bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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buxtebrawler
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Babysitter Wanted
Die religiös erzogene Angie (Sarah Thompson) macht sich allein auf den Weg, um ihr Studium anzufangen. Als sie im Studentenwohnheim ankommt, muss sie feststellen, dass das Zimmer zugemüllt und dreckig ist und für sie kein Bett vorhanden ist. Um sich ein wenig Geld zu verdienen, bewirbt sie sich deshalb bei den Stantons, Jim (Bruce Thomas) und Violet (Kristen Dalton), um einen Babysitterjob für ihren Sohn Sam (Kai Caster). Die Familie lebt auf einem Farmhaus weit außerhalb der Stadt und ist sich schnell einig, dass Angie perfekt für den Job geeignet ist. Als sie jedoch am ersten Abend zu den Stantons aufbrechen will, springt ihr Auto nicht an, weshalb ihr Kommilitone Rick (Matt Dallas) sie hinfährt. Damit beginnen die Probleme aber erst: Nachdem die Eltern sich verabschiedet haben, hört Angie seltsame Geräusche, sie denkt, draußen jemanden herumschleichen zu sehen, und dann erhält sie merkwürdige Anrufe, bei denen sie nur Rauschen und Musik hört. Sie bricht in Panik aus, da in letzter Zeit immer wieder junge Mädchen vermisst wurden...
Achtung: Enthält Spoiler!

Die 2008 gedrehte US-Horror-Produktion „Babysitter Wanted“ ist das Regiedebüt von Jonas Barnes, der auch das Drehbuch verfasste. Ihm zur Seite stand Michael Manasseri, der ebenfalls an der Regie beteiligt war. Die religiöse Angie (Sarah Thompson, „Der Eissturm“) beginnt ihr Studium irgendwo in den USA und bezieht zu diesem Zwecke ein reichlich chaotisches Studentenwohnheim. Während ihre punkige Mitbewohnerin lieber den weltlichen und fleischlichen Genüssen frönt, tritt Angie eine Stelle als Babysitterin bei Jim (Bruce Thomas, „Die Armee der Finsternis“) und Violet (Kristen Dalton, „They Nest – Tödliche Brut“) Stanton.an. Doch auf dem Weg dorthin wird sie von einem Unbekannten verfolgt, der sich schließlich, als sie allein mit dem kleinen Sohn Sam (Kai Caster, „Kinder des Zorns: Genesis - Der Anfang“) im Haus der Stantons ist, gewaltsam Zutritt verschafft…

„Babysitter Wanted“ beginnt richtig, richtig gut, sofern man etwas mit der x-ten „Babysitter in Angst“-Slasher-Variante anzufangen weiß. Nahezu perfekt wird die Erfolgsformel derartiger Filme kopiert und der Genrefreund in wohlige Stimmung versetzt, inkl. leicht sleaziger Anleihen, für die Angies punkige Mitbewohnerin verantwortlich zeichnet, aber auch ihre eigenen sich unter dem züchtigen Pulli abzeichnenden Rundungen tragen dazu bei. Phantomhafte dunkle Gestalten lassen Erinnerungen an „Halloween“, unheimliche Telefonanrufe an „Das Grauen kommt um 10“ wach werden; auch „Die Fratze“ wird zitiert, als Angie die Gestalt durchs geschlossene Fenster erblickt. Die Filmmusik erinnert ebenfalls an „Halloween“, später gar an „Freitag, der 13.“ Eigenartig muten zu diesem Zeitpunkt jedoch die Essgewohnheiten des Sohnemanns Sam an, der sich anscheinend vorwiegend von rohem, blutigen Fleisch und Buttermilch (pfui Teufel, Buttermilch!) ernährt. Nachdem Angie den unheimlich aussehenden Eindringling, den man nun endlich einmal vollständig zu Gesicht bekam, niedergeschlagen hat, schlägt er nicht minder unbarmherzig zu: Der Plot-Twist.

Dieser macht aus dem so fulminant begonnenen „Babysitter Wanted“ plötzlich einen Okkult-Horrorfilm der Marke „Das Omen“, denn Sam ist der Leibhaftige persönlich oder einer seiner Nachkommen und der fiese Nachsteller ist gar nicht so fies, sondern ein Priester (oder so), der schon lange Jagd auf das Monstrum macht. Was genau es mit dem schüchternen Sam auf sich hat, verrät der Film zwar erst gegen Ende – theoretisch ist es längere Zeit noch möglich, dessen Eltern schlicht für verrückt zu erklären, die überraschend von ihrem Ausflug zurückkehren und Angie zu eines von mehreren spurlos verschwundenen Opfern machen wollen, indem sie sie nach allen Regeln des Handwerks schlachten, ausweiden und an den Nachwuchs verfüttern –, als halbwegs versierter Zuschauer jedoch weiß man sofort, wie der Hase läuft. Diese Ermangelung an Spannung und intelligenter Konstruktion wird durch in der ungeschnittenen Fassung ekelhafte Splatter- und Goreszenen wettzumachen versucht, während derer Jim Stanton manisch den Erklärbär mimt und der angeketteten Angie alles haarklein berichtet. Jegliche sorgfältig aufgebaute Gruselatmosphäre ist mit einem Schlag dahin und so richtig ernstnehmen lässt sich die Sause nicht mehr.

Zugute halten kann man „Babysitter Wanted“ indes seine absolut souverän agierenden Schauspieler, die die uninspirierte Okkult-Chose über die Zeit retten. Mag sein, dass der Film mit seinen ach so originellen Überraschungen genau den Geschmack des einen oder anderen Zuschauers trifft, ich jedoch mag es prinzipiell eher nicht, wenn Genrefilme derartige Stilbrüche provozieren und hatte dementsprechend sogar schon mit dem allseits gefeierten „From Dusk Till Dawn“ so meine Probleme. Fazit: Erste Hälfte hui (8/10), zweite Hälfte pfui (4/10), was addiert und durch zwei geteilt faire 6/10 Punkten ergibt. Schade, hatte ich mich doch sehr auf einen neuen, unironischen Babysitter-Thriller/-Slasher der alten Schule gefreut.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Let Me In
Neue Nachbarn in Los Alamos, New Mexico: die etwa 12jährige Abby (Chloe Grace Moretz) zieht mit einem Mann (Richard Jenkins), der ihr Vater sein soll, in der Nachbarschaft des jungen Owen (Kodi Smit-McPhee) ein. Der Junge ist in seiner Schule nicht eben beliebt und sieht sich ständigen bösartigen Angriffen einiger Mitschüler ausgesetzt, so daß Owen schon bald eigene Gewaltphantasien entwickelt. Die Begegnung mit Abby lenkt ihn davon ab, dafür jedoch gerät Abbys Begleiter in Schwierigkeiten, denn er ist nicht ihr Vater, sondern ihr Freund, der für sie Menschen ermordet, um an Blut für Abby zu kommen - sie ist ein jahrtausendealter Vampir im Körper eines Kindes. Schon bald kommen die "Kinder" sich näher und freunden sich als Außenseiter an, doch beiden droht Gefahr aus der Außenwelt, als sich Abby selbst ihre Nahrung suchen muß...
In Los Alamos, New Mexico, bekommt irgendwann in den 1980ern der ein tristes, einsames Leben führende und in der Schule gemobbte zwölfjährige Owen (Kodi Smit-McPhee, „The Road“) neue Nachbarn: Die anscheinend etwa gleichaltrige Abby (Chloë Grace Moretz, „Amityville Horror – Eine wahre Geschichte“) zieht zusammen mit einem älteren Herren – vermutlich ihr Vater – in eine Nachbarwohnung des Wohnblocks ein. Abby und Owen freunden sich vorsichtig miteinander an und sie lenkt ihn ein wenig von seinem Frust und seiner Wut ab. Was Owen zunächst nicht weiß: Abby ist ein Vampir in Gestalt eines zarten, jungen Mädchens und ihr vermeintlicher Vater ihr Wegbegleiter, der ihr Nahrung beschafft. Als dies einmal schief geht, ist Abby auf sich allein gestellt. Owen ist der einzige, den sie noch hat...

Wem das schwer bekannt vorkommt, der irrt nicht: „Let Me In“ ist die Neuverfilmung des schwedischen Bestsellers „Låt den rätte komma in“ von John Ajvide Lindqvist, der 2008 bereits in schwedisch-französischer Koproduktion von Tomas Alfredson („Four Shades of Brown“) verfilmt und hierzulande als „So finster die Nacht“ bekannt wurde. US-Regisseur Matt Reeves, der ebenfalls 2008 mit seinem Spielfilm-Debüt „Cloverfield“ auf sich aufmerksam machte, interpretiert die Geschichte in „Let Me In“, 2010 von den wiederauferstandenen „Hammer Film Productions“ britisch-US-amerikanisch koproduziert, neu.

In sehr schönen, lediglich manchmal übertrieben in Gelb/Gold-Filter getauchten Bildern und äußerst angenehmem, ruhigem Erzähltempo erzählt er die Geschichte einer fragilen, präpubertären Außenseiterromanze, die gleichzeitig Zweckgemeinschaft ist und zwei von ihrer Existenz bzw. von ihrem Umfeld gepeinigten Seelen Halt und Schutz bietet. Die Melancholie der winterlichen Tristesse, die erwärmt wird von der sich immer fester zurrenden Verbundenheit Abbys und Owens, wird immer wieder wohldosiert jäh durchbrochen von plötzlichen Ausbrüchen von Grausamkeit in grafisch expliziten Bildern, umgesetzt mittels gelungener Spezialeffekte und Make-up-Arbeiten. Ebenso grausam jedoch ist der Inhalt des Films, der urteilsfrei zeigt, wie sich ein bisher unbescholtener Junge auf einen Pakt mit diesem Grauen einlässt, weil er in seinem normalen Umfeld und der unwirtlichen Welt um ihn herum keine Hoffnung, keine Perspektiven mehr erkennt. Abbys für sie überlebenswichtigen blutigen Exzesse stehen einer vom Film keinesfalls einseitig als Ausnutzung dargestellte Verbindung zu Owen gegenüber, die ihrerseits überlebenswichtig für den Jungen scheint, um sich zu behaupten und seinen Lebenswillen wiederzufinden. Gut/Böse-Schwarzweißmalerei ist nicht Thema dieses Films. Trotz der Abgründigkeit und des Fatalismus dieser Konstellation erscheint sie nachvollziehbar, folgerichtig, gar begrüßenswert? Identifikationsfiguren von „Let Me In“ sind eben diese beiden Geschöpfe – keine Vampirjäger, Therapeuten, Sozialarbeiter, Eltern oder sonstige Vertreter der Erwachsenenwelt, die nur am Rande vorkommt, was wiederum den fehlenden Bezug zwischen ihr und Owen charakterisiert.

Mit diesem gänzlich unkitschigen, stattdessen zwischen subtil und offen bösartigen modernen, morbiden Vampirmärchen, das sich im Stile eines „Coming of age“-Streifens der sowohl Hoffnung als auch Verwirrung und Gefahr bergenden ersten Liebe auf höchst ungewöhnliche Weise annimmt und mit einem offenen Ende die Phantasie des Zuschauers zu Gedankenspielen anregt, trifft Matt Reeves den Ton der Vorlage bzw., da mir diese unbekannt ist, der Erstverfilmung. Offensichtlich ist er sensibel genug, um ebenso wie Tomas Alfredson seinem Publikum emotionale Kälteschauer durch die Wirbelsäule zu jagen. Den Jungschauspielern zuzusehen ist ein Genuss; wie auch in „So finster die Nacht“ ist es insbesondere die Rolle Abbys (die dort noch Eli hieß), die sich besonders hervortut. Chloë Grace Moretz gelingt es, gleichzeitig das nette Mädchen von nebenan sowie die mysteriöse, abgrundtiefe Traumgestalt zu sein und mit ihrer von der Regie herausgeforderten Ausstrahlung zu faszinieren. Kodi Smit-McPhee als Owen agiert lockerer und beweglicher als sein schwedisches Äquivalent und macht seine ebenfalls ausgesprochen gut, wenngleich er nicht denselben Wiedererkennungswert besitzt. Die von Michael Giacchino komponierte Filmmusik passt sich wunderbar der Stimmung des Films an bzw. sorgt häufig erst für selbige und ist ein weiteres schönes Beispiel für unaufdringliche und dennoch effektive musikalische Untermalung eines bildgewaltigen Films, der gern das Tempo zugunsten einer sich schleichend ihren Weg bahnenden, einlullenden und schließlich vereinnahmenden Atmosphäre drosselt.

Wo jedoch sind die im Vorfeld vollmundig angekündigten Variationen gegenüber „So finster die Nacht“? Wollte man sich nicht enger an die Literaturvorlage halten? Sicher, man geht stärker auf Thomas, Abbys vermeintlichen Vater, ein, der mehr Aufmerksamkeit bekommt und einige starke Auftritte hat, in denen Richard Jenkins glänzt. Man gibt sich noch etwas expliziter, was die Gewaltspitzen betrifft. Man verlagerte die Handlung von Schweden nach New Mexico und amerikanisierte die Namen. Das war es dann aber auch schon weitestgehend; letztlich ereilt „Let Me In“ das gleiche Schicksal wie so viele US-Neuverfilmungen erfolgreicher ausländischer Filme: Es ist eben genau das, eine Neuverfilmung, keine wirkliche Neuinterpretation. Es gibt keinerlei neue Ansätze, stattdessen wird die Handlung hier und da etwas vereinfacht und massentauglich verständlicher gemacht (was nicht immer schlecht sein muss), wird aber auch leider der sozialkritische Aspekt des Originals auf ein Minimum zurückgefahren. Zweifelsohne ist „Let Me In“ für sich betrachtet ein sehr guter Film, den sich anzusehen lohnt, der Tiefgang besitzt und länger nachklingt. Die Originalität aber tendiert leider gen null. Aufgrund der unbestrittenen Qualitäten des Films und weil Reeves und sein Team das Original definitiv verstanden haben, bin ich zwiegespalten und komme nicht umhin, „Let Me In“ anzuerkennen und auch ihm satte 8/10 Punkten zuzugestehen. Die Hälfte jener gebührt aber eigentlich Alfredson. Eigentlich schade, dass ein so gelungener, sehenswerter Film gleichzeitig so unheimlich verzichtbar ist...
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Halloween II – Das Grauen kehrt zurück
Obwohl von Dr. Loomis gestellt und angeschossen, überlebt Michael Myers einen Sturz aus dem Fenster und kann entkommen. Die gnadenlose Jagd auf den mysteriösen Killer geht unvermindert weiter. Doch die Jäger werden schon bald selbst zu Gejagten...
Nachdem John Carpenters Low-Budget-Horrorthriller „Halloween“ 1978 das Slasher-Subgenre eingeläutet hatte und zu einem großen Kassenerfolg wurde, ließen die Nachahmer nicht lange auf sich warten. „Warum anderen den ganzen Kuchen überlassen?“, dachte man sich vermutlich im „Halloween“-Lager und entschloss sich, eine Fortsetzung zu drehen, wesentlich höher budgetiert als der Vorgänger: „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ wurde 1981 unter der Regie des Spielfilm-Debütanten Rick Rosenthal gedreht, das Drehbuch stammte erneut von John Carpenter und Debra Hill.

Nachdem der aus einer Heilanstalt entflohene stumme Killer Michael Myers von Dr. Loomis angeschossen wurde und vom Balkon gestürzt war, war Laurie zunächst in Sicherheit. Doch Myers war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Es dauert nicht lange und es wird klar, dass Myers sich noch immer in seinem Geburtsort Haddonfield aufhält und noch immer hinter Laurie her ist, die – wie sich bald herausstellen wird – seine Halbschwester ist, die seinerzeit von den Strodes adoptiert wurde. Ihr soll es genauso ergehen wie seiner Schwester, die er im zarten Alter von gerade einmal sechs Jahren kaltblütig in der Halloween-Nacht erstochen und seitdem kein einziges Wort mehr gesprochen hat...

„Halloween II“ beginnt mit einer teilweise neu gedrehten Rückblende zum Ende des ersten Teils und knüpft direkt an, spielt also in derselben Halloween-Nacht! Erstmals bekommt der Zuschauer im Laufe des Films die Information, weshalb Michael Myers ausgerechnet hinter Laurie her ist, die im Vorgänger noch wie ein eher zufälliges Opfer wirkte. Um eine Verbindung zum Mord an seiner Schwester herzustellen, erklärte man Laurie Strode kurzerhand zu Myers’ biologischer Schwester, was ihr ebenso neu war wie dem Zuschauer. Damit setzte man in Gang, was sich durch fast alle zukünftigen „Halloween“-Filme wie ein roter Faden ziehen sollte: Michael Myers auf der Jagd nach noch lebenden Familienmitgliedern. Das Mysterium um seine Nehmerfähigkeiten wird zur weiteren Entmenschlichung genutzt (Zitat: „Der Mann – das ist kein Mensch!“); das Mysterium um den Zusammenhang mit dem Halloween-Fest wiederum erklärt man mit einigen Verweisen auf Samhain und Druiden, faselt etwas von Opfergaben – ein Aspekt, der später in Teil 6 (insbesondere im Producer’s Cut) wieder verstärkt aufgegriffen wurde. Soweit zu den „Rahmenbedingungen“, zur Mythologie um Michael Myers, die mit fast jedem Film der Reihe ausgebaut wurde.

Nach der Rückblende greift Rosenthal auf Carpenters im Erstling ebenso geschickt wie häufig eingesetzte subjektive Kameraführung, die „P(oint)O(f)V(iew)“-Perspektive zurück, der Zuschauer hört nur Myers’ schweres Atmen unter der Maske. Er läuft herum, schaut unbemerkt durch Fenster, bekommt sein neues Messer aus einer Küche. In den Fernsehern läuft nicht mehr „Das Ding aus einer anderen Welt“, sondern Romeros Zombie-Klassiker „Night of the Living Dead“. Diese Art von Szenen kennt man bereits von Carpenter, den Rosenthal hier imitiert. Passenderweise erklingt dazu die gleiche, bekannte minimalistische, doch äußerst stimmige Titelmelodie. Neu und beunruhigend ist jedoch die Distanzlosigkeit Myers, der nicht mehr zunächst an Straßenecken oder hinter Hecken auftaucht, sondern unmittelbar bereits zu Beginn des Films in den Gärten der Bewohner Haddonfields umherschleicht. Von nun an heißt es aber „Raus aus dem Verborgenen, rein in die Öffentlichkeit“ und Michael Myers wird zum Populärphänomen, das in den Medien stattfindet und in aller Munde ist. Daraus resultiert eine um sich greifende Paranoia, was wiederum in einer wahrhaft erschreckenden Szene mündet, als eine männliche Person mit der Maske Myers’ unvermittelt bei einem Verkehrsunfall stirbt und bei lebendigem Leibe verbrennt.

Das Tempo wird deutlich angezogen, ebenso der Gewaltgrad – spätestens nachdem sich die Handlung ins örtliche Krankenhaus verlagert hat, wo Laurie sich von ihren Strapazen zu erholen und von ihren Verletzungen zu kurieren versucht. Dort endet die Exkursion über die Straßen Haddonfields; die langen Gänge und vielen Räume des Krankenhauses werden zu einem Labyrinth des Schreckens, in dem viele Unbedarfte ihr Leben lassen müssen. Die recht brutalen und blutigen, aber eben auch slashertypisch kreativen Mordszenen wurden eigens von Carpenter nachgedreht, um dem Film aufzupeppen, ihm zusätzlich Würze und Drastik zu verleihen. Als Myers endlich auf Laurie trifft, wird das ausladende Krankenhaus nicht zuletzt aufgrund ihrer körperlichen Angeschlagenheit zu einer klaustrophobischen Falle, bis das irrsinnig spannende, gut gemachte, brutale Finale eingeläutet wird, das in einem Inferno endet. All diese Krankenhausszenen sind besonders interessant: Blutige Action geht hier Hand in Hand mit langsameren Suspense-Szenen, der seinen späteren Wahnsinn bereits andeutende Nachdruck, mit dem Dr. Loomis auf Gesetze und Autoritäten einen feuchten Kehricht gebend seine Jagd auf Myers fortsetzt, gibt sich mit einer wunderbar unheilschwangere Ruhe, für die sogar der Score verklingt, die Klinke in die Hand. Daraus ergibt sich eine derart gelungene Kombination, dass sie einige weitere „Krankenhaus-Slasher“ offensichtlich inspirierte. Den ausschließlich an Suspense oder eben hauptsächlich an Gewalt und Blut interessierten Teilen des Publikums mag das weniger behagen, dem einen wird’s zu brutal, dem anderen zu ruhig zugehen; neben der Weiterführung der Halloween-Mythologie ist dies jedoch genau das, was meines Erachtens den Reiz dieses Films ausmacht.

Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass Jamie Lee Curtis erneut die Laurie Strode verkörpert, wenngleich sie sich diesmal wesentlich stärker in der Opferrolle wiederfindet als zuvor. Donald Pleasence ist ein gewohnt großartiger, weil manischer, kauziger und kantiger, an die Grenzen seines Berufs geratener, opferbereiter Psychotherapeut Dr. Loomis, das bewährte Team aus Teil 1 ist demnach komplett. Angesichts seines Abwechslungsreichtums verläuft „Halloween II“ weit weniger linear als sein Vorgänger; doch auch, wenn er sich hin und wieder etwas in der Dramaturgie verzettelt, ist er doch eine erfreulich originelle, konsequente Fortführung der Ereignisse aus Carpenters „Halloween“ und mit Sicherheit einer der besten zweiten Teile im Bereich dieses Genres. Ein weiterer Film über das unsagbare, nicht erklärbare und schon gar nicht therapierbare Böse, das die Menschen immer wieder zu verstören vermag – ein so simples wie geniales Erfolgskonzept. Wenn mit Einsetzen des Abspanns „Mr. Sandman“ ertönt, das der Film einem frech und zynisch grinsend vor die Füße wirft, spürt man, wie die Anspannung nachlässt, bis man selbst mitlachen kann – denn zu lachen gab es vorher nicht viel, außer in deutschen Synchronisation, die sich einige ärgerliche Logikschnitzer in Bezug auf Zahlen leistete.

Für ein paar Jahre war anschließend Schluss mit „Halloween“ und Michael Myers. Für „Halloween III“ versuchte man sich an einem neuen Konzept. Erst 1988 bekam Michael Myers seine zweite Fortsetzung mit „Halloween 4“, dem letzten (und hierzulande unterbewerteten) der so richtig guten Filme der Reihe. Doch auch die danach folgenden Filme waren bzw. sind sehenswert, bis ausgerechnet Rick Rosenthal im Jahre 2002 „Halloween: Resurrection“ ärgerlich durchschnittliche Teenage-Horror-Ware fabrizierte. Die Mythologie um Samhain und Druiden indes fand eigentlich ihren befriedigenden Abschluss im Producer’s Cut des sechsten Teils „Halloween: The Curse of Michael Myers“, alle darauf folgenden Filme waren prinzipiell unnötig und brachten Mythologie sowie Chronologie der Reihe durcheinander.
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Hell Night
Eine Gruppe junger Verbindungsanwärter muss als Mutprobe eine Nacht in einem Spukhaus verbringen, von dem man sich unheimliche Geschichten erzählt. Doch aus dem anfänglichen Vergnügen wird schnell blutiger Ernst, als ein scheinbar unbesiegbarer Psychopath die Reihen der Studenten lichtet...
„Du willst Bumsen? Ich komme schon!“

Im Zuge des Erfolgs von Slasher-Reihen wie „Halloween“ und „Freitag, der 13.“ entstand der Frühachtziger-US-Slasher „Hell Night“ im Jahre 1981 unter der Regie von Tom DeSimone, der vorher u.a. mit Schwulen-Pornos auf sich aufmerksam machte. Marti (Linda Blair, „Der Exorzist“), Jeff (Peter Barton, „Freitag der 13. - Das letzte Kapitel“), Seth (Vincent Van Patten, „Rock’n’Roll Highschool“) und Nicole wollen in die Studentenverbindung „Alpha Sigma Rho“ aufgenommen werden, müssen zu diesem Zwecke jedoch zunächst einmal die Aufnahmeprüfung bestehen: Sie müssen eine Nacht im „Garth Manor“-Anwesen verbringen, in dem es, so erzählt man sich, spuken soll. Die Geschichte des Hauses ist dann auch wahrlich keine sonderlich vertrauenserweckende: Nachdem seine Frau eine Missgeburt nach der anderen gebar, brachte Hausherr Garth eines Tages seine ganze Familie um und beging anschließend Selbstmord. Einer der degenerierten Söhne soll jedoch überlebt haben und weiterhin den alten Gemäuern vor sich hinvegetieren…

Einmal mehr werden also diverse Abziehbilder von Jugendlichen zum Opfer eines brutalen Killers, die paarungswilligsten zuerst. „Hell Night“ bedient viele typische Genre-Klischees und verzichtet dabei leider weitestgehend auf das Setzen eigener Akzente. Die Schauspieler, unter ihnen die als besessene Regan in „Der Exorzist“ bekanntgewordene Linda Blair, machen ihre Sache recht ordentlich. Auch Mac Ahlbergs („Re-Animator“) Kameraarbeit weiß grundsätzlich zu überzeugen und die Kulissen des Schlosses sorgen im Zusammenspiel mit Martis Burgfräulein-Kostüm für eine gewisse Gotik-Stimmung. Der Bodycount indes ist gering und explizite, blutige Szenen gibt es über einen langen Zeitraum quasi keine, man blendet i.d.R. vorher ab. Auf Genre-Charakteristika wie vom psychopathischen Killer drapierte Leichenberge muss man nicht verzichten, dafür bekommt man den Unhold aber auch schon mittendrin zu sehen und muss nicht auf eine Art Enthüllung nach ausgiebigem „Whodunit?“ bis zum Ende warten. Dessen Make-up möchte ich als zweckmäßig, aber unspektakulär bezeichnen. Der sehr dominante Soundtrack, der Spannungsszenen mit einem wabernden Klangteppich und Action mit dramatischem Bombast nicht unterlegt, sondern regelrecht überdeckt – und das verdammt laut –, hat einen hohen Nervfaktor inne und spricht nicht gerade für das Vertrauen in die inszenatorischen Fähigkeiten DeSimones.

Positiv fällt jedoch eine gelungene Variation des „Auto springt nicht an“-Genreklischees auf: Marti öffnet die Motorhaube und bringt die Karre kurzerhand selbst zum Laufen. U.A. dadurch qualifiziert sie sich zum jungfräulichen, doch emanzipierten „Final Girl“. Für das Finale hat man sich dann auch tatsächlich etwas mehr einfallen lassen und entschädigt letztlich für einiges. Die eigentliche Handlung indes ist ziemlich stumpf und überraschungsarm; ich spoilere sicher nicht zu viel, wenn ich erwähne, dass schlicht und wenig ergreifend der anfänglich erwähnte Überlebende Familiensprössling wahrhaftig noch im Schloss weilt und nicht besonders gut auf nächtliche Besucher zu sprechen ist. Aus Fragen nach dem Wie und Warum und weshalb er bei vorausgegangenen Aufnahmeprüfungen nicht bereits in Erscheinung getreten ist (und in welchem Zusammenhang die zwischenzeitliche, unpassende Geistererscheinung steht) macht das Drehbuch nullkommanix, es ignoriert sie schlichtweg.

Fazit: Guckbarer Rip-Off-Slasher, dem ein recht schwaches, einfallsloses Drehbuch zugrunde liegt und besonders akustisch nervt, visuell und schauspielerisch aber weitestgehend angenehm apart ausfällt. Subgenre-Allesgucker werden nicht drum herum kommen, alle anderen greifen besser zu originellerer Dutzendware. In meinen 6/10 Punkten ist der übliche Slasher-Bonus bereits enthalten.
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Dorfpunks
Rocky und seine Freunde sind Punks. Sie leben in einem kleinen Bauernkaff und leben ihre eigene jugendliche Rebellion. Sie können nicht richtig dabei sein, doch ihre Träume sind gross. Doch wo grosse Ziele sind, ist der Knall auch nicht weit entfernt. Das merkt auch die Gruppe selbst, und für neue Wege, muss man Alte zurücklassen. Doch zuvor durchleben die Jungs einen frechen und rebellischen Sommer, mit grossen, aber genauso naiven Abenteuern.
Die deutsche Tragikomödie „Dorfpunks“ aus dem Jahre 2009 entstand unter der Regie Lars Jessens („Am Tag als Bobby Ewing starb“) auf Basis des gleichnamigen autobiographischen Romans von Rocko Schamoni, Musiker, Schauspieler, eng verbandet mit den Fun-/Avantgarde-Punks „Die goldenen Zitronen“ und aktuell u.a. bei „Studio Braun“ involviert.

Der pubertierende Malte (Cecil von Renner, „Abgebrannt“) wächst im ebenso beschaulichen wie übersichtlichen Schmalenstedt in Schleswig-Holstein als Sohn einer bildungsbürgerlichen Lehrerfamilie auf. Als mit ein paar Jahren Verspätung die Punkwelle auch dieses Dörfchen an der Ostsee erreicht, identifizieren Malte und seine Freunde sich schnell mit der Idee, werden Punks und gründen eine Punkband. Zwischen Rebellion, Randale, Suff, Mädchen, Politik, Spießern, Dorfprolls und Faschos beginnt die Suche nach einer eigenen Identität damit aber erst so richtig, denn was Punk eigentlich ist und wie man ihn lebt, weiß noch keiner so genau...

So wie Schamoni mit seinem lockeren Schreibstil seine persönliche Punk-Sozialisation selbstironisch niederschrieb, so nimmt auch „Dorfpunks“ auf angenehm sympathische Weise sich selbst satirisch auf die Schippe, bleibt dabei aber trotzdem eng an der Gefühlswelt seiner Protagonisten. Wem das Milieu nicht fremd ist, wird zweifelsohne viel wieder erkennen, vor allem aber sich selbst in der von der Urbanität des Punkphänomens weit abgeschotteten grenzenlosen Naivität, gepaart mit Aufbegehren und Aufbruchsstimmung, Sinnsuche und dem Drang nach Selbstverwirklichung, dem Motiv, aus dem vorgezeichneten Trott auszubrechen. Innerhalb eines einzigen schicksalhaften Sommers werden die Weichen gestellt für Malte, der sich fortan Roddy Dangerblood nennt, und seine Freunde Fliegevogel, Sid, Flo, Piekmeier und Günni. Damit ist „Dorfpunks“ weniger ein knallhartes, anarchisches, blut- und schweißtriefendes Stück über Jugendliche, die glauben, nichts zu verlieren zu haben (oder es tatsächlich nicht zu haben), sondern vielmehr eine sensible „Coming of age“-Geschichte über mehr oder weniger behütet aufgewachsene Kids. Angesiedelt irgendwann zu Beginn oder Mitte der 1980er dröhnen die aufrührerischen Punk-Attacken einer Band wie Slime aus den Boxen, ertönen aber auch waverige, differenziertere Klänge der Fehlfarben. Ohne seine Protagonisten vorzuführen, lässt „Dorfpunks“ die punkige Dorfjugend exemplarisch viele Stationen durchlaufen, die nicht nur damals, sondern auch heute noch gang und gäbe sind, wenn Gleichaltrige mit der Subkultur konfrontiert werden und sich ihr verschreiben.

Zwischen politischem Anspruch und hedonistischer Vergnügungssucht, Anti-Haltung und künstlerischer Selbstverwirklichung fällt es nicht leicht, seinen eigenen Weg zu finden und gehen die eigenen Ideen nicht immer konform damit, was sich die anderen unter dem Oberbegriff „Punk“ vorstellen. Malte alias Roddy wird die Rolle des fröhlichen Musikliebhabers zuteil, der in erster Linie Spaß haben will, während sich Sid nur peripher für die Musik interessiert und extremen politischen Idealen nachhängt bzw. sich anfällig für diese zeigt. Die Konflikte sind vorprogrammiert, die Konstellation birgt Zündstoff für die Freundschaft der Jugendlichen vom Lande. Die Band wird aus einer völligen Selbstüberschätzung heraus gegründet und drängt auf die Bühnen, ändert ständig Namen und Konzept und wirft letzteres gern auch während eines Auftritts komplett über den Haufen. Man probiert sich aus, gibt einen feuchten Kehricht auf Publikumserwartungen und Kritik und ist sogar stolzerfüllt, wenn man’s mal wieder so richtig verkackt hat. Der sonst eher subtile Humor des Films mit seinen in herrlichem norddeutschen Dialekt schnackenden Protagonisten findet in diesen Szenen seine Zuspitzung, der erste dargebotene Song ist eine scharf beobachtete Parodie auf die größenwahnsinnigen, vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Anfänge so mancher Punkband. Auch die Szenen, in denen Roddy und seine Freunde eine Normalo-Party stürmen und sich nach allen Regeln der Kunst danebenbenehmen, haben es in sich.

Schnell jedoch finden auch ruhigere Momente wieder Platz, z.B. wenn es um Roddys erste Liebe geht, die so gar nichts mit den romantischen Vorstellungen von aufkeimenden zarten Gefühlen zu tun hat und weit entfernt ist von üblichem Teenie-Schmonz. Zum Ende hin wird der Film zunehmend ernster, begleitet von völlig unpunkigen melancholischen Klavierklängen. Roddys Töpferlehre läuft irgendwie nebenher und füllt ihn alles andere als aus; die Zeit nutzt er lieber, um seiner Phantasie entspringende Fanzine-Artikel zu verfassen. Sich kreativ mit der Band auszutoben funktioniert nicht mehr, mit seiner Musikbegeisterung wendet er sich infolge dessen lieber an einen alternden Barkeeper, der quer durch die Genres seine Lieblingsscheiben auflegt und von Roddy dabei fasziniert beobachtet wird. Nach einem dramatischen Höhepunkt, bei dem die Clique fast ertrunken wäre, findet Roddy sein Heil schließlich darin, mit einem Künstlertypen zusammen dadaistischen Blödsinn zu treiben wie Flöten mit der Nase zu spielen. Roddy scheint damit seine Definition von Punk gefunden zu haben und der Zuschauer kann ob der niedlichen und ungefährlichen Entwicklung beruhigt aufatmen.

Das ist alles soweit in Ordnung und tatsächlich eine Option, die man als durch die Punkbewegung angefixter kreativer Geist wählen kann. Leider kommt jedoch wenn überhaupt, dann höchstens am Rande vor, dass man allen schwierigen Anfängen zum Trotz sehr wohl auch tiefer in die Subkultur eintauchen und alles andere als weithin akzeptierte und tolerierte Wege finden kann, seine innere Unruhe und Aggressivität zu kanalisieren und weitestgehend frei von belächelbarem jugendlichem Eifer Aufsehen erregen, Unruhe stiften und nicht zuletzt verdammt gute, emotionale Musik machen kann. Das ist etwas schade, denn auf diese Weise kann „Dorfpunks“ auch ohne Weiteres als Genugtuung von denjenigen aufgefasst werden, die das Punk-Phänomen in erster Linie als infantile Alberei und schnell zu überwindende Phase des Erwachsenwerdens diskreditieren möchten. Am ehesten sollte man Jessens Film aber als individuelle biographische Auszüge des Lebens einer Dorfclique betrachten, der keinerlei Ansprüche an eine ohnehin mehr als schwierige Definition oder gar Bewertung von Punk erhebt. Und ihn einfach auf sich wirken zu lassen, ohne ihn zerpflücken und analysieren zu wollen, sich um seine Aussage und seine Authentizität zu streiten, erleichtern klasse aufspielende Jungdarsteller, gelungene Situationskomik und eine feinfühlige Regie, die sich jedoch nicht von einer gewissen norddeutschen Behäbigkeit freisprechen kann – vermutlich aber auch gar nicht möchte.
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Der Tod ritt dienstags
Der junge Scott (Giuliano Gemma) hat es bisher nicht leicht gehabt in seinem Leben. Als Vollwaise wird er von den Bewohnern seines Heimatortes gerne als Bastard beschimpft und für jegliche Drecksarbeiten gerufen. Sein größter Wunsch ist es daher, endlich Respekt zu genießen und diesen will er sich mit Hilfe eines Colts verschaffen. So scheint es für ihn ein Glückstag zu sein, als der geheimnisvolle Frank Talby (Lee van Cleef) in der Kleinstadt auftaucht. Dieser besitzt all jene Attribute, die sich auch Scott aneignen möchte. Da er nach einem tödlichen Zwischenfall im Dorf nicht mehr sicher dort ist, versucht er Talbys Schüler zu werden. Nach einigen für Scott schmerzhaften Lektionen bekommt er nun von seinem Mentor die Grundregeln des Revolverhelden beigebracht. Doch je länger die beiden zusammen sind, desto mehr verändert sich Scott immer zu der Sorte Mensch, die er nie sein wollte. Als Frank dann auch noch Scotts einzigen Freund umbringt, trifft dieser eine Entscheidung und tritt seinem Schöpfer gegenüber.
„Ein Wolf ist er schon immer gewesen – tollwütig habt ihr ihn gemacht!“

Regisseur Tonino Valeriis („Mein Name ist Nobody“) zweiter Spielfilm und zugleich zweiter Italo-Western „Der Tod ritt dienstags“ entstand im Jahre 1967 und ist der einzige Film, in dem die Genre-Ikonen Lee van Cleef („The Good, the Bad & the Ugly“) und Giuliano Gemma („Eine Pistole für Ringo“) aufeinandertreffen.

Der junge Scott (Giuliano Gemma) hat es nicht leicht in seinem Leben. Als Vollwaise unbekannter Eltern wird er von den Bewohnern seines Heimatorts als Fußabtreter benutzt, beschimpft, gedemütigt und zu niederen Arbeiten herangezogen. Mit Ausnahme seines alten Kumpels Murph, einem Stallburschen, macht sich jeder über ihn lustig, Eines Tages jedoch taucht der geheimnisvolle Frank Talby (Lee van Cleef) in der Stadt auf und sorgt ruckzuck dafür, dass man ihn respektiert. Fasziniert vom Durchsetzungsvermögen des Mannes mit dem flinken Abzug beschließt Scott, seiner Heimat Lebewohl zu sagen und sich Talby anzuschließen, um von ihm zu lernen. Er drängt sich ihm auf und Talby watscht ihn einige Male harsch ab. Nach einiger Zeit jedoch erkennt Talby Scotts Hartnäckigkeit an und bildet ihn (nicht nur) an der Waffe aus. Als Talby und Scott schließlich in die Stadt zurückkehren und diese unterjochen, regen sich bei Scott Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns…

Valeriis „Der Tod ritt dienstags“ entpuppt sich als intelligent und vielschichtig konstruierter Rachewestern, der sich deutlich von der Dutzendware des Genres abhebt und vielmehr mit anspruchsvolleren Vertretern des Genres wie Sollimas „Von Angesicht zu Angesicht“ gemein hat, aber auch bereits Parallelen zu Valeriis zusammen mit dem Meister des Genres, Sergio Leone, später gedrehten Welterfolg „Mein Name ist Nobody“ erkennen lässt. Es ist das Aufeinandertreffen zwei gegensätzlicher Charaktere, die in einer Art Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen und nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammenarbeiten, sich jedoch nach charakterlicher Katharsis des „Abhängigen“ wieder entzweien. Und wie in so vielen Italo-Western der oberen Liga schwingt auch hier wieder eine gehörige Dosis Gesellschafts- und Kapitalismuskritik mit, die sich problemlos von den staubigen Westernkulissen eines vergangenen Jahrhunderts auf die Gegenwart übertragen lässt. Scott wächst in einem ihm feindlichen gesinnten Umfeld auf, wo grundsätzlich der Stärkste und Skrupelloseste das Sagen hat und Geld- und Machtgier das soziale Miteinander bestimmen. Diese Umstände machen aus Scott jemanden, der sich schließlich zur Wehr setzt in einem Ausmaß, dass den bürgerlichen Herren Hören und Sehen vergeht. Sie haben sich diese Entwicklung selbst zuzuschreiben, Scott ist das Produkt ihrer Menschenverachtung. Scott kostet seine Stunden des Sieges aus, erlangt seine wirkliche Reife jedoch nicht, wie zunächst von ihm angenommen, dadurch, dass er sich triumphierend und angsteinflößend über andere stellen kann, sondern erst, als er seinen inneren Idealen, seiner Menschlichkeit folgt und sich schließlich gegen seinen Mentor wendet, der, wie Scott feststellen muss, ihn letztlich nur zur Durchsetzung seiner eigenen egoistischen Ziele, seiner Raff- und Machtgier benutzt hat und damit nicht besser ist als Scotts ehemalige Peiniger.

Die Verführbarkeit Scotts durch jemanden, der seine eigenen Pläne mit ihm verfolgt, hat Valerii sehr gut und nachvollziehbar herausgearbeitet. Wer unterstützungsbedürftige Mitmenschen wie Dreck behandelt, darf sich nicht wundern, wenn sie sich irgendwann gegen einen richten und mit potenzierter Härte zurückschlagen, dabei übersehend, für welche Zwecke sie sich haben instrumentalisieren lassen. Diese Erkenntnis ist projizierbar auf den allgemeinen Umgang mit Minderheiten, Schwächeren, Unterprivilegierten, die nicht selten mangels gesellschaftlicher Unterstützung in den Armen verlockender Rattenfänger landen. Auch in vermeintlichen Underdogs schlummern oftmals ungeahnte Talente, wie die Stadtbewohner zu ihrem Leidwesen feststellen müssen, als Scott ihnen gekonnt die Bleikugeln um die Ohren und in die Wänste ballert. In Valeriis Film wird diese Entwicklung selbstverständlich mit ein wenig vom genreeigenen Pathos nachgezeichnet, der sie schlussendlich Scott mit der Frage nach der Loyalität zu einem – seinem einzigen – alten Freund konfrontiert.

Inhaltlich handelt es sich also um gehobene Genrekost der intelligenten Sorte und auch technisch wie handwerklich ist „Der Tod ritt dienstags“ über weite Strecken einwandfrei gelungen. Beide Hauptdarsteller agieren erstklassig; Gemma passt trotz seiner Zahnpasta-Model-Kauleiste mit seinem oft verzweifelten, entsetzten Gesichtsausdruck und seiner jugendliche Unbedarftheit und Reinheit ausstrahlenden Optik ideal in die Rolle des verspotteten Außenseiters, der über sich hinauswächst und schließlich Angst vor seiner eigenen Courage bekommt. Lee van Cleef ist ebenfalls der Mann für seine Rolle. Ihn umgibt eine mysteriöse Aura, die Valerii wunderbar herauszukitzeln und zu steigern, mit ihr zu spielen vermag und er wird zum wandelnden Symbol für den gerissenen, mit allen Wassern gewaschenen Gentleman und gleichzeitig harten Hund, der nicht leicht durchschaubar, doch über Leichen gehend knallhart seine Ziele verfolgt. Van Cleef fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle, die kleinste Regung seiner charakteristischen Mimik birgt mehr abgründige Emotion als jeder overactende Schmierenkomödiant. Die Kameraarbeit ist nicht auf epische Breite ausgelegt wie beispielsweise bei einem Leone, die typischen Großaufnahmen rauer, staubiger, verschwitzter Gesichter bekommt man aber natürlich auch hier. Riz Ortolanis Soundtrack steht wie üblich für Qualität und hilft der Entfaltung stimmiger Atmosphäre (Quentin Tarantino bediente sich für seine Filme auch bei diesem Score). Interessanterweise kam man auch noch ohne wilde Pferdestunts aus, die später in „Mein Name ist Nobody“ jedoch auf die Spitze getrieben wurden.

Leider bekommt „Der Tod ritt dienstags“ ausgerechnet beim Einläuten des Finales Timing-Probleme und lässt den Showdown dramaturgisch etwas sehr plötzlich geschehen. Es wirkt fast, als habe man überhastet den Film zu einem Ende bringen müssen. Das ist sehr schade, denn das große Potential der Geschichte gerade zu ihrer Klimax hin wird dadurch kaum ausgeschöpft. Viel mehr zu kritisieren habe ich allerdings nicht, so dass ich Valeriis Zweitwerk gern verdiente 7,5/10 Punkten attestiere. Im Übrigen hat mir „Der Tod ritt dienstags“, nachdem ich mit van Cleef bereits recht vertraut bin, Lust darauf gemacht, mehr von Gemma zu sehen. Ein Wiedersehen mit diesem Western-Sunnyboy wird nicht lange auf sich warten lassen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Tauchfahrt des Schreckens
Im Bermuda-Dreieck suchen Professor Aitken (Peter Gilmore) und Ingenieur Collinson (Doug McClure) 1896 nach Atlantis. Als Riesenkraken die Männer in die Tiefe reißen, werden sie unverhofft fündig. Doch die Bewohner der Stadt sind ihnen ganz und gar nicht wohlgesonnen - und der Fluchtweg wird durch blutrünstige Monster versperrt.
„Hoffentlich kriegen wir keine nassen Füße!“ – „Ja, hoffentlich – ich bin wasserscheu.“

Frei – vermutlich SEHR frei – nach dem französischen Abenteuer-Schriftsteller Jules Verne drehte der britische Regisseur Kevin Connor im Jahre 1978 „Tauchfahrt des Schreckens“, den vierten und letzten Teil seiner Quasi-Tetralogie phantastischer Abenteuerfilme, dem die beiden „Caprona“-Filme und „Der sechste Kontinent“ vorausgegangen waren.

Im Jahre 1896 vermuten Professor Aitken (Peter Gilmore, „Das Schreckenscabinett des Dr. Phibes“) und Ingenieur Collinson (Doug McClure, „Die Leute von der Shiloh-Ranch“) die legendäre versunkene Stadt Atlantis unterhalb des Bermuda-Dreiecks. So fahren die beiden zusammen mit Aitkens Sohn Charles und ihrer Besatzung aufs Meer hinaus und unternehmen eine Tauch-Exkursion. Doch kurz nachdem Collinson und Charles unter Wasser eine auf eine alte Zivilisation hinweisende goldene Statue gefunden haben und infolge dessen an Bord brutale Raffgier ausbricht, werden sie allesamt von riesenhaften, tentakeligen Ungetümen durch eine Art Ozean-Tunnel nach Atlantis verfrachtet, das von einer außerirdischen Zivilisation und weiteren Untieren bewohnt wird. Die Außerirdischen versklaven die Menschen, die sie entführen konnten und haben Ähnliches mit den neuesten Opfern vor – doch Aitken und seine Crew haben etwas dagegen...

„Aber sie leben doch hier wie in einem Riesenkäfig!“ – „Leben die Menschen auf der Erde nicht auch in einem Gefängnis? Oder wie wollen Sie Ihre Staaten nennen?“

„Tauchfahrt des Schreckens“ entpuppt sich als kunterbunter Abenteuer/Fantasy/Science-Fiction-Mix; ein Kreaturen- und Effektspektakel, das voller abgefahrener Ideen steckt. Bereits der Beginn mutet phantastisch an, wenn Collinson und Charles in einer offenen Taucherglocke in unerforschte Tiefen mitten im Bermuda-Dreieck vordringen. Bereits nach 15 Minuten passiert die erste Konfrontation mit einer Riesenkreatur, doch statt sich wieder hochziehen zu lassen, wird das spektakuläre Vieh kurzerhand getötet. Von der Meuterei an Bord aufgrund des goldenen Fundstücks bekommt Aitken nichts mit, oben fliegen die Fetzen und auch die Patronenkugeln. Das war jedoch erst der Auftakt dieser Sause, denn schon bald steht man Admir (Michael Gothard, „Lifeforce - Die tödliche Bedrohung“) und seiner Armee Auge in Auge gegenüber, die ihren außerirdischen Modegeschmack offensichtlich nach Atlantis retteten und in tuntigen Fetischklamotten Respekt einfordern. Die Kulissen, die zum Teil in künstliche Farben getaucht werden und originelle, stylische Bauten aufweisen, verfügen über eine tolle, grelle Fantasy-Ästhetik, fremdartig und faszinierend. Höhepunkte sind aber die Kreaturen, die trotz des augenscheinlich geringen Budgets sorgfältig modelliert und animiert wurden und einige unvergessliche Fratzen aufweisen – ein Fest für jeden juvenil gebliebenen Monsterfreund! Fliegende Springpiranhas, Schießereien und allgemein viel Action runden das von durchaus patenten Darstellern und auch mit ein wenig freiwilligem Humor vorgetragene Spektakel ab, das zu keiner Sekunde langweilt. Einen besonders unvorhersehbaren Überraschungsmoment präsentiert man als Tüpfelchen auf dem I in Form der Zukunftsmaske, mittels derer Aitken bereits einen Blick in die Gräuel des 20. Jahrhunderts erhaschen kann, wofür man auf authentische Aufnahmen zurückgriff. Eine eingebettete, angedeutete Romanze zwischen der atlantischen Schönheit Delphine (Lea Brodie, „The Lifetaker“) und Collinson bleibt angenehm kitschfrei, wenngleich sie auch gern genutzten Anlass bietet, Collinson als helden- und tugendhaften Kämpfer zu stilisieren.

„Ihr Geist, Atkin, ist noch dem Irdischen verhaftet.“

Differenzierte Charaktere und Tiefgang in psychologischer Hinsicht (wohlgemerkt – immerhin befindet man sich x Meilen unter dem Meeresspiegel) sind natürlich nicht die Stilmittel dieses Films; seinen Stilmix, der auf schöne Weise den Bermuda-Dreieck- mit dem Atlantis-Mythos zusammenführt, beherrscht Connor aber technisch wie dramaturgisch absolut gekonnt und sorgt für überaus gelungene, kurzweilige Unterhaltung – und zwar nicht nur für die vielzitierten „verregneten Sonntagnachmittage“, denn mit seinen furchterregenden Monstren und manch kruder Idee eignet er sich auch gut als Einstieg in einen Unterwasserhorror-Themenabend. Manch auf die Gegenwart oder die jüngere Vergangenheit bezogener kritischer oder gar philosophisch angehauchter Dialog verleiht dem Ganzen sogar einen leichten Anstrich eines über den reinen Unterhaltungs- und Wohlfühlfaktor hinausgehenden Anspruchs. Liebhaber britischen Phantastik-Genrekinos sollten in jedem Falle aufhorchen, sofern sie die „Tauchfahrt des Schreckens“ noch nie angetreten haben. Connors andere Filme seiner Quasi-Tetralogie sind mir bislang unbekannt, haben aber mein Interesse geweckt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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The Pit and the Pendulum
Spanien im Jahre 1492: Die Inquisition unterdrückt das Land. Hexenjagd, Folter und Mord im Namen der Religion - in den Verliesen von Großinquisitor Torquemada wird der Tod zur Gnade. Maria wird als Hexe verhaftet. Von ihrer Schönheit fasziniert, schwankt Torquemada zwischen Lust und Keuschheit. Maria steht am Abgrund der Hölle...
„Vertrau der Kirche!“

Das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends läutete US-Regisseur Stuart Gordon („Re-Animator“) mit einer Charles-Band-Produktion (Full Moon Pictures), „The Pit and the Pendulum“ aus dem Jahre 1991, ein. Für seine sehr freie Adaption des Edgar-Allan-Poe-Stoffs, deren Drehbuch erneut aus der Feder Dennis Peolis („Re-Animator“, „From Beyond“) stammte, griff Gordon das dunkle Kapitel der spanischen Inquisition auf.

Wir schreiben das Jahr 1492: Das Land erzittert unter dem Terror der Inquisition. Willkürlich werden Frauen der Hexerei bezichtigt und im Namen Gottes gefoltert und ermordet. Großinquisitor Torquemada (Lance Henriksen, „Aliens“) lässt auch die junge, attraktive Maria (Rona de Ricci) verhaften, von deren Schönheit er fasziniert ist. Doch während er seine abartige Sexualität und seinen Sadismus an ihr auslebt, eilt ihr angetrauter Antonio (Jonathan Fuller, „Castle Freak“) herbei, um sie aus den Fängen der Inquisition zu retten. Parallel ist ein Gesandter des Papstes unterwegs zum Schloss Torquemadas, um die Kunde zu überbringen, von derartiger Folter zukünftig abzusehen – und dann ist da noch die geheimnisvolle Esmeralda (Frances Bay), die ebenfalls der Hexerei angeklagt ist und sich eine Kerkerzelle mit Maria teilt...

Die Kirche ist seit jeher ein Sammelbecken für Irre, Sadisten, Perverse, Vergewaltiger, Rassisten, Sexisten, Antisemiten, Homophobe, Menschenschinder, Frauen- und Kinderschänder, Mörder und andere Sozio- und Psychopathen jeglicher Couleur. Ihre blutige Geschichte bietet sich demnach hervorragend an für Horror- und Exploitation-Filme. Nachdem Ende der 1960er bzw. in den 1970ern bereits einige Filme sich sehr drastisch mit der Thematik auseinandersetzten, versucht Gordon gar nicht erst, in splatterige Gefilde von „Hexen bis aufs Blut gequält“ und Konsorten vorzudringen, sondern vermengt seine Mischung aus Horror, Historiendrama und Schauerromanze inkl. Erotik/Fetisch-Sex-Schlagseite mit Motiven aus Edgar Allan Poes Kurzgeschichten und positioniert sich irgendwo zwischen ebengenannten Vorreitern und den stilvollen Corman’schen Poe-Verfilmungen, die so gut wie gar nicht auf explizit-blutige Schauwerte setzten. Mit den trashigen Direct-to-Video-Produktionen der Full-Moon-Schmiede hat „The Pit and the Pendulum“ glücklicherweise wenig zu tun; man ließ Gordon offensichtlich weitestgehend freie Hand und mit (s)einem erfahrenen Team zusammenarbeiten.

„The Pit and the Pendulum“ zeigt direkt zu Beginn die Willkür der Inquisition und geizt nicht mit der Darstellung nackter Haut, wobei sich de Ricci mit ihrem makellosen Körper hervortut. Im Folgenden charakterisiert man eindringlich Großinquisitor Torquemada als einen finsteren, abartigen Mann, der es sich in seinem großzügigen Schloss in seiner eigenen Sado-Maso-Welt eingerichtet hat, sich selbst gerne mal masochistischen Neigungen hingibt und generell seine Sexualität nicht ganz unter Kontrolle hat, womit der Bogen gespannt wird von unerfüllter sexueller Lust zu als Ventil dienenden Gewaltausbrüchen. Lance Henriksen entpuppt sich für diese Rolle als Traumbesetzung. Es gelingt ihm, ohne allzu übertrieben auf die Pauke hauen zu müssen, die tiefen Abgründe seines Charakters darzustellen und eine respekt- und furchteinflößende Aura zu entwickeln. Gefilmt wurde in einem italienischen Kastell, das man stilsicher und morbide mit Skeletten und anderen Devotionalien ausstattete. Die Handlung erscheint insofern relativ vielschichtig, als mehrere Handlungsstränge schließlich im Schloss Torquemadas zusammengeführt werden. Das ist jedoch zumindest dann etwas zuviel des Guten, wenn das Tempo zwischenzeitlich arg zurückgefahren wird und man sich ein wenig zu geschwätzig gibt, um alle Subplots zu bedienen. Keinesfalls gebraucht hätte es beispielsweise die phantastischen Elemente, die Esmeralda zu einer Art tatsächlicher Hexe erklären, deren Fluch am Ende eine große Rolle spielen wird. Letztlich schwächen diese Teile des Films den in der Realität verwurzelten antiklerikalen Aspekt unnötig ab, weichen die inquisitionskritische Komponente ungewollt auf. Besser weiß da zu gefallen, dass auch andere Poe-Geschichten als die titelgebende Einzug in den Film gehalten haben, wenn auch nur am Rande. Strenggenommen „am Rande“ kommen dann auch Grube und Pendel zum Einsatz, sind sie doch die ganz besonderen Schmankerl, die Torquemada seinem Eindringling Antonio zugedacht hat und ein hochspannendes, blutiges Finale einläuten. Dort kommen dann auch einige gelungene Spezialeffekte zur Geltung.

Am interessantesten sind in „The Pit and the Pendulum“ eindeutig die Antagonisten, denen Gordon und Peoli einige Absonderlichkeiten in Erscheinungsbild und Handlungen zuschrieben. Weniger erinnerungswürdig, weil in ihren Rollen sehr eindimensional angelegt, bleiben da Maria und Antonio, grundsätzlich machen aber beide eine gute Figur. Fans von Stuart-Gordon-Filmen werden sich über ein Wiedersehen mit Stammschauspieler Jeffrey „Dr. Herbert West“ Combs freuen, der eine der den Film mit etwas Humor auflockernden Nebenrollen übernahm, und Genrekenner werden Oliver Reed („Der Fluch von Siniestro“) als römischen Kardinal ausmachen. Untermalt wird das Geschehen von orchestraler Musik mit sakralen Gesängen, die sich nach einiger Zeit jedoch etwas abnutzt und mitunter gern ein wenig voluminöser hätte klingen dürfen. Nicht ganz unproblematisch ist der Look des Films, der ihn bisweilen bereits wie eine typische Full-Moon-Direct-to-Video-Produktion aussehen lässt. Es mangelt in gewisser Hinsicht an Kinogefühl, aber auch an der nötigen Dosis Schmutz und Dreck. Ersteres erweist sich nicht als sonderlich hilfreich, wenn Gordon versucht, die epische Breite seines Films zu vermitteln und letzteres geht zu Ungunsten des Realismus, wenn „The Pit and the Pendulum“ manchmal zu steril wirkt. Das ist schade, da dadurch trotz über die reine Zweckmäßigkeit hinausgehender Kameraarbeit aus den alten Gemäuern nicht das volle Potential geschöpft werden kann. Dass Stuart Gordon mit diesem Film seine gefeierten Werke aus dem vorausgegangenen Jahrzehnt nicht übertrumpft hat, dürfte allgemein bekannt sein, doch wie dem auch sei: Mit „The Pit and the Pendulum“ gelang ihm ein relativ starker, unterhaltsamer Film, dessen Genremix-Konzept mit dem Schwerpunkt auf Horror aufgeht und der besonders aufgrund der eindrucksvollen Leistung Henriksens, der stilsicheren Integrationen Poe’scher Lyrik und einiger wahrhaft außergewöhnlicher Einfälle – Stichwort: Schießpulververzehr und die Folgen, oder auch posthume Auspeitschungen – im Gedächtnis bleiben wird.
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Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All
In New Mexiko stürzt eine Raumkapsel ab, in der sich ein tödlicher Krankheitserreger verbirgt. Ein Forscherteam arbeitet in einem unterirdischen Labor unter extremem Hoch- und Zeitdruck an einem Gegenmittel...
US-Regisseur Robert Wise, der angesehene und immer auf ihre Weise besondere Genrefilme wie „Der Leichendieb“, „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ , „Star Trek – Der Film“ und „Bis das Blut gefriert“ drehte, inszenierte im Jahre 1971 mit „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ eine Verfilmung des gleichnamigen Romans Michael Crichtons („Jurassic Park“).

Eine Raumkapsel des US-Militärs stürzt in einem Dorf in New Mexico ab. Anscheinend hatte diese einen außerirdischen Organismus an Bord, der innerhalb kurzer Zeit die gesamte Dorfbevölkerung dahingerafft hat – mit Ausnahme eines Alkoholikers und eines Babys. Ein Team renommierter Wissenschaftler wird zusammengerufen, um konspirativ im unterirdischen Forschungskomplex „Flächenbrand“ den Ursachen auf den Grund zu gehen sowie den Organismus zu isolieren und unschädlich zu machen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

„Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ ist ein Science-Fiction-Film der etwas anderen Sorte: Nach der erschrecken Einstiegssequenz, die die Toten in New Mexico zeigt – unvergesslich, wie das geronnene, sandartige Blut aus einem Opfer rieselt –, wird minutiös nachgezeichnet, wie das Elite-Forscherteam zusammenbeordert wird und welche Maßnahmen durchgeführt werden, damit es überhaupt mit seiner Arbeit beginnen kann. Im Zuge dessen werden die einzelnen Rollen unterschiedlich charakterisiert, Wise nimmt sich viel Zeit für seine Protagonisten. Der dokumentarische Stil des Films findet seine Fortsetzung in der Darstellung der Forschungsarbeiten, die gänzlich ohne offensichtliche Effekthascherei auskommen. Da werden Daten in Computer gespeist, Proben in sterilen Räumen untersucht, die Überlebenden betreut und befragt... all das erweckt den Eindruck großer Realitätsnähe, womit im Vorspann bereits gespielt wird, als das sicherlich noch unter dem Eindruck der ersten Mondlandung stehende Publikum mit der angeblichen Authentizität der Ereignisse konfrontiert und damit in Unruhe versetzt wird. Wer jedoch außerirdische Kreaturen in Monsterform und ein dementsprechendes Spezialeffekt-Spektakel erwartet, kommt hier nicht auf seine Kosten. Die Bedrohung in „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ ist fast gänzlich unsichtbar und eben das ist es, was sie so besonders gefährlich macht.

Die Dialoge indes bestehen nicht aus pseudowissenschaftlichem Geplapper wie in so vielen Genrekollegen, sondern beschreiben fundiert und für halbwegs wache Geister nachvollziehbar die Arbeiten des Teams und die Eigenschaften des Organismus. Und visuell bekommt man durchaus etwas geboten: Eine zum Film passende futuristische, klinische Optik, die Hochmoderne statt naive Science-Fiction-Vorstellungen von zahlreichen blinkenden Lichtern vermittelt, sowie viel Technik in Form der Gerätschaften und ihrer jeweiligen Ausgabe, mit deren Hilfe die Forschungen durchgeführt werden. Man sagt, dass für diesen Film sogar die erste in einem Kinofilm verwendete Computeranimation erstellt wurde, und zwar für die grafische Darstellung des Bewegungsradars der Forschungsstation. Die Schauspieler Arthur Hill („Futureworld - Das Land von übermorgen“), David Wayne, James Olson („Phantom Kommando“) und Kate Reid („Tod eines Handlungsreisenden“) führen als Forschungsteam durch den Film und erledigen ihre Aufgabe bravourös und arm an gängigen Klischees. Im Laufe der Handlung wird gegen Ende endlich das Rätsel gelöst, weshalb ausgerechnet ein Trinker und ein Neugeborenes überlebten, woraufhin die Spannungsschraube noch einmal kräftig angezogen wird. Mögliche Infektionen von Teammitgliedern, der sich verändernde, mutierende Organismus und schließlich der in Gang gesetzte Selbstzerstörungsmechanismus „Flächenbrands“ lassen den Atem stocken und bescheren dem Zuschauer ein packendes Finale, in dessen Zuge es tatsächlich noch zu so etwas wie Actionszenen kommt und grüner Schleim genrekonform zum Angriff bläst. Kurz bevorstehende Atombombenabwürfe, die die Regierung ohne viel Zögern durchzuführen bereit ist, sowie Hinweise auf die wahre Herkunft des Organismus versehen „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ zudem mit einer starken autoritätskritischen Note, die in der Lage ist, blindes Vertrauen in die Obrigkeit nachhaltig zu erschüttern.

Lässt man den Ausgang des Films noch einmal Revue passieren, erkennt man, wie wenig das hochrangige Forscherteam letztlich ausrichten konnte und wie viel Glück im Spiel war. Die mahnende Botschaft des Films: Es ist gerade noch mal gut gegangen, es hätte aber auch ganz anders ausgehen können. Ja, „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ hinterlässt ein mulmiges Gefühl, was exakt die angepeilte Wirkung vermutlich auch Crichtons gewesen sein dürfte. Wer sich auf einen anspruchsvollen, extrem ruhigen und nüchternen, aber durchdachten und intelligenten Science-Fiction-Film einlassen kann, wird mit „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ sehr erfüllende 130 Minuten verleben. Science-Fiction einmal anders, und das auf hohem Niveau.
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Die Totengruft des Dr. Jekyll

„Sie sprach vorhin von Selbstmord!“ – „Ach, die Leute, die darüber reden, tun’s nie!“

Der österreichstämmige Regisseur Edgar G. Ulmer („Die schwarze Katze“) drehte nach seiner Emigration in die USA auch so manch Low-Budget-Produktion, unter anderem den klassischen, komplett in Schwarzweiß gedrehten B-Grusler „Die Totengruft des Dr. Jekyll“ aus dem Jahre 1957.

Janet Smith hat sich mit George Hastings verlobt und kehrt mit ihm zurück in das Anwesen ihrer Kindheit. Dort erwartet sie Dr. Lomas, der ihr eine gute und eine schlechte Nachricht unterbreitet. Die gute: Sie ist die eigentliche Besitzerin des Anwesens, Dr. Lomas hatte es nach dem Tod ihrer Eltern lediglich für sie verwaltet. Die schlechte: Sie ist die Tochter des berüchtigten Dr. Jekyll, der mit seiner Persönlichkeitsspaltung die Region in Angst und Schrecken versetzte. Fortan fürchtet Janet, das gleiche Schicksal zu erfahren und wird von Alpträumen geplagt. Doch sind es wirklich nur Träume? Immerhin erwacht sie eines morgens mit Blut an den Händen...

„Die Totengruft des Dr. Jekyll“ lief seinerzeit im Doppel mit „The Cyclops“ in den USA und kam in den 1960ern auch nach Deutschland, wo man, um die Spielzeit von nicht einmal 70 Minuten etwas zu strecken, eine eigene Rahmenhandlung in Form eines Pro- und Epilogs hinzudrehte, dafür aber auf den kürzeren – und wesentlich stimmigeren – Pro-/Epilog der US-Fassung verzichtete. Jedoch muss angemerkt werden, dass der US-Prolog bereits einiges der Handlung vorwegnimmt. Doch worum geht es nun eigentlich? Richtig, eine Möchtegern-Fortsetzung der Geschichte von Dr. Jekyll, der mittels eines Serums zu Mr. Hyde wurde. Kurioserweise wirft man entscheidende Aspekte des Klassikers komplett über Bord, ließ das Serum größtenteils unter den Tisch fallen, macht aus Dr. Jekyll nach seiner Verwandlung einen Werwolf und aus all dem eine anscheinend vererbbare Krankheit! Insofern ist beinahe davon auszugehen, dass man zunächst eine etwas andere Geschichte im Sinn hatte, um letztlich dann doch auf einen prominenten Namen zu setzen und wie so häufig in der Geschichte des klassischen phantastischen Films eine Quasi-Fortsetzung mit weiblichem Geschlecht in der Hauptrolle (Originaltitel: „Daughter of Dr. Jekyll“) zu suggerieren. Die Vermengung der Jekyll/Hyde- mit der Werwolf-Mythologie sorgt bei Genrekennern indes vermutlich tatsächlich für Aufsehen und hat etwas Spaßig-Trashiges – wirklich etwas daraus gemacht hat man aus den sich dadurch ja auch bietenden Möglichkeiten allerdings nicht.

Etwas unbeholfen wirkt auch das Miniaturmodell des alten Herrenhauses um die Jahrhundertwende, das trotz ausgiebiger Nebelschwaden nur schwer kaschiert werden kann. Die hübsche Gloria Talbott („I Married a Monster from Outer Space“), die mich mit ihrem markanten Äußeren ein wenig an Barbara Steele erinnert, führt als weibliche Hauptrolle an der Seite des alten Westernmimen und erfahrenen B-Movie-Darstellers John Agar („Tarantula“, „Die Augen des Satans“, „The Mole People“ etc.) durch den Film, der mit vielen Dialog- und Innenszenen arbeitet, die recht statisch erscheinen – trotz Ulmers Regietalent sollte man keine findigen, expressionistischen Schattenspielereien oder andere Kamera-Schmankerl erwarten. Stattdessen bekommen wir einen etwas hüftsteifen und demotiviert wirkenden John Agar in einem scheußlichen und zudem anachronistischen Streifenhemd präsentiert, der glücklicherweise nicht mehr Screentime als Arthur Shields als Dr. Lomas bekommen hat, denn letzterer spielt wirklich gut den freundlichen, facettenreichen, etwas mysteriösen älteren Herren. Richtig interessant wird es sodann in den Alptraumszenen Janets sowie in den gelungenen, atmosphärischen Außenaufnahmen, die vermutlich gar keine waren, jedoch unter den dichten Nebelschwaden hübsch gruselig und auch etwas fremdartig-bedrohlich anmuten. Eine Verwandlungsszene im laufenden Bild wie bereits in der 1931er Original-„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Verfilmung weiß durchaus zu beeindrucken und auch die Make-up-Effekte können sich sehen lassen. Selbst etwas Erotik fand überraschenderweise in den Film in Form einer platinblonden Frau in Unterwäsche, die vom Monster durchs Fenster beobachtet wird – wenngleich auch diese Szene doch wieder arg anachronistisch erscheint.

Die Pointe des Films ist mehr oder weniger schon zu einem frühen Zeitpunkt vorhersehbar; 100%ig sicher kann man sich aber nie sein, weshalb ein Rest an Spannung verbleibt. Unterm Strich hat man es bei „Die Totengruft des Dr. Jekyll“ mit einem charmanten, kurzweiligen, typischen B-Movie seiner Zeit zu tun, der am Rande das Thema Autosuggestion streift, dessen viele Schwächen von einigen Stärken zumindest teilweise wettgemacht werden und der Freunde dieser Art von nostalgischer Unterhaltung zufriedenstellen sollte. Ein Klassiker des Genres ist er aber beileibe nicht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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