bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Junge Mädchen zur Liebe gezwungen
Nach einem Banküberfall suchen sich drei Gangster eine Bleibe, wo sie sich verstecken können, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Dummerweise fällt die Wahl auf eine Villa, wo Schwester Christina mit einer Gruppe junger Mädchen gerade ein Theaterstück einstudiert. Schon nach kurzer Zeit eskaliert die Situation und eines der Mädchen wird von den Eindringlingen brutal vergewaltigt...
„Wenn eine von euch Büchsen versucht, zu fliehen, dann leg ich die anderen um!“

Der mit dem unsinnigen und zynischen deutschen Titel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ versehene Rape’n’Revenge-Streifen des italienischen Regisseurs Franco Prosperi („Ich heiße John Harris“; nicht zu verwechseln mit seinem zur gleichen Zeit aktiv gewesenen Namensvetter, der durch seine Mondo-Filme berüchtigt wurde) erschien im Jahre 1978 und hat glücklicherweise noch nichts mit seinen späteren Kannibalen- und Barbaren-Trash-Filmen unfreiwilliger Natur gemein.

Die Ganoven Aldo (Ray Lovelock, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“), Walter (Stefano Cedrati, „Ein Haufen verwegener Hunde“) und Nino (Stefano Cedrati, „Yeti – Der Schneemensch kommt“) überfallen eine Bank und erschießen dabei zwei Menschen. Auf der Flucht erleiden sie eine Autopanne, weshalb sie sich ein nahes Versteck suchen. Sie finden Unterschlupf in einer Strandvilla, in der die Nonne Cristina (Florinda Bolkan, „Spuren auf dem Mond“) mit fünf Klosterschülerinnen ein Theaterstück einprobt. Die Verbrecher verschaffen sich mit vorgehaltenen Waffen die Gewalt über das Gebäude und die Mädchen, demütigen, misshandeln und vergewaltigen sie, schrecken auch vor weiteren Morden nicht zurück. Wird man sich der Kriminellen erwehren können? Und wenn ja, wie?

„…und dann sehnst du dich nach einem Mann wie mich!“ (Oder doch nach einem Mann mit Grammatikbuch?)

Mit Rape’n’Revenge-Filmen ist das ja immer so eine Sache, manch einem wird die selbstzweckhafte Ausschlachtung des Leids der Opfer, der brutalen sexuellen Übergriffe und der absoluten Skrupellosigkeit der Täter vorgeworfen. Sicherlich ist das, was Wes Craven seinerzeit mit dem genrebegründenden „Last House on the Left“ lostrat, möglicherweise in manch Fällen diskussionswürdig, doch Prosperis „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ grenzt sich durch seinen wenig spekulativen Inszenierungsstil von expliziten Sexploitatern ein gutes Stück weit ab. Interessant ist auch manch stilistischer Kniff: So zeigt beispielsweise der Banküberfall zu Beginn nicht die Köpfe der Täter, sondern die Männer lediglich von der Hüfte an abwärts, um den Zuschauer lange Zeit im Unklaren darüber zu lassen, wer der Drei die tödlichen Schüsse abgab. Während man Schwester Cristina zum Umziehen zwingt, wird wiederum keine nackte Haut gezeigt, stattdessen wird hektisch zwischen verschiedenen Gesichtern hin und her geschnitten – was eine weitaus intensivere, beklemmendere Wirkung erzielt. Ähnlich verfährt man bei der Vergewaltigung einer Schülerin, die nicht explizit dargestellt wird, stattdessen wird auf die Gesichter Schwester Cristinas sowie der Täter gezoomt. Die im Rahmen der Handlung stattfindende Gewalt gegen die Mädchen ist schlimm; geeignet, sich an ihr zu ergötzen, ist sie allein schon aufgrund ihrer Art der Inszenierung indes nicht. Auf den Gipfel getrieben wird die sadistische Brutalität, wenn irre lachende Vergewaltiger einen Pflock in die Vagina eines der Mädchen rammen. Auch hier bekommt man nicht viel zu sehen, doch wird das Kopfkino zu schlimmen Bildern provoziert.

Dass die Mädchen eigentlich das Theaterstück „Sommernachtstraum“ einstudieren wollten, nun jedoch ihren persönlichen Sommeralptraum erleben, ist symptomatisch für den Film, der durch die Gewalteskalationen die sommerliche Strandidylle konterkariert. Walter und Nino (in der deutschen Fassung anscheinend vertauscht!?) sind dabei lange Zeit federführend und werden als widerlichste Zeitgenossen charakterisiert. Nino schminkt sich extra vor einer Vergewaltigung, Walter hat ein aufgedunsenes Gesicht und ihm geht ständig fast einer ab angesichts der versammelten Weiblichkeit. Ihm rammte eines der Mädchen in Notwehr einen Stielkamm ins Bein und die Wunde entzündet sich nicht nur recht unappetitlich, sondern wandert auf eigenartige Weise hoch auf den Oberkörper – eine von ein paar inszenatorischen Schnitzern des Films. Als Schlimmster des Trios entpuppt sich jedoch Schönling Aldo, ein Wolf im Schafspelz, der zunächst quasi jegliche Schuld von sich wies und auf seine Kompagnons abzuwälzen versuchte, hinter seiner galanten Fassade jedoch die pure Niedertracht verbirgt. Schauspielerisch reicht die Skala von einwandfrei bis zu solide, wobei die Besetzung der Hauptrollen mit der eleganten, markanten Bolkan und dem blonden Todesengelsgesicht Lovelock ein sehr sehenswertes Duell beider Pole verspricht, das im Finale schließlich seine Entladung findet. Es beweist, dass selbst Nonnen und Klosterschülerinnen mitnichten immer die rechte Backe hinhalten und der Gewaltfreiheit frönen, ihre Ideale demnach sicherlich stärker und länger strapaziert werden können, als die anderer Menschen, sie letztlich jedoch eine Lebenslüge leben bzw. lebten, denn nach den Ereignissen dieses Sommers dürfte für sie nichts mehr so sein wie zuvor. Der Zuschauer erhält seine Befriedigung und die moralkritische Aussage des Rape’n’Revenge-Beitrags wird in drastische Bilder getaucht. Mit Ende des Films darf sich das arg beanspruchte Gerechtigkeitsempfinden des zuvor nach (fast) allen Regeln der Genrekunst gegen die Verbrecher aufgebrachten Publikums wieder beruhigen, der Adrenalinpegel zurückfahren und man im Kino- oder heimischen Sessel seine kleine Katharsis genießen – unter Beibehalt des bitteren Beigeschmacks durch die unschuldigen Opfer. Nein, seine emotionale Wirkung verfehlt auch „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ nicht.

Was gibt sonst noch? Einen von Ray Lovelock persönlich gesungenen Titelsong (jedoch anscheinend nicht in allen deutschen Fassungen enthalten) innerhalb eines insgesamt systemerhaltenden Soundtracks, eine schluderige deutsche Synchronisation und die obligatorische J&B-Pulle im Schrank. Ein Prosit diesem erfrischend stilvollen Genrebeitrag!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Tourist Trap
Eine Gruppe von Teenagern gerät nach einer Autopanne in einer einsamen Gegend an das unheimliche Haus der mysteriösen Mr.Slausen (Chuck Connors), der mit einer Reihe von Schaufensterpuppen und Wachsfiguren zusammenlebt, die er in einem wenig frequentierten Museum ausstellt. Doch etwas stimmt nicht an dieser "Touristenfalle", denn die Puppen und Figuren entwickeln wie diverse scharfe Gegenstände ein gespenstisches Eigenleben. Und so muß einer nach dem anderen aus der Gruppe auf äußerst brutale Art und Weise dran glauben...
„Das wird auch wieder so’ne Touristenfalle sein...“

Der US-Amerikaner David Schmoeller, der als „Puppetmaster“-Regisseur für Charles Bands „Full Moon“-Low-Budget-Schmiede eine gewisse Popularität erlangte, lieferte im Jahre 1979 – ebenfalls unter Produktion Charles Bands – mit „Tourist Trap“ sein Regiedebüt ab und verschrieb sich bereits damit dem Puppenhorror.

Fünf junge Menschen, drei Mädels und zwei Jungs, erleiden in einer gottverlassenen Gegend der USA eine Reifenpanne. Einer begibt sich auf die Suche nach einer Tankstelle, kehrt jedoch nicht mehr zurück. Als auch das zweite Auto nicht mehr fahrtüchtig ist, lernen die Verbliebenen den verschrobenen Einsiedler Mr. Slausen (Chuck Connors, „Nightmare - Im Lager der gequälten Frauen“) kennen, der mit „Slausen’s Lost Oasis“ ein eigenartiges Museum voller Wachsfiguren und Puppen betreibt. Er lädt die Vier in sein Haus ein, doch wann immer er kurz verschwindet, scheinen die Figuren ein mörderisches Eigenleben zu entwickeln, außerdem treibt ein irrer maskierter Killer sein Unwesen, der einem nach dem anderen nach dem Leben trachtet. Steckt Slausens Bruder dahinter, der im Nachbarhaus leben soll?

(Achtung, diverse kleinere Spoiler enthalten!) „Tourist Trap“ entpuppt sich als gelungene Mischung aus „Psycho“, was die Motivation und psychopathologischen Hintergründe des Mörders betrifft, „House of Wax“ in Bezug auf die „Wachsfiguren“-Thematik und „The Texas Chainsaw Massacre“ angesichts des Backwood-Terror-Ambientes sowie der Maskerade des Killers. Abgeschmeckt hat Schmoeller das Ganze mit Zutaten aus dem Bereich des Übersinnlichen und damit die Suppe fast ein wenig versalzen, denn dass der Mörder nicht nur Telekinese beherrscht, sondern anscheinend auch noch ein erstklassiger Bauchredner sein soll, ist dann doch etwas zu viel des Guten. Seine Stärken besitzt „Tourist Trap“ jedoch zweifelsohne im makabren Puppenhorror, der an menschliche Urängste appelliert und mit seinen sich bewegenden, kichernden, stöhnenden und sogar redenden Puppen in Menschengröße für manch in dieser Hinsicht anfälligen Zuschauer tatsächlich der blanke Horror sein dürfte. Dabei hält sich Schmoeller zunächst nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf und bietet einen wahnsinnigen Puppenterror quasi direkt als Einstieg. Im Anschluss werden die menschlichen Rollen charakterisiert, wobei dem „markantigen“ Connors die des undurchsichtigen, mal freundlichen, dann wieder bedrohlich wirkenden, mitunter bemitleidenswerten, vereinsamten Slausens zuteilwird, der nie über den Tod seiner Frau hinwegkam und dessen Charakter viel Bitterkeit innewohnt. Ihn umgibt eine unheimliche Aura, dennoch wirkt er bisweilen sympathisch und väterlich – ein Wechselbad der Gefühle. Connors füllt seine Rolle bravourös aus und liefert eine erstklassige darstellerische Leistung, die mir Respekt abzollt. Doch auch er kann nicht verhindern, dass jeder halbwegs gewiefte Genrefreund den entscheidenden Clou der Handlung, den Plottwist, bereits zehn Meter gegen den Wind wittert und es Schmoeller nicht gelingt, den gewünschten Überraschungseffekt zu erzielen. Aus der übrigen, überschaubaren Darstellerriege sticht Jocelyn Jones („Der Unerbittliche“) als schüchternes Mauerblümchen Molly hervor, an der Slausen einen Narren gefressen hat. Zunächst gibt sie das zurückhaltende, keusche, Beschützerinstinkte weckende Mädchen eher übertrieben und klischeebehaftet, entwickelt sich jedoch zu einer überaus passablen Scream Queen. Dass sie das Final Girl sein wird, schreien die ungeschriebenen Genre-Gesetze jedoch lautlos, doch unüberhörbar zwischen den Bildern.

Unverkennbar ist „Tourist Trap“ noch ein Kind der 1970er. Er nimmt sich alle Zeit, die er braucht, ohne das Tempo zu sehr zu drosseln; die Hektik, die in den 1980ern verstärkt Einzug ins Genre hielt, ist ihm fremd. Manch Szene wirkt etwas unbeholfen inszeniert, doch die Schockeffekte sitzen dafür umso effektiver – und kommen ohne Blutfontänen oder sonstiges Geschmodder aus. Die eine oder andere originelle Idee, beispielsweise ein überlaut simulierter Herzschlag kurz vor einem Herztod, verstärken die Wirkung des diabolischen Treibens voller bizarrer Eindrücke; das Finale ist eines, das diese Bezeichnung auch verdient und bietet einen klasse Showdown. Der positive Gesamteindruck dieses augenscheinlich mit Liebe zum Detail – man beachte beispielsweise die phantasievoll gestalteten Kulissen – realisierte Stück Low-Budget-Horror-Geschichte hat nicht viel mit den späteren Trash-Ausflügen Charles Bands gemein und sollte trotz der einen oder anderen Unzulänglichkeit gerade von Freunden der oben genannten Genre-Dreifaltigkeit gern eines Blickes gewürdigt werden.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Zodiac – Die Spur des Killers
Im Sommer 1969 begeht ein unbekannter Mörder in der Region San Francisco mehrere Morde im Abstand von jeweils einem Monat. Als der Täter, der sich "Zodiac" nennt, beginnt, verschlüsselte Briefe mit Botschaften an ansässige Zeitungen zu verschicken, schalten sich die Inspektoren Toschi (Mark Ruffalo) und Armstrong (Anthony Edwards) in die Ermittlungen ein. Doch obwohl der Täter reichlich Spuren und Fingerzeige hinterlässt, gestalten sich die Ermittlungen mehr als schwierig. Denn offenbar hat der Mörder seine Serie bereits wesentlich früher begonnen als angenommen und nun eine gewisse Beziehung zu dem Journalisten Avery (Robert Downey jr.) entwickelt. Dadurch kommt auch der Zeitungscartoonist Graysmith (Jake Gyllenhaal) mit dem Fall in Kontakt, um fortan jede Minute mit der Entschlüsselung der Briefe und der Jagd nach dem Täter zu verbringen. Einem Verdächtigen, Arthur Leigh Allen können die Polizisten nichts nachweisen. Jahre vergehen und der Fall wirkt sich nachhaltig auf alle Beteiligten aus. Erst Armstrong, dann Toschi quittieren den Dienst; aus Avery wird durch Alkohol und Drogen ein komplettes Wrack. Nur Graysmith bleibt an dem Fall dran, ist bereits dabei, ein Buch zu schreiben - und eines Tages kreuzen sich seine und Toschis Wege wieder...
Der sich „Zodiac“ nennende Serienmörder verrichtete sein feiges, unheilvolles Werk Ende der 1960er in den USA und nahm Kontakt zur Presse auf, schickte kryptische Botschaften und behauptete, weit mehr als die ihm offiziell zugeordneten Opfer zu verantworten zu haben. Dass der Täter nie gefasst wurde und seine Identität bis heute unbekannt ist, verursachte eines von so vielen US-amerikanischen Traumata, geht doch seither die Angst um, Privatpersonen besäßen durchaus die Chance, mit zigfachem eiskaltem Mord durchzukommen. Dieser Fall beschäftigte auch manch Filmemacher. Don Siegels Polizeifilm- und Selbstjustiz-Klassiker „Dirty Harry“ mit Clint Eastwood in der Hauptrolle erschien 1971 und war vom Zodiac-Killer inspiriert. Im gleichen Jahr wurde mit „The Zodiac Killer“ die erste halb- oder pseudodokumentarische Verfilmung veröffentlicht, offenbar eine niedrigst budgetierte Schnellschussproduktion. 2005 floppte dann Alexander Bulkleys „Der Zodiac Killer“ massivst an der Kinokasse, was US-Ausnahmeregisseur David Fincher, der mit Filmen wie „Sieben“ und „Fight Club“ in den 1990ern Kinogeschichte schrieb, nach seinem für seine Verhältnisse überraschend konventionell ausgefallenen „Panic Room“ mit Jodie Foster nicht davon abhielt, zwei Jahre später mit „Zodiac – Die Spur des Killers“ aufzuwarten. Finchers Film basiert auf den (mir unbekannten) Romanen „Zodiac“ und „Zodiac Unmasked“ von Robert Graysmith, der im Film von Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“) gespielt wird.

Der explizit auf die wahren Hintergründe hinweisende Film startet mit einem Prolog am 4. Juli 1969, bevor er vier Wochen später mit der eigentlichen Handlung beginnt: „Zodiac“ kontaktiert nach einigen Morden die Presse mit verschlüsselten Botschaften, die schnell entschlüsselt werden. Die Inspektoren Toschi (Mark Ruffalo, „The Dentist“) und Armstrong (Anthony Edwards, „Die Rache der Eierköpfe“) kommen dennoch nur schleppend mit ihren Ermittlungen voran. Es gibt Spuren, die letztlich im Sande verlaufen, es gibt einen Schwerverdächtigen, dem jedoch nichts nachgewiesen werden kann – und es gibt Widersprüche, die sich auftun, je tiefer man gräbt. „Zodiac“ führt derweil Polizei und Öffentlichkeit an der Nase herum. Journalist Avery (Robert Downey jr., „Natural Born Killers“) avanciert zum Presse-Ansprechpartner für „Zodiac“; Zeitungs-Karikaturist Graysmith entwickelt ebenfalls ein ausgeprägtes Interesse an diesem Fall und vertieft sich in eigene Ermittlungen. Nach Jahren ohne einen wirklichen Ermittlungserfolg haben Armstrong und Toschi längst ihren Dienst quittiert, ist Avery ausgebrannt und der Alkohol-/Drogensucht verfallen, doch Graysmith nach wie vor Feuer und Flamme, obwohl er die Beziehung zu seiner Frau und schließlich sich und seine Familie gefährdet...

„Nicht so schnell, Dirty Harry!“

„Zodiac – Die Spur des Killers“ ist sozusagen ein „Anti-Thriller“, der die Regeln, nach denen ein Thriller gemeinhin funktioniert, quasi auf den Kopf stellt. Der nach jedem Szenenwechsel penibel Ort und Zeit angebende und dadurch seinen dokumentarischen Anspruch unterstreichende Film lässt eben nicht vorrangig die Schlinge um den Mörder immer enger werden, je mehr Ermittler mit fieberhaften Recherchen beschäftigt sind, sondern zeigt, wie die Luft für die vom Fall besessenen Inspektoren und Journalisten immer dünner weil, weil er immer größeren Besitz von ihrem Leben ergreift. „Zodiac“ lässt sich eben leider nicht in ein Raster pressen, nicht von Profilern genauestens charakterisieren, nicht wie ein logisches Puzzle nach und nach zu einem klaren Bild zusammenfügen. Immer dann, wenn man glaubt, man wäre soweit und wisse nun über ihn Bescheid, scheint sich das Blatt wieder zu wenden – was zermürbt und wahnsinnig macht. Dieser Gewichtung entsprechend finden die Auftritte des Killers eher untergeordnet statt, werden manche seiner Taten zwar erschreckend, jedoch nicht stilisiert oder ausgeschlachtet gezeigt. Die meist sachlich-distanzierte Handlung wirft mit einer Vielzahl von Namen um sich; durch alle Verbindungen durchzusteigen, erfordert viel Konzentration, zumal der Film mit seinen über zweieinhalb Stunden Laufzeit ohnehin nicht für eine kurze Aufmerksamkeitsspanne konzipiert wurde. Gut geschauspielert und mit augenscheinlich recht authentischem 1960er/-70er-Interieur versehen, erlaubt sich „Zodiac – Die Spur des Killers“ bisweilen gar eine nicht negativ ins Gewicht fallende komödiantische Note und protzt mit schönen Panoramen San Franciscos sowie atemberaubenden Luftaufnahmen der Golden-Gate-Bridge, als wolle Fincher beweisen, wozu eine HD-Digitalkamera fähig ist, die er statt analogem Material verwendete. Fincher lässt seine Protagonisten im Kino „Dirty Harry“ gucken und verarbeitet dadurch einerseits das Phänomen des kulturellen Einflusses des „Zodiacs“, verbeugt sich andererseits vor Siegels Klassiker. Interessant gestaltete er auch einen Vier-Jahres-Zeitsprung: Er lässt längere Zeit ein schwarzes Bild stehen und spielt Nachrichtenfetzen aus den vergangenen vier Jahren ein.

Weiß man von vornherein, dass einen ein gegen den Strich gebürsteter Thriller erwartet, wird man weniger vor den Kopf gestoßen als ein Publikum, das einen nach bekannten Regeln agierenden Spielfilm erwartet. Fincher gelingt es über weite Strecken, trotz dieser geänderten Voraussetzungen eine durchaus spannende Dramaturgie zu entwickeln, sofern man Freude an Details sowie an Indizien-Beweisführungen und den mit ihnen einhergehenden Problemen hat, die der Film aufzeigt und seine Charaktere an ihnen zerbrechen lässt. Ein gewisses Interesse am realen „Zodiac“-Fall kann natürlichen auch nicht schaden. Wer klassische Krimi-, Thriller- oder Actionkost erwartet, wird sich jedoch vermutlich mit „Zodiac – Die Spur des Killers“ und seinem unbefriedigenden, weil keine Katharsis erlaubenden Ende – Texteinblendungen beschreiben, was noch alles geschah und eben, dass „Zodiac“ nie gefasst wurde – schwertun. Ein jeder aufmerksamer Zuschauer dürfte sich indes in jedem Falle fragen, wie es sein kann, dass Arthur Leigh Allen (John Carroll Lynch, „Shutter Island“) gleich mehrfach als Hauptverdächtiger präsentiert wird, gegen den quasi alle Indizien sprechen, den jedoch eine posthume DNA-Analyse „freisprach“. Dies liegt daran, dass Fincher sich an Graysmith' Büchern orientierte und damit nicht zwingend an einer objektiven Quelle. Graysmith' Bücher waren es anscheinend, die sich sehr auf Allen als Täter versteiften. Und anscheinend verfügen diese über einen derart hohen Anteil an Fiktion, dass das, was einem hier im dokumentarischen Stil und unter Verzicht auf Genre-Regeln als authentische Aufarbeitung verkauft werden soll, als solche nicht mehr guten Gewissens bezeichnet werden kann. Fragwürdig erscheint mir auch, wem damit geholfen sein soll, auf einen anscheinend dann doch Unschuldigen auf diese Weise erneut den Verdacht zu lenken (um ihn dann am Ende durch Texteinblendungen wieder zu entlasten). Somit ist „Zodiac – Die Spur des Killers“ doch in erster Linie als Unterhaltungskino zu betrachten, dessen komplizierte Erzählweise dann fragwürdig erscheint.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Kommissar Mariani – Zum Tode verurteilt
Der Sohn des Kommissars Mauro Mariani (Maurizio Merli) wurde entführt. Auf sich allein gestellt und entschieden sich auch über alle polizeilichen Regeln hinwegzusetzen startet Mariani eine kompromisslose Befreiungsaktion.
„Die Polizei ist wie das Vaterland: Wen es ruft, der muss gehen!“

Auch Filmemacher Stelvio Massi („Die Killer der Apocalypse“) mischte kräftig während der italienischen Poliziesco-Welle mit und arbeitete wie auch Umberto Lenzi häufiger mit Genre-Star Maurizio Merli zusammen – so auch in „Kommissar Mariani – Zum Tode verurteilt“ aus dem Jahre 1978.

Der „Marokkaner“ (Franco Garofalo, „Die Hölle der lebenden Toten“) hat eine Tochter aus reichem Hause entführt und bekommt es daher mit Kommissar Mariani (Maurizio Merli, „Die Viper“) zu tun, einem verdammt harten Hund von Bullen, der nie lange fackelt – zum Leidwesen seiner Vorgesetzten. Auch in diesem Falle wischt er die Bitte des Vaters, nichts zu unternehmen und ihn stattdessen auf die Forderungen eingehen zu lassen, kurzerhand beiseite. Doch damit nicht genug, denn Sergio Confortis (Massimo Mirani, „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“) Vater, den Mariani einst in den Knast brachte, hat sich in selbigem umgebracht und sein Sohnemann schwört auf Rache. Er lauert Mariani im Polizeirevier auf und hält die Mitarbeiter mit Waffengewalt in Schach. Doch statt Mariani schaut dessen Frau mit dem gemeinsamen Sohn vorbei, der prompt von Conforti entführt wird...

Das Thema Kindesentführung im italienischen Gangster- und Polizeifilm aufzugreifen, war 1978 bereits alles andere als originell. Interessant ist jedoch, wie Massi und sein Team eine doppelte Entführung, die schließlich auch Mariani ganz direkt betrifft, daraus konstruierten. In ungewohnt starker Ausprägung erfährt man dadurch private Details über Merli in seiner Lieblingsrolle des ebenso risiko- wie prügelfreudigen Kommissars, der gern kurzen Prozess macht und das Gesetz bar jeglicher Vorschriftstreue in die eigene Hand nimmt. „Kommissar Mariani – Zum Tode verurteilt“ gewinnt dadurch an zwischenmenschlichen und emotionalen, dramatischen Aspekten und skizziert einen Mann, der von seiner Frau getrennt lebt, seinen sich zunehmend von ihm entfremdenden Sohn nur selten sieht und der ihm nun auch noch komplett genommen werden soll – wenn er nicht sein eigenes Leben in die Waagschale wirft. So beginnt Massi seinen Film zwar mit einem actionreichen Einstieg und wüster Schießerei, wird jedoch verglichen mit manch Lenzi-Poliziesco-Klopfer verhältnismäßig ruhig erzählt. Auf moralisch allzu fragwürdige Aktionen Marianis verzichtet man weitestgehend; er bleibt relativ besonnen und kann sich des Mitgefühls des Publikums sicher sein – insbesondere, wenn er am Ende richtiggehend verzweifelt wirkt.

Massimo Mirani spielt den rachsüchtigen Halbwaisen sehr eindringlich und verleiht dem Geschehen zusätzlich Emotionalität. So zieht sich das Vater-und-Nachwuchs-Thema sozusagen durch gleich drei Instanzen und macht Verlustängste und -schmerz zum psychologischen Überbau des Films. Inszenatorisch jedoch agiert Massi etwas unter dem Niveau anderer Genre-Regisseure. Ihm gelang zwar ein durchaus spannender Film, der bisweilen aber wie gefangen wirkt zwischen typischer Merli-Draufgängerei und dem Anspruch einer realitätsnäheren, emotionaleren Erzählweise unter Verzicht auf Übertreibungen und diverse exploitative Momente, die in anderen Filmen gerade zum Vergnügen des Zuschauers ihre polarisierende Wirkung entfachen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Blutnacht – Das Haus des Todes
Das seit vielen Jahren leerstehende, abgelegene "Butler-Haus", indem es einst zu mysteriösen Todesfällen kam, soll wieder bezogen werden. Doch das Grauen liegt wie ein düsterer Schleier über dem Anwesen und schon blad kommt es erneut zu grauenhaften Morden. Eine junge Frau stellt Nachforschungen an und stösst auf alte Dokumente, die Aufschluss geben über das, was einst im Butler-Haus geschah...
„Ich weinte die ganze Nacht, am Morgen hatte ich keine Tränen mehr.“

Der im Jahre 1974 veröffentlichte und unter der Regie Theodore Gershunys entstandene US-Film „Blutnacht – Das Haus des Todes“ entpuppt sich als leider etwas in Vergessenheit geratener Weihnachts-Horror-Beitrag und Prä-Slasher und somit als weiteres Mosaiksteinchen zur Entwicklung des Subgenres um sich anschleichende psychopathische Serienmörder mit Hieb- und Stichwaffen, das 1978 durch John Carpenters „Halloween“ definiert wurde.

Arlington, Massachusetts: Das seit langen Jahren leerstehende Haus Wilfried Butlers, der dort 1950 unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, soll im Auftrage des Butler-Enkels Jeffrey (James Patterson, „In der Hitze der Nacht“) unter Preis der Gemeinde angeboten werden. Zu diesem Zwecke reist Anwalt Carter (Patrick O'Neal, „Die Frauen von Stepford“) nach Arlington und tritt in Verhandlungen. Doch schnell fällt er einer unheimlichen Mordserie zum Opfer. Ist ein aus dem Irrenhaus ausgebrochener Psychopath der Täter? Und welche unheimliche Geschichte hat das alte Gemäuer zu erzählen?

„Blutnacht – Das Haus des Todes“, in seiner Eigenschaft als Weihnachts-Horrorfilm im Original stimmiger „Silent Night, Bloody Night“ betitelt, beginnt mit einer Sprecherin aus dem Off, die eine Rückblende zum Vorweihnachtstag 1950 einleitet und kommentiert. Die Titelmelodie, das bekannte „Stille Nacht, heilige Nacht“, macht Glauben, das wäre der Prolog gewesen, doch dieser fährt anschließend mit einer Flucht aus der Anstalt in subjektiver Point-of-View-Perspektive fort und endet erst mit dem Verkauf des Hauses. Im späteren Verlauf gibt ein mysteriöser Anrufer einen Hinweis auf die Weihnachtsnacht 1935 und nach einer Stunde erzählt einer, der eigentlich als tot galt, eine weitere Rückblende. Ja, „Blutnacht – Das Haus des Todes“ ist wahrhaftig ein Film der Rückblenden und neigt zudem dazu, seine Charaktere fast allesamt zunächst einen anderen Anschein erwecken zu lassen, als den ihrer wahren Identität. Da werden mutmaßliche Hauptrollen mit Faible für überraschend junge Gespielinnen plötzlich aus der Handlung gemordet, Tote lebendig, scheinbar normale Menschen zu Wahnsinnigen etc. Damit ist Gershunys Film erzählerisch herausfordernd, weil nicht ganz unkompliziert. Andererseits befindet er sich damit knietief im Slasher-Sujet, berichtet er doch von in der Vergangenheit liegenden Dramen, die mit der aktuellen Mordserie zusammenhängen. Diese bleibt lange dem Whodunit?-Prinzip treu und lässt den Killer weiterhin in Point-of-View-Optik durchs alte Haus schleichen, dazu ertönt unheimliche Klaviermusik. Der Zuschauer bekommt blutige (jedoch nie sonderlich explizite) Mordszenen beispielsweise im Bett geboten und darf unheilschwangeren Flüster-Anrufen lauschen – Versatzstücke, die später Slasher-Standards wurden.

Doch „Blutnacht – Das Haus des Todes“ fährt auch eine eigene Schiene, die ihn vom Genre unterscheidet: Er inszeniert scheinbar nebenbei einige bizarr anmutende Momente, auf die nicht näher eingegangen wird, und erklärt diese erst mit der im positiven Sinne unfassbaren, überraschenden Schlusspointe, aus der man viel mehr hätte machen können, die jedoch keinesfalls wirkungslos verpufft und sich im Gedächtnis festsetzt. Nachdem Jeffrey Butler erfolgreich als Hauptverdächtiger etabliert wurde, erfährt man nach rund 50 Minuten dessen wahre familiären Hintergründe und wird schließlich in einer beunruhigend authentisch-gruselig umgesetzten Schwarzweiß-Rückblende in die 1930er Zeuge eines handfesten, abscheulichen Familiendramas, das mit der Umwandlung des Butler-Hauses in ein Sanatorium zusammenhängt – begleitet vom bekannten Weihnachtslied in einer traurigen Streicherversion. Trotz seiner Gewaltausbrüche und nicht unbeachtlichen Mordfrequenz setzt man primär auf psychologischen Horror und eine ungemütliche Atmosphäre, die nicht viel mit weihnachtlicher Heimeligkeit gemein hat, stattdessen düster, verkommen und bar jeder Lebensfreude wirkt. Die Kulissen tragen ihren Teil dazu ebenso bei wie der gelungene, wenn auch wenig variable Klavier-/Streicher-Soundtrack und über allem schwebt der nicht greifbare, doch ahn- und spürbare Wahnsinn. Schauspielerisch indes ist „Blutnacht – Das Haus des Todes“ keine Offenbarung (John Carradine beispielsweis hat lediglich eine stumme Nebenrolle inne) und das dramaturgische Konzept geht nicht immer auf, holpert gern mal unübersehbar und scheint diverse Szenen falsch zu gewichten – Nebensächliches wird ausgewalzt, Bedeutendes läuft Gefahr, zur Randnotiz zu verkommen. Teile seines Potentials lässt der Film ungenutzt, bietet für Freunde des ruhigeren ‘70er-Grusels und für an den Inspirationen Carpenters, Cunninghams und Konsorten Interessierten jedoch wohlige und verschrobene Genrekost.

Traurigerweise verstarb James Patterson kurz nach den Dreharbeiten im Alter von nur 40 Jahren. Möge er in Frieden ruhen.

6,5/10
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Teuflische Weihnachten
Weihnachten wird für Harry nie wieder dasselbe sein: Als Kind sieht er mit an, wie der gestiefelte Rauschebart seine Mutter mit ganz besonderen Weihnachtsgaben beglückt, und seitdem hat Harry einen ganz gewaltigen Knacks weg. Noch als Erwachsener beobachtet er die Nachbarskinder, trägt alle ihre Taten in ein grosses Buch ein und fühlt sich auch sonst wie der Weihnachtsmann persönlich... Kein Wunder, dass seine Kollegen und auch der Boss der Spielzeugfabrik, in der Harry arbeitet, ihn für einen Spinner halten. Leider erahnt keiner Harry´s wahre Natur - die entlädt sich erst zum nächsten Weihnachtsfest mit brachialer Gewalt! Von wegen "Stille Nacht, heilige Nacht"...
„You better watch out, you better not cry, you better not pout – I'm telling you why: He's making a list, checking it twice; gonna find out who's naughty or nice. He sees you when you're sleeping, he knows when you're awake, he knows if you've been bad or good, so be good for goodness sake. Santa Claus is coming to town!“

So erschallt es seit etlichen Jahrzehnten im Lied über den wohl berühmtesten Mitarbeiter der NSA, den Weihnachtsmann. Er sieht alles, führt seine Listen und droht schon den Kleinsten, sich besser gut zu benehmen – wer weiß, was ihnen sonst blüht! Den beunruhigend gruseligen, beängstigenden und pädagogisch höchst fragwürdigen Aspekt dieses saisonalen Klassikers erkannte auch US-Regisseur Lewis Jackson und drehte den neben seinem 1974 erschienenen „The Transformation“ anscheinend einzigen Film „Teuflische Weihnachten“, dessen Originaltitel „You Better Watch Out“ o.g. Song zitiert und der schließlich im Jahre 1980 in Troma einen Verleih fand, der den Film veröffentlichte.

Der kleine Harry muss mitansehen, wie der Weihnachtsmann seine Mutter „mit der Rute beglückt“ und erleidet dadurch einen schweren Psychoknacks. Als Erwachsener (Brandon Maggart, „Dressed to Kill“) arbeitet er in einer Spielzeugfabrik und beobachtet ganz genau die Nachbarskinder, über deren gute wie böse Taten er penibel Buch führt. Weihnachten schlüpft er ins Coca-Cola-farbene Rauschebartkostüm und bringt nicht nur den Kindern, was sie seines Erachtens verdienen…

„Die Kinder lieben mich alle!“

Ob das Mitansehen elterlichen Beischlafs imstande ist, wie im 1947 spielenden Prolog angedeutet ein Kind nachhaltig derart um den Verstand zu bringen, dass es als Erwachsener zum weihnachtsbesessenen Mörder wird, sei einmal dahingestellt; zumindest ist dies die Ausgangssituation dieses sich parodistisch und schwarzhumorig mit der Figur des Weihnachtsmann auseinandersetzenden Horrorthrillers. Fakt jedenfalls ist, dass misslungene Weihnachtsfeierlichkeiten schon so manchen traumatisiert haben dürften und so hat eben auch Harry nicht mehr alle Kugeln am Baum. Er spielt sich als Ankläger und Richter in einer Person auf und verhängt recht großzügig Todesstrafen. In diesem Ausmaße gegen unartige Kinder vorzugehen, war aber auch Jackson dann anscheinend doch zu krass, so dass Harry lediglich manch den „Geist der Weihnachtsnacht“ verratenden Erwachsenen, beispielsweise seine profitorientierten Chefs, aus dem Leben reißt wie eine Nordmanntanne im Dezember. Dabei behilft sich Jackson einiger weniger, recht mittelprächtiger blutiger Spezialeffekte und fällt ansonsten dadurch auf, der munteren Sause immer wieder jegliches Tempo zu nehmen, einzelne Szenen zu sehr auszudehnen und nicht vertuschen zu können, dass unter seiner Regie „Teuflische Weihnachten“ lediglich Kurzfilmpotential gehabt hätte. Erwartungshaltungschürend angerissene Handlungselemente werden einfach fallen gelassen, manch Pointe vertan (die Reaktion des „bösen“ Kinds Moss auf sein „Geschenk“ hätte man schon gern gesehen) und dennoch der Film etwas arg langatmig erzählt.

Dafür setzt man konsequent auf einen hauptsächlich aus Weihnachtsliedern bestehenden Soundtrack, fand passable Darsteller, die die nötige Mischung aus ernsten Mienen und leicht ironisierendem Overacting beherrschen und rückt das bunte Weihnachtstreiben in ansprechenden Kulissen in den kitschigen Schein der Lichterketten. Und die Schlusspointe ist dann irgendwie herrlich bekloppt. Freunde trashiger, sich selbst nicht sonderlich ernstnehmender Genrekost, die frech an gesellschaftlichen Heiligtümern rüttelt und hübsch geschmacklos mit dem Rentier-Schlitten um die Ecke biegt, werden ihren Spaß mit „Teuflische Weihnachten“ haben, alle anderen packen sich an‘ Kopp oder werden während der einen oder anderen zähen Szene endgültig rausgerissen – von der buckligen Verwandtschaft, vom unzufriedenen Nachwuchs oder dem brennenden Baum. Teuflische Weihnachten...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
S-VHS
Zwei Privatdetektive bekommen ein mysteriöses Video zu sehen. Darauf warnt ein verschwundener Teenager: “Wenn du das Video siehst, musst du sterben.” - Die Mutter engagiert die beiden, um ihr Kind wieder zurückzuholen. Dabei führt sie der Weg in ein scheinbar verlassenes Haus, da sie vermuten, der Junge hätte sich lediglich einen Scherz erlaubt. Doch sie finden nur einen Stapel alter Röhrenfernseher vor, die monoton vor sich hin flimmern, davor liegt ein Stapel VHS-Tapes. Während der männliche Part des Duos das Haus weiter inspiziert, legt die Frau die erste Kassette ein ...
Episoden-Horror geht immer, Found Footage erfreut sich offensichtlich nach wie vor einer gewissen Beliebtheit und ist zudem günstig zu produzieren – warum als nicht dem 2012 veröffentlichten „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ eine Fortsetzung zur Seite stellen? 2013 erschien „S-VHS“ und bedient sich des gleichen Prinzips wie der Vorgänger, indem er Kurzfilme im Stil privater Amateuraufnahmen zu einem Episodenhorrorfilm zusammenfügt. Statt zehn waren diesmal „nur“ noch sieben Regisseure am Werk, produziert wurde neben den USA nun auch in Kanada und Indonesien.

Die von Adam Wingard („You’re Next“) umgesetzte Rahmenhandlung zeigt diesmal zwei Privatdetektive, die von der Mutter eines verschwundenen Studenten beauftragt wurden, diesen zu suchen. Zu diesem Zwecke dringen sie in ein nur scheinbar verlassenes Haus voller VHS-Kassetten und Fernseher ein. Der männliche Detektiv inspiziert das Gebäude, während seine Partnerin sich diverse Aufnahmen ansieht…

Episode 1, „Phase 1 Clinical Trial“, stammt wie die Rahmenhandlung von Adam Wingard, der auch die gleich die Hauptrolle bekleidet, während sich wie schon direkt zu Beginn der Rahmenhandlung eine junge Dame entkleidet. Wingard hat’s mit female nudity, doch eigentlich geht es um ganz allgemeine optische Reize, denn dem von ihm verkörperten jungen Mann wird eine Videochip ins Auge gesetzt, der sein durch einen Unfall verlorenes Augenlicht ersetzen soll. Dieser führt jedoch dazu, dass er Geister sieht und dadurch nicht mehr wirklich Lust auf diesen Chip verspürt. „Phase 1 Clinical Trial“ entpuppt sich als nicht sonderlich origineller, doch stimmiger Auftakt, präzise und kurzweilig inszeniert – gefällt! 7/10

„Blair Witch Project“-Regisseur Eduardo Sánchez und -Produzent Gregg Hale zeichnen für „A Ride in the Park“ verantwortlich: Ein Radfahrer filmt sich selbst bei einem Ausflug an einem sonnigen Tag und bietet dem Film mittels Helm- und Radkamera gleich zwei Perspektiven. Im Wald begegnet er Zombies, wird gebissen und dadurch selbst zu einem Untoten mit Appetit auf Mensch – und hat immer noch seine Helmkamera auf. Das ermöglicht dem Zuschauer eine innovative, distanzlose Point-of-View-Perspektive eines Zombies. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass sich alles am helllichten Tag abspielt. Daraus resultierend sieht man auch eine Menge expliziten Splatter und Gore sowie recht gut gemachte Masken- und Make-up-Arbeiten, Zombies mit Marilyn-Manson-Augen... „A Ride in the Park“ wird sehr blutig, kurzzeitig kommt während des Zombie-Überfalls auf einen Kindergeburtstag (!) gar noch eine dritte Kameraperspektive zum Einsatz und wir lernen so etwas wie einen Borderline-Zombie kennen. Schnörkelloser Kurzfilm der besonderen Art, der vorzüglich unterhält und wortwörtlich neue Perspektiven auf die Zombie-Thematik bietet. 7,5/10

Wohlgemerkt: Die zweite Episode war von den „Blair Witch“-Machern. Timo Tjahjanto („Macabre“) und Gareth Huw Evans („The Raid“) gingen jedoch offensichtlich in die „Blair Witch“-Schule und drehten mit mehreren Handkameras „Safe Haven“, die dritte Episode, in der eine ostasiatische Sekte zum Dreh eines Dokumentarfilms besucht wird. Und da geht’s dann aber mal so richtig rund: Der Laden entpuppt sich als Selbstmordsekte, die nicht gewillt ist, das Kamerateam wieder gehen zu lassen. Auch hier wird’s sehr blutig, derbe Szenen von Kopfschüssen treten an, den Zuschauer in beklemmender, apokalyptischer Atmosphäre zu verstören. Doch damit noch lange nicht genug: Ein Mann explodiert einfach, fiese Mutanten brüten in ekligen Bildern vor sich hin, Menschen werden zombifiziert, Monster bitten zum Tanz – hier ist einfach alles drin, inkl. unzweideutiger „Blair Witch Project“-Referenzen. Zwischenzeitlich behilft man sich mit Überwachungskamerabildern, so dass dem Zuschauer auch ja nichts entgeht. Superdick aufgetragen, aber auch supergut inszeniert und in rasantem Tempo umgesetzt – hat definitiv Langfilm-Potential und ist der klare Gewinner dieser Anthologie! (Dass es sich strenggenommen nicht um private Amateuraufnahmen handelt – geschenkt...) 8,5/10

„Slumber Party Alien Abduction“ von Jason Eisener („Hobo With a Shotgun“) fällt dagegen erwartungsgemäß ab: Zwei Jugendliche filmen sich zunächst beim Spielen mit Hund und Freunden, später, wie sie Streiche spielen und dann irgendwann, wie Außerirdische zwecks Entführung vorbeischauen. Hier versuchte man am deutlichsten, eine altbekannte Idee durch den Found-Footage-Stil aufzupeppen. Die schemenhaften Bilder humanoider, fein- und langgliedriger Wesen sind zwar durchaus gruselig ausgefallen, doch bei näherer Betrachtung sehen sie dann doch sehr nach Masken aus, womit Eisener Gefahr läuft, seinen quasi einzigen Effekt zu untergraben. Unterhaltsam und kurzweilig, aber nichts Besonderes oder gar Erinnerungswürdiges. 6/10

Die eigentliche Pointe bleibt indes der Rahmenhandlung vorbehalten. Doch beim krassen Suizidversuch-Ende wollte man nicht belassen und verfällt in Zombie-Allerlei, das zwar ein großes Fragezeichen ins Gesicht des Zuschauers meißelt, aber zumindest „gut“ aussieht. Interessanter ist, wie man die analoge, mittlerweile antiquierte VHS-Technik mit der Moderne zu kombinieren versucht und Videos auf dem PC zeigt, in Zeiten von HD-Kameras in Mobiltelefonen folgerichtig „nebenbeigefilmte“ Digitalaufnahmen zum Ausgangspunkt nimmt, jedoch keine wirklich befriedigende Antwort parat hat, weshalb solche heutzutage unnötig kompliziert auf VHS-Kassetten „analogisiert“ werden sollten. Ja, spätestens wenn man das Gesehene noch einmal Revue passieren lässt, wirkt die Rahmenhandlung doch wenig Sinn ergebend und bemüht konstruiert, letztlich redundant. Der Titelsong „6 Different Ways to Die“ der australischen Post-Punk-Band „The Death Set“ kann sich übrigens hören lassen und passt zum teils doch durch seine erfrischende Radikalität und Exploitativität positiv auffallenden zweiten Teil der Reihe, der jedoch auf den Neugierde- und Überraschungseffekt des Vorgängers verzichten und unterm Strich ein paar Federn lassen musste.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Silent Night, Deadly Night
Billy (Robert Brian Wilson), wird als kleiner Junge Zeuge, wie seine Eltern von einem als Weihnachtsmann verkleideten Killer, auf bestialische Weise niedergemetzelt werden. Billy und sein jüngerer Bruder Ricky kommen in ein Weisenhaus. Dort wird Billy aufs Gröbste misshandelt. 13 Jahre später ist er zu einem hilfsbereiten jungen Mann herangewachsen, er nimmt einen Job in einem Spielzeugladen an. Als es erneut Heiligabend wird, soll er als Weihnachtsmann verkleidet, Kindern Freude bereiten. Allmählich kehrt das schreckliche Kindheitstrauma wieder zurück und er verfällt dem Wahnsinn. Doch jetzt ist er der Killer im Weihnachtsmann-Kostüm...
„Der Weihnachtsabend ist der furchterregendste Abend des Jahres!“

Eine von anscheinend nur vier Arbeiten des US-Regisseurs Charles E. Sellier Jr. („City Commando“) ist ausgerechnet der berüchtigte Weihnachts-Slasher „Silent Night, Deadly Night“ aus dem Jahre 1984.

Der kleine Billy (Robert Brian Wilson) muss mitansehen, wie seine Eltern von einem als Weihnachtsmann verkleideten Mörder brutal ums Leben gebracht werden. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Ricky wächst er daraufhin in einem katholischen Waisenhaus auf, wo die Mutter Oberin (großartig: Lilyan Chauvin, „Predator 2“) ihn triezt und misshandelt. Als junger Erwachsener hat er eine scheinbar normale Entwicklung genommen und steht in einem Spielzeuggeschäft in Lohn und Brot. Als Weihnachten naht, soll er jedoch für die Kinder den Santa Claus spielen – woraufhin sein Kindheitstrauma durchbricht und er mit einer Axt bewaffnet Jagd auf diejenigen macht, die naughty statt nice waren…

Wie vorausgegangene Weihnachts-Horrorfilme à la „Blutnacht – Das Haus des Todes“ oder „Teuflische Weihnachten“ beginnt auch „Silent Night, Deadly Night“ mit einer Rückblende, und zwar zum Weihnachtsabend 1971, an dem durch die Ermordung seiner Eltern Billys Welt zusammenbrach. Eine weitere Rückblende zeigt die Ereignisse im Waisenhaus im Dezember 1974: Es kommt zu freizügigen Sexszenen, die prompt von der Mutter Oberin bestraft werden. Auch Billy wird von ihr mit einem Ledergürtel gezüchtigt. Unverblümt werden Kindesmisshandlungen im Namen Gottes und der katholischen, äh, „Pädagogik“ auf den Bildschirm gebracht. Dass der verängstigte Billy einem Weihnachtsmann einen Kinnhaken verpasst, erscheint dagegen harmlos und verständlich – „Silent Night, Deadly Night“ behandelt auch, wie man Kindern zweifelsohne zu viel Angst vorm Weihnachtsmann machen kann, in dessen Charakterisierung ja schon immer eine autoritäre Note mitschwang.

Angekommen in der Gegenwart des Jahres 1984 wird bald deutlich, dass Billy ein schweres Trauma erlitt und auch als Erwachsener noch Angst vorm Weihnachtsmann hat. Als sein Chef von ihm verlangt, selbst den Weihnachtsmann zu spielen, nimmt die eigentliche Slasher-Sause ihren Anfang und Billy mordet sich mit seiner Axt bewaffnet durch die Szenerie. Auf ein Whodunit? verzichtet man komplett, „Silent Night, Deadly Night“ wird flott und absolut stringent erzählt. Dabei fährt man einen plakativen/exploitativen Angriff auf religiös infiltrierte, erzkonservative Moralvorstellungen und heuchlerische Festtagsidylle auf äußerst makabre Weise und geizt auch nicht mit nackten Tatsachen. Einer der fraglosen Höhepunkte des blutigen Treibens ist sicherlich die Szene, in der die barbusige Hot-Pants-Trägerin und Scream Queen Linnea Quigley („Return of the Living Dead“) auf ein Hirschgeweih gespießt wird. Falsche Weihnachtsmänner werden erschossen damit gleich weitere Traumata ausgelöst. Das Winterwunderland lodert lichterloh.

Der Skandal um den auch formvollendet mit einem saisonal-feierlich anmutenden Soundtrack mit Glockenspiel und weiterer üblich verdächtiger Instrumentierung versehenen und für derartige Low-Budget-Genrekost prima geschauspielerten Film ließ nicht lange auf sich warten; Klerus, Moralisten und weitere unheilige Konsorten liefen Sturm und „Silent Night, Deadly Night“ wurde aus den Lichtspielhäusern genommen – avancierte im Heimkino aber zurecht zum Kult.

„Nun kann euch nichts mehr geschehen – der Weihnachtsmann ist tot!“
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Jack Frost 2 – Die Rache des Killerschneemanns
Der Polizist Sam Tiler (Christopher Allport), der nach dem ersten Zusammentreffen mit Jack dem Killerschneemann auch ein Jahr später immer noch traumatisiert ist, will dieses Jahr zu Weihnachten mit seiner Frau Anne (Eileen Seeley) auf eine kleine, tropische Insel fliegen, auf der auch ihr Freund Joe (Chip Heller) heiraten möchte. Doch alles kommt anders als erwartet: statt Sonne und Strand gibt es Schneemann und Eis. Durch einen unglücklichen Zufall wird Jack nämlich erneut zum Leben erweckt und macht sich ebenfalls auf zur Insel. Nach seiner Ankunft stapeln sich dort bald die Leichen und Sam beginnt, langsam zu bemerken, mit wem sie es hier zu tun haben. Also schnappen er und seine Freunde sich das Frostschutzmittel und stellen sich dem Kampf gegen den Schneemann...
„Wer bist du?“ - „Der Winter!“

Nach der freiwilligen US-Trash-Lawine „Jack Frost“ um den gleichnamigen Killerschneemann aus dem Jahre 1996, der Michael Cooneys Regiedebüt darstellte, schickte dieser vier Jahre später eine Fortsetzung auf die Schneepiste: „Jack Frost 2 – Die Rache des Killerschneemanns“ möchte die coolste Fortsetzung des Horror-Trashs sein.

Sheriff Sam Tiler (Christopher Allport, „Leben und Sterben in L.A.“) hat immer noch schwer an seiner Konfrontation mit Killerschneemann Jack Frost zu knabbern und flüchtet zur Weihnachtszeit kurzerhand mit seiner Frau Anne (Eileen Seeley, „Batman Forever“) vor Eis und Schnee auf eine tropische Urlaubsinsel, unter anderem auch, um der Hochzeit seines Kumpels Joe (Chip Heller, „Die Windel-Gang“) beizuwohnen. Doch durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gelangen Jack Frosts Reste auf die Insel, wo er sich langsam aber stetig regeneriert, bis er wieder in voller Pracht erstrahlt, das Sonnenparadies in eine Schneehölle verwandelt und Sam sowie allen, die ihm im Wege sind, nach dem Leben trachtet. Werden Sam und seine Freunde genügend Frostschutzmittel auftreiben können, bevor es für alle zu spät ist?

Zunächst einmal berichtet Sam in blumigen Worten von den Untaten Jack Frosts, was vor allem dazu dient, diejenigen wieder ins Boot zu holen, die den ersten Teil noch nicht kennen oder sich nicht mehr an ihn erinnern. Derweil erwacht der in Frostschutzmittel aufgelöste und vergrabene Jack Frost nach Experimenten in einem Labor wieder zum Leben. Seine Wiederkörperwerdung jedoch erweist sich als kompliziert: In flüssiger Form gelangt er durch den Abfluss ins offene Meer, wo er zumindest schon einmal seine Möhrennase wiederbekommt. Dennoch weiterhin in flüssigem Aggregatzustand, strandet er auf besagter Insel, wird schließlich als Eiswürfel über die Nippel eines weiblichen Fotomodells gerieben und anschließend in dessen Mund zerkaut. Der Zuschauer kann dabei Jacks Gedanken aus dem Off lauschen. Im Anschluss wird’s splatterig, wenn auch eher simpel getrickst. Jack Frost entpuppt sich als Sprücheklopfer, seine menschlichen Opfer und Gegenspieler liefern sich grenzdebile Dialoge und nachdem Cooney ca. in der Hälfte des Films eine splitternackte Frau beim Baden zeigt und damit Fan-Support für das mutmaßlich vorrangig männliche Publikum leistet, ist Jack endlich wieder ein ganzer Schneemann und vereist erst einmal alles und jeden. Die Inselbewohner und -besucher zeigen sich überrascht ob des plötzlichen Wintereinbruchs, jedoch noch überraschter angesichts herausgerissener angefrorener Zungen und eines mit Schneebällen und Eiszapfen tödlich schießenden Schneemanns! Viele dieser Spezialeffekte versuchen gar nicht erst, realistisch auszusehen, einige entstanden leider am Computer. Mit Wasserpistolen und Frostschutzmitteln versucht man nun, sich Jack Frosts zu erwehren, doch „Jack Frost 2“ schüttelt erst noch seinen größten Trumpf aus dem Ärmel: Frost hat seinen Nachwuchs dabei, bissige kleine Schneebälle (!) fallen in „Critters“-Manier über die Insel her!

Die von vornherein natürlich völlig absurde, doch liebevoll konstruierte Handlung wird derweil immer absurder, Stichwort: Bananenallergie, und der Action- und Blut-Anteil in die Höhe geschraubt. Neben der wunderbaren Idee bzgl. Frosts Stammhalter ist die wesentliche Neuerung dieser Fortsetzung, dass man auf den Ernst des Vorgängers weitestgehend verzichtete und den Film damit seines besonderen Stils und Charmes beraubte. Denn während Teil 1 bereits ein freiwilliger Vertreter des Trashs war, seine Schauspieler jedoch mit bitterernster Miene gegen einen wandelnden Schneehaufen antreten ließ, gibt sich „Jack Frost 2“ einen übertrieben albernen komödiantischen Anstrich, so dass seine Darsteller zwischen nervigem Overacting und – immer noch lustig, aber stilistisch inkohärent – tödlichem Ernst agieren. So bleibt in jedem Falle ein immer noch origineller Ausflug ins Winterwunderland Absurdistans, der mit albernem Holzhammer-Humor jedoch den Kultfaktor des Vorgängers untergräbt und bisweilen eben deshalb auch schon einmal mehr nervt als belustigt. Dank der Vielzahl an unvorhergesehenen Momenten, in denen man sich als Zuschauer freudig erregt statt peinlich berührt an die Rübe packt, ist „Jack Frost 2“ nichtsdestotrotz meines Erachtens noch immer ein überdurchschnittlicher Spaß für Freunde des besonders groben Unfugs.

P.S.: Hauptdarsteller Christopher Allport starb 2008, als er von einer Lawine erfasst wurde. Das lasse ich jetzt einfach mal so im Raume stehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 41265
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Bild
Serial Mom
Beverly Sutphin (Kathleen Turner) ist das mütterliche Zentrum einer typisch cleanen amerikanischen Durchschnittsfamilie. Dumm nur, daß sie es nicht zuläßt, daß irgendwelche schmutzigen, böswilligen und sinistren Umtriebe das heile Familienbild beschmutzen. Dann greift Beverly zum Messer und schlachtet die Bedroher der Idylle gnadenlos ab. Doch als die Leichenzahl in der Nachbarschaft über das übliche Maß steigt, kommt ihr die Polizei auf die Fersen...
„Unsere Mutter ist Charles Manson!“

Das gern die vermeintliche heile Welt selbstzufriedener Durchschnitts-US-Amerikaner filmisch auseinandernehmende Regie-Enfant-Terrible John Waters („Pink Flamingos“) erschuf mit dem im Jahre 1993 veröffentlichten Spielfilm „Serial Mom“ eine plakative Parodie auf die Doppelmoral „himmlischer“ Familien.

„Meint ihr, ich brauche einen Anwalt?“ - „Du brauchst einen Agenten!“

Bevery Sutphin (Kathleen Turner, „Der Rosenkrieg“) ist nach außen hin das weibliche Familienoberhaupt einer sauberen Vorzeigefamilie. Doch ist sie so sehr auf die Aufrechterhaltung dieses Bilds bedacht, dass sie rigoros gegen alle vorgeht, die die Familienidylle gefährden. Sie wird zur brutalen und skrupellosen Serienmörderin. Als ihr die Polizei auf die Schliche kommt, überschlagen sich die Ereignisse.

„Das ist der schlechte Einfluss dieser Familienfilme!“

„Serial Mom“ dürfte einer der zugänglichsten Filme John Waters sein, denn er erzählt seine übersichtliche Geschichte temporeich und stringent. Dabei hat diese es inhaltlich durchaus in sich: Eine erstklassig aufspielende Kathleen Turner mimt die jegliche Kritik an ihrer Familie abstrafende Übermutter überaus eindringlich; genial ihr kritischer Blick, der meist einen weiteren Mord einleitet. Diese fallen nicht gerade blutarm, dafür mitunter richtiggehend splatterig aus. Zudem wirft Waters mit zahlreichen Filmzitaten um sich, wenn er den einen Sohn auf Fleischfilme, den anderen aber auf Horror stehen und Genre-Beiträge wie „Blood Feast“, „The Texas Chainsaw Massacre“ oder auch „Die Zwangsjacke“ (darüber habe ich mich – wie über alles, was die Erinnerung an William Castle aufrecht erhält – besonders gefreut) gucken lässt, die in Form von Ausschnitten ihren Weg in „Serial Mom“ fanden. Zudem dreht Waters die pseudopädagogische und moralistische Kritik an solchen Streifen kurzerhand um, indem er sie einen schlechten Einfluss auf die Mutter statt des Sohns ausüben lässt. Die marktwirtschaftliche Verwertung realer Serienmörder wird ebenfalls aufs Korn genommen, wenn man ein einträchtiges Geschäft mit Bevery wittert.

Formal-stilistisch präsentiert sich „Serial Mom“ in erwartet bunter Pittoresk-Optik, Einblendungen von Datum und Uhrzeit sollen einen dokumentarischen Charakter verleihen (bzw. diesen verulken, denn natürlich basiert auch „Serial Mom“ auf „wahren Begebenheiten“) und ein klassischer orchestraler Soundtrack begleitet die Sause, bis er von der ausschließlich aus Mädels bestehenden Punkband L7 abgelöst wird, an deren Song „Gas Chamber“ John Waters gleich mitschrieb. Eine gelungene Gesellschaftssatire in Form einer rabenschwarzen Thriller-Komödie – da geb' ich 8 von 10 Fabergé-Eiern!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Antworten