nationalen und internationalen Archiven gegraben, fragile Raritäten geprüft und unglaubliche Zelluloid-Schätze gehoben, die mitunter eine weite Reise angetreten haben - darunter von einem HK-Säulenheiligen inszenierte, schwarz-weiße US-Erotica der 60er, die von der IMDb als verschollen gelistet wird, jedoch von uns aufgespürt wurde.
Von deutschen Wohnzimmern, Garagen und Toiletten bis in brasilianische Spelunken, japanische Gemächer und den indischen Ozean führt die filmische Reise für alle, die gegenüber den Besonderheiten und Seltsamkeiten des Kinos aufgeschlossen sind. Lasst euch entführen, verführen und oft einfach überraschen! Das Programm wird spontan ergänzt von „Videoknüppeln“ als nächtlichen Überraschungsfilmen.
Ticketinfos:
Einzelticket: 6 Euro
Tageskarte: 20 Euro
Dauerkarte: 70 Euro
Unterstützer-Dauerkarte: 100 Euro
Reservierungen bitte per Mail an: reservierung[at]kommkino.de
Programmübersicht:
Donnerstag, 5.1.
15:00 MAN & WOMAN & ANIMAL
Überlegungen zur Geschlechtergerechtigkeit
(R: Ernst Hofbauer, 35mm, 90 min)
17:00 BIRDIE
(BRD 1971. R: Hubert Frank, 35mm, 86 min)
Einführung: Drehbuchautor Eckhart Schmidt
21:00 GENERATION Z - DA WAR EIN HIMMEL
(D 2020, Digital, 90 min)
zu Gast: Regisseur Eckhart Schmidt
23:30 WET BODIES - DER GANZ HEISSE WORKOUT
aka #SPÜF: Der sportliche Überraschungsfilm!
(35mm, 110 min)
Freitag, 6.1.
12:30 PLÄTZE DER LIEBE
(Nürnberg/Frankfurt/Berlin/München 2020, Digital, 90 min)
zu Gast: Regisseur Eckhart Schmidt
14:45 Ein saftiges Sittenbild aus Edos Opiumhöhle
(35mm, 90 min)
17:00 Eine Trouvaille aus dem Kleiderschrank der Verlorenen
(35mm, 80 min)
21:00 Deutschland, 50er Jahre. *
(35mm, 90 min)
23:15 DEUTSCHLAND INTIM: WENN DIE SEKTKORKEN KNALLEN...
aka #SCHMÜF: Der außerordentlich schmierige Überraschungsfilm
(35mm, 70 min)
Samstag, 7.1.
14:15 Deutschland, 30er Jahre. **
(35mm, 100 min)
16:45 HEISSE SEHNSUCHT, KALTE KASTE!
Schulmädchen-Liebesschicksale im indischen Ozean
(35mm, 110 min)
21:00 DIE SPELUNKE DER FEURIGEN TRIEBE
aka #BRÜF: Der brünftige Überraschungsfilm
(35mm, 100 min)
23:30 Deutschland, 10er Jahre. ***
(digital, 80 min)
1:30 Spanien, 60er Jahre. ****
(35mm, 90 min)
Sonntag, 8.1.
14:30 GEHEIMNISVOLLE QUALEN DER EROTIK
(BRD, 35mm, 70 min)
16:15 HOW I COME (USA 1976, 16mm, 60 min)
+ vorab: DAS HERZ DURCH WÜSTENEYEN RENNT - ARBEITSTITEL (16mm, 15 min)
zu Gast: Regisseur Garegin Vanisian
21:00 Argentinien, 60er Jahre.****
(35mm, 80 min)
23:15 Eine Lustreise durch die Aborte der Republik
(35mm, 80 min)
Ankündigungstexte entsprechend Sternchen-Kennzeichnung:
* Deutschland, 50er Jahre. Ein Gebirgsgroßbauer tanzt mit grimmig-wildem Ungestüm mit der mustergültigen Magd und der animalischen Hauswirtschafterin. Enges Denken, fiese Häme, blutige Eifersucht, unabsehbare Folgen. Mitreißender Kassenschlager seiner Zeit. Gucken! Doch besser nicht zuhause nachmachen.
** Deutschland, 30er Jahre. Eine herzig kecke Verkäuferin aus einem Handschuhladen hat sich unsterblich verliebt und ist grenzenlos glücklich. Sie singt und tanzt voll Überschwang in einer wunderschön gefilmten und an leuchtenden und anzüglichen Details überreichen Weltstadt, die das für eine allzu kurze Zeit erlaubt. Das, was danach kommt… um Gotteswillen nicht nachmachen.
*** Deutschland, 10er Jahre. Ein hochbetagter Ex-Maschinenschlosser der Firma Prym in Stolberg/Rhld. setzt sich nach dem Tod seiner Frau in seiner Wohnküche an einen Rechner und steht fortan zehn Jahre lang praktisch nicht mehr auf. Als er am Ende (2022) stirbt, um endgültig in das Reich der Mythen, Feen und Belustigungen zu fliegen, hat er mehr als 100 Animationsfilme fertig. Schlitzohrig-naive und locker-süffisante Juwelchen aus den Genres Abenteuer, Horror, Sci-Fi, Krimi, oft mit augenzwinkerndem Sleaze. Wir verneigen uns mit einem Special.
**** Spanien, 60er Jahre.
***** Argentinien, 60er Jahre. Eine untreue Schönheit wird von ihrem erzürnten Liebhaber aus dem Auto geworfen, wacht an einem Tropenstrand wieder auf und ruft bei den lokalen Männern starke, magnetische Reaktionen hervor. Jeder will sie für sich, doch sie will frei sein: Konflikte über Konflikte… wenn es euch irgend möglich ist: besser nicht zuhause nachmachen.
Allgemein über die Veranstaltung:
„Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. […] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. […] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.“
– Silvia Szymanski (seit 2019 selbst Hofbauer-Kommandantin)
„Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch.“
– Lukas Foerster
20. außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos
05.-08.01.2023
Nach drei langen Jahren, deren Entbehrungen nur von einem Sondergipfel im Juni 2022 im Luru-Kino in Leipzig gelindert wurden, findet endlich wieder ein außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos in Nürnberg statt!
Streifzüge durch die Seitengassen der deutschen Filmgeschichte verbinden sich mit Schlaglichtern auf das Gegenwartskino (zu Gast: Eckhart Schmidt und Garegin Vanisian) und Ausflügen in andere Länder und Kontinente. Lange wurde in nationalen und internationalen Archiven gegraben, fragile Raritäten geprüft und unglaubliche Zelluloid-Schätze gehoben, die mitunter eine weite Reise angetreten haben - darunter von einem HK-Säulenheiligen inszenierte, schwarz-weiße US-Erotica der 60er, die von der IMDb als verschollen gelistet wird, jedoch von uns aufgespürt wurde.
Von deutschen Wohnzimmern, Garagen und Toiletten bis in brasilianische Spelunken, japanische Gemächer und den indischen Ozean führt die filmische Reise für alle, die gegenüber den Besonderheiten und Seltsamkeiten des Kinos aufgeschlossen sind. Lasst euch entführen, verführen und oft einfach überraschen! Das Programm wird spontan ergänzt von „Videoknüppeln“ als nächtlichen Überraschungsfilmen.
Ticketinfos:
Einzelticket: 6 Euro
Tageskarte: 20 Euro
Dauerkarte: 70 Euro
Unterstützer-Dauerkarte: 100 Euro
Reservierungen bitte per Mail an: reservierung[at]kommkino.de
Programmübersicht:
Donnerstag, 5.1.
15:00 MAN & WOMAN & ANIMAL
Überlegungen zur Geschlechtergerechtigkeit
(R: Ernst Hofbauer, 35mm, 90 min)
17:00 BIRDIE
(BRD 1971. R: Hubert Frank, 35mm, 86 min)
Einführung: Drehbuchautor Eckhart Schmidt
21:00 GENERATION Z - DA WAR EIN HIMMEL
(D 2020, Digital, 90 min)
zu Gast: Regisseur Eckhart Schmidt
23:30 WET BODIES - DER GANZ HEISSE WORKOUT
aka #SPÜF: Der sportliche Überraschungsfilm!
(35mm, 110 min)
Freitag, 6.1.
12:30 PLÄTZE DER LIEBE
(Nürnberg/Frankfurt/Berlin/München 2020, Digital, 90 min)
zu Gast: Regisseur Eckhart Schmidt
14:45 Ein saftiges Sittenbild aus Edos Opiumhöhle
(35mm, 90 min)
17:00 Eine Trouvaille aus dem Kleiderschrank der Verlorenen
(35mm, 80 min)
21:00 Deutschland, 50er Jahre. *
(35mm, 90 min)
23:15 DEUTSCHLAND INTIM: WENN DIE SEKTKORKEN KNALLEN...
aka #SCHMÜF: Der außerordentlich schmierige Überraschungsfilm
(35mm, 70 min)
Samstag, 7.1.
14:15 Deutschland, 30er Jahre. **
(35mm, 100 min)
16:45 HEISSE SEHNSUCHT, KALTE KASTE!
Schulmädchen-Liebesschicksale im indischen Ozean
(35mm, 110 min)
21:00 DIE SPELUNKE DER FEURIGEN TRIEBE
aka #BRÜF: Der brünftige Überraschungsfilm
(35mm, 100 min)
23:30 Deutschland, 10er Jahre. ***
(digital, 80 min)
1:30 Spanien, 60er Jahre. ****
(35mm, 90 min)
Sonntag, 8.1.
14:30 GEHEIMNISVOLLE QUALEN DER EROTIK
(BRD, 35mm, 70 min)
16:15 HOW I COME (USA 1976, 16mm, 60 min)
+ vorab: DAS HERZ DURCH WÜSTENEYEN RENNT - ARBEITSTITEL (16mm, 15 min)
zu Gast: Regisseur Garegin Vanisian
21:00 Argentinien, 60er Jahre.****
(35mm, 80 min)
23:15 Eine Lustreise durch die Aborte der Republik
(35mm, 80 min)
Ankündigungstexte entsprechend Sternchen-Kennzeichnung:
* Deutschland, 50er Jahre. Ein Gebirgsgroßbauer tanzt mit grimmig-wildem Ungestüm mit der mustergültigen Magd und der animalischen Hauswirtschafterin. Enges Denken, fiese Häme, blutige Eifersucht, unabsehbare Folgen. Mitreißender Kassenschlager seiner Zeit. Gucken! Doch besser nicht zuhause nachmachen.
** Deutschland, 30er Jahre. Eine herzig kecke Verkäuferin aus einem Handschuhladen hat sich unsterblich verliebt und ist grenzenlos glücklich. Sie singt und tanzt voll Überschwang in einer wunderschön gefilmten und an leuchtenden und anzüglichen Details überreichen Weltstadt, die das für eine allzu kurze Zeit erlaubt. Das, was danach kommt… um Gotteswillen nicht nachmachen.
*** Deutschland, 10er Jahre. Ein hochbetagter Ex-Maschinenschlosser der Firma Prym in Stolberg/Rhld. setzt sich nach dem Tod seiner Frau in seiner Wohnküche an einen Rechner und steht fortan zehn Jahre lang praktisch nicht mehr auf. Als er am Ende (2022) stirbt, um endgültig in das Reich der Mythen, Feen und Belustigungen zu fliegen, hat er mehr als 100 Animationsfilme fertig. Schlitzohrig-naive und locker-süffisante Juwelchen aus den Genres Abenteuer, Horror, Sci-Fi, Krimi, oft mit augenzwinkerndem Sleaze. Wir verneigen uns mit einem Special.
**** Spanien, 60er Jahre.
***** Argentinien, 60er Jahre. Eine untreue Schönheit wird von ihrem erzürnten Liebhaber aus dem Auto geworfen, wacht an einem Tropenstrand wieder auf und ruft bei den lokalen Männern starke, magnetische Reaktionen hervor. Jeder will sie für sich, doch sie will frei sein: Konflikte über Konflikte… wenn es euch irgend möglich ist: besser nicht zuhause nachmachen.
Allgemein über die Veranstaltung:
„Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. […] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. […] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.“
– Silvia Szymanski (seit 2019 selbst Hofbauer-Kommandantin)
„Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch.“
– Lukas Foerster
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