Italo-Genre-Kino in Literatur (und anderen Kunstformen)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Italo-Genre-Kino in Literatur (und anderen Kunstformen)
...und zum wiederholten Male würde ich gerne die forensische Schwarm-Intelligenz befragen, diesmal zu:
Kennt ihr (literarische) Werke - egal, ob Theaterstück, Roman, Gedicht und alle Abarten davon -, die entweder explizit auf italienisches Genre-Kino anspielen oder dieses gar aktiv rezipieren?
Für mich beispielweise ist, - um einmal ein Beispiel zu geben -, ganz wichtig die Referenz auf MONDO CANE, die Rolf Dieter Brinkmann in seinem Rom-Tagebuch ROM, BLICKE unternimmt, das ursprünglich als Materialsammlung während seines Aufenthalts als Schriftsteller-Stipendiat 1972/73 in der Villa Massimo entstande ist, und dann erst posthum 1979 veröffentlicht worden ist. Brinkmann berichtet dort, dass er die berühmten Katakomben des Kapuzinerklosters Santa Maria Immacolata a Via Veneto besucht habe. Er schreibt:
„Die Steinstufen hoch zur Kirche & rechts den Seiteneingang in die ,Mondo-Cane‘-Gruft […]: im Vorraum: Postkartenständer, Ständer mit Rosenkränzen, Papstbildern, Broschüren über 1 stigmatisierten Pater, & dazu: Totenköpfe in Nachbildungen, kleine Papstbüsten, Puppen (!) in Zellophankästchen zum Verkauf!/ […] Das Licht ist düster, man muß mit den Augen tasten, & tastet mit den Augen zuerst eine Fülle aus: Knochenfülle, & vielleicht macht es diese Fülle, die das Empfinden betäubt, stumpf macht, ver-gessen läßt, was man sieht - Stapel von Köpfen[,] Stapel von Becken-knochen, Stapel von Arm & Beinknochen, Stapel von Schulterknochen – alles getrennt, für sich – sortierte Menschenknochen/: ringsum gestapelt, wie 1 Todeslager, etwas, nein, nichts an 1 Ersatzteillager erinnernd./ Das Grauen kommt langsam: ein Grauen über die Perversion, 1 Grauen an das Show-Tod-Business mit Toten, 1 Grauen über Menschen & Ideen, so etwas anzustellen, zu verfertigen."
So vehement seine Antipathie gegenüber der Mondo-Verwertung von Todes- und Toten-Bildern hier klingt, so sehr reproduziert er diese Ästhetik aber doch in seiner Prosa, finde ich: Als ob Brinkmann bewusst oder unbewusst genau diese Mondo-Ästhetik des Zerstückelns, Recylens, Parzellierens in die Literatur habe überführen wollen. Anders gesagt: Eine Krankheit umarmen, um sie zu bekämpfen.
Das ist freilich ein extremes und ziemlich elfenbeintürmiges Beispiel.
Im herkömmlichen Kino stößt man ja inzwischen oft darauf, dass die bekannteren Regisseure "unseres" Zeitalters ge-name-droppt werden. Kürzlich sah ich beispielweise SCREAM 6, (den ich doof fand), wo zu Beginn eine Filmwissenschaftlerin ermordet wird, die, wie ihre Studis später sagen, ein Faible für Argento hatte. Ein Name reicht und ein buntfedriges Spektrum an Assoziationen fächert auf, (das der restliche Film dann aber sowas von nicht einlöst, eh.)
Kennt ihr Texte, die das eine oder andere bedienen: 1) Entweder pures Namedropping, also dass Argento, Bava, Fulci irgendwo kurz erwähnt werden, ohne signifikanten Einfluss auf die Handlung(en) zu haben, oder 2) ein Versuch, Italo-Genre-Ästhetiken zu überführen in eine Form, die explizit NICHT Kino ist, . sei es nun affirmativ oder subversiv, ist mir erstmal genauso gleich wie Zeit und Ort, wo das jeweilige Objekt entstanden ist...
(Im Theater gibt's da bestimmt etwas, da kenne ich mich aber so gut wie gar nicht aus. Gerne auch an besuchte Kunstausstellungen etc. denken. Ich erinnere mich an irgendein Exponat in den Hamburger Kunsthallen von vor Jahren, wo etwas über Argentos TENEBRE geschrieben wurde, was ich so grundweg falsch fand: Misogyn, Menschenverwachtend, Martialisch, - und das gezeigte Etwas besaß dann für mich nicht mal irgendeinen Bezug zu besagtem Film.)
Kennt ihr (literarische) Werke - egal, ob Theaterstück, Roman, Gedicht und alle Abarten davon -, die entweder explizit auf italienisches Genre-Kino anspielen oder dieses gar aktiv rezipieren?
Für mich beispielweise ist, - um einmal ein Beispiel zu geben -, ganz wichtig die Referenz auf MONDO CANE, die Rolf Dieter Brinkmann in seinem Rom-Tagebuch ROM, BLICKE unternimmt, das ursprünglich als Materialsammlung während seines Aufenthalts als Schriftsteller-Stipendiat 1972/73 in der Villa Massimo entstande ist, und dann erst posthum 1979 veröffentlicht worden ist. Brinkmann berichtet dort, dass er die berühmten Katakomben des Kapuzinerklosters Santa Maria Immacolata a Via Veneto besucht habe. Er schreibt:
„Die Steinstufen hoch zur Kirche & rechts den Seiteneingang in die ,Mondo-Cane‘-Gruft […]: im Vorraum: Postkartenständer, Ständer mit Rosenkränzen, Papstbildern, Broschüren über 1 stigmatisierten Pater, & dazu: Totenköpfe in Nachbildungen, kleine Papstbüsten, Puppen (!) in Zellophankästchen zum Verkauf!/ […] Das Licht ist düster, man muß mit den Augen tasten, & tastet mit den Augen zuerst eine Fülle aus: Knochenfülle, & vielleicht macht es diese Fülle, die das Empfinden betäubt, stumpf macht, ver-gessen läßt, was man sieht - Stapel von Köpfen[,] Stapel von Becken-knochen, Stapel von Arm & Beinknochen, Stapel von Schulterknochen – alles getrennt, für sich – sortierte Menschenknochen/: ringsum gestapelt, wie 1 Todeslager, etwas, nein, nichts an 1 Ersatzteillager erinnernd./ Das Grauen kommt langsam: ein Grauen über die Perversion, 1 Grauen an das Show-Tod-Business mit Toten, 1 Grauen über Menschen & Ideen, so etwas anzustellen, zu verfertigen."
So vehement seine Antipathie gegenüber der Mondo-Verwertung von Todes- und Toten-Bildern hier klingt, so sehr reproduziert er diese Ästhetik aber doch in seiner Prosa, finde ich: Als ob Brinkmann bewusst oder unbewusst genau diese Mondo-Ästhetik des Zerstückelns, Recylens, Parzellierens in die Literatur habe überführen wollen. Anders gesagt: Eine Krankheit umarmen, um sie zu bekämpfen.
Das ist freilich ein extremes und ziemlich elfenbeintürmiges Beispiel.
Im herkömmlichen Kino stößt man ja inzwischen oft darauf, dass die bekannteren Regisseure "unseres" Zeitalters ge-name-droppt werden. Kürzlich sah ich beispielweise SCREAM 6, (den ich doof fand), wo zu Beginn eine Filmwissenschaftlerin ermordet wird, die, wie ihre Studis später sagen, ein Faible für Argento hatte. Ein Name reicht und ein buntfedriges Spektrum an Assoziationen fächert auf, (das der restliche Film dann aber sowas von nicht einlöst, eh.)
Kennt ihr Texte, die das eine oder andere bedienen: 1) Entweder pures Namedropping, also dass Argento, Bava, Fulci irgendwo kurz erwähnt werden, ohne signifikanten Einfluss auf die Handlung(en) zu haben, oder 2) ein Versuch, Italo-Genre-Ästhetiken zu überführen in eine Form, die explizit NICHT Kino ist, . sei es nun affirmativ oder subversiv, ist mir erstmal genauso gleich wie Zeit und Ort, wo das jeweilige Objekt entstanden ist...
(Im Theater gibt's da bestimmt etwas, da kenne ich mich aber so gut wie gar nicht aus. Gerne auch an besuchte Kunstausstellungen etc. denken. Ich erinnere mich an irgendein Exponat in den Hamburger Kunsthallen von vor Jahren, wo etwas über Argentos TENEBRE geschrieben wurde, was ich so grundweg falsch fand: Misogyn, Menschenverwachtend, Martialisch, - und das gezeigte Etwas besaß dann für mich nicht mal irgendeinen Bezug zu besagtem Film.)
Re: Italo-Genre-Kino in Literatur (und anderen Kunstformen)
Spontan: Die "Giallo"-Hörspielreihe von Audionarchie.
https://www.hoerspiele.de/hsp_serie.asp?serie=1366
https://www.hoerspiele.de/hsp_serie.asp?serie=1366
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- karlAbundzu
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Re: Italo-Genre-Kino in Literatur (und anderen Kunstformen)
Giallo und Theater hatte ich mal zu recherchiert, gibt es tatsächlich wenig.
Mein selbstgeschriebenes Okkult Giallo Drama ist leider unter mysteriösen Umständen verschollen.
Aktuell gab es diese Montage von Mondo Sangue
https://theaterrampe.de/stuecke/montage ... llo-films/
Mein selbstgeschriebenes Okkult Giallo Drama ist leider unter mysteriösen Umständen verschollen.
Aktuell gab es diese Montage von Mondo Sangue
https://theaterrampe.de/stuecke/montage ... llo-films/
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- Salvatore Baccaro
- Beiträge: 3069
- Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10
Re: Italo-Genre-Kino in Literatur (und anderen Kunstformen)
Merci!Arkadin hat geschrieben: ↑Mo 5. Jun 2023, 10:56 Spontan: Die "Giallo"-Hörspielreihe von Audionarchie.
https://www.hoerspiele.de/hsp_serie.asp?serie=1366
Auch Dir Danke. Aber: Dein Okkult-Giallo-Drama ist verschollen? Eine schwarzbehandschuhte Hand hat es gemopst?karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mo 5. Jun 2023, 11:26 Giallo und Theater hatte ich mal zu recherchiert, gibt es tatsächlich wenig.
Mein selbstgeschriebenes Okkult Giallo Drama ist leider unter mysteriösen Umständen verschollen.
Aktuell gab es diese Montage von Mondo Sangue
https://theaterrampe.de/stuecke/montage ... llo-films/