bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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buxtebrawler
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Das Messer am Ufer
Eine Kleinstadt in Oregon. Mit schnellem Sex, Alkohol und Dope versuchen Samson und seine Freunde Matt und Layne Abwechslung in ihr trostloses Leben zu bringen. Als Samson scheinbar grundlos seine Freundin tötet, halten es die Kids für ihre Pflicht, ihn vor dem elektrischen Stuhl zu bewahren. Sie beseitigen die Leiche und verstecken den Täter bei Feck (Dennis Hopper), einem kaputten Ex-Rocker, der in einer heruntergekommenen Villa haust. Eines Abends gehen Feck und Samson zum Ort des Verbrechens. Quelle: Ascot Video Covertext
„Ich hab’ ’ne eigene Theorie entwickelt: Man baut Scheiße – ok, es ist geschehen – und dann stirbt man... Hast du noch’n Bier für mich?“

Das Drama „Das Messer am Ufer“ von US-Regisseur Tim Hunter zeichnet ein Bild einer emotional verkümmerten Kleinstadtjugend, die dem Mord an einer ihrer Freundinnen – begangen aus den eigenen Reihen! – mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenübersteht, und zwar sowohl seitens des Täters als auch der gemeinsamen Freunde. Einer Gleichgültigkeit, die sich bis zu diesem Zeitpunkt durch ihr ganzes Leben zu ziehen scheint, das in angespannten familiären Verhältnissen und einem tristen, freudlosen Umfeld lediglich mit Alkohol, Drogen und Thrash Metal erträglich wird. Die Polizei zu rufen, ist lange Zeit keine Option, der von Layne vehement eingeforderte Zusammenhalt aber auch nicht so wirklich, so dass man der Situation recht ratlos gegenübersteht. Schließlich kommt man auf die Idee, den Täter „Samson“ bei einem durchgeknallten, sich ebenfalls wegen Mordes vor der Polizei versteckenden, einbeinigen Ex-Biker und Drogendealer unterzubringen… Dieser nennt sich Feck und wird von niemand Geringerem als Dennis Hopper verkörpert. Feck öffnet grundsätzlich nur mit Pistole im Anschlag die Tür und führt eine tiefgehende Beziehung zu einer Gummipuppe. Hopper mimt diesen schrägen Charakter grandios. Allein schon für diese Performance lohnt sich das Anschauen dieses Films, der für seine Entstehungszeit Mitte der 1980er recht ungewöhnlicher Natur ist. Eine Jugend, die sich mit ihrer Situation anscheinend abgefunden und irgendwie arrangiert hat, ohne die große Rebellion zu verspüren oder sich selbst zu reflektieren und in ihrem eigenen Moloch vor sich hinvegetiert. Dabei bedient sich der Film eher leiserer Töne, übertriebenes „White Trash“-Gepöbel bleibt ebenso aus wie andere Klischees, so dass man sich als Zuschauer den geistigen und moralischen Zustand der Clique erst nach und nach vergegenwärtigt. Das führt zu einem gewissen Realismus, der sich durch die Hintertür einschleicht und behutsam, aber konsequent seine unheilvolle Wirkung entfacht. Dazu bei trägt die besondere Atmosphäre des Films, die sich malerischer, jahreszeitbedingt sonniger Bilder bedient, die eine trügerische Idylle schaffen. Gleichzeitig erkennt man dadurch all die ungenutzten Möglichkeit der Jugendlichen, die Unfähigkeit, aus ihrer Situation das Beste zu machen und zu versuchen, z.B. einen netten Sommer miteinander zu verbringen. Unterbrochen und abgeschwächt wird dieser Effekt leider regelmäßig durch Crispin Glover, dessen Rolle als Layne zu meinem Unverständnis komödiantisch ausgelegt wurde und der sich daher in Overacting ergibt. Ansonsten ist aber, was die glaubwürdigen Rollen und ihre sie ausfüllenden Schauspieler mit u.a. dem junge Keanu Reeves, Ione Skye und Daniel Roebuck betrifft, alles im grünen Bereich. Besonders Roebuck als gefühlskalter Mörder gefällt mir in der Entwicklung, die er im Laufe der Handlung vom schweigsamen, bemitleidenswerten Fettklops zur wahnsinnigen Nervensäge, die man spätestens dann am liebsten verprügeln würde, offenbart. Die Dialoge zwischen ihm und Feck, am Flussufer sitzend, sind überaus gelungen; diese Momente zählen sicherlich zu den stärksten des Films. Etwas Hoffnung, den emotionalen Zustand zumindest zweier Protagonisten betreffend, flammt im Rahmen einer kleinen, eingeschobenen Romanze auf, durch die sich Matt und seine Freundin weiterzuentwickeln scheinen. Schöne Gossenromantik, die womöglich Erinnerungen an die eigene nicht ganz geradlinige Jugend aufkommen lässt. Was die Handlung betrifft, die durchaus die eine oder andere Überraschung parat hat und allein schon durch ihre Absurdität den ungläubigen Zuschauer fesselt, möchte ich nicht mehr verraten. Letztlich scheint es sich um einen Film zu handeln, der bestimmt intensiver gestaltet hätte werden können und dessen humoristische Einlagen mir etwas zuviel des Guten sind, der aber trotzdem auf relativ subtile Weise eine gewisse Nachhaltigkeit beim Zuschauer erzielt.

Ich möchte nur hoffen, dass die durch T-Shirts und Musik aus dem Autoradio (Slayer) ausgedrückten musikalischen Vorlieben der Jungs nicht als Symptom für die „Verkommenheit“ der Jugend herhalten sollten...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Malastrana
Ein amerikanischer Journalist (Jean Sorel) liegt im Todesschlaf, er kann noch denken, lebt aber weder, noch ist er richtig tot. In seinen Gedanken versucht er zu rekonstruieren wie es soweit kam. Er kam mit seiner Freundin (Barbara Bach) nach Prag. Nach wenigen Tagen jedoch verschwandt sie plötzlich spurlos. Mit einem Freund (Mario Adorf) machte er sich auf die Suche nach ihr und stiess dabei auf einen seltsamen Zirkel...
Viel zu lange hatte ich die Auseinandersetzung mit diesem Film gescheut und ich weiß im Nachhinein gar nicht mehr, warum. Vielleicht war es der Umstand, dass die Zuordnung zum Horror-Genre weitestgehend vermieden wird, mein Hauptinteresse aber eben jenem gilt? Wie dem auch sei, besser spät als nie habe ich das Regiedebüt (!) des Italieners Aldo Lados kennen und schätzen gelernt und würde es locker zu den zehn besten Phantastik-Italos überhaupt zählen. „Malastrana“ ist ein unheimlich intensiver, subtiler Psycho-/Horror-/Mystery-Thriller aus dem Jahre 1971, dessen Hauptinspirationsquelle die guten alten Paranoia-Flicks aus den 1950ern und 1960ern gewesen sein dürften, als außerirdische Invasoren die „freie“ Gesellschaft zu unterwandern und –jochen suchten.

Doch zunächst einmal ist „Malastrana“ eigentlich eine ganz wunderbare Liebeserklärung an die „goldene Stadt“ Prag und ihre Kultur. In zum Teil wunderschönen, malerischen Bildkompositionen und untermalt von einem grandiosen, häufig träumerisch-melancholischen Soundtrack Ennio Morricones verneigt sich Lado vor der Stadt mit all ihren historischen Gebäuden und zeigt anhand der Rolle des US-amerikanischen Journalisten Gregory Moore (Jean Sorel) und dessen einheimischer, junger Freundin Mira (Barbara Bach) Lebensart, -freude und Genuss vor jener beeindruckenden Kulisse. Ummittelbar stellt sich ein beträchtlicher Wohlfühlfaktor beim Zuschauer ein, der dabei fast vergisst, dass all dies eigentlich Rückblenden aus der Erinnerung des totgeglaubten, aber in einer Art Wachkoma liegenden Moore sind, der die letzten Tage geistig Revue passieren lässt.

Mit dem Verschwinden von Mira schafft es Lado, die entspannte, wohlig-warme Atmosphäre meisterlich ins bedrohliche Gegenteil umzuwandeln, in eine ohnmächtige, paranoide Stimmung angesichts einer ungreifbaren Gefahr, einer undurchsichtigen Verschwörung, der man hilflos gegenübersteht. Wie für das Entstehungsjahrzehnt üblich, ist das Erzähltempo relativ unhektischer Natur, man bietet dem Zuschauer Zeit, sich langsam einspinnen zu lassen und mit einer leicht surrealen Filmwelt zu verschmelzen, statt permanent hyperaktiv um seine Aufmerksamkeit zu buhlen.

Jean Sorel spielt seine Hauptrolle dabei grundsolide, bekam es aber auch nicht mit einem allzu facettenreichen Charakter zu tun. Dies unterstreicht allerdings seine Unbedarftheit, mit der er in seine Situation gerät; er bekommt zunehmend Profil, je mehr er Neugierde und Kampfgeist entwickelt und den ursprünglichen, bisweilen dandyhaften Lebemann-Charakter hinter sich lässt bzw. lassen muss. Barbara Bach spielt die die zuckersüße, attraktive Mira souverän und glaubwürdig und zeichnet für die sparsame Prise Erotik verantwortlich. Zur Seite steht Moore außerdem Ingrid Thulin als alternde, etwas biestige Ex-Freundin Jessica, die charakterlich sozusagen die weibliche Antithese Miras darstellt. Eine weitere größere Nebenrolle wurde mit Mario Adorf besetzt, der einen Freund und Unterstützer Moores darstellt und durch eine gewohnt memorable Leistung dem Film zusätzliche Würze verleiht.

Doch zurück zur Handlung: Metapher- und symbolreich, in erster Linie in Form von Schmetterlingen, kommt Moore im weiteren Verlauf der Handlung einem unheilvollen Geheimbund auf die Schliche, über den ich jetzt nicht alles herausspoilern möchte. Menschen, die über eine gewisse Bildung hinsichtlich der jüngeren Geschichte des sog. „Ostblocks“ im Allgemeinen und der CSSR im Speziellen verfügen, werden unschwer die Allegorie zum „Prager Frühling“ erkennen, als der Warschauer Pakt eine starke Drohkulisse auffuhr und 1968 erfolgreich Reformen des totalitär ausgerichteten Sozialismus-Versuchs verhinderte und so ein Gefühl grenzenloser Ohnmacht, Resignation und Verzweiflung vermutlich insbesondere bei der Jugend zurückließ.

Besonders schön ist aber, dass sich diese Allegorie problemlos auf jede andere Herrschaftsform, bei denen eine elitäre Kaste die Fäden in der Hand hält und auf ihrer Macht beharrt, übertragen lässt und „Malastrana“ sogar gänzlich ohne diese Art der Interpretation funktioniert, insbesondere mit seinem wahrlich schockierenden Ende, in sich logisch wirkt und nachhaltig inspirieren wie faszinieren dürfte. Dabei hatte man es zu keinem Zeitpunkt nötig, Effekthascherei zu betreiben und auf Blut und Innereien oder schmuddeligen Sleaze zu setzen. „Malastrana“ ist ein weitestgehend eigenständiges Kunstwerk, das sich so ein bisschen zwischen den Genres bewegt und mit berüchtigten italienischen Exploitation-Produktionen nicht viel zu tun hat. Und dank dem ich endlich weiß, dass auch Tomaten Schmerzen empfinden... Unbedingte Empfehlung, insbesondere für Freunde des angenehmen Erzähltempos der glorreichen 1970er, einem Jahrzehnt des innovativen bis experimentellen Horrors.
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RoboCop
Der junge Polizist Murphy wird während einer Verfolgungsjagd von Gangstern auf brutalste Art und Weise hingerichtet. Von allen für tot gehalten, gelingt es Spezialisten des Großkonzerns OCP, Murphy am Leben zu erhalten und mittels modernster Cyber-Technologie in eine beinahe unbesiegbare Kampfmaschine zu verwandeln. Von diesem Zeitpunkt an sorgt Robocop für Recht und Ordnung und die Verbrechensrate sinkt rapide. Doch man treibt ein falsches Spiel mit Murphy, der mit Hilfe seines Ex-Partners versucht, seine eigentliche Identität wiederzufinden...
„Gewehre, Kanonen, Knarren!“

Paul Verhoevens („Total Recall – Die totale Erinnerung“, „Starship Troopers“) Big-Budget-US-Produktion „RoboCop“ aus dem Jahre 1987 ging mir als Kiddie, das sich Anfang der 1990er ein ordentliches Pensum an Actiongülle gab, irgendwie durch die Lappen und wurde von mir später, als mein präpubertäres Interesse an solchem Unfug längst überwunden war, fälschlicherweise dazu gezählt. Ein großer Irrtum, denn „RoboCop“ ist eine sarkastische Satire auf den US-amerikanischen Kapitalismus im dystopischen Sci-Fi-Action-Gewand und äußert überspitzt Kritik an der Allmacht von großen Konzernen, Korruption und Privatisierung staatlicher Aufgaben – in diesem Falle der Polizei. Allerdings handelt es sich mitnichten um eine Schenkelklopfer-Komödie, sondern – einigen tatsächlich komödiantischen Momentan zum Trotz – um ziemlich harte Actionkost inkl. ausgiebigen, blutigsten Erschießungen, Abtrennungen von Gliedmaßen etc., zumindest im ungeschnittenen Director’s Cut, den man insbesondere verstümmelten TV-Ausstrahlungen unbedingt vorziehen sollte, machen diese Szenen doch einen großen Teil des Unterhaltungsfaktors in einer ansonsten vermutlich bewusst als Stilelement eingesetzten, sehr glatten, blankpolierten Ausstattung aus. Ein weiterer Aspekt ist der der zunehmenden Technisierung der Gesellschaft: so wurde „RoboCop“ darauf programmiert, keine Irrtümer begehen zu können und ausschließlich das Gesetz zu vertreten. Dass es eine so einfache, maschinelle Unterscheidung in Gut und Böse nicht geben kann, die eine solche Programmierung ermöglichen würde, wird an dieser Stelle auch dem naivsten „Rambo 2“- und „Delta Force“-Konsumenten klar. Da es jedoch nicht gelungen ist, dem ehemals menschlichen, von Peter Weller verkörperten RoboCop sämtliche Erinnerungen und Gefühlsregungen auszulöschen, entwickelt sich der Modellversuch in eine andere Richtung als vom OCP-Konzern gewünscht…

Das Vertreten von zu Zeiten des Kalten Krieges in den USA sicherlich unpopulären Gedankenguts, sehr schwungvoll und leicht konsumierbar inszeniert und technisch absolut auf der Höhe der Zeit, wenn nicht sogar fortschrittlich, ergibt intelligentes Popcorn-Kino, dessen Botschaft ich aber keinesfalls als „versteckt“ oder „subtil“ bezeichnen würde, m.E. wäre „plakativ“ der treffendere Begriff. Wer jedoch den x-ten „Ein-Mann-Armee im-Kampf-für-das-Gute“-Selbstjustiz-Streifen erwartet hat, mag evtl. so empfunden haben.

Neben der grafisch expliziten Gewaltdarstellung sind es besonders die Spezialeffekte im Zusammenhang mit RoboCops Erscheinungsbild und dem Polizeiroboter „ED-209“, die das Auge des Betrachters erfreuen. Im Zeitalter nerviger, kalter CGI sind liebevoll umgesetzte Stop-Motion-Animationen eine willkommene Abwechslung. Das Tragen des Kostüms, das aus Peter Weller eine Art Cyborg bzw. ein Mensch/Maschine-Hybridwesen macht, soll mit großen Anstrengungen für den Schauspieler verbunden und ausschlaggebend dafür gewesen sein, keinen Muskelprotz à la Schwarzenegger für die Rolle zu besetzen, der aus „RoboCop“ einen plumpen Kampfklotz gemacht hätte. Von seiner futuristischen Wirkung jedenfalls hat es nichts eingebüßt und Peter Weller erfüllt seinen Part tadellos. Sein Gegenpart findet sich in Kurtwood Smith („Durchgeknallt“, „Die wilden Siebziger“), der den fiesen Clarence Boddicker, dessen Männer Murphy zu töten versuchten, spielt und sein unscheinbares Äußeres mit exorbitanter Kaltblütigkeit kompensiert. Nancy Allen („Das letzte Kommando“, „Carrie“) heftet sich als Officer Anne Lewis an RoboCops Seite und erfüllt die Rolle der toughen und doch sensiblen, einfühlsamen Frau akkurat.

„RoboCop“ ist ein in jedem Falle sehenswertes Stück Hollywood, dessen Mischung aus plakativer Satire, grafischer wie zum Teil auch psychischer Härte und komödiantischen Einlagen bestimmt nicht jedermanns Geschmack ist, aber eine willkommene Abweichung vom damaligen Action-Einheitsbrei darstellt. Ich persönlich mag es gemeinhin allerdings etwas stringenter und dafür intensiver. Dennoch, mein Fazit: „Das kauf ich für ’nen Dollar!“
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Jack Frost – Der eiskalte Killer
Jack Frost ist ein Serienkiller. 38 Menschen wurden von ihm kaltblütig ermordet. In seinen Adern fließt Eis statt Blut und anstatt eines Herzens besitzt er nur einen Eiswürfel. Er wird gefasst und zum Tode verurteilt, aber auf dem Weg zu seiner Hinrichtung durch einen tobenden Schneesturm, kommt es zu einem folgenschweren Unfall: Ein mit genetisch behandelten Versuchsproben beladener Lastwagen kollidiert mit dem Polizeitransporter und Jack wird verseucht. Er mutiert zum Killerschneemann, der die Kontrolle über Eis und Schnee hat und macht sich auf die Jagd nach dem Mann, der ihn hinter Gitter gebracht hat. Wer soll das eisige Monster jetzt noch stoppen?
„Um den Erhalt der menschlichen Rasse nach einem globalen Holocaust zu sichern, habe ich eine Säure entwickelt, die eine Verbindung der menschlichen chromosomalen Struktur mit träger Masse eingeht, so dass wir in Zukunft wieder auferstehen könnten. Bei dem Unfall ist irgendetwas schiefgegangen...“

...denn „die Seele ist eine Chemikalie!“ Soweit zur wissenschaftlichen Grundlage. „Jack Frost“, das Mittneunziger-Regiedebüt von US-Regisseur Michael Cooney, der seitdem lediglich mit einer direkten Fortsetzung in Erscheinung getreten ist, zählt zur Gattung des freiwilligen Horror-Trashs, vermied aber interessanterweise das sonst oft übliche permanente Overacting seiner Darsteller, die einem pausenlos entgegenschreien: „Das hier ist Trash! Bitte nicht ernstnehmen!“ Auch der Humor ist eher trockenen Charakters und so könnte diese Slasherparodie um einen zum Schneemann (!) mutierten menschlichen Serienkiller von den Darsteller-Leistungen her im Prinzip auch durchaus ein ernstgemeinter Beitrag zum Genre sein – wäre da nicht eben jener putzige Schneemann, der sich zudem nach Belieben verflüssigen und neu zusammensetzen kann und dem gerne mal spitze Eiszapfen als Zahnersatz aus dem, ähm… Maul ragen. Auf der Suche nach dem Polizisten, der ihn überführt und dadurch seiner (missglückten) Hinrichtung bzw. (geglückten) chemischen Reaktion ausgeliefert hat, meuchelt er sich „eiskalt“ durch – natürlich – eine amerikanische Kleinstadt und geht dabei angenehm kreativ zu Werke. Hierbei ließ man dem Ideenreichtum der Drehbuchautoren offensichtlich freien Lauf, denn immer wieder wird man von abgedrehten Einfällen und Effekten überrascht, die zudem sehr liebevoll und häufig handgemacht, aber natürlich höchst trashig umgesetzt wurden und ebenso wie die ergriffenen Gegenmaßnahmen der Bewohner für abseitigen Spaß der Sonderklasse sorgen. Ein fieses Splatterfeuerwerk wird zwar nicht gezündet, brutal und blutig gestaltet es sich aber trotzdem. So wird der Zuschauer trotz der vollkommen idiotischen Geschichte gut bei der Stange gehalten, größere Längen werden gekonnt umschifft. Die Hauptdarsteller haben wohl in erster Linie in TV-Serien Erfahrungen gesammelt und schaffen es tatsächlich, in den entscheidenden Momenten keine Miene zu verziehen und die ganze Chose mit ernstem Gesichtsausdruck über sich ergehen zu lassen bzw. selbst zu handeln, indem sie entschlossen zum Fön greifen, um Jack auf Abstand zu halten. Apropos Fön: Außerdem hat Shannon Elizabeth („American Pie“) einen ihrer ersten Filmauftritte und darf sich ausgiebig die Haare fönen, bevor sie in die Badewanne steigt… wo Jack Frost nur darauf wartet, die Frisur wieder durcheinander zu bringen. Im letzten Drittel gewinnt der Film stark an Tempo, ein Quasi-Finale reiht sich an das nächste und es wird immer abstruser, doch rechtzeitig, bevor etwaige Ermüdungserscheinungen eintreten könnten, zieht man das letzte As aus dem Ärmel und damit einen Schlussstrich. Ein Besuch in Jack Frosts grausigem Winter Wonderland ist für Trash- und Die-Hard-Slasher-Fans klar zu empfehlen, ansonsten aber sicherlich auch als fieses Weihnachtsgeschenk geeignet. In diesem Sinne: „Iss nie gelben Schnee!“
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Shiver – Die düsteren Schatten der Angst
Der junge Santi (Junio Valverde) leidet an Fotophobie und kann sich nur kurze Zeit in der Sonne aufhalten, da er sonst schmerzhafte Ausschläge bekommt. Da er deshalb stets mit Sonnenbrille und Kapuze zur Schule geht, gilt er als klassischer Außenseiter. Als Santis Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert, beschließt seine Mutter Julia (Mar Sodupe) auf Empfehlung eines Arztes vom sonnigen Barcelona in ein abgelegenes, schattiges Bergdorf in Nordspanien umzuziehen. Auch in der neuen Umgebung wird Santi von den Mitschülern seltsam beäugt. Lediglich die schöne Klassenkameradin Ángela (Blanca Suárez), die die Tochter des örtlichen Polizeichefs ist, zeigt Interesse an dem sonderbaren Neuling und freundet sich mit ihm an. Als Santi und ein anderer Schüler sich auf dem Nachhauseweg durch den Wald befinden, bricht plötzlich irgendetwas Unbekanntes aus dem Unterholz hervor und tötet den anderen Jungen auf grausame Art und Weise. Santi wird von der Polizei verhört und gilt für die Dorfbevölkerung fortan als Hauptverdächtiger. Als es weitere myteriöse Todesfälle und eine Reihe von gerissenen Schafen in der näheren Umgebung gibt, versucht er auf eigene Faust herauszufinden, wer oder was für die brutalen Morde in den Wäldern verantwortlich ist...
Spanien ist immer mal wieder für einen gelungenen Beitrag zum Horror-Genre gut, so auch mit „Shiver“ alias „Eskalofrío“ von Isidro Ortiz („Somniac – Tödliche Träume“) aus dem Jahre 2008. Entgegen sämtlichen Trends ist es ihm geglückt, ein recht innovatives Drehbuch um einen Sonnenallergiker im Halbstarkenalter, der wegen seiner Krankheit zusammen mit seiner Mutter in ein düsteres osteuropäisches Bergdorf zieht, dort mit einer unheimlichen Mordserie konfrontiert wird und sogar selbst in Verdacht gerät, die Morde begangen zu haben, ohne viel Effekthascherei, aber dafür spannend, subtil gruselig und atmosphärisch umzusetzen.

Dass sich furchterregende Kreaturen im dunklen Wald aufhalten und auf ihre Opfer lauern, ist in diesem Falle die menschliche Urangst, derer sich Ortiz für seinen dritten Spielfilm bedient. Verbunden mit dem Außenseiter-Schicksal des Jugendlichen Santis werden Interesse und Neugier beim Zuschauer geweckt, der sich zugleich gut mit dem Hauptdarsteller identifizieren kann, schließlich werden viele die Situation nachempfinden können, sich in jungen Jahren nicht so recht zugehörig zu fühlen. Könnte man anfangs aufgrund der Lichtscheue und spitzen Zähne Santis noch vermuten, es handele sich um einen Film mit Vampirthematik, wird dieser Verdacht schnell beiseite gewischt und man rätselt, ob nicht vielleicht eine Art Werwolf für die gerissenen Schafe und Morde verantwortlich sein könnte. Doch all das sind lediglich Finten, denn die letztendliche Erklärung lässt sich so nicht herbeiahnen und ist ausschlaggebend für das Gefühl, dass man hier tatsächlich einmal versucht hat, etwas außerhalb von durchgekauten Horrorklischees zu etablieren.

Während man also so vor sich hin rätselt, kann man es sich gleichzeitig unter Sofadecke gemütlich machen und den sehr stimmigen Grusel genießen, der durch das Gespür für einerseits malerische, düstere und doch idyllische, andererseits aber bedrohliche, unheilschwangere Landschaftsaufnahmen in Kombination mit der Gewissheit entsteht, dass da etwas Mörderisches im Unterholz unterwegs ist und die bärbeißigen Dorfbewohner Fremdlingen generell sehr skeptisch (um es fast schon euphemistisch auszudrücken) gegenüberstehen. Dieses Etwas gibt sich nach und nach auch immer mehr zu erkennen, bleibt aber dennoch bis zum letzten Drittel wenn auch vielleicht nicht mehr nur lediglich schemenhaft erkennbar, so doch nicht so recht zuzuordnen und insbesondere in den Szenen, in denen es sich dem Schlafgemach Santis nähert, sehr unheimlich. Das letzte Drittel ist dann auch der Punkt, an dem sich der Film, um irgendwann auf selbigen kommen zu können, seiner geheimnisvollen, mystischen Aura etwas entledigen muss, um eine Auflösung mitsamt Hintergrundgeschichte herbeizukonstruieren, die trotz bestimmter realer Vorbilder etwas erzwungen erscheint, wie ich es in letzter Zeit des Öfteren in spanischen Genreproduktionen beobachten konnte. Das findet aber alles noch weit genug außerhalb ärgerlicher Zuschauerverarsche statt und bedeutet lediglich, dass „Shiver“ nun die Atmosphäre und das angenehm langsame Erzähltempo abhanden kommen, an das man sich so schön gewöhnt hatte, der Film so gesehen also von seiner Machart her konventioneller wird. Ich weiß aber gar nicht, inwieweit dieses Wort hier angebracht ist, denn eigentlich besinnt sich „Shiver“ über weite Strecken einfach auf das Wesentliche, das einen guten Horrorgrusler früher einmal ausmachte – nur wirkt das im heutigen Videotheken-Horrorfutter-Fundus fast wie ein Fremdkörper und daher eben schon wieder unkonventionell.

Wer Suspense und stimmige Atmosphäre noch zu schätzen weiß, dürfte mit „Shiver“ richtig liegen. Lediglich die (zumindest auf meiner deutschen DVD gegebene) recht glatte Digitaloptik erschien mir persönliches etwas zu „modern“. Kein Überflieger, aber empfehlenswerte Eurohorrorkost.
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The Band
Die Rockmusikerin Candy Morgan (Amy Cater) hofft auf eine Karriere, die ihr selbstsüchtiger Freund Jimmy Taranto (Jimstar) bereits erreicht hat. Während Jimmy durch die Clubs tourt, legt er jedes willige Groupie flach und gibt sich immer mehr den Exzessen eines Rockstar-Lebens hin. Nachdem er wegen einer Lappalie einen Gig abbricht, trennt sich der Leadsänger von seiner Band „Gutter Filth“ um sich auf eine Solo-Karriere zu konzentrieren. In diesem Zug macht er auch Schluss mit Candy, die daraufhin bei Gutter Filth vorspielt um als neues Bandmitglied Jimmy zu ersetzen. Zunächst wenig begeistert, lässt sich die Band durch Candys optische Reize überzeugen. Schon nach kurzer Zeit entwickelt sich der Besetzungswechsel zum Gewinn und Gutter Filth wird wesentlich erfolgreicher als Jimmy...
„The Band“ von Regisseurin Anna Brownfield ware gern ein australischer “Punkrock-Film”, doch scheint es, als hätten die Akteure noch nie ein Rock-Konzert besucht, geschweige denn ein Instrument in der gehalten, denn der unglaubliche Unrealismus dieser Billigproduktion springt einem geradezu ins Gesicht. Und nicht nur die deutsche Synchronisation verdient diese Bezeichnung eigentlich nicht, auch sämtliche Konzertszenen sind so unglaublich lieblos-unsynchron ausgefallen, dass es der Film zu keiner Sekunde schafft, auch nur halbwegs den Anschein zu erwecken, mehr als belangloser Amateurmüll zu sein. Leider ist auch die Musik größtenteils völlig scheiße und hat nicht mit viel mit dem zu tun, was der geneigte Zuschauer unter Punkrock verstehen dürfte. Die extrem klischeebehaftete Handlung ist völlig uninteressant und dient nahezu ausschließlich als Bindeglied zwischen den Hardcore-Sexszenen mit durchschnittlich attraktiven Darstellerinnen, die in meiner Fassung glücklicherweise fehlten, so dass ich nicht noch mehr wertvolle Lebenszeit verschwendet habe. Eben auf Porno-Niveau agieren auch die No-Name-Darsteller, alles wirkt gestellt, unecht und albern. Fazit: Mieser Billigporno mit viel zu viel „Handlung“. Leider nicht einmal unfreiwillig komisch, sondern einfach nur schlecht.
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Wendekreis des Krebses

„Das hier, das ist kein Film. Das ist Schmähung, Verleumdung, Diffamierung eines Charakters. Eine fortwährende Beleidigung. Ein Maul voll Spucke ins Gesicht der Kunst. Ein Fußtritt für Gott, Menschheit, Schicksal, Zeit, Liebe Schönheit, was man will. Ich werde für euch singen, vielleicht ein bisschen falsch. Aber ich will singen. Ich will singen, während ihr verröchelt. Ich will über eurem schmutzigen Leichnam tanzen!“

Der 1934 veröffentlichte Skandalroman „Wendekreis des Krebses“ von Henry Miller war mehr oder weniger eine lose Aneinanderreihung autobiographischerTagebucheinträge über Millers Zeit in Paris zu Begin der 1930er-Jahre, nicht ganz leicht verdaulich und immer irgendwo zwischen genial und primitiv, intellektuell und triebhaft, lustvoll und deprimierend. Später galt es als Meisterwerk zeitgenössischer Literatur. Nun sollte man einen Film genauso wenig mit einem Buch vergleichen wie Äpfel mit Birnen, doch da vom Roman seinerzeit eine eigenartige Faszination auf mich ausgeübt wurde, interessierte mich natürlich sehr, wie US-Regisseur Joseph Strick die Verfilmung 1971 umgesetzt hat, welchen Weg er einschlug, wie er die skandalträchtigen Inhalte des Buchs auf die Leinwand übertrug.

Wie auch im Roman wechseln sich fatalistische philosophische Gedanken ab mit (daraus resultierend?) gelebtem Nihilismus und Hedonismus in Form eines lasterhaften Lebensstils, der Miller nach einer geplatzten Liebesbeziehung recht ziellos und mitunter auf Kosten Anderer umherirren lässt, immer auf der Suche nach neuen sexuellen Abenteuern. Dabei machte man es sich recht leicht, indem man Millers philosophische Gedankengänge aus dem Off einspielte und originalgetreu aus dem Roman zitierte. Zu sehen bekommt man hingegen Millers mal komisch, mal tragisch wirkenden Erfahrungen, wobei man sich durchaus schlüpfrig, aber natürlich nie so explizit wie im Roman, zeigt und nicht unbedingt mit nackter Haut geizt. Frauen werden dabei gern zu reinen Lustobjekten degradiert und als „Pritschen“ bezeichnet; ein unverhohlen sexistischer Unterton fernab von religiösen oder politisch korrekten Moralvorstellungen begleitet stets die auch im Film fragmentarisch wirkende Handlung, in der Rip Torn einen lausbübischen Henry Miller abgibt, der irgendwo immer ein wenig Geld herbekommt, um seinem rast-, aber auch haltlosen Lebensstil zu fröhnen. Dabei wirkt der Film wesentlich weniger bedrückend als der Roman, denn dort – sofern ich dessen Stimmung noch richtig in Erinnerung habe – schwebte trotz ausgiebiger Schilderungen sexueller Obsessionen doch auch immer eine negative Grundstimmung auch außerhalb philosophischer Ausschweigungen mit, die im Film nicht immer in dieser Stärke deutlich wird. Dennoch handelt es sich keinesfalls um eine Sexklamotte oder einen Sleaze-Reißer; im Mittelpunkt steht der Charakter eines mit sich selbst und der Welt hadernden Freigeistes, der sich gern im Dreck suhlt.

Gut anzusehen ist „Wendekreis des Krebses“ in jedem Fall, er unterhält sicherlich auch ohne, dass sich der Zuschauer Interpretations- oder Abstraktionsversuchen hingibt. Dabei kommt es im Zusammenhang mit dem Pariser Lokal- und Zeitkolorit bei sensiblen Gemütern evtl. zu manch pathosbedingten Gänsehautmomenten, wenn Torns Synchronstimme aus dem Off menschliche Abgründe in eine unheimlich geschickte, ergreifende Wortwahl bettet.

Relativ problemlos lassen sich anhand dieser Geschichte Parallelen zur Gegenwart, gar zum eigenen Dasein entdecken, Millers Thesen von einer verachtenswerten, erdrückenden, bigotten Gesellschaft und seiner eigenen widersprüchlichen Rolle in ihr sind noch immer aktuell und Gegenstand der verschiedensten Kunstformen. Miller dürfte viele von ihnen inspiriert haben.

Ich halte es aber auch durchaus für möglich, dass ich das alles komplett missverstanden habe und/oder mir Henry-Miller-Experten für die positiven Filmbesprechung die Pest an den ungewaschenen Hals wünschen... „Arthouse“-Freunde sowie aufgeschlossene Interessenten von unbekannteren, ungewöhnlichen Filmen sollten ruhig ein Auge riskieren, wenn „Wendekreis des Krebses“ mal irgendwo im TV laufen sollte, vielleicht macht der Film Lust aufs Buch. Eine VHS- oder DVD-Auswertung scheint es nicht zu geben, die mir vorliegende Fassung lief mal im Bezahlfernsehen.

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An dieser Stelle noch einmal ein ganz besonderer Dank an Robby.Poitevin :prost:
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Ganz normal verrückt
Das Leben des verheirateten Schriftstellers Charles Serking ist geprägt vom Verlangen nach Sex und Alkohol. Obwohl er unzählige sexuelle Abenteuer hat, bleibt ihm die Erfüllung verwehrt. Dies scheint sich zu ändern, als er die schöne Prostituierte Cass kennen lernt, die ebenfalls einen Hang zur Selbstzerstörung besitzt. Die zwischen ihnen aufkeimende Liebe scheint einen Ausweg aus beider Verzweiflung zu bieten, doch Serkin beschließt, nach New York zu gehen, wo man ihm einen Job angeboten hat.
„Ganz normal verrückt“ ist eine Adaption des Charles-Bukowski-Romans „Schlechte Verlierer“ („Erections, Ejaculations, Exhibitions and General Tales of Ordinary Madness“); eine italienisch-französische Koproduktion aus dem Jahre 1981, für die der Italiener Marco Ferreri („Die letzte Frau“) die Regie führte.

Charles Bukowski schien von Ferreris Interpretation wenig begeistert. In Unkenntnis der Romanvorlage kann ich keinerlei Vergleiche ziehen, bin also dazu gezwungen, den Film für sich allein zu betrachten – wie man es eigentlich ohnehin mit Literaturverfilmungen tun sollte, denn 1:1-Umsetzungen klappen eigentlich nie und wer Derartiges erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden.

Bukowskis Alter Ego Charles Serkin, um den sich die Handlung dreht, wird sehr überzeugend von Ben Gazzara verkörpert, der mit einem schelmischen Funkeln in den Augen glaubwürdig einen intelligenten und sensiblen, bisweilen frechen und aufmüpfigen, doch selbstzerstörerischen und alkoholkranken Schriftsteller abgibt. Das Elend heruntergekommener Millieus scheint Serkin magisch anzuziehen und inspiriert ihn zu seinen provokanten Arbeiten. Eine Festanstellung im Großraumbüro eines Verlags bricht er nach kürzester Zeit ab, in der sterilen Atmosphäre bekommt er keinen Satz aufs Papier. Irgendwann trifft er auf die Prostituierte Cass, eine Art unfreiwillige Femme Fatale, mit der er eine seltsame Liebesbeziehung eingeht. Cass wird von einer sagenhaft schönen, zerbrechlich wirkenden Ornella Muti gespielt. Sozusagen als Kontrast zum grazilen Erscheinungsbild wurden ihr vulgäre Texte in den Mund gelegt; so hört man sie beispielsweise Serkin auffordern: „Spritz mich voll!“ Allein schon diese Szene dürfte so manchen Zuschauer in den Wahnsinn treiben… Die Dialoge sind generell sehr derbe gehalten, in Sachen Gossensprache nimmt man kein Blatt vor den Mund. Gut so, denn dort, wo Serkin sich herumtreibt, redet und flucht man, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Natürlich nimmt die emotional sehr intensiv geführte Liebelei mit Cass keinen guten Verlauf, Serkin leidet wie ein Hund und betäubt sich mit Alkohol.

Ferreri ließ viel Raum für Emotionen, eine pessimistische Traurigkeit durchzieht den gesamten Film und bricht dann und wann aus Serkin heraus, ebenso wie Wut, Lust, Verbitterung. Dabei bewahrt er sich aber seinen Charme und trotz allem eine gewisse Selbstachtung. Er scheint aber auch eine gewisse Faszination am Scheitern zu empfinden, so zelebriert er z.B. seinen sehr amüsant zu beobachtenden Abgang aus dem spießigen Verlagsgebäude mit der betrunkenen Leidenschaft eines Abgefuckten.

Natürlich hat es immer etwas Voyeuristisches, Gestalten wie Serkin bzw. Bukowski aus sicherem Abstand zu konsumieren und sich vom Elend anderer unterhalten zu lassen. Wirklich gesellschaftsfähig sind solch unberechenbare, manische Menschen jedoch bis heute nicht geworden, auch nicht durch Bücher oder Filme wie diesen. Der besondere Reiz ist aber auch hier, eventuelle Parallelen zum eigenen Leben zu entdecken und negative Erfahrungen dadurch besser verarbeiten zu können. Ferreri macht es dem Zuschauer mit seinem hochatmosphärischen Film leicht, je nach Gusto mit Serkin mitzuleiden, ihn zu verachten oder zu belächeln oder sich inspirieren zu lassen; kalt lassen wird diese gut besetzte Verfilmung mit ihrem ausgeprägten Gespür für Provokation, Gossenromantik und -erotik und Ästhetik des Elends sicherlich niemanden. Und falls doch, kann man sich immer noch an den freizügigen Schauspielerinnen erfreuen, allen voran der bezaubernden Ornella Muti.

Vielleicht ist es gut, dass „Ganz normal verrückt“ keine US-Produktion wurde – möglicherweise wäre dann die Ambivalenz Serkins Charakters, die letztlich die Geschichte ausmacht, zugunsten einer massentauglicheren Glorifizierung oder Verflachung abhanden gekommen, worauf Ferreri und seine Drehbuchautoren konsequent verzichteten.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Beitrag von buxtebrawler »

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Die Mühle der versteinerten Frauen
Der Architekturstudent Hans (Pierre Brice) will im 19.Jahrhundert eine Arbeit über ein morbides Figurenkabinett verfassen, bei dem Frauenstatuen in Todespose über ein gigantisches Mühlrad auf einer Bühne präsentiert werden. Er sucht den Besitzer Wahl auf, dessen Tochter Hans sehr zugetan ist, doch bald darauf an einer geheimnisvollen Krankheit dahinsiecht und stirbt. Als Hans die angeblich tote Elfi jedoch bald darauf lebendig wieder sieht, kommt ihm bald die Idee, daß es in dem Kabinett nicht mit rechten Dingen zugehen kann, zumal seine Freundin gerade verschwunden ist...
„Die Mühle der versteinerten Frauen“, eine französisch-italienische Koproduktion unter der Regie von Giorgio Ferroni, ist ein angestaubter und anscheinend ziemlich in Vergessenheit geratener Gothic-Grusler aus dem Jahre 1960 mit dem jungen Pierre Brice („Winnetou“, „Val Brie“-Werbespot) in der Hauptrolle. Thematisch bewegt man sich zwischen „Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts“ bzw. „Das Kabinett des Professor Bondi“ und „Augen ohne Gesicht“, also wenig innovativ oder eine interessante Variation, je nach Sichtweise. Dafür ist die Kameraarbeit aber bisweilen erfreulicherweise recht bavaesk, Gerüchten zufolge soll Bava auch selbst am Film mitgewirkt haben.

Nun mag ich diese alten Gruselschinken mitsamt ihres gemächlichen Erzähltempos, das zum Zurücklehnen und Genießen einlädt, grundsätzlich sehr. Nach einiger Zeit wird aber deutlich, dass andere Regisseure es dann doch besser verstanden, Spannung zu erzeugen oder ihr Publikum anderweitig zu fesseln, denn ca. zwei Drittel der Spielzeit lang passiert so gut wie nichts – und ein Herr Brice ist eben kein Vincent Price, Peter Cushing oder Christopher Lee, der allein durch seine Anwesenheit zu fesseln vermag. Schlecht macht er seine Sache genauso wenig wie die anderen Darsteller, insbesondere die jüngeren Mädels wissen auch optisch zu gefallen, doch war mir das über weite Strecken des Films dann einfach zu wenig. Allerdings überzeugt das Finale, denn im letzten Drittel kommt „Die Mühle der versteinerten Frauen“ endlich in Fahrt, wird der gelungenen Ausstattung Dramatik zur Seite gestellt, als sich die Ereignisse überschlagen und die Mühle so richtig in Aktion gerät.

Aus filmhistorischer Sicht natürlich ein interessantes Stück Geschichte des phantastischen Films und insofern überaus begrüßenswert, dass das Label „New“ den Film mit deutscher Synchronisation veröffentlicht und Jump-Cuts des Ursprungsmaterial zum Opfer gefallene Synchronisationsfetzen ebenso untertitelt hat wie offensichtlich nie synchronisierte englischsprachige Passagen, für Gelegenheits-Gotiker aus dem reichen Fundus sympathischer und empfehlenswerter Genrebeiträge aber noch mit am ehesten verzichtbar.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Alexandra’s Project
Alexandra ist eine treu sorgende Mutter und Ehefrau - scheinbar. Denn unter ihrer Fassade verbirgt sie, dass sie im Schatten ihres beruflich erfolgreichen Gatten Steve ein trostloses Leben als Hausfrau und Mutter führt. An Steves Geburtstag will sie ihrem Ehemann aber mal ein ganz tolles Geschenk machen, das dieser niemals vergessen soll...
Regisseur Rolf de Heer, der mich schon mit „Bad Boy Bubby“ ebenso ungewöhnlich wie vorzüglich zu unterhalten wusste, lieferte 2003 den australischen Low-Budget-Thriller „Alexandra’s Project“ ab, der ebenfalls für ein ungewohntes Filmerlebnis bürgt.

Es ist schwierig, etwas zum Film zu schreiben, ohne die Spannung des sehr ruhigen, ausgedehnten, an der Grenze zur Langatmigkeit inszenierten Anfangs nicht zu verderben: Der Zuschauer bekommt eine weiße, australische Durchschnittsfamilie präsentiert, wobei das Hauptaugenmerk zunächst auf dem Ehemann Steve (Gary Sweet) liegt, ein beruflich erfolgreicher, von sich selbst eingenommener, überheblicher Kotzbrocken, der glaubt, eine glückliche Ehe mit seiner Frau Alexandra (Helen Buday) und den gemeinsamen beiden Kindern zu führen. Er hat Geburtstag und erwartet nach Feierabend eine Überraschung, die er auch bekommt, allerdings ganz anders ausfiel, als er erwartet hatte. Alexandra hingegen scheint nicht halb so glücklich zu sein wie ihr Mann, was ebenso in zahlreichen Szenen angedeutet wird wie die Planungen ihrer Überraschung - ohne dass der Zuschauer erfährt, was genau sie vorhat.

Als Steve und der Zuschauer gleichermaßen mit der bösen Überraschung konfrontiert werden, ist man mittendrin in einer tiefen Ehekrise, die auf ihrem Höhepunkt angelangt ist und ein elementares Kommunikationsproblem zwischen der unglücklichen Alexandra und dem ungläubigen Steve offenbart. Alexandras Überraschung wird zu ihrem persönlichen Rachefeldzug, für den sie eine räumliche Distanz zu Steve wahrt, ohne die sie ihr Vorhaben nicht hätte umsetzen können und die gleichzeitig bezeichnend ist für die Unfähigkeit, miteinander offen und konstruktiv zu kommunizieren. Was dabei zunächst recht harmlos, aber bereits unheilschwanger beginnt, steigert sich mehr und mehr in einen abgrundtief bösartigen Psychotrip, eine Tortur sondergleichen für Steve einerseits, einen kaltblütig ausgekosteten Triumph für Alexandra, die sämtliche Register zieht, andererseits. Im Laufe dieser Entwicklung dürften die Sympathien des Zuschauers zugunsten Steves umschlagen oder zumindest deutlich werden, dass das Drehbuch sich nicht eindeutig auf eine Seite schlägt, sondern auf überspitzte Weise die seelischen Verletzungen, die sich Paare gegenseitig zuzufügen vermögen, auf erschreckende Weise dokumentiert. Einseitige Schuldzuweisungen wären da unangebracht, denn so unsympathisch Steve anfänglich auch erschien, zeugen doch viele Vorwürfe Alexandras von einer persönlichen Sinnkrise, die er in diesen Ausmaßen vermutlich nur schwer hätte erahnnen können. Er muss einsehen, dass seine glückliche Ehe lediglich eine Fassade war, die nicht bröckelt, sondern mit einer Abrissbirne eingeschlagen wird. Letztlich wird ihm dadurch jegliche Lebensgrundlage entzogen, was vermutlich schwerwiegender wirkt als der Tod.

Bei all dem baut de Heer eine kammerspielartige, beklemmende Stimmung auf und verzichtet fast gänzlich auf Ablenkungen wie künstlerische Kameraexperimente, Filmmusik, ausgefallene Schnitttechniken etc., er konzentriert sich puristisch auf das einseitige Duell zwischen Eheleuten – und auf die Leistungen seiner Hauptdarsteller. Helen Buday, zum Drehzeitpunkt 40 Jahre alt, lässt er emotionale Facetten von Apathie und Verbitterung über Wut und Häme bis hin zu Gehässigkeit und Lust durchleben, was sich, verstärkt durch Make-up-Arbeit, in ihrem Antlitz wiederspiegelt. Gary Sweet wird innerhalb von eineinhalb Stunden vom kraftstrotzenden Karrieretypen zum weinerlichen, gebrochenen Mann. Beide überzeugen in ihren Rollen, wenngleich die deutsche Synchronisation nicht immer ganz optimal ist. Im Originalton vermute ich einen Schuss mehr Authentizität. Was Ganzkörper-Nacktszenen betrifft, sind beide „gleichberechtigt“ und zeigefreudig.

Leider schafft „Alexandra’s Project“ nicht den Absprung zum rechten Zeitpunkt. (Achtung, Spoiler:)
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Etwas Sorge bereitet mir, dass vielleicht nicht allzu deutlich wird, wie sehr Alexandra ihren Selbsthass auf Steve projiziert und für manch unreflektierter Zuschauer bzw. Zuschauerin gar Vorbildfunktion einnehmen könnte. Diese Befürchtung wiederum ist aber ein eindeutiges Indiz dafür, dass mir „Alexandra’s Project“ durchaus an die Nieren ging, nicht nur das, mich verblüfft hat und hat leiden lassen. Insofern ein unterm Strich beunruhigender, intensiver Thriller, der manch einen mehr zum Nachdenken anregen dürfte, als ihm lieb ist.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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