Karl or Karla goes to Cinema

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Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

30.9.2017, 20:30, City46, Bremen
ARRIVAL (2016) OmU
R: Denis Villemeuve, D: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O’Brien, Tzi Ma; M: Jóhann Jóhannes

An 12 verschiedenen Orten der Welt erscheinen außerirdische Raumschiffe und machen nichts. Die US_Amerikaner versuchen Experten zu holen, um eine Kommunikation mit den Fremden aufzubauen. Dr. Louise Banks ist die Frau der Wahl. Schrittweise entwickelt sie eine Verständigungsebene mit für den Militär ungewöhnlichen Vorgehensweisen. Zwar gibt es auch den Austausch mit Forschern an den 11 anderen Stellen, doch, das Militär versteht mal wieder was anderes, die Zusammenarbeit wird gekappt, es droht ein Angriffskrieg.
Was ein ruhiger, spannender, schöner, nachdenkenswerter Sci Fi Film.
Es geht um Sprache, Kommunikation und deren Grenzen, Zeit, Ängste und neben bei gibt es noch Sozialkritik. Ich hatte lange keinen Film mehr, bei dem nach dem Film die Ideen durchgedacht, weitergesponnen und diskutiert wurde. Herrlich. Un d das alles wunderbar gespielt von Amy Adams, die hat eigentlich eine Solo-Show, Jeremy Renner und Forest Whitaker sind eigentlich nur Stichwortgeber.
Und Villeneuve führt uns auch mal in die Irre. Z. B. gibt es am Anfang im Schnelldurchlauf das Leben ihrer Tochter, dann sieht man sie alleine am Fenster stehen, und ich dachte so: Na, das ist ja mal eine billige Motivation für eine Frau, die sich dann so in die Arbeit stürzt, die ihr aber auch nicht so recht wichtig ist. Tja, voll geirrt.
Also Amy Adams sehr gut.
Insgesamt ein langsamer, sphärischer Film, immer wieder unterbrochen vom Tempo, auf den das Militär drückt, an den schnell abgespulten Rückblicken.
Und: es gibt die Außerirdischen zu sehen, eine zeitlang war ich da unsicher, ob die noch kommen. Und die sind gut animiert und phantasievoll ausgestaltet.
Die Musik ist sehr passend, sphärisch mit merkwürdigen Geräuschen. Der Komponist hat ja schon häufiger mit Villeneuve gearbeitet und jetzt auch Mother! von Aronofsky vertont.
Unbedingte Empfehlung.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

1.10.2017, 14:30 Metropolis Hamburg
HARD BOILED (1992) OmenglU
R: John Woo, D: Chow Yun-Fat, Tony Leung Chiu Wai, Teresa Mo, Anthony Wong Chau-Sang, Philip Kwok, Philip Chan, Hoi-Shan Kwan, Wei Tung, Bowie Lam, John Woo; M: Michael Gibbs

Warum ist eigentlich immer Bomben-Sonnenwetter, wenn ich nach Hamburg zum Kino fahre? Und in Oldenburg immer eher so mau? Egal.
Die wunderschöne amerikanische 35mm Kopie ging auf kurze Europa-Tour, da konnten es sich die Bremer Deliria-Abteilung es sich natürlich nicht lumpen lassen und machte sich auf den Weg.
Das Genre Heroic Bloodshed brach ja so Ende 80er / Anfang 90er über unsere Videotheken, in meiner Erinnerung kamen die alle gleichzeitig und wurden über zwei Sommer abgefeiert und dann kam nicht mehr viel. Das hatte auch mit John Woos Abgang nach Hollywood zu tun. Aber immerhin gab es vorher: The Killer, A better tomorrow 1 & 2, Bullet in the head…
Hard Boiled war sozusagen Woos Abschiedsgeschenk und ein Sammelsurium der Genre-Kennzeichen. Verdeckte Ermittler, die als Killer arbeiten, moralische Polzisten, die ohne Rücksicht auf Verluste für die Wahrheit ermitteln. Ermitteln heißt hier natürlich nicht klassische Detektivarbeit, sondern irgendwo hinfahren und ordentlich Shoot-Out betreiben. Und das alles übertrieben: Einerseits in den herumrennen und schiessen, da wird immer lieber das geschlossene Fenster als die offene Tür genommen, wenn man stolpert, ist das ein Anlass zum Schiessen nicht zum Abstützen. Andererseits in den Gefühlen: da ist keiner nur ein guter Kumpel sondern gleich gibt es immer eine tiefe innige Verbindung in Liebe oder Hass. Einzig mit der Dreierbeziehung zwischen Mann – Frau – Mann wird hier ein wenig gespielt, da der eine Typ keine amourösen Ambitionen hat.
Einzig neu ist hier die Babyploitation.
Das passiert alles natürlich tot ernst, später wurde so was ja immer nur in lustig oder ironisch gebrochen gedreht. Und wir haben hier auch die richtigen Schauspiler dazu, große Könner: Chow Yun-Fat und Tony Leung als Heroen, Anthony Wong als Oberfieser, Teresa Mo als Love Interest und Stunt Koordinator Philip Kwok als Killer mit Ehre!
Die Musik ist dieses 80er Synthie- und Saxophon- Gegniedel. Ein paar Spuren von Miami Vice gestohlen, ein wenig verzerrt, ein wenig ruppiger. Herrlich.
Insgesamt ein wunderbarer Film, der sehr viel Spaß macht und die zwei Stunden wie im Fluge vergehen lassen.
High Light!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

8.10.2017, 11:30 Uhr, Schauburg großer Saal,
BLADE RUNNER - FINAL CUT (1982)
R: Ridley Scott, D: Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young, Edward James Olmos, Daryl Hannah, M. Emmet Walsh, Joe Turkel, William Sanderson, Brion James, Joanna Cassidy, Morgan Paull, James Hong; M: Vangelis
Double Feature am Sonntagmittag. Bevor wir uns auf die Weiterführung des „Blade Runner“ – Kosmos einlassen, vorher noch mal das Original, im Final Cut.
Zur Story brauch man ja nicht viel zu sagen: Lose basierend auf der PK Dick – Geschichte, verfolgen wir hier Deckard auf seinem Weg durch das futuristische LA, er versucht, seine Aufträge zu erfüllen, sogenannte Replikanten in den Ruhestand zu bringen. Dabei verliert er sich immer mehr in Widersprüche….
Im wunderschönen „Noir trifft Metropolis“-Style werden wir hier durch die Stadt geführt, und alleine das macht zwei Stunden Spaß, ob wir oben auf den Dächern wie in Gotham hängen, unten im Regen mit Zeitung beim Strassen-Chinesen essen, uns durch Müll wühlen müssen. Deckard ist hier auch kein Detektiv im ermittelnden Sinne, sondern halt im Noir-Sinne: Whiskey, Femme Fatale, Grüblerisch, brutal.
Das spielt Harrison Ford großartig, und immer wieder wird die gerade angeregte Sympathie ihm gegenüber wieder abgerieben. Hier fiel mir vor allem die Szene auf, die ich so gar nicht mehr in Erinnerung hatte: Wie er im Prinzip mit Gewalt Rachael zurückhält und „umprogrammiert“, um mit ihr eine gemeinsame Basis hat. Auch frug ich mich, womit Bryant ihn eigentlich in der Hand hat.
Verhandelt werden hier philosophische Fragen nach dem Leben, die Frage nach Authentizität, und eine der großen Fragen der 80er: Wie lebt man sein Leben im Anbetracht des Todes?
Auf großer Leinwand ist das wunderbar, man schaut sich um und ist richtig drin, einzig die Musik von Vangelis ist für mich nicht so gut gealtert.
Für mich ist Blade Runner ja auch immer ein Spiegel zu Godards Alphaville. Auch da ein Sci Fi mit Noir-Anleihen, ein Old School Detektiv schlägt sich in einer futuristischen Stadt herum. Da wäre mal eine Neusichtung oder ein anderes Double Feature spannend.
Also, einfach gesagt: Meisterwerk, gehört zu den Top-Filmen der 80er und überhaupt.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

8.10.2017, 13:45 Uhr, Schauburg, großer Saal
BLADE RUNNER 2049 (2017) 2D
R: Denis Villeneuve, D: Ryan Gosling, Harrison Ford, Robin Wright, Ana de Armas, Wood Harris, Jared Leto, Barkhad Abdi, Elarica Johnson, Dave Bautista, Hiam Abbass, David Dastmalchian, Mackenzie Davis, Sylvia Hoeks, Lennie James, Carla Juri, Edward James Olmos, Sean Young; M: Hans Zimmer, Benjamin Wallfisch

Double Feature, Teil 2, quasi direkt im Anschluss vom alten Blade Runner im Kinosaal den neuen. Da ich hier Handlung und Deutung kaum voneinander trennen kann (bin auch noch nicht abschließend mit meinen Gedanken) setze ich mal das meiste in Spoiler Tags.
► Text zeigen
Zusammenfassung: Guter Film, guckt ihn euch an, aber ist schon eine andere Hausnummer, wenn auch die gleiche Strasse wie der Originalfilm.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

8.10.17, 20:45 Uhr, Cinema Bremen
Weird Xperience präsentiert:
THE EYES OF MY MOTHER (2016), OmU
R: Nicolas Pesce, D: Kika Magalhães, Olivia Bond, Diana Agostini , Paul Nazak, Will Brill, Joey Curtis-Green, Clara Wong, Flora Diaz; M: Ariel Loh

Irgendwo im Nichts der USA lebt eine kleine Familie auf einem Hof. Mutter bringt der kleinen Tochter die Legende von Franz von Assisi nahe und zeigt ihr, wie man an einem toten Kuhkopf die Augen seziert. Ein Fremder kommt, bringt die Mutter um, der Vater schlägt ihn nieder und schaut dann nur noch Bonanza. Das hinterlässt Spuren bei Franziska….
Hau, was ein trauriger, fieser, z. T. kranker Film. In schwarz – weiß gedreht, auf englisch und portugiesisch. Das Trauma der Tochter, die wir in Stationen beim Erwachsen werden begleiten, äußert sich Kannibalismus, Mordlust und anderem Drängen. Und das ist nicht spektakulär oder exploitativ gezeigt, das Schlimmste passiert im off. Aber angefüllt von einer tiefen traurigkeit. Eigentlich sucht sie nur einen Freund und entdeckt die Wünsche, die oft zum größer werden dazugehören: Sexualität, Wunsch nach einer Famile…
Hypnotisch in seinen Bildern, man wird reingezogen in diese traurige brutale Welt, die Hauptdarstellerin macht das richtig gut, und in großen Bildern gedreht.
Den Pesce sollte man im Auge behalten!
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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Freitag, der 13.10.17, 20:15 Uhr, Werkstattkino München, Deliria lud ein:

DAS SCHLOSS DER BLAUEN VÖGEL (1971) 35mm
R: Fernando Di Leo, D: Klaus Kinski, Margaret Lee, Rosalba Neri, Jane Garret, John Karlsen, Gioia Desideri, John Ely, Fernando Cerulli, Sandro Rossi, Giulio Baraghini, Ettore Geri, Antonio Radaelli; M: Silvano Spadaccino

Ein Sanatorium voller Frauen mit verschiedenen Problemen, Selbstmordgefahr, Depression, Nymphomanie (Vielleicht auch nur das Problem, im trauten Heim als Hausfrau nicht richtig zu funktionieren und von ihrem Mann hier abgeschoben zu werden). Und in Ärzte, die tagsüber in weißen Kitteln, abends in Anzügen herumlaufen und deren Therapie darin besteht, die Frauen Croquet nach undurchschaubaren Regeln spielen zu lassen, abends zu einer Partie Schach oder Mühle herauszufordern, oder für ihr sexuelles Wohlbefinden zu sorgen. Dumm nur, dass sich hier ein Serienmörder eingenistet hat, der nicht nur die ausgestellten Mittelalterwaffen gerne und ausgiebig nutzt, sondern sich auch in den vielfältigen Geheimgängen auskennt. Irgendwann kommt dann doch mal die Polizei, leider nicht Heinz Drache und Eddi Arendt, sondern Schlapphut und der eigentlich aus guten Gründen versteckte Bruder von Harry Klein, die auch nicht so recht ermitteln wollen. Aber es ermittelt sich von selbst, und am Ende werden wir mit einer Edgar Wallace- oder Scooby Doo Auflösung überrascht.
Eine Konsalik – Verfilmung wohl eher so gar nicht (Obwohl nach Marcos Einführungsteil ich diesen Roman noch umso mehr lesen will), eine sehr fremdartige Mischung aus atmosphärischen, fiesen Bildern, Giallo-Morden, nackter schöner Haut, amateurhaftes und einfach nur Unglaubliches.
Der Cast besticht durch ausgesucht schöne Frauen, Kinski, der die ganze Zeit ein wenig neben sich steht, und Stichwortgeber.
Wenn man sich intensiver auf so etwas vorbereitet, hat man ja ein bisschen mehr Spaß, weil man ja auch so guckt, ob das gesagte so durchgängig stimmt, bzw. wiederzufinden ist. Und der Blick wandert ein wenig mehr.
Insgesamt macht der Film doch Spaß, ist nicht so ernst zu nehmen, und wirkt wie ein Flickwerk.
Außerdem wird er für mich immer mit einer inzwischen verschwundenen Neuköllner Kneipe und einem peinlichen Erlebnis zu tun haben.
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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Freitag, der 13.10.17, 22:15 Uhr, Werkstattkino München, Deliria lud ein:

SADO – STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF (1979) 35mm
R: Joe D’Amato, D: Kieran Canter, Cinzia Monreale, Franca Stoppi, Sam Modesto, Anna Cardini; M: Goblin

Ein reicher Hobby-Präparator verliert seine Verlobte und damit seinen letzten Anker in einer normalen Welt. Die Beziehung zu seiner toten Mutter, zu seiner Ersatzmutter- und Geliebten und sein Hobby lassen ihn immer mehr in den Wahnsinn abgleiten, befeuert von seiner Haushälterin in Tat und Magie.
Berüchtigt durch seine brutalen und fiesen Szenen, von denen es in der Tat einige gibt, die so richtig reinhauen (lebendig verbrennen, Maniküre etwas anders, Säurebad), leider nicht berühmt durch seine anderen Stärken (ich zähle die Goreszenen durchaus dazu).Atmosphärisch gefilmt, grandioser Score, und sehr gut gespielt. Zu erst hielt ich den Hauptdarsteller fehlbesetzt, einfach nur so ein junger Hübschling, aber wie er immer mehr in den Wahnsinn getrieben wird bzw. auch sich selbst treibt, ist spannend anzusehen. Auch sehr gut die beiden wichtigen Frauenrollen, dargestellt von Franca Stoppi als Übermutter, und Cinzia Monreale als Mädchen aus der realen Welt.
Der Score passt einfach super, obwohl es nur ein paar Melodiefetzen sind, die Goblin gekonnt variiert.
Dieses Ding auf großer Leinwand zu sehen war einfach ein Knaller, selbst so schmieriges wie die Joggerinnen-Szene wirkte gut.
Mir kam dabei ja auch immer PSYCHO in den Sinn, wahrscheinlich durch eine große Motivüberschneidung.
Meisterwerk!
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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Samstag, 14.10.17, Werkstattkino München, 15 Uhr, Deliria

NEUN LEICHEN HAT DIE WOCHE (1977)
R: Pupi Avati, D: Gianni Cavina, Francesca Marciano, Carlo Delle Piane, Greta Vayan, Michele Mirabella, Flavia Giorgi, Giulio Pizzirani, Bob Tonelli, Luciano Bianchi, Carla Astolfi; M: Amedeo Tommasi

Ein etwas trotteliger naiver Büchervertreter (irgendwo zwischen Groucho Marx und Woody Allan) kommt in altes Anwesen und wird da in einem Erbschaftskampf hineingezogen. Ein Erbe nach dem anderen kommt ums Leben.
Nun, das klingt nicht besonders originell, und ist es letztendlich von der Story auch nicht. Aber das ist alles wunderbar gespielt, am meisten trägt hier Carlo Delle Piano, der ein super Timing hat.
Und es gibt auch Giallohaftes: Die Morde, die Story, das Anwesen, die Stimmung, die Bilder. Erinnert auch an Avatis HAUS DER LACHENDEN FENSTER.
Also haben wir hier Gothic Horror, Giallo, alles im Gewand der Komödie. Nun hat die italienische Komödie ja so ihre Eigenheiten, die mir persönlich zu oft ins zotenhafte und alberne abdriftet. Hier werden diese Hürden zu meist umschifft. Ab und an gibt es zwar ein paar allzu platte Schenkelklopfer, aber dann wird man wieder durch Atmosphärisches belohnt.
Ein paar Längen schienen sich auch eingeschlichen zu haben, oder ich hatte dann doch dem Wochenende geschuldet ein paar Tiefs.
Schön, so eine seltene Arbeit Avatis auf großer Leinwand zu sehen.
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Samstag, 14.10.17, Werkstattkino München, 17:15 Uhr, Deliria

ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER (1970)
R: Elio Petri, D: Gian Maria Volonté, Florinda Bolkan, Gianni Santuccio, Sergio Tramonti, Massimo Foschi, Salvo Randone, Orazio Orlando, Arturo Dominici, Aldo Rendine, Aleka Paizi; M: Ennio Morricone

Der Dottore, Chef der Mordkommission, wird zum Chef der politischen Polizei ernannt. Er führt eine Beziehung zu einer komplizierten Frau, mit der er sado-masochistisches teilt, Tatorte nachstellt und mit der er auch ansonsten ein Zwanghaftes und Ungesundes verbindet.
Eines Tages bringt er sie um und hinterlässt viele Indizien, die auf ihn weisen. Er spielt ein Spiel zwischen Erwischt werden und Verwischen, es scheint, als wolle er sehen, wie weit er gehen kann, da es in seiner Machtposition unmöglich sein kann, dass er der Täter ist.

Wow, was für ein Solostück für Volonté. Wie er hier diesen machtgeilen Typen spielt, zwischen verspielt, neurotisch, zwanghaft, überlegen, selbstsicher ist unglaublich. Und das alles in einer Politsatire von Petri sehr spannend in Szene gesetzt. Hier wird Psychofilm und Politiklehrstück elegant und fast organisch zusammengesetzt. Und immer noch hochaktuell, wo es in der Welt der Mächtigen immer mehr offensichtliche Psychopatische auf Plätzen sitzen, bei denen sie sich fast alles erlauben können.
Ich war hin und weg von dieser guten Kopie, von dem Spiel, und von der Musik Morricones. Hier gibt der Meister sein bestes.
Ein Klassiker, der in jeden 70er Jahre Filmkanon gehört.
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31.10.2017, 20:30 Uhr, CITY 46, großer Saal
ENEMY (2013) OmU
R: Denis Villeneuve, D: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini, M: Daniel Bensi, Saunder Juriaans

Werkschau Denis Villeneuve.
Ein Geschichtslehrer lebt leidenschaftslos in Ritualen, aufstehen, unterrichten, nach Hause, Freundin kommt, ritualisierter Sex... Eines Tages entdeckt er nach einem Small Talk in einem Film seinen Doppelgänger, er macht sich auf diesen zu finden. Das bringt sein Leben, das Leben seines grundverschiedenen Doppelgänger und der beiden Frauen an ihren Seiten durcheinander.
Der Grundton des gesamten Film ist immer ein wenig neben der Realität, angefangen bei der hedonistischen Anfangsszene, in der Crush Fetish gefrönt wird, bis hin zu dem Leben des Lehrers und dem Handeln aller Personen.
EIne wichtige Rolle spielt hier die Stadt Toronto, bzw. dessen Bild, was hier gezeigt wird. Kalt, unmenschlich, entindividualisierend. Gebäude zwischen Beton, Art Brut, reflektierende Glasfronten. Und das alles in einer Dunstglocke.
Es geht hier um die Konstruktion des Individuums, um Individualität. Was macht den Menschen aus, ist da noch mehr als das rituelle Sein? Was ist mit Träumen, Leidenschaft, Bewußtsein? Bestimmt die Situation, in der wir leben, das was und wie wir sind?
Dies alles im langsamen Tempo, mit einem eher Geräusche-Score (durchbrochen selten von guten Songs, Jonathan Richman!!!). Toller Kamera mit verblassten Farben (obwohl: bei den dunklen Szenen bin ich mir nicht so sicher, das Bild war hier auf großer Leinwand leider nicht gut, weiß nicht, ob das eine DVD-Projektion war, im dunklen gab es kaum Details zu sehen und das Schwarz war nicht sehr schwarz zu Beginn, und Details sind wohl in der Eröffnungsszene schon sehr wichtig), und ein guter Cast: Jake Gyllenhaal in einer tollen Doppelnummer, verunsicherter unentschlossener Lehrer, aus dem es auch herausbricht und hedonistischer, egoistischer Pseudoschauspieler andererseits. Die beiden Frauen (Mélanie Laurent kam mir aus Inglourious Basterds bekannt vor) machen ihre Sache zwischen Erkennen und Verunsicherung und Akzeptanz auch sehr gut, Sarah Gadon hatte als schwangere Frau des Fiesen den tieferen Part und begeistert. Isabella Rossellini ist in einer kleinen Szene zu sehen, nicht ganz so wichtig.
Villeneuve hier eigentlich ähnlich zu Arrival tief philosophisch (es wird sogar direkt Hegel und Marx zitiert, und die Sein/Bewußtsein-Problematik kommt ein hier in den Sinn, allerdings nicht aus einer soziologischen Herleitung), es wird auch ähnlich erzählt, auch wenn das Setting ein vollkommen anderes ist.
Empfehlung!
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